Unterrichtung durch die Bundesregierung
Stellungnahme der Bundesregierung zu der Entschließung des Bundesrates Kinderrechte im Grundgesetz verankern

Bundesministerium der Justiz
Berlin, den 18. Juli 2012

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Horst Seehofer

Sehr geehrter Herr Präsident,
der Bundesrat hat in seiner 890. Sitzung am 25. November 2011 eine Entschließung zur Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz angenommen - Bundesratsdrucksache 386/11(B) HTML PDF .

Hierzu möchte ich im Namen der Bundesregierung wie folgt Stellung nehmen:

Die Bundesregierung setzt sich nachdrücklich für die Rechte der Kinder ein. Beispielhaft möchte ich auf die durch die Bundesregierung erklärte Rücknahme der seit 1992 bestehenden Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention hinweisen sowie auf das am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getretene Bundeskinderschutzgesetz, das den Kinderschutz bundesweit entscheidend verbessert und in dessen Rahmen sich der Bund ab 2012 vier Jahre lang mit insgesamt 177 Mio. Euro sowie ab 2016 dauerhaft mit 51 Mio. Euro jährlich zur Stärkung der Netzwerke "Frühe Hilfen" und der psychosozialen Unterstützung von Familien engagiert.

Die vom Bundesrat geforderte ausdrückliche Normierung von Kinderrechten im Grundgesetz würde Kindern allerdings nicht mehr Rechte verschaffen, als ihnen jetzt schon von Verfassung wegen zustehen. Die Rechte von Kindern sind in Deutschland durch die Grundrechte in Verbindung mit den vom Bundesverfassungsgericht hierzu entwickelten Leitlinien verfassungsrechtlich abgesichert. Kinder sind wie Erwachsene Träger der Grundrechte. Dem Kind kommen sowohl eigene Menschenwürde als auch ein eigenes Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit zu. Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG garantiert den in der Entschließung geforderten Schutz von Kindern vor Gewalt und Vernachlässigung. Anerkannt ist auch der wichtige Anspruch von Kindern auf Pflege und Erziehung, der aus Artikel 6 Absatz 2 GG folgt.

Auf der Grundlage von Artikel 6 GG hat das Bundesverfassungsgericht im Übrigen ein differenziertes, wohlaustariertes System der wechselseitigen Rechte und Pflichten im Dreiecksverhältnis Eltern-Kind-Staat entwickelt. Eine Grundgesetzänderung ist auch insoweit nicht erforderlich.

Viel eher als durch naturgemäß abstrakt formulierte Grundrechte kann die konkrete Lebenssituation von Kindern - sofern geboten und haushalterisch möglich - durch gezielte tatsächliche Hilfen verbessert werden, die die immer wieder geschehenen tragischen Todesfälle von Kindern wegen Vernachlässigung und Misshandlung verhindern helfen.

Mit freundlichen Grüßen
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger