Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. Mai 2008 über die Folgemaßnahmen zur Pariser Erklärung von 2005 über die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe (2008/2048(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 112095 - vom 13. Juni 2008.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 22. Mai 2008 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass die derzeitige Konzentration auf die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit zu der Schlussfolgerung geführt hat, dass die Entwicklungshilfe zu wenig leistet, und zwar in Folge mangelnder Koordinierung zwischen den Gebern und aufgrund der Existenz zu vieler Projekte und Programme mit unterschiedlichen Verfahrensweisen,

B. in der Erwägung, dass diese unzulängliche Situation zu einem niedrigen Niveau an Eigenverantwortlichkeit, zu wenig effektiven Programmen sowie zu der Tatsache führt, dass die Entwicklungsländer mit Anforderungen seitens der Geber geradezu überfrachtet werden; ferner entsteht dadurch eine Kluft zwischen den so genannten "Lieblingen" und "Waisen" der Gebergemeinschaft und eine Vernachlässigung wichtiger Bereiche wie Gesundheit, Bildung und Förderung gleichstellungsgerechter Programme,

C. in der Erwägung, dass die Europäische Union mehr als die Hälfte der weltweit gewährten offiziellen Entwicklungshilfe (ODA) leistet, dass sie über die erforderlichen Kapazitäten verfügt, um zum effizientesten Geber zu werden, und dass sie daher eine führende Rolle auf der internationalen politischen Bühne spielen sollte um die notwendigen Reformen für eine bessere Wirksamkeit der Hilfe voranzutreiben

D. in der Erwägung, dass das übergeordnete Ziel der EU-Entwicklungspolitik darin besteht im Kontext der auf die Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele (MDG) ausgerichteten neuen Entwicklungshilfe-Architektur die Armut zu beseitigen,

E. in der Erwägung, dass die wirtschaftliche Entwicklung, die soziale Entwicklung und der Schutz der Umwelt ineinander greifende Elemente darstellen, die Hand in Hand gehen mit der nachhaltigen Entwicklung, an der auch die Bemühungen um eine Verbesserung der Lebensqualität für alle im Sinne von Ziffer 36 der Erklärung von Beijing orientiert sind, die am 15. September 1995 auf der Vierten Weltfrauenkonferenz in Beijing angenommen wurde,

F. in der Erwägung, dass der Umweltschutz in der Prioritätenliste der Europäischen Union oben angesiedelt ist und die Kommission folglich dieses Ziel bei der Gesamtheit ihrer Politiken in Bezug auf Entwicklungsländer mitberücksichtigen muss

G. in der Erwägung, dass die Kommission als einer der Motoren fungieren möchte, die die Umsetzung der Agenda über die Effizienz der Entwicklungszusammenarbeit vorantreiben und in dem Zusammenhang zwei eng miteinander verknüpfte Ziele verfolgt:

H. in der Erwägung, dass aus jüngsten OECD-Zahlen hervor geht, dass die EU- Hilfe 2007 beträchtlich zurückgegangen ist,

I. in der Erwägung, dass die Zusagen der Europäischen Union für mehr und bessere Entwicklungshilfe auch beinhalten sollten, dass sie den Anteil ihrer offiziellen Entwicklungshilfe (ODA) am Bruttonationaleinkommen (BNE) bis 2010 auf 0,56 % steigert neue stärker vorhersehbare und geringeren Schwankungen unterworfene Hilfemechanismen konzipiert und gleichzeitig eine bessere Koordination und Komplementarität fördert, indem sie auf eine gemeinsame Mehrjahresprogrammierung hinarbeitet, die auf den Plänen und Systemen der Partnerländer beruht sowie auf einer weiteren Entkopplung und Reform der technischen Unterstützung zwecks Berücksichtigung nationaler Prioritäten; in der Erwägung, dass in dem Zeitraum 2006 bis 2007 der BNE-Anteil, den die Europäische Union für ODA aufgebracht hat, zum ersten Mal seit 2000 zurückgegangen ist, und zwar von 0,41% auf 0,38%, und dass die Europäische Union ihre Bemühungen also regelrecht verdoppeln muss, um die Zielvorgabe der MDG zu erfüllen und 2015 insgesamt 0,7% ihres BNE für die ODA zur Verfügung zu stellen;

J. in der Erwägung, dass sich die Politik der Union und die Politik der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit gemäß Artikel 180 des EG-Vertrags - gestärkt durch Artikel 188 d des Vertrags von Lissabon - ergänzen und gegenseitig verstärken müssen, wobei die Europäische Union und die Mitgliedstaaten eine bessere Koordination zwischen den Gebern und eine bessere Arbeitsteilung anstreben sollten, was zu größerer Entwicklungshilfe-Effizienz beitragen wird,

K. in der Erwägung, dass indessen das Risiko besteht, dass die ehrgeizigen Ziele des Europäischen Konsens für die Entwicklung - einschließlich anderer politischer Ziele wie Migration und Handel - die Konzentration auf die Entwicklungszusammenarbeit verwässern und dazu führen könnten, dass der Konsens, der im Rahmen der internationalen Entwicklungshilfeagenda zur Armutsbekämpfung erzielt wurde, infolge mangelnder Kohärenz zwischen den verschiedenen EU-Politiken verwässert wird erinnert in diesem Zusammenhang an Ziffer 35 des Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik, derzufolge es wichtig ist, "dass die Politik auch in anderen Bereichen als der Entwicklungshilfe die Bemühungen der Entwicklungsländer um eine Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele unterstützt",

L. in der Erwägung, dass die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte zu einem kritischen Mangel an medizinischem und anderem Fachpersonal in Entwicklungsländern geführt hat, was wiederum zur Folge hat, dass die geleisteten Hilfemaßnahmen vor Ort häufig nicht greifen können,

M. in der Erwägung, dass das Entwicklungshilfesystem immer komplexer wird, was deutlich wird durch eine starke Zunahme der Hilfskanäle, zunehmende Fragmentierung, noch mehr Lieferanbindung und durch den wachsenden Einflusses aufstrebender Wirtschaftsmächte als Akteure in der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern - was dann zu noch mehr Fragmentierung und Überschneidungen bei den Geber-Tätigkeiten auf internationaler, nationaler und sektorübergreifender Ebene führt,

N. in der Erwägung, dass in den nächsten Jahren eine der institutionellen Herausforderungen darin bestehen wird, dass die Frage bewältigt werden muss, wie die zwölf neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ihrer Rolle als aufstrebende Geberländer am besten gerecht werden können, da manche dieser Geber Schwierigkeiten mit der Anpassung an die vom DAC der OECD festgelegten Standard-Leitlinien der Entwicklungszusammenarbeit haben,

O. in der Erwägung, dass diese Situation ein Hindernis für effektive Hilfeleistung darstellen könnte,

P. in der Erwägung, dass das derzeitige System der Beihilfenbewilligung häufig ungenügend ist, wodurch viele arme Länder und kritische Problemstellungen wie die Bereiche Gesundheit, Bildung, sozialer Zusammenhalt und Geschlechtergleichstellung - nur geringe Beihilfen erhalten,

Q. in der Erwägung, dass die Europäische Union verpflichtet ist, das Problem der "verwaisten" oder vernachlässigen Länder und Sektoren im Kontext ihres oben erwähnten "Verhaltenskodexes für Arbeitsteilung in der Entwicklungspolitik" anzugehen und nun damit beginnt, über Beihilfen für fragile Konstellationen nachzudenken

R. in der Erwägung, dass es - im Rahmen des Kontrollmechanismus des Instruments der Entwicklungshilfezusammenarbeit (DCI), das mit der Verordnung (EG) Nr. 1905/20064 geschaffen wurde -, sowie einzelne Mitgliedstaaten ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht haben, dass das übergeordnete Ziel der Armutsbeseitigung nicht immer in der Hilfe vor Ort Niederschlag findet,

S. in der Erwägung, dass eine große Anzahl von Studien gezeigt hat, dass effektive Rechenschaftspflicht bezüglich der Nutzung von Entwicklungshilfe unter Einbeziehung der Bürger einer der Hauptindikatoren für die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe ist, dass die Hilfeleistungen aber nach wie vor unter einem Mangel an Transparenz und Offenheit leiden; in der Erwägung, dass dieser Transparenzmangel den Regierungen, lokalen Behörden und Bürgergesellschaften in den Empfängerländern den Zugang zu Informationen erschwert und somit auch ein beträchtliches Hindernis für eine bessere Nutzung der Hilfemaßnahmen darstellt,

T. in der Erwägung, dass Hilfe häufig nach Maßgabe der Prioritäten und Zeitpläne der Geber geleistet wird, ohne dass genügend Bemühungen unternommen werden, um auf nationale Planungen und Entwicklungsprioritäten oder auf den nationalen Haushaltsvollzug Rücksicht zu nehmen, was es den Empfängerländern erschwert, ihre Haushaltspläne effizient vorzubereiten oder vorauszuplanen; für die Parlamente, die Bürgergesellschaft und übrigen Akteure wird es dadurch ferner schwierig, Hilfeleistungen und deren Wirksamkeit zu kontrollieren,

U. in der Erwägung, dass die Nutzung partnereigener Institutionen und Systeme einen Kernpunkt der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit darstellt und als wichtiges Mittel betrachtet wird, um die Eigenverantwortung der Partnerländer bezüglich Konzeption und Umsetzung von Hilfemaßnahmen zu stärken; daher in der Erwägung, dass die Nutzung der Systeme von Empfängerländern voraussichtlich auch die nationalen Entwicklungsstrategien und Durchführungsrahmen der Partnerländer stärken wird,

V. in der Erwägung, dass der Mangel an bedarfsorientierter technischer Hilfe - laut einer jüngsten Studie über das OECD-Monitoring zur Umsetzung der Pariser Erklärung - ein zentrales Thema für die Entwicklungsländer darstellt, weil technische Hilfe weiterhin häufig von Lieferanbindung und überhöhten Preisen überschattet ist und darüber hinaus oft effektiv nicht zum Aufbau lokaler Kapazitäten führt die Artikel 31 der DCI-Verordnung behandelt,

W. in Erwägung der ausschlaggebenden Rolle der nationalen Parlamente, wenn es darum geht, die Sensibilisierung zu verbessern und auf die Reform der Entwicklungshilfe-Architektur zu drängen - z.B. durch Erörterung und Verabschiedung von Entwicklungsrahmen und -budgets oder durch die Bewilligung von Mitteln für armutsbedingte Problemsektoren, Förderung der Arbeitsteilung -, oder aber wenn es darum geht, Regierungen in Bezug auf die Umsetzung der Pariser Erklärung zur Rechenschaft zu ziehen,

X. in der Erwägung, dass die lokalen Behörden Schlüsselakteure in der Entwicklungspolitik sind, insofern als ihre Erfahrungen und ihre Kenntnisse der Bedarfslage vor Ort es ihnen ermöglichen, Tag für Tag die Erwartungen der Menschen zu vermitteln und die Kluft zwischen Bevölkerung und Staat zu überbrücken

Y. in der Erwägung, dass die Rolle der Bürgergesellschaft von wesentlicher Bedeutung ist sowohl als Partner im politischen Dialog über die Effizienz der Hilfemaßnahmen als auch als "Aufsichtsinstanz" bezüglich der Regierungsausgaben,

Z. in der Erwägung, dass das DCI festschreibt, dass bis maximal 15% der thematischen Kreditlinien nichtstaatlichen Akteuren und lokalen Behörden zur Verfügung gestellt werden sollen, und dass dieser positive Trend, der höchst wahrscheinlich mehr Hilfe-Effizienz mit sich bringt, Hand in Hand gehen sollte mit der verstärkten Verfolgung einer dezentralisierten Entwicklungszusammenarbeit seitens der Mitgliedstaaten,

AA. in der Erwägung, dass die Europäische Union sicherstellen muss, dass der Aktionsplan über die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit, der von dem Dritten Hochrangigen Forum über die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit im September 2008 in Accra festgelegt werden soll, strikt auf Armutsreduzierung und langfristig auf die Beseitigung der Armut ausgelegt ist

AB. in der Erwägung, dass eine Verbesserung sowohl hinsichtlich der Qualität als auch der Quantität der Hilfe ausschlaggebend ist für die Erreichung der MDG, und die Wirksamkeit der Hilfe kein Vorwand dafür sein kann, dass die Mitgliedstaaten die von ihnen gemäß den Monterrey-Konsenses eingegangenen Verpflichtungen nicht einhalten

AC. in der Erwägung, dass der Europäische Konsens über die Entwicklungspolitik die Geschlechtergleichstellung als gesondertes Ziel verfolgt und die Europäische Union dazu verpflichtet, in allen Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit verstärkt den Weg des "Mainstreaming" zu beschreiten; in der Erwägung, dass die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat mit dem Titel "Gleichstellung und Teilhabe - Die Rolle der Frau in der Entwicklungszusammenarbeit" (KOM (2007) 0100) die EU-Geber verpflichtet, die wirksame Umsetzung von Strategien und Maßnahmen zugunsten von Frauen zu gewährleisten die auch wirklich greifen,

AD. in der Erwägung, dass die Schaffung von Frieden auf lokaler, nationaler, regionaler und weltweiter Ebene erreichbar und dieses Streben verknüpft ist mit der Förderung von Frauen, da sie eine treibende Kraft nicht nur für das Familienleben und die Erziehung der Kinder, sondern auch für öffentliche Initiativen, Konfliktlösung und die Förderung eines anhaltenden Friedens auf allen Ebenen sind, wie in Ziffer 18 der Erklärung von Beijing festgestellt,