Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 16. Mai 2012 zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon

A. Problem und Ziel

Durch das Vertragsgesetz sollen die von deutscher Seite erforderlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten des Protokolls vom 16. Mai 2012 zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon (BGBl. 2008 II S. 1038, 1039) geschaffen werden. Dieses stellt fest, dass die Bestimmungen des Vertrags in den Bereichen Recht auf Leben, Familie und Bildung, Steuerpolitik sowie der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) im Einklang mit der irischen Verfassung stehen.

B. Lösung

Das Protokoll vom 16. Mai 2012 zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon bedarf der Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften gemäß Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Gemäß Artikel 23 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes ist die Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates erforderlich.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Durch die Ausführung des Gesetzes entstehen keine unmittelbaren zusätzlichen Kosten für Bund, Länder und Kommunen.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Es werden keine Vorgaben oder Informationspflichten für Bürgerinnen und Bürger eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Es werden keine Vorgaben oder Informationspflichten für Unter nehmen eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Es entsteht kein Erfüllungsaufwand für die Verwaltung.

F. Weitere Kosten

Kosten für die Wirtschaft und soziale Sicherungssysteme entstehen nicht.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 16. Mai 2012 zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, den 31. August 2012
Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates

Hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 16. Mai 2012 zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Auswärtige Amt.

Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 02.11.12

Entwurf
Gesetz zu dem Protokoll vom 16. Mai 2012 zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Dem in Brüssel am 21. Mai 2012 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Protokoll vom 16. Mai 2012 zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon (BGBl. 2008 II S. 1038, 1039) wird zugestimmt. Das Protokoll wird nachstehend veröffentlicht.

Artikel 2

Begründung zum Vertragsgesetz

Allgemeiner Teil

Der Europäische Rat hat am 19. Juni 2009 im Wege eines rechtsverbindlichen Beschlusses der Staats- und Regierungschefs ein zusätzliches Protokoll zum Vertrag von Lissabon vereinbart (Protokoll zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon). In dem Protokoll wird festgestellt, dass die Bestimmungen des Vertrags in den Bereichen Recht auf Leben, Familie und Bildung, Steuerpolitik sowie der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) im Einklang mit der irischen Verfassung stehen. Die Verabschiedung des Protokolls war ein wichtiges Element zur Vorbereitung des Referendums zum Vertrag von Lissabon in Irland im Jahr 2009. Durch dessen Hinzufügung wird der Vertrag von Lissabon in seiner Substanz nicht geändert.

Dieser Beschluss muss von allen Mitgliedstaaten nach ihren innerstaatlich vorgeschriebenen Verfahren ratifiziert werden. Vereinbart wurde, das Protokoll im zeitlichen Zusammenhang mit dem nächsten Beitrittsvertrag (in diesem Falle: mit dem Vertrag zum Beitritt der Republik Kroatien zur Europäischen Union) zu ratifizieren.

Mit Schreiben ihres Ständigen Vertreters vom 20. Juli 2011 hat die irische Regierung dem Rat einen Vorschlag gemäß Artikel 48 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) zur Änderung der Verträge mittels Beifügung des Protokolls übermittelt. Der Europäische Rat hat am 23. Oktober 2011 gemäß Artikel 48 Absatz 3 EUV die Anhörung des Europäischen Parlaments und der Kommission veranlasst. Gegenstand dieser Anhörung war sowohl der vorgeschlagene Protokollentwurf als auch der Vorschlag, für den Fall der Vertragsänderung durch das Hinzufügen des Protokolls auf die Einberufung eines Konvents zu verzichten. Das Europäische Parlament hat am 18. April 2012 mittels eines Plenarbeschlusses eine positive Stellungnahme zur weiteren Behandlung des Protokolls zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon abgegeben und zugestimmt, auf die Einberufung eines Konvents zu verzichten. Die Europäische Kommission hat ihre positive Stellungnahme am 4. Mai 2012 abgegeben. Der Europäische Rat hat nach Vorliegen der Stellungnahme der Europäischen Kommission ein schriftliches Verfahren eingeleitet und mit einfacher Mehrheit beschlossen, keinen Konvent einzuberufen und das Mandat für eine Konferenz der Vertreter der Mitgliedstaaten festzulegen.

Die Regierungskonferenz zur Prüfung und Vereinbarung des Protokolls zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon ist am 10. Mai 2012 vom Europäischen Rat einberufen worden und fand am 16. Mai 2012 auf Ebene der Ständigen Vertreter bei der Europäischen Union in Brüssel statt. Der Beschluss der Regierungskonferenz über die Zustimmung zum Protokoll zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon erfolgte am 16. Mai 2012 mit der erforderlichen Einstimmigkeit. Der deutsche Ständige Vertreter hat das Protokoll am 21. Mai 2012 unterzeichnet.

Das Protokoll zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon bedarf nach seinem Artikel 4 der Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten. Ziel ist, dass das Protokoll am 30. Juni 2013 in Kraft tritt.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1

Auf das Protokoll zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon ist Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes anzuwenden, da es die politischen Beziehungen des Bundes regelt und sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht. Das Vertragsgesetz bedarf nach Artikel 23 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat (vgl. BVerfGE 123, 267).

Zu Artikel 2

Die Bestimmung des Absatzes 1 entspricht dem Erfordernis des Artikels 82 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.

Nach Absatz 2 ist der Zeitpunkt, zu dem das Protokoll nach seinem Artikel 4 Absatz 3 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.

Schlussbemerkung

Durch das Vertragsgesetz entstehen keine unmittelbaren zusätzlichen Kosten für die öffentlichen Haushalte. Die Bestimmungen des Protokolls zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon treffen keine quantitativen finanziellen Festlegungen. Es werden keine Informationspflichten für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger oder die Verwaltung eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.

Protokoll zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon

Das Königreich Belgien, die Republik Bulgarien, die Tschechische Republik, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, Irland, die Hellenische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Zypern, die Republik Lettland, die Republik Litauen, das Großherzogtum Luxemburg, Ungarn, Malta, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Republik Polen, die Portugiesische Republik, Rumänien, die Republik Slowenien, die Slowakische Republik, die Republik Finnland, das Königreich Schweden, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland im Folgenden "Die Hohen Vertragsparteien" - unter Hinweis auf den Beschluss der im Europäischen Rat auf seiner Tagung vom 18. und 19. Juni 2009 vereinigten Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon, unter Hinweis auf die Erklärung der im Europäischen Rat auf seiner Tagung vom 18. und 19. Juni 2009 vereinigten Staats- und Regierungschefs, dass sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des nächsten Beitrittsvertrags die Bestimmungen des genannten Beschlusses in ein Protokoll aufnehmen würden, das nach Maßgabe ihrer jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügt wird, in Anbetracht der Unterzeichnung des Vertrags zwischen den Hohen Vertragsparteien und der Republik Kroatien über den Beitritt der Republik Kroatien zur Europäischen Union durch die Hohen Vertragsparteien - sind über folgende Bestimmungen übereingekommen, die dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügt werden:

Titel I
Recht auf Leben, Familie und Bildung

Artikel 1

Weder die Bestimmungen des Vertrags von Lissabon, die der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Rechtsstatus verleihen, noch die Bestimmungen dieses Vertrags im Bereich der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts berühren in irgend - einer Weise den Geltungsbereich und die Anwendbarkeit des Schutzes des Rechts auf Leben nach den Artikeln 40.3.1, 40.3.2 und 40.3.3, des Schutzes der Familie nach Artikel 41 und des Schutzes der Rechte in Bezug auf Bildung nach den Artikeln 42, 44.2.4 und 44.2.5 der Verfassung Irlands.

Titel II
Steuerwesen

Artikel 2

Durch den Vertrag von Lissabon erfolgt für keinen Mitgliedstaat irgendeine Änderung in Bezug auf den Umfang und die Ausübung der Zuständigkeiten der Europäischen Union im Bereich der Steuerpolitik.

Titel III
Sicherheit und Verteidigung

Artikel 3

Die Union lässt sich bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene von den Grundsätzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der universellen Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, der Achtung der Menschenwürde, den Grundsätzen der Gleichheit und der Solidarität sowie der Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts leiten.

Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist integraler Bestandteil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und sichert der Union eine Operationsfähigkeit, so dass sie Missionen außerhalb der Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen durchführen kann.

Sie berührt weder die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der einzelnen Mitgliedstaaten, einschließlich Irlands, noch die Verpflichtungen irgendeines Mitgliedstaats.

Der Vertrag von Lissabon berührt oder beeinträchtigt nicht Irlands traditionelle Politik der militärischen Neutralität.

Es ist Sache der Mitgliedstaaten - einschließlich Irlands, das im Geiste der Solidarität und unbeschadet seiner traditionellen Politik der militärischen Neutralität handelt -, zu bestimmen, welche Art von Hilfe oder Unterstützung sie einem Mitgliedstaat leisten, der von einem Terroranschlag oder einem bewaffneten Angriff auf sein Hoheitsgebiet betroffen ist.

Ein Beschluss über den Übergang zu einer gemeinsamen Verteidigung erfordert einen einstimmigen Beschluss des Europäischen Rates. Es wäre Sache der Mitgliedstaaten, einschließlich Irlands, nach Maßgabe des Vertrags von Lissabon und ihrer jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften zu entscheiden, ob der Beschluss zu einer gemeinsamen Verteidigung gefasst wird.

Dieser Titel berührt oder präjudiziert in keiner Weise die Haltung oder Politik anderer Mitgliedstaaten im Bereich der Sicherheit und Verteidigung.

Es ist auch Sache jedes einzelnen Mitgliedstaates, nach Maßgabe des Vertrags von Lissabon und etwaiger innerstaatlicher Rechtsvorschriften zu entscheiden, ob er an der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit teilnimmt oder sich an der Europäischen Verteidigungsagentur beteiligt.

Der Vertrag von Lissabon sieht weder die Schaffung einer europäischen Armee noch die Einberufung zu irgendeinem militärischen Verband vor.

Er berührt nicht das Recht Irlands oder eines anderen Mitgliedstaates, Art und Umfang seiner Verteidigungs- und Sicherheitsausgaben sowie die Art seiner Verteidigungsfähigkeit zu bestimmen.

Es ist Sache Irlands und jedes anderen Mitgliedstaats, nach Maßgabe etwaiger innerstaatlicher Rechtsvorschriften einen Beschluss über eine etwaige Teilnahme an Militäroperationen zu fassen.

Titel IV
Schlussbestimmungen

Artikel 4

Dieses Protokoll liegt bis zum 30. Juni 2012 zur Unterzeichnung durch die Hohen Vertragsparteien auf.

Dieses Protokoll wird durch die Hohen Vertragsparteien sowie von der Republik Kroatien, falls das Protokoll im Zeitpunkt des Beitritts der Republik Kroatien zur Europäischen Union noch nicht in Kraft getreten ist, im Einklang mit ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften ratifiziert. Die Ratifikationsurkunden werden bei der Regierung der Italienischen Republik hinterlegt.

Dieses Protokoll tritt wenn möglich am 30. Juni 2013 in Kraft, sofern alle Ratifikationsurkunden hinterlegt worden sind, oder andernfalls am ersten Tag des auf die Hinterlegung der Ratifikationsurkunde durch den letzten Mitgliedstaat folgenden Monats.

Artikel 5

Dieses Protokoll ist in einer Urschrift in bulgarischer, dänischer, deutscher, englischer, estnischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, lettischer, litauischer, maltesischer, niederländischer, polnischer, portugiesischer, rumänischer, schwedischer, slowakischer, slowenischer, spanischer, tschechischer und ungarischer Sprache abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist; es wird im Archiv der Regierung der Italienischen Republik hinterlegt; diese übermittelt der Regierung jedes anderen Mitgliedstaats eine beglaubigte Abschrift.

Sobald die Republik Kroatien gemäß Artikel 2 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Kroatien durch dieses Protokoll gebunden ist, wird der kroatische Wortlaut dieses Protokolls, der gleichermaßen verbindlich ist wie die in Absatz 1 genannten Wortlaute, im Archiv der Regierung der Italienischen Republik hinterlegt; diese übermittelt der Regierung jedes anderen Mitgliedstaats eine beglaubigte Abschrift.

Zu Urkund dessen haben die unterzeichneten Bevollmächtigten ihre Unterschriften unter dieses Protokoll gesetzt.

Geschehen zu Brüssel am sechzehnten Mai zweitausendzwölf.

Denkschrift

I. Allgemeiner Teil

Voraussetzung für ein Inkrafttreten des am 13. Dezember 2007 von den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) unterzeichneten Vertrags von Lissabon (VvL) war eine Ratifikation in allen 27 Mitgliedstaaten. In der Republik Irland wurde am 12. Juni 2008 ein Referendum zur Frage der Ratifizierung abgehalten, bei dem die Mehrheit der Abstimmenden die Ratifikation durch Irland ablehnte. Der Europäische Rat (ER) nahm dies auf seiner Tagung am 19./20. Juni 2008 zur Kenntnis.

Auf der Tagung des ER am 11./12. Dezember 2008 informierte der irische Premierminister den ER über die Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des VvL in Zusammenhang mit der Steuerpolitik, Fragen der Familien- und Sozialpolitik und der Ethik sowie der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik hinsichtlich der traditionellen Neutralitätspolitik Irlands (vergleiche Anlage 1 zu den ER-Schlussfolgerungen vom 12. Dezember 2008). Zudem machte der irische Premierminister Bedenken hinsichtlich einiger sozialer Fragen, einschließlich Arbeitnehmerrechte, geltend. Der ER vereinbarte daraufhin, den geltend gemachten Anliegen Rechnung zu tragen. Im Gegenzug sagte die irische Regierung zu, die Ratifizierung des VvL bis zum Ende der Amtszeit der damaligen Kommission anzustreben.

Entsprechend der Vereinbarung stellte der ER im Dezember 2008 die Gewährung rechtlicher Garantien zu den folgenden Punkten in Aussicht:

Auf der Tagung des ER am 18./19. Juni 2009 wurden ein "Beschluss der im Europäischen Rat vereinigten Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon" (Anlage 1 zu den Schlussfolgerungen vom 19. Juni 2009) und eine "Feierliche Erklärung zu den Rechten der Arbeitnehmer, zur Sozialpolitik und zu anderen Angelegenheiten" (Anlage 2 zu den genannten Schlussfolgerungen) angenommen. Der ER nahm ferner von der "Nationalen Erklärung Irlands" (Anlage 3 zu den erwähnten Schlussfolgerungen) Kenntnis. Der Beschluss legt Garantien in den vom ER am 11./12. Dezember 2008 umschriebenen Bereichen fest. Unter Bezugnahme auf den Beschluss erklärten die Staats- und Regierungschefs, dass

Mit dem Protokoll wird allein darauf abgezielt, den im Beschluss enthaltenen Klärungen uneingeschränkten Vertragsstatus zu verleihen, damit den Anliegen der irischen Bevölkerung entsprochen wird. Sein Status wird dem ähnlicher Klärungen in Protokollen entsprechen, die andere Mitgliedstaaten erwirkt haben. Das Protokoll dient der Klärung, ändert jedoch weder den Inhalt noch die Anwendung des VvL.

Das Protokoll hat somit lediglich klarstellenden Charakter, ändert aber den VvL weder in seinem Inhalt noch in seinem Anwendungsbereich. Das irische Protokoll hält fest, dass weder die Bestimmungen des VvL, die der Charta der Grundrechte der EU Rechtsstatus verleihen, noch die Bestimmungen dieses Vertrags im Bereich der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts den Geltungsbereich und die Anwendbarkeit des Schutzes des Rechts auf Leben, des Schutzes der Familie und des Schutzes der Rechte in Bezug auf Bildung der Verfassung Irlands berühren und dass durch den VvL für keinen Mitgliedstaat irgendeine Änderung in Bezug auf den Umfang und die Ausübung der Zuständigkeiten der EU im Bereich der Steuerpolitik erfolgt. Zudem enthält das Protokoll klarstellende Bestimmungen im Hinblick auf die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU und der Mitgliedstaaten, inklusive der traditionellen Neutralitätspolitik Irlands.

Am 2. Oktober 2009 wurde in Irland ein zweites Referendum zum VvL abgehalten, als dessen Ergebnis Irland den VvL ratifizieren konnte. Der VvL konnte in der Folge am 1. Dezember 2009 in Kraft treten.

Irland hat mit Schreiben vom 20. Juli 2011 dem Rat gemäß Artikel 48 Absatz 2 EUV (ordentliches Vertragsänderungsverfahren) einen Vorschlag zur Änderung der Verträge unterbreitet, wonach den Gründungsverträgen der EU das irische Protokoll beigefügt werden soll. Der Rat hat den Vorschlag mit Schreiben vom 14. Oktober 2011 den nationalen Parlamenten übermittelt. Der ER hat auf seiner Tagung am 23. Oktober 2011 gemäß Artikel 48 Absatz 3 EUV beschlossen, das Europäische Parlament (EP) und die Kommission anzuhören und das EP mit der Begründung, dass im Hinblick auf den Umfang der geplanten Vertragsänderung die Einberufung eines Konvents nicht gerechtfertigt sei, zu ersuchen, seine Zustimmung zum Absehen von der Einberufung eines Konvents zu erteilen.

Der ER hat mit Schreiben vom 25. Oktober 2011 gemäß Artikel 48 Absatz 3 Unterabsatz 1 EUV das EP und die Kommission im Hinblick auf einen Beschluss des ER zugunsten einer Prüfung der zu den Verträgen vorgeschlagenen Änderungen konsultiert. Darüber hinaus hat er das EP gemäß Artikel 48 Absatz 3 Unterabsatz 2 EUV um Zustimmung ersucht, von der Einberufung eines Konvents abzusehen, da dessen Einberufung aufgrund des Umfangs der geplanten Vertragsänderung nicht gerechtfertigt sei.

Am 18. April 2012 hat das EP seine Zustimmung zum Verzicht auf die Einberufung eines Konvents und eine befürwortende Stellungnahme im Hinblick auf einen Beschluss des ER zugunsten einer Prüfung der zu den Verträgen vorgeschlagenen Änderungen abgegeben. Die Kommission hat am 4. Mai 2012 ebenfalls eine befürwortende Stellungnahme abgegeben. In Folge hat der ER am 11. Mai 2012 das Mandat für eine Regierungskonferenz zur Prüfung der Vertragsänderung festgelegt, welche vom Präsidenten des Rates noch am selben Tag für den 16. Mai 2012 einberufen wurde. Die Regierungskonferenz hat sich auf die an den Verträgen vorzunehmenden Änderungen geeinigt und die Vertragsänderung wurde in der Folge von Vertretern aller Mitgliedstaaten unterzeichnet. Nach Ratifizierung in allen Mitgliedstaaten wird das irische Protokoll in Kraft treten.

II. Besonderer Teil Zur Präambel

Die Erwägungsgründe verweisen auf den "Beschluss der im Europäischen Rat vereinigten Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon" vom 18./19. Juni 2009 und deren Erklärung, dass sie die Bestimmungen des genannten Beschlusses zum Zeitpunkt des Abschlusses des nächsten Beitrittsvertrags in ein Protokoll aufnehmen werden, das dem EUV und dem AEUV beigefügt wird. Zudem wird auf die Unterzeichnung des kroatischen Beitrittsvertrags hingewiesen.

Titel I
Recht auf Leben, Familie und Bildung

Zu Artikel 1

Dieser Artikel verweist auf die in der irischen Verfassung enthaltenen Bestimmungen zum Schutz des Rechts auf Leben (Artikel 40.3.1, 40.3.2 und 40.3.3), zum Schutz der Familie (Artikel 41) und zum Schutz der Rechte in Bezug auf Bildung in den Artikeln 42, 44.2.4 und 44.2.5 und stellt klar, dass die Bestimmungen des VvL, die der Charta der Grundrechte der EU Rechtsstatus verleihen, und die Bestimmungen im Bereich der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts keinen Einfluss auf Geltungsbereich und Anwendbarkeit der genannten irischen Verfassungsbestimmungen haben.

Titel II
Steuerwesen

Zu Artikel 2

In diesem Artikel wird festgehalten, dass der Umfang und die Ausübung der Zuständigkeiten der EU im Bereich der Steuerpolitik durch den VvL nicht geändert werden.

Rechtsgrundlage für den Erlass von Bestimmungen über indirekte Steuern ist Artikel 113 AEUV. Danach erlässt der Rat nach Anhörung des EP und des Wirtschafts- und Sozialausschusses Bestimmungen zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern, die Verbrauchsabgaben und sonstige indirekte Steuern, soweit diese Harmonisierung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts und die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen notwendig ist. Richtlinien zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zu anderen Steuern können gemäß Artikel 115 AEUV erlassen werden, wonach der Rat Richtlinien zur Angleichung derjenigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken, annimmt. Beide Regelungen sehen das Einstimmigkeitsprinzip vor.

Titel III
Sicherheit und Verteidigung

Zu Artikel 3

Die in Artikel 21 Absatz 1 Unterabsatz 1 EUV genannten Grundsätze für das auswärtige Handeln der EU - (Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, universelle Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Achtung der Menschenwürde, Grundsatz der Gleichheit und Grundsatz der Solidarität sowie Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts) werden in Absatz 1 wiedergegeben.

Absatz 2 ist an die Bestimmungen über die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Artikel 42 Absatz 1 EUV angelehnt.

In Absatz 3 wird festgestellt, dass die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik weder die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der einzelnen Mitgliedstaaten, einschließlich Irlands, noch die Verpflichtungen irgendeines Mitgliedstaats berührt.

Absatz 4 stellt klar, dass der VvL nicht Irlands traditionelle Politik der militärischen Neu tralität berührt oder beeinträchtigt.

In Artikel 42 Absatz 2 Unterabsatz 2 EUV ist festgehalten, dass die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten nicht berührt. Die in Artikel 42 Absatz 7 EUV vorgesehene Hilfeleistungspflicht lässt "den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt".

Absatz 5 sieht vor, dass es Sache der Mitgliedstaaten bleibt - einschließlich Irlands, das im Geiste der Solidarität und unbeschadet seiner traditionellen militärischen Neutralitätspolitik handelt - zu bestimmen, welche Art von Hilfe oder Unterstützung an einen von einem Terroranschlag oder bewaffneten Angriff betroffenen Mitgliedstaat geleistet wird.

Im Hinblick auf Terroranschläge ist in der Erklärung Nr. 37 zu Artikel 222 AEUV festgehalten, dass keine der Bestimmungen des Artikels 222 AEUV darauf abzielt, das Recht eines anderen Mitgliedstaats zu beeinträchtigen, die am besten geeigneten Mittel zur Erfüllung seiner Verpflichtung zur Solidarität gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat zu wählen. Für bewaffnete Angriffe auf einen Mitgliedstaat sieht Artikel 42 Absatz 7 Unterabsatz 1 Satz 1 EUV vor, dass in diesem Fall "die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen" schulden.

Absatz 6 sieht vor, dass ein Beschluss über den Übergang zu einer gemeinsamen Verteidigung einen einstimmigen Beschluss des ER erfordert und es somit Sache der Mitgliedstaaten, einschließlich Irlands, ist, nach Maßgabe des VvL und ihrer jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften zu entscheiden, ob der Beschluss zu einer gemeinsamen Verteidigung gefasst wird. Dies entspricht den Festlegungen des Artikels 42 Absatz 2 EUV.

Nach Absatz 7 präjudiziert oder berührt der Abschnitt des gegenständlichen Protokolls die Haltung oder Politik anderer Mitgliedstaaten im Bereich Sicherheit und Verteidigung nicht.

Gemäß Absatz 8 ist es Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats, nach Maßgabe des VvL und etwaiger innerstaatlicher Rechtsvorschriften zu entscheiden, ob er an einer ständigen strukturierten Zusammenarbeit teilnimmt oder sich an der Europäischen Verteidigungsagentur beteiligt. Dies entspricht den in Artikel 46 bzw. Artikel 45 EUV getroffenen Regelungen.

Absatz 9 stellt klar, dass der VvL keine Schaffung einer europäischen Armee oder Ein berufung zu irgendeinem militärischen Verband vorsieht.

Absatz 10 führt aus, dass der VvL nicht das Recht Irlands oder eines anderen Mitgliedstaats berührt, Art und Umfang seiner Verteidigungs- und Sicherheitsausgaben zu bestimmen. Nach Artikel 42 Absatz 3 Unterabsatz 2 Satz 1 EUV verpflichten sich die Mitgliedstaaten, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Gemäß Artikel 41 Absatz 2 Satz 2 EUV sind Mitgliedstaaten, deren Vertreter im Rat eine förmliche Erklärung nach Artikel 31 Absatz 1 Unterabsatz 2 EUV abgegeben haben, nicht verpflichtet, zur Finanzierung von Ausgaben für Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen beizutragen.

Nach Absatz 11 ist es Irland und jedem anderen Mitgliedstaat unbenommen, nach Maßgabe innerstaatlichen

Rechts einen Beschluss über eine Teilnahme an Militäroperationen zu fassen. Nach Artikel 43 in Verbindung mit Artikel 44 EUV kann der Rat die Durchführung einer Mission einer Gruppe von Mitgliedstaaten übertragen, die dies wünschen und die über die für eine derartige Mission erforderlichen Fähigkeiten verfügen.

Titel IV
Schlussbestimmungen

Zu Artikel 4

Dieser Artikel bestimmt, dass das Protokoll der Ratifikation durch alle Vertragsparteien und durch die Republik Kroatien, sofern es zum Zeitpunkt des kroatischen Beitritts zur EU noch nicht in Kraft getreten ist, entsprechend ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften bedarf und die Ratifikationsurkunden bei der Regierung der Italienischen Republik zu hinterlegen sind.

Zudem enthält der Artikel eine Inkrafttretensbestimmung. Demnach tritt das Protokoll, wenn möglich, am 30. Juni 2013 in Kraft, sofern alle Ratifikationsurkunden bis dahin hinterlegt worden sind. Andernfalls tritt das Protokoll am ersten Tag des auf die Hinterlegung der letzten Ratifikationsurkunde folgenden Monats in Kraft.

Zu Artikel 5 Absatz 1 listet die 23 Amtssprachen der EU auf, in denen das Protokoll urschriftlich abgefasst ist, und stellt fest, dass jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist. Die Urschriften werden im Archiv der Regierung der Italienischen Republik hinterlegt, wobei diese verpflichtet ist, jedem anderen Mitgliedstaat eine beglaubigte Abschrift zukommen zu lassen.

Gemäß Absatz 2 hinterlegt die Republik Kroatien die gleichermaßen verbindliche kroatische Sprachfassung des Protokolls bei der italienischen Regierung, sobald sie gemäß Artikel 2 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Kroatien daran gebunden ist. Die Italienische Republik übermittelt eine beglaubigte Kopie an die Regierungen aller Mitgliedstaaten der EU.