Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des deutschen Rechts an die Verordnung (EG) Nr. 380/2008 des Rates vom 18. April 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatenangehörige

875. Sitzung des Bundesrates am 15. Oktober 2010

Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstaben a bis c (§ 69 Absatz 3 Nummer 1, 2, 2a und 3 AufenthG 1)

Artikel 1 Nummer 3 ist wie folgt zu ändern:

Die Einführung des elektronischen Aufenthaltstitels zum 1. Mai 2011 wird für die Ausländerbehörden zu einer deutlichen Steigerung des Verwaltungsaufwands führen. Es sind unter anderem die folgenden Aufgaben zusätzlich zu übernehmen:

Die mögliche Nutzung des elektronischen Aufenthaltstitels als Träger des elektronischen Identitätsnachweises ist für die Ausländerbehörden zudem eine grundsätzlich neue Aufgabe. Der im Aufenthaltsgesetz vorgegebene Gebührenrahmen muss deshalb den steigenden personellen und sächlichen Aufwand bei den Ausländerbehörden angemessen berücksichtigen und einen angemessenen Spielraum für zukünftige Anhebungen der konkreten Gebührensätze ermöglichen.

Im Gesetzentwurf ist eine Erhöhung des rechtlichen Rahmens der Gebühren für den elektronischen Aufenthaltstitel in § 69 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 AufenthG um jeweils 50 Euro vorgesehen. Darin sind die an die Bundesdruckerei zu zahlenden Produktionskosten von ca. 30 Euro enthalten. Für den Aufwand, der den Ausländerbehörden zusätzlich entsteht, ist lediglich eine Erweiterung des Gebührenrahmens um 20 Euro vorgesehen. Dies trägt den zu erwartenden kommunalen Zusatzbelastungen keinesfalls angemessen Rechnung.

Die bisher vorgelegten Berechnungen der Ausländerbehörden großer Städte machen deutlich, dass die uneingeschränkte Abführungspflicht der Kommunen von rund 30 Euro je Aufenthaltstitel für die Produktionskosten den vom Bund behaupteten Puffer zu Gunsten der Kommunen bei der Gebührenerhebung schrumpfen lässt. Der Grundsatz der angemessenen Deckung von Verwaltungskosten auch auf Seiten der Länder, hier der Kommunen, durch Gebühren wird nicht gewahrt. Neben der fehlenden Deckung des eigenen Verwaltungsaufwands der Kommunen führen die umfangreichen Befreiungs- und Ermäßigungstatbestände der Aufenthaltsverordnung des Bundes dazu, dass "Unterdeckung" eintritt. Nahezu 40 Prozent aller Antragsteller sind über die Ermäßigungs- bzw. Befreiungstatbestände der Aufenthaltsverordnung privilegiert.

Auch wenn die Festlegung der konkreten Gebührensätze für die Ausstellung von Aufenthaltstiteln einem zukünftigen Verfahren zur Änderung der Aufenthaltsverordnung vorbehalten bleibt, ist der gesetzliche Gebührenrahmen zur Wahrung eines ausreichenden Spielraums um insgesamt 60 Euro anzuheben.

2. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 69 Absatz 3 Nummer 4 und 7 und Absatz 6 Satz 1 Nummer 2 AufenthG)2

Artikel 1 Nummer 3 ist wie folgt zu fassen:

'3. § 69 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Im Rahmen einer Überprüfung bundesrechtlicher Gebühren auf Kostendeckung haben einige Ausländerbehörden im Juli dieses Jahres die Kostendeckung der nach der AufenthV zu erhebenden Gebühren überprüft und dabei verschiedene Erhöhungsbedarfe errechnet. Die Länder halten es für zwingend erforderlich, diese notwendigen Gebührenerhöhungen alsbald und somit im vorliegenden Gesetzgebungsverfahren umzusetzen, was zunächst die beantragten Erhöhungen des Gebührenrahmens voraussetzt. Der jeweilige Erhöhungsbetrag ergibt sich dabei aus den Berechnungen der Ausländerbehörden auf Basis der Vorgaben zur Überprüfung von Gebühren auf ihre Kostendeckung.

Bereits derzeit sind die Kommunen bei der Ausführung des AufenthG durch die nicht kostendeckenden Gebühren einerseits und die umfangreichen Befreiungstatbestände der § § 52f AufenthV andererseits finanziell erheblich belastet. Mit der Einführung des elektronischen Aufenthaltstitels wird sich diese Kostenbelastung der Kommunen dramatisch verschärfen, weil künftig jeweils voraussichtlich 30 Euro anstelle von bisher 78 Cent für einen ausgegeben Aufenthaltstitel an die Bundesdruckerei abgeführt werden müssen und zwar unabhängig davon ob überhaupt Gebühren eingenommen werden konnten oder ob ein Befreiungstatbestand vorlag.

Es ist daher unabdingbar, zugleich mit den für die Einführung des elektronischen Aufenthaltstitels zu erhöhenden Gebührenrahmen und -tatbeständen auch diejenigen zu erhöhen, bei denen bislang keine Kostendeckung erreicht wird. Ein Zuwarten auf eine spätere Gesamtrevision des AufenthG ist hingegen nicht hinnehmbar.

3. Zu Artikel 1 Nummer 3 allgemein ( § 69 AufenthG)

Der Bundesrat erkennt an, dass europäische Vorgaben die Einführung des elektronischen Aufenthaltstitels erforderlich machen. Angesichts des Wechsels von der bisherigen Papierform des Aufenthaltstitels zum Scheckkartenformat mit integriertem Chip sind neben steigenden Produktionskosten auf Seiten der Bundesdruckerei steigende Kosten auf Seiten der zur Ausführung des Bundesgesetzes aufgerufenen Länder, hier der Kommunen, zu erwarten. Diese haben einen erheblichen Mehraufwand bei den Sach- und Personalkosten zu tragen, dem bei der Gebührenkalkulation durch den Gesetz- und Verordnungsgeber angemessen Rechnung zu tragen ist.

Der Bundesrat stellt fest, dass der im Gesetzentwurf vorgesehene Ansatz eines Gebührenrahmens für elektronische Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz schwerpunktmäßig auf die volle Deckung der Kosten der Bundesdruckerei (30 € pro Titel) ausgerichtet ist. Demgegenüber wird der erhöhte Verwaltungsaufwand der Kommunen mit nur 20 € pro Titel und damit geringer als der Aufwand der Bundesdruckerei angesetzt, ohne die jeweiligen Berechnungskomponenten offen zu legen.

Auch wenn die tatsächliche Gebührenfestlegung für Aufenthaltstitel einem zukünftigen Verfahren zur Änderung der Aufenthaltsverordnung vorbehalten bleibt, ist bereits jetzt festzustellen, dass das Gebührenaufkommen in den Kommunen regelmäßig dadurch deutlich vermindert wird, dass eine große Zahl von Antragstellern in den Genuss von Gebührenbefreiungen oder Ermäßigungen kommt. Bei einer Beibehaltung der bestehenden Befreiungs- und Ermäßigungstatbestände werden die Einnahmeausfälle schon alleine durch die deutlich steigenden Produktionskosten (zukünftig rund 30 Euro statt bisher rund 80 Cent je Titel) erheblich ansteigen.

Der Bundesrat bringt deshalb bereits jetzt seine Erwartung gegenüber der Bundesregierung zum Ausdruck, wonach diese den Katalog der möglichen Befreiungen und Ermäßigungen bei den Vorarbeiten zur Änderung der Aufenthaltsverordnung auf seine aktuelle Rechtfertigung überprüft. Die Privilegierungen müssen sich auf tatsächlich bedürftige Personengruppen beschränken.

4. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 78 Absatz 5 Satz 2 AufenthG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die in Artikel 1 Nummer 4 in § 78 Absatz 5 Satz 2 enthaltene Verweisung auf § 11 Absatz 7 des Personalausweisgesetzes erforderlich ist.

Begründung:

Die in dem Gesetzentwurf in § 78 Absatz 5 AufenthG enthaltene Verweisung auf § 11 Absatz 7 Personalausweisgesetz erscheint entbehrlich, da mit Übergang der Zuständigkeit zwischen den Ausländerbehörden kein Informationsbedarf der den elektronischen Aufenthaltstitel ursprünglich ausstellenden, aber örtlich nicht mehr zuständigen Ausländerbehörde verbleibt.

5. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 78 Absatz 5 Satz 5 bis 7 - neu - AufenthG)

In Artikel 1 Nummer 4 sind § 78 Absatz 5 folgende Sätze anzufügen:

"Bis zum Ablauf des 30. April 2013 sind § 10 Absatz 1 Satz 1 bis 3 und Absatz 2 Satz 1 des Personalausweisgesetzes nicht anwendbar. Bis zu diesem Zeitpunkt schaltet der Titelhersteller die Funktion vor Aushändigung des Dokumentes nach Absatz 1 aus. Antragstellende Personen im Sinne der §§ 11 und 13 des Personalausweisgesetzes sind Dokumenteninhaber, die die Einschaltung der Funktion des elektronischen Identitätsnachweises beantragt haben."

Begründung:

Die Einführung des elektronischen Aufenthaltstitels (eAT) - ohne die in § 78 Absatz 5 AufenthG geregelte Zusatzfunktion des elektronischen Identitätsnachweises (eID) - wird zu einer erheblichen Mehrbelastung der Ausländerbehörden führen, weil selbst in Routinefällen mehrfache persönliche Vorsprachen erforderlich werden (erst Beantragung, später Aushändigung des eAT nach Fertigstellung durch die Bundesdruckerei). Hinzukommt, dass künftig jeder Antragsteller und jedes Familienmitglied auch Kinder ab dem sechsten Lebensjahrwegen der Abnahme der Fingerabdrücke und der Unterschriftsleistung persönlich bei der Ausländerbehörde erscheinen muss, während hierauf bislang bei vielen Personengruppen verzichtet werden konnte.

Gerade in der Einführungsphase des eAT wird zudem auch von einem erhöhten Bearbeitungs- und Beratungsaufwand auszugehen sein.

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Verweisung auf § 10 Absatz 1 Personalausweisgesetz führt dazu, dass selbst eine vom Ausländer letztlich nicht gewünschte Nutzung der eID-Funktion einen erheblichen Mehraufwand bei den Ausländerbehörden verursachen wird. Neben den erforderlichen Erläuterungen, Belehrungen und Abfragen, die teilweise auch noch schriftlich und mit Unterschriftsleistung des Ausländers zu dokumentieren sind, werden auf die Ausländerbehörden weitere Erfassungs- und Prüfungsaufgaben hinzukommen, die zumindest in der Einführungsphase des eAT einen Bearbeitungs- und Besucherstau bis hin zum völligen Stillstand befürchten lassen.

Durch die vorgeschlagene Einfügung einer befristet gültigen Übergangsfassung des § 78 Absatz 5 Aufenthaltsgesetz würde der eAT für einen Zeitraum von zwei Jahren standardmäßig mit von der Bundesdruckerei deaktivierter eID-Funktion herausgegeben werden, wobei es jedem Titelinhaber freigestellt bleibt, sich diese Funktion auf Wunsch freischalten zu lassen.

Aufgrund der in Zusammenhang mit der vor mehr als einem Jahr erfolgten Einführung des elektronischen Reiseausweises für Ausländer gemachten Erfahrungen kann angenommen werden, dass sich auch das Verfahren bei den eAT nach einer gewissen Zeit in der Praxis eingespielt haben wird. Auch das Verfahren und die Anwendungsmöglichkeiten der eID-Zusatzfunktion dürfte sich durch die Praxis bei den Personalausweisen dann im Rechtsverkehr etabliert haben, sodass damit gerechnet werden kann, dass der Beratungsaufwand sich im Laufe der Zeit minimieren wird. Bis dahin allerdings würde eine wie im Gesetzentwurf vorgesehene sofortige Umsetzung zu massiven Problemen in der Praxis führen.