Beschluss des Bundesrates
Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts

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Der Bundesrat hat in seiner 983. Sitzung am 29. November 2019 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 7. November 2019 verabschiedeten Gesetz gemäß Artikel 104a Absatz 4 des Grundgesetzes zuzustimmen.

B

Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung gefasst:

Der Bundesrat begrüßt, dass mit dem Gesetz und der ab 2024 vorgesehenen Einführung des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch - Soziale Entschädigung - (SGB XIV) das Soziale Entschädigungsrecht umfassend reformiert und an die heutigen Bedarfe der Betroffenen, insbesondere der Opfer von Gewalttaten einschließlich der Opfer von Terrortaten, angepasst wird.

a) Der Bundesrat stellt allerdings fest, dass das vorliegende Gesetz bei der Erbringung von Sachleistungen in der Krankenbehandlung ein kompliziertes, miteinander verschränktes Leistungssystem mit unterschiedlichen Zuständigkeiten vorsieht. Er setzt sich deshalb weiterhin für eine Übertragung der Leistungsbereiche der Krankenbehandlung und Pflege auf die Gesetzlichen Unfallkassen nach den Leistungsvorschriften des SGB VII ein.

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, innerhalb eines angemessenen Zeitraums vor dem Inkrafttreten des SGB XIV am 1. Januar 2024 eine eingehende Prüfung und Evaluation beider Ansätze durchzuführen und auf Basis dieser Evaluation gegebenenfalls Änderungen des Gesetzes bei den Bestimmungen der Krankenbehandlung und Pflege vorzunehmen.

b) Der Bundesrat bedauert, dass die Bundesregierung nicht der von den Ländern geforderten Überarbeitung der im Rahmen des Gesetzentwurfs vorgelegten Kostenschätzung nachgekommen ist.

Aus Sicht des Bundesrates führt die Ausweitung des Sozialen Entschädigungsrechts, insbesondere durch die Ausweitung des Betroffenenkreises sowie des Leistungsumfangs, ab 2024 zu erheblichen Mehr- anstelle der von der Bundesregierung angenommenen Minderausgaben. Der Bundesrat erwartet daher, dass die Bundesregierung bei nächster Gelegenheit eine gesetzliche Regelung implementiert, die das daraus resultierende Deckungsbedürfnis der Länder ausgleicht. Konkret ist zwingend eine gesetzliche Sprechklausel zu verankern, die sicherstellt, dass der Bund und die Länder bei sich abzeichnenden Abweichungen der Kostenprognose erneut über die Kostenverteilung der Reform des Sozialen Entschädigungsrechts verhandeln.

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung zudem auf, die in Artikel 59 verankerte Finanzuntersuchung in den Jahren 2023 bis 2026 dergestalt vorzubereiten, dass eine mit den Ländern abgestimmte Datenbasis als Grundlage der Untersuchung zur Verfügung gestellt werden kann.

Hierzu ist es erforderlich, dass der Bund die zum Gesetzgebungsvorhaben erstellte Kostenschätzung korrigiert, die dieser Schätzung zugrundeliegenden Annahmen transparent macht und mit den Ländern abstimmt. Darüber hinaus sind alle im Laufe des Gesetzgebungs- sowie des Abstimmungsverfahrens zum Gesetzentwurf der Bundesregierung erfolgten Änderungen und Leistungsanpassungen bei der Überarbeitung der Kostenschätzung vollumfänglich zu berücksichtigen.

Begründung zu Buchstabe a:

Der einheitliche Leistungskatalog der Gesetzlichen Unfallversicherung differenziert nicht zwischen zweckmäßigen, wirtschaftlichen und daher auf das notwendige Maß begrenzten Regelleistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung und sogenannten ergänzenden Leistungen, die im neuen Sozialen Entschädigungsrecht darüber hinaus vorgesehen sind. Eine solche Versorgung mit allen geeigneten Mitteln entspricht nach Ansicht des Bundesrates den Anforderungen eines modernen Sozialen Entschädigungsrechts am besten. Vor allem aber sind nur bei einer Leistungserbringung aus einer Hand die Unfallversicherungsträger in der Lage, Krankenbehandlung, Hilfsmittelversorgung und Pflege so optimal aufeinander abzustimmen, dass das beabsichtigte höhere Qualitätsniveau auch wirklich zum Tragen kommt. Nur mit der Maxime, die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Betroffenen auf einem qualitativ hohen Niveau ohne Beschränkungen auf bestimmte Leistungen wiederherzustellen, bleibt die besondere soziale Verantwortung des Staates für die Opfer von Gewalttaten auch künftig gewahrt.

Der umfangreiche Leistungskatalog der Gesetzlichen Unfallversicherung erfasst im Grundsatz alle im Gesetz enthaltenen Sachleistungen. Die Unfallversicherungsträger betreiben mit dem Rehabilitationsmanagement bereits seit langem ein Fallmanagement, sie erbringen schon immer auch Leistungen der beruflichen Teilhabe, sind erfahren in der Anwendung und Prüfung von Kausalitätsfragen und kennen im Bereich der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand einen Betroffenenkreis vom Kleinkind bis zur hochbetagten Person. Eine Leistungsverschlechterung zum Nachteil der Betroffenen würde deshalb bei einer Übertragung der Zuständigkeit auf die Gesetzlichen Unfallkassen der Länder nach den Regelungen des SGB VII nicht eintreten.

Soweit im vorliegenden Gesetz vorgesehene bestimmte Leistungen nicht unmittelbar dort enthalten sind, besteht weiterhin die Möglichkeit, diese Regelungen als Sonderanspruch in das SGB XIV aufzunehmen. Dieser Katalog ergänzender Leistungen könnte aber deutlich schlanker ausfallen als im derzeitigen Gesetz und wäre durch die Gesetzlichen Unfallversicherungen verwaltungsseitig ausführbar.

Auf Grundlage einer Evaluation des Ansatzes im Gesetz und des Alternativmodells nach den Kriterien Bürgerfreundlichkeit, Kosten und Verwaltungseffizienz könnten noch vor dem Inkrafttreten Korrekturen an dieser Stelle des Gesetzes vorgenommen werden. Eine entsprechende Evaluation sollte im Jahre 2021 abgeschlossen werden, um den Ländern ausreichend Zeit für die Umsetzung zum 1. Januar 2024 zu ermöglichen.