Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit besonderen Bestimmungen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und das Ziel "Investitionen in Wachstum und Beschäftigung" und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1080/2006 - COM (2011) 614 endg.; Ratsdok. 15249/11

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EUROPEAN COMMISSION
Brüssel, den 17.9.2012
C(2012) 6070 final

Sehr geehrter Herr Präsident,
vielen Dank für die Stellungnahme des Bundesrates zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit besonderen Bestimmungen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und das Ziel "Investitionen in Wachstum und Beschäftigung" und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1080/2006 { KOM (2011) 614 endgültig).

Die Kommission begrüßt die Stellungnahme des Bundesrates und nimmt die in ihm enthaltenen Punkte zur Kenntnis. Der Bundesrat bekennt sich in der Gesamtbewertung zu den Zielen der Europa 2020 Strategie, beklagt aber eine Beschränkung regionaler Handlungsspielräume und eine Zunahme an Bürokratie bei der EFRE-Förderung. Der Bundesrat nimmt im folgenden zu den einzelnen Elementen detailliert Stellung

Im Zusammenhang mit den Aufgaben und Interventionsbereichen des EFRE erkennt der Bundesrat an, dass diese grundsätzlich geeignet sind, den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt zu stärken, und die Ziele der Europa 2020 Strategie zu verfolgen, verlangt aber nach mehr Konkretisierung und Flexibilisierung Bezüglich der aufgeworfenen Frage des Verhältnisses zwischen Art. 3 und 5 der vorgeschlagenen Verordnung stellt die Kommission klar, dass Art. 3 den Interventionsbereich des EFRE regelt, also die Arten von Investitionen, die durch den EFRE gefördert werden können. Art. 5 enthält demgegenüber Investitionsprioritäten, die unter den in Art. 3 bestimmten Interventionsbereich des EFRE fallen müssen.

Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass auch zukünftig Investitionshilfen für große Unternehmen möglich sein müssen. Unserer Auffassung nach sollten produktive Investitionen zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) beschränkt bleiben. Große Unternehmen haben im Allgemeinen besseren Zugang zu Finanzierungshilfen und ein größeres eigenes Finanzierungsvermögen. Bei größeren Unternehmen besteht zudem die Gefahr der Verdrängung privater Investitionen, was positive Fördereffekte überlagern kann. Aktivitäten im Bereich Forschung und Entwicklung können jedoch auch in großen Unternehmen unterstützt werden, wie z.B. Aktivitäten im Bereich technische Entwicklung, angewandte Forschung oder Schlüsseltechnologien. Ebenso bleibt die Förderung von Großunternehmen in den Bereichen Forschung, Technologie- und Wissenstransfer sowie Kooperationen und Netzwerke möglich.

Herrn Horst Seehofer
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3 - 4
D-10117 Berlin

Die Kommission begrüßt, dass der Bundesrat den Ausschluss der Investitionen in Infrastruktureinrichtungen für grundlegende Dienstleistungen in stärker entwickelten Regionen prinzipiell für richtig hält. Auch die Kommission geht davon aus, dass derartige Investitionen anderweitig finanziert werden können, etwa durch nationale/regionale Budgets oder durch Benutzergebühren. Allerdings mahnt der Bundesrat eine Konkretisierung und Flexibilisierung dieses Förderausschlusses an, insbesondere im Verkehrsbereich. Der Kommissionsvorschlag sieht die Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich auch in stärker entwickelten Regionen vor. Auch Kleininvestitionen z.B. im städtischen Kontext wären möglich. Für größere Infrastrukturinvestitionen steht gemäß den Vorschlägen der Kommission die Fazilität "Connecting Europe" zur Verfügung.

Die Kommission begrüßt, dass der Bundesrat grundsätzlich die Konzentration der Mittel auf klare thematische Ziele unterstützt. Der Bundesrat lehnt allerdings die vorgeschlagene Festlegung und Quotierung auf europäischer Ebene ab. Die Kommission hält das Prinzip der thematischen Konzentration in Zeiten angespannter öffentlicher Haushalte für unabdingbar. Auch muss die Komplementarität des Mitteleinsatzes mit nationalen und regionalen Förderinstrumenten gewährleistet werden. Thematische Konzentration kann nicht allein im Rahmen des Vorbereitungs- und Verhandlungsprozesses sichergestellt werden, sondern bedarf eines Mechanismus auf europäischer Ebene. Dies ist ebenso notwendig zur Gleichbehandlung aller Mitgliedstaaten und Regionen wie für ein sichtbares Bekenntnis, die Kohäsionspolitik effektiver für Europa 2020 Zielsetzungen einzusetzen. Der vorgeschlagene Mechanismus sowie die Quotierungen wurden im Wesentlichen auf der Grundlage bestehender EFRE-Investitionen bestimmt. Ein Großteil der EFRE-Mittel wird bereits in vielen Regionen auf die drei vorgeschlagenen Bereiche fokussiert.

Das vorgeschlagene System sieht im übrigen auch die notwendige Flexibilität vor: Die thematischen Ziele sind breit definiert und erlauben es den Mitgliedstaaten und Regionen, die ihren Bedürfnissen und spezifischen Zielsetzungen entsprechende Interventionsmischung zusammenzustellen. Es gibt auch Flexibilität hinsichtlich der Gewichtung von Forschung und Innovation gegenüber der Wettbewerbsfähigkeit von KIVIU, solange der Minimumanteil für die Bestrebungen zur Verringerung der CO₂ -Emissionen gewahrt ist. Im Übrigen finden die Erfordernisse der Konzentration auf nationaler Ebene Anwendung, so dass eine Differenzierung zwischen Regionen innerhalb eines Mitgliedstaates möglich ist.

Die Stellungnahme des Bundesrates enthält detaillierte Anmerkungen zur Ausgestaltung der einzelnen Investitionsprioritäten, die die Kommission aufmerksam zur Kenntnis nimmt. Die Investitionsprioritäten sind ein wichtiges Element, um die aus der Europa 2020 Strategie abgeleiteten thematischen Zielsetzungen in Investitionen vor Ort umzusetzen. Sie helfen die notwendige Konzentration auf Europa 2020-Ziele sicherzustellen.

Die Kommission stimmt dem Bundesrat zu, dass dem Gleichstellungs- und Nichtdiskriminierungsziel besondere Bedeutung zukommt. Die Vorgaben des Art. 7 der allgemeinen Verordnung sind auf den EFRE anwendbar. Art. 87 derselben Verordnung sieht auch vor, dass operationelle Programme Beschreibungen der Maßnahmen zur Nichtdiskriminierung und des Beitrags zur Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen enthalten müssen.

Die Kommission begrüßt, dass der Bundesrat die Förderung umfassender Maßnahmen in städtischen Gebieten unterstützt und sich für eine Stärkung der städtischen Dimension ausspricht. Die Vorschläge der Kommission sehen in der Tat eine deutliche Stärkung der städtischen Dimension vor. Rund 70% unserer Bevölkerung lebt in städtischen Gebieten, die Motoren der europäischen Wirtschaft und Katalysatoren für Veränderung und Innovation sind. Gleichzeitig sind dies auch die Gebiete, die häufig von Herausforderungen wie Arbeitslosigkeit und Segregation am meisten betroffen sind Die Realisierung unserer in der Europa 2020 Strategie beschriebenen Vision wird daher wesentlich von unserem Erfolg in der städtischen Entwicklung abhängen.

Um Maßnahmen der integrierten Stadtentwicklung effektiv umsetzen zu können, ist es wichtig, einen Mittelansatz hierfür in einem gemeinsamen Topf zu reservieren. Die Kommission schlägt vor, hierfür mindestens 5% der EFRE-Mittel in jedem Mitgliedstaat vorzusehen. Wir sind uns bewusst, dass in einigen Staaten - so auch in Deutschland - dieser Minimalansatz bereits in der aktuellen Förderperiode überschritten wird. Auf europäischer Ebene liegt der Durchschnitt jedoch lediglich bei 3%, so dass eine weitere Schwerpunktsetzung notwendig ist. Zur vorgesehenen Aufgabendelegation an die Städte in diesem Zusammenhang möchte ich anmerken, dass Art und Umfang der Delegation je nach Verwaltungsorganisation und Verwaltungskapazität unterschiedlich ausgestaltet werden können.

Die Vorlage einer Liste von Städten, die solche integrierte territoriale Investitionen für die nachhaltige Stadtentwicklung in weitgehend eigener Verantwortung verwalten und umsetzen werden, ist wichtig, um die Sichtbarkeit der städtischen Dimension der Kohäsionspolitik zu gewährleisten und die Städte frühzeitig als Partner in die Programmierung und die Umsetzung der Programme einzubinden.

Der Bundesrat äußert Vorbehalte gegenüber den innovativen Maßnahmen zur nachhaltigen Stadtentwicklung und der Einrichtung eines Stadtentwicklungsforums.

Die Förderung innovativer Maßnahmen ist wichtig, um der städtischen Dimension der Kohäsionspolitik wieder ein experimentelles Element hinzuzufügen, das durch das "Mainstreaming" der Gemeinschaftsinitiative URBAN in den Hintergrund geraten ist. Mit den innovativen Maßnahmen möchte die Kommission mit einem zwar kleinen, aber nicht unbedeutenden Anteil von bis zu 0,2% des EFRE-Gesamtmittelansatzes einen europaweiten Wettbewerb für besonders vorausschauende und zukunftsweisende Pilotprojekte und Modellvorhaben der nachhaltigen Stadtentwicklung fördern, um Ansätze zu finden, die von besonderem europäischen Interesse sind und daher europaweit Beachtung und Verbreitung verdienen. Daher ist es auch wichtig, diese Mittel zentral durch die Kommission zu verwalten und die Verwaltung nicht anteilig und damit vorab - unabhängig vom Innovationscharakter und von der Übertragbarkeit der Maßnahmen im europäischen Kontext - auf die Mitgliedstaaten und Regionen zu übertragen.

Das Stadtentwicklungsforum ist ein Instrument, das die Städte bei der Umsetzung der neuen Instrumente (integrierte territoriale Investitionen, innovative Maßnahmen) unterstützen soll. Es ist daher ein spezifisches Instrument zur Unterstützung der städtischen Dimension in den operationellen Programmen, das die Kapitalisierung von Erfahrungen und Ergebnissen bei der Umsetzung von ITIs und innovativen Maßnahmen erlaubt und auch eine wichtige Rolle bei der Stärkung institutioneller Kapazitäten spielen wird Durch diese spezifische Zielsetzung sehen wir auch keinen Raum für Überschneidungen mit anderen Programmen, die primär dem Erfahrungsaustausch dienen, wir z.B. das URBACT Programm.

Vor dem Hintergrund der klaren Konzentration auf die thematischen Ziele der Strategie Europa 2020 wurde die grundsätzliche Entscheidung getroffen, keine eigene Prioritätsachse für die territoriale Entwicklung bestimmter Gebiete, darunter städtische Gebiete, vorzusehen, sondern stattdessen die integrierte territoriale Entwicklung als eine Querschnittsaufgabe zu behandeln. Daher wurde statt der Möglichkeit einer eigenen, allumfassenden städtischen Prioritätsachse das neue Instrument der integrierten territorialen Investitionen eingeführt, das es erlaubt, die für integrierte Maßnahmen notwendigen Mittel aus verschiedenen thematischen Zielen zu bündeln und damit den Beitrag der nachhaltigen Stadtentwicklung zu den verschiedenen Zielen der Strategie Europa 2020 eindeutig erkennbar und nachvollziehbar zu machen. Details der praktischen Umsetzung werden im Rahmen der Verhandlungen weiter erörtert werden, um die beiden Ziele der thematischen Konzentration und der Unterstützung integrierter Maßnahmen bestmöglich in Einklang zu bringen.

Ich freue mich auf die Fortsetzung unseres Dialogs zur Gestaltung der zukünftigen Kohäsionspolitik.