Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (Verordnung über Online-Streitbeilegung) - COM (2011) 794 endg.

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Europäische Kommission
Brüssel, den 20.9.2012
C(2012) 6533 final

Herrn Host Seehofer
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3 - 4
D-10117 Berlin

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (Verordnung über Online-Streitbeilegung) (KOM (2011) 794 endgültig) und bedauert die verspätete Antwort.

Die Kommission begrüßt die detaillierten Anmerkungen und Vorschläge des Bundesrates und weiß diesen sehr konstruktiven Beitrag zum Vorschlag der Kommission zu schätzen.

Die Kommission teilt die Auffassung des Bundesrates, dass der Vorschlag für eine Verordnung über Online-Streitbeilegung in begrifflicher Hinsicht uneingeschränkt dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Formen der alternativen Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung) (KOM (2011) 793 endgültig) angepasst werden sollte.

Der Kommission ist bekannt, dass sich in den deutschen Sprachfassungen der beiden Rechtsetzungsvorschläge eine abweichende Wortwahl an Stellen findet, die identisch sein sollten. Die Vorbereitungsgremien des Rates befassten sich mit dieser Frage und es wurde vorgeschlagen, in der deutschen Sprachfassung die erforderlichen Korrekturen vorzunehmen, wenn die Rechtsakte von den gesetzgebenden Organen verabschiedet wird.

Was den sachlichen Geltungsbereich betrifft, so handelt es sich bei dem Vorschlag um eine gezielte Gesetzesinitiative, um die Verbraucher im Binnenmarkt zu ermuntern, online und grenzübergreifend einzukaufen. Daher hat sich die Kommission dafür entschieden, den Geltungsbereich nicht auf Offline-Geschäfte auszudehnen, wozu auch Transaktionen gehören, bei denen der Händler die Waren oder Dienstleistungen per Telefon oder Telefax anbietet bzw. der Verbraucher auf dem gleichen Wege bestellt.

Was den Niederlassungsort des Händlers betrifft, so möchte die Kommission betonen, dass die weite Fassung des Begriffs in Artikel 4 Buchstabe f der vorgeschlagenen Verordnung notwendig ist, um die Wirksamkeit der vorgesehenen OS-Plattform zu gewährleisten. Alle Online-Unternehmer, die ihre Geschäfte von einem Mitgliedstaat aus führen, sollten die Verbraucher über ihre E-Mail-Adresse informieren und die AS-Stelle angeben müssen, die für sie zuständig ist. Ein Online-Unternehmer, der seine Geschäfte von einer Zweigstelle in einem Mitgliedstaat aus führt, sollte beispielsweise nicht von dieser Auskunftspflicht befreit werden, weil sich sein satzungsmäßiger Sitz und seine Zentralverwaltung außerhalb der Union befindet.

Die Kommission nimmt die Bemerkung des Bundesrats zur Kenntnis, dass die Bezugnahme der vorgeschlagenen Verordnung auf den Niederlassungsort des Unternehmens, die dazu dient, den grenzüberschreitenden Charakter des Online-Verkaufs von Waren oder der Online-Bereitstellung von Dienstleistungen festzustellen, aufgrund der weiten Definition des Niederlassungsortes des Unternehmens zu einer unbeabsichtigt engen Auslegung des grenzüberschreitenden Charakters und somit zu einer unbeabsichtigten Einschränkung des Anwendungsbereichs führen könnte. Die Kommission wird bei den interinstitutionellen Verhandlungen eine weite Definition des grenzüberschreitenden Charakters näher erläutern und aktiv unterstützen. Die Kommission nimmt in diesem Zusammenhang den Vorschlag des Bundesrates zur Kenntnis, sich dabei auf den einschlägigen Wortlaut des Vorschlags der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (KOM (2011) 635 endgültig) zu stützen.

Was den Vorschlag einer Erweiterung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit vorvertragliche Verpflichtungen anbelangt, so vermerkt die Kommission Ihren Kommentar. Des Weiteren stützt sich die im Kommissionsvorschlag vorgesehene Regelung im Hinblick auf die Streitigkeiten die die Haftung für fehlerhafte Produkte im Sinne der Richtlinie 85/374/EWG betreffen, auf die Vorgabe, dass die Verbraucher über die E-Mail-Adresse des Unternehmens und die für das Unternehmen zuständige AS-Stelle informiert werden. Der Vorschlag sieht vor, dass die Verbraucher diese Informationen auf der Website des Unternehmens oder, falls das Angebot des Unternehmers über E-Mail oder eine andere auf elektronischem Wege übermittelte Nachricht erfolgt, in der betreffenden Nachricht finden. Falls Streitigkeiten, die die Haftung für fehlerhafte Produkte betreffen, in die durch die vorgeschlagene Verordnung vorgesehene Regelung einbezogen würden, müssten die einschlägigen Auskunftspflichten im Rahmen des Vorschlags auf alle Personen ausgeweitet werden, die gemäß Artikel 3 der Richtlinie 85/374/EWG als "Hersteller" in Frage kommen oder als Hersteller angesehen werden können.

Die Kommission nimmt die Bemerkung des Bundesrates zum Begriff "auf elektronischem Wege" in Artikel 4 Buchstabe d der vorgeschlagenen Verordnung, der sich auf den Begriff " Online-Verkauf von Waren oder Online-Bereitstellung von Dienstleistungen" in Artikel 4 Buchstabe c bezieht, zur Kenntnis und stellt klar, dass durch die vorgeschlagene Verordnung nicht beabsichtig wird, die Buchung einer Urlaubsreise über das Internet, die von einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen angeboten wird, auszuschließen.

Die Kommission teilt die Auffassung, dass OS-Mittler nicht die Aufgabe haben, subjektive Werturteile über die Vor- und Nachteile spezifischer AS-Verfahren abzugeben.

Die Kommission begrüßt die positive Rückmeldung des Bundesrates zur Festlegung von Höchstfristen für die Beilegung von Streitfällen, die den AS-Stellen durch die OS-Plattform übermittelt wurden. Sie hält die in Artikel 9 Buchstabe b der vorgeschlagenen Verordnung vorgesehenen Frist von 30 Tagen für angemessen und möchte betonen, dass diese Frist der jetzigen Praxis einiger AS-Stellen, die OS-Dienste in den Mitgliedstaaten anbieten, entspricht. Darüber hinaus ist die Kommission überzeugt, dass die Möglichkeit, das Verfahren, wie in Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe d der vorgeschlagenen Verordnung vorgesehen, online abzuwickeln, zu erheblichen Zeiteinsparungen während des Streitbeilegungsverfahrens führen dürfte. Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Frist von 30 Tagen um eine im Normalfall geltende Frist handelt, die bei komplizierten Streitigkeiten verlängert werden kann.

Die Kommission erkennt die besondere Bedeutung des Netzes der Europäischen Verbraucherzentren für die Koordination grenzübergreifender Verfahren der alternativen Streitbeilegung bei Verbraucherstreitigkeiten an und teilt die Auffassung, dass die Mitgliedstaaten auch im Zusammenhang mit der vorgeschlagenen Verordnung die Ressourcen dieses Netzwerks vollständig nutzen sollten. Angesichts der in den Europäischen Verbraucherzentren gebündelten Fach- und Sachkenntnisse und der zu erwartenden Synergieeffekte hält es die Kommission für zweckmäßig, die Europäischen Verbraucherzentren im Rahmen der vorgeschlagenen Verordnung als OS-Kontaktstellen zu benennen.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Klarstellungen gedient zu haben, und sehe der Fortsetzung unseres politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.

Mit freundlichen Grüßen