Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Die Kultur- und Kreativwirtschaft als Motor für Wachstum und Beschäftigung in der EU unterstützen - COM (2012) 537 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 325/07 (PDF) = AE-Nr. 070422,
Drucksache 616/10 (PDF) = AE-Nr. 100788,
Drucksache 305/11 (PDF) = AE-Nr. 110376 und
Drucksache 766/11 (PDF) = AE-Nr. 110967

Europäische Kommission
Brüssel, den 26.9.2012
COM (2012) 537 final

1. Eine weitgehend Ungenutzte Ressource für die Strategie "Europa 2020"

Kultur steht im Zentrum unseres sozialen Gefüges. Sie prägt unsere Identitäten, Bestrebungen und unsere Beziehungen zu anderen sowie zur Welt ebenso wie die Orte und Landschaften, in denen wir leben, und unsere Lebensweisen. Kulturerbe, bildende und darstellende Kunst, Kino, Musik, Verlagswesen, Mode und Design prägen zwar stark unseren Alltag, doch der Beitrag, den die Kultur- und Kreativwirtschaft1 zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung in der EU leisten kann, wird noch immer nicht in vollem Umfang anerkannt. Zudem bringen Globalisierung und Digitalisierung große Herausforderungen mit sich, während die notwendigen Anpassungen erst noch vorangetrieben werden müssen, damit die Kultur- und Kreativwirtschaft ihr Potenzial voll ausschöpfen kann und Europa die Spitzenleistungen, die es hier seit langem hervorbringt, besser als Wettbewerbsvorteil auf globaler Ebene nutzen kann. Entsprechend wird in der vorliegenden Mitteilung eine Strategie für die intensivere Nutzung des Potenzials der Kultur- und Kreativwirtschaft für Wachstum und Beschäftigung in der EU vorgeschlagen.

Wachstumsstarke Sektoren

Die wirtschaftliche Leistung der Kultur- und Kreativwirtschaft ist anerkannt: In der EU generiert sie 3,3 % des BIP und beschäftigt 6,7 Mio. Menschen (3 % der Beschäftigten insgesamt)2.

Auch die Zahlen für die Mode-3 und Luxusgüterbranchen4, die in hohem Maße von kulturellem und kreativem Input abhängen, sprechen für sich: Auf sie entfallen jeweils 3 % des BIP der EU, und sie beschäftigen 5 Mio. bzw. 1 Mio. Menschen, wobei in der Luxusgüterindustrie bis 2020 mit einem Anstieg der Beschäftigten auf 2 Mio. gerechnet wird5.

Zwischen 2008 und 2011 erwies sich die Beschäftigung in der Kultur- und Kreativwirtschaft im Vergleich zur gesamten EU-Wirtschaft als widerstandsfähiger6, wobei jedoch die Wachstumsraten zwischen den einzelnen Sektoren der Kultur- und Kreativwirtschaft variierten. Diese Tendenz ist umso interessanter, als in einigen dieser Sektoren der Anteil der jungen Beschäftigten höher ist als in der Gesamtwirtschaft.

Strategische Investitionen in diesen Sektoren auf lokaler und regionaler Ebene führten in manchen Fällen zu spektakulären Ergebnissen. Insbesondere Festivals und die Kulturhauptstädte Europas erbrachten einen beträchtlichen wirtschaftlichen Nutzen; teilweise wurde mit jedem investierten Euro die zehnfache Hebelwirkung erzielt.

Innovationskatalysator

Durch ihre Schnittstellenposition zwischen Kunst, Wirtschaft und Technologie ist die Kultur-und Kreativwirtschaft dafür prädestiniert, Spillover-Effekte in andere Branchen anzustoßen. So produziert sie beispielsweise Inhalte für IKT-Anwendungen und sorgt dadurch für Nachfrage nach High-Tech-Unterhaltungselektronik- und Telekommunikationsgeräten. Kultur und Kreativität üben auch eine unmittelbare Wirkung auf Sektoren wie den Tourismus aus und sind Bestandteil der gesamten Wertschöpfungskette anderer Sektoren, etwa der Mode- und Luxusgüterbranche, wo ihre Bedeutung als "Basiskapital" immer weiter zunimmt7.

Allgemein übt die Kultur- und Kreativwirtschaft einen Einfluss auf die Innovation in anderen Branchen aus. Wie in der Mitteilung zur Innovationsunion8 hervorgehoben, wird Innovation zunehmend von nichttechnologischen Faktoren wie Kreativität, Design und neuen Organisations- und Geschäftsmodellen vorangetrieben. Sie ist in erheblichem Maße von kreativen "Ökosystemen" abhängig, in denen die Qualität und Vielfalt der Akteure sowie der sektorübergreifenden Partnerschaften entscheidende Faktoren sind. Besonders offensichtlich ist dies etwa im verarbeitenden Gewerbe, wo Design einen Mehrwert bei Produkten, Dienstleistungen, Prozessen und Marktstrukturen erbringt. Bei Unternehmen, die doppelt so viel Mittel in kreativen Input investieren wie der Durchschnitt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie Produktinnovationen hervorbringen, um 25 % höher9.

Dieses Katalysatorpotenzial kann auch eine wichtige Ressource für gesellschaftliche Innovation und für die Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen sein (z.B. Klimawandel, nachhaltige Entwicklung, demografischer Wandel und kulturelle Vielfalt)10. So kann die Kultur- und Kreativwirtschaft zusammen mit dem Bildungs- und Berufsbildungssektor zur Entwicklung der richtigen Mischung aus Kompetenzen und Fertigkeiten (Kreativität, Unternehmergeist, kritisches Denken, Risikobereitschaft und Engagement) beitragen, die die EU in der Wissensgesellschaft benötigt, um wettbewerbsfähig zu sein.

Ein Schlüsselelement im globalen Wettbewerb und "Soft Power"

Die internationalen Partner Europas investieren bereits in großem Umfang in die Kultur- und Kreativwirtschaft. In den USA ist dies bereits seit Jahrzehnten der Fall, da die Kultur- und Kreativwirtschaft dort als Sektor von strategischer Bedeutung und als Instrument verstanden wird, um die globale Präsenz des Landes zu festigen. Andere Länder wie China, Südkorea und Indien investieren ebenfalls massiv, um ihr wirtschaftliches Potenzial und ihre "Soft Power" zu steigern, und sind hierzu in einen globalen Wettbewerb um kreative Talente eingetreten. So hat beispielsweise China die öffentlichen Investitionen in die Kultur seit 2007 jährlich um 23 % erhöht und plant den Anteil des Sektors am BIP bis zum Jahr 2015 von 2,5 % auf 5-6 % zu steigern11.

In der EU steigt der Beitrag der Mode- und Luxusgüterbranchen zu den Exporten 12 und zur Festigung der herausragenden Stellung Europas zwar kontinuierlich, doch das Potenzial anderer Sektoren, etwa der Film- und Musikbranche, wird im Ausland noch immer nicht strategisch ausgeschöpft. Die Herausforderung besteht darin, die Exporte zum Nutzen der EU-Wirtschaft zu steigern und zugleich ein dynamisches Bild eines attraktiven und kreativen Europas zu zeichnen, das offen ist für Kulturen und Talente aus der ganzen Welt.

2. Herausforderungen als neue Wachstums- und Beschäftigungschancen Nutzen

Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist mit einem rasanten, von Digitalisierung und Globalisierung angetriebenen Wandel konfrontiert. Dies führt dazu, dass neue Akteure auf den Plan treten, sehr große und kleinste Strukturen nebeneinander tätig sind, Wertschöpfungsketten sich nach und nach anpassen und die Verbraucherinnen und Verbraucher ihr Verhalten und ihre Erwartungen ändern. Diese Veränderungen schaffen zwar großartige Möglichkeiten, etwa durch niedrigere Produktionskosten oder neue Vertriebskanäle, sorgen jedoch auch für Handlungsbedarf auf unterschiedlichen Ebenen.

In diesem sich wandelnden Umfeld ist der Zugang zu Kapital weiterhin ein großes Problem: Der Bankensektor verfügt nicht über das erforderliche Knowhow, um Geschäftsmodelle in der Kultur- und Kreativwirtschaft zu analysieren, und bewertet die immateriellen Vermögenswerte dieser Sektoren nicht angemessen. In einer Zeit, in der dringender Anpassungs- und somit auch Investitionsbedarf besteht, hat die Finanz- und Wirtschaftskrise die Situation noch weiter verschärft.

Zugleich ist die Kultur- und Kreativwirtschaft durch eine ausgeprägte nationale und sprachliche Fragmentierung gekennzeichnet. Die daraus entstehende kulturelle Vielfalt ist zwar eindeutig ein Plus für Europa, führt jedoch gleichzeitig zu einer eingeschränkten, suboptimalen länderübergreifenden Zirkulation kultureller und kreativer Werke und Kulturschaffender innerhalb und außerhalb der EU sowie zu geografischen Ungleichgewichten und letztlich auch zu einer eingeschränkten Auswahl für die Verbraucher.

Dynamische Entwicklungen finden insbesondere an den Grenzen zwischen den verschiedenen Sektoren (z.B. immer stärkere Überschneidungen zwischen Computerspielen, Film und Musik) und zu anderen Branchen (z.B. Mode, Luxusgüter und Tourismus) statt. Innerhalb der einzelnen Sektoren gibt es allerdings oft noch ein Schubladendenken, was die Möglichkeiten für Synergien und die Entstehung neuer Lösungen und Geschäftsmöglichkeiten beschränkt.

All diese Herausforderungen wirken sich zwar in den verschiedenen Sektoren unterschiedlich aus; es ist jedoch offenkundig, dass ein umfassendes strategisches Vorgehen notwendig ist, in das alle Akteure von der lokalen Ebene bis hin zur EU-Ebene eingebunden sind.

3. Notwendigkeit einer vielschichtigen Strategie: Rolle der Mitgliedstaaten

Ein ganzheitlicher Ansatz für integrierte Strategien

Trotz der sehr unterschiedlichen Situationen in den Mitgliedstaaten und Regionen erfolgt die Entwicklung wirksamer Strategien, die die oben angeführten Herausforderungen aufgreifen und in neue Wachstums- und Beschäftigungschancen in der EU umwandeln können, in der Regel in der gleichen Abfolge logischer Schritte13.

Voraussetzung für erfolgreiche Strategien für die Kultur- und Kreativwirtschaft ist in der Regel die vollständige Erfassung und Mobilisierung der kulturellen und kreativen Ressourcen eines bestimmten Gebiets. Solche Strategien sind ganzheitlich angelegt, streben den Aufbau von Partnerschaften zwischen verschiedenen Bereichen an (Kultur, Industrie, Wirtschaft, Bildung, Tourismus, Raumplanung usw.) und beziehen alle relevanten Stakeholder des öffentlichen und privaten Sektors mit ein, um ein möglichst breites Engagement zu erreichen. Um wirksam, effizient und nachhaltig zu sein, müssen die Strategien auch wissenschaftlich untermauert werden. Für jede relevante Frage - von der Kompetenzentwicklung bis hin zum Zugang zu Kapital und zu den globalen Märkten - wird in diesen Strategien definiert, was sich im Rahmen bestehender Maßnahmen und Instrumente erreichen lässt und wo ein maßgeschneidertes Konzept notwendig ist. Dies gilt für alle Politikebenen: lokal, regional, national und europäisch.

In den letzten Jahren haben einige Mitgliedstaaten, Regionen und Städte (z.B. Vereinigtes Königreich, Estland, Wallonien, Apulien, Barcelona und Amsterdam) das außerordentliche Potenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft wirksam genutzt, um die sozioökonomische Entwicklung anzukurbeln, und hierfür schrittweise Adhoc-Strategien entwickelt. Andere stehen hier erst am Anfang. Die bereits entwickelten Strategien konzentrieren sich jedoch vor allem auf die Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft, jedoch noch nicht auf die Förderung von Partnerschaften und die Nutzung von Spillover-Effekten mit anderen Branchen.

Schwerpunkte der Politik

Zur Bewältigung der großen Herausforderungen sind insbesondere in den folgenden Schwerpunktbereichen konzertierte Maßnahmen erforderlich:

Wandel des Qualifikationsbedarfs

Es müssen engere Partnerschaften zwischen der Kultur- und Kreativwirtschaft, den Sozialpartnern sowie Bildungs- und Berufsbildungseinrichtungen geschlossen werden, und zwar sowohl für die Erstausbildung als auch für die berufliche Weiterbildung. Auf diese Weise entstehen die Kompetenzen und Fertigkeiten, die die Branchen für kreatives Unternehmertum in einem sich rasch wandelnden Umfeld benötigen. Darüber hinaus leiden einige Sektoren an einem Mangel an Beschäftigten mit klassischen technischen bzw. handwerklichen Fertigkeiten, da gerade junge Menschen weniger Interesse an solchen Berufsbildern zeigen.

Kreative Fähigkeiten müssen frühzeitig vermittelt werden, um das Fundament für einen konstanten Nachschub an kreativen Talenten zu legen und die Nachfrage nach vielfältigeren, anspruchsvolleren kreativen Inhalten und Produkten anzuregen. Mit Blick auf das lebenslange Lernen erleichtern kreative Kompetenzen und Fähigkeiten die Anpassung an die wechselnden Anforderungen des Arbeitsmarktes.

Ferner können Partnerschaften mit dem Bildungssektor ein anregendes Lernumfeld fördern, das Lernende - und insbesondere Personen mit Lernschwierigkeiten - dazu motiviert, Grundkompetenzen und für ihr künftiges Berufsleben relevante Fertigkeiten zu erwerben und so ihre Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern. Zudem können Initiativen der Kultur- und Kreativwirtschaft auf lokaler Ebene zur Integration von Randgruppen beitragen und Chancen für Menschen aus benachteiligten Stadtvierteln bieten.

Besserer Zugang zu Kapital

Der Zugang zu Fremdkapital wird in der Kultur- und Kreativwirtschaft durch zahlreiche Faktoren behindert: geringe Größe der Unternehmen, Unsicherheit hinsichtlich der Nachfrage nach ihren Produkten, Komplexität ihrer Geschäftspläne und Mangel an materiellen Vermögenswerten. Sinnvolle alternative Finanzierungsmöglichkeiten wie Eigenkapitalbeteiligung, Business Angels, Risikokapitalbeteiligung und Garantien werden kaum genutzt. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass es eine Marktlücke bei der Exportfinanzierung gibt.

Daher müssen die Finanzinstitute ihr Bewusstsein für das wirtschaftliche Potenzial dieser Sektoren schärfen und ihre Kapazität zur Bewertung von Unternehmen verbessern, deren Geschäft auf immateriellen Vermögenswerten basiert. Zugleich sollte Unternehmern der Kultur- und Kreativwirtschaft ein besseres Verständnis der Geschäftsplanung und des Einsatzes von Kapital zur Finanzierung der Geschäftstätigkeit und des Wachstums vermittelt werden.

Erweiterung des Marktes: neue Partnerschaften und Geschäftsmodelle

Einrichtungen und Dienstleister im Bereich Kunst und Kultur müssen ihre Kapazität zur Publikumsentwicklung, also zur Erschließung und Bindung neuer Zielgruppen, stärken, neue - vor allem grenzübergreifende - Chancen nutzen und auf Veränderungen beim Verhalten und bei den Erwartungen des Publikums reagieren. Es entstehen neue Angebote, die die Möglichkeiten der IKT und der Dienstleistungserbringung über das Internet nutzen, um die Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher nach einer breiten Palette von Inhalten und Produkten und nach einer größeren Teilhabe am kreativen Prozess zu befriedigen. Mit solchen neuen Konzepten und Angeboten dürften sich auch neue Einnahmequellen erschließen lassen.

Um die Schaffung, Produktion und Verbreitung ihrer Produkte über digitale Plattformen voranzutreiben, muss die Kultur- und Kreativwirtschaft strategische, faire Partnerschaften mit Akteuren aus anderen Branchen eingehen. Dies kann zur Entstehung innovativer Geschäftsmodelle führen, bei denen auf unterschiedliche Weisen auf Inhalte zugegriffen wird und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Interessen der Rechteinhaber (Einkünfte) und der Allgemeinheit (Zugang zu Inhalten und zum Wissen, dadurch Förderung der kulturellen Kompetenz und der Medienkompetenz) besteht. In diesem Zusammenhang sollte auch das Potenzial von Europeana14 - der zentralen Plattform zur Vernetzung der digitalen Sammlungen der Bibliotheken, Museen und Archive Europas - umfassender ausgeschöpft werden, so dass sie die Grundlage für ein neues "Ökosystem" digitaler Anwendungen und Produkte für Tourismus, Bildung, Kultur- und Kreativwirtschaft bilden kann.

Vergrößerung der internationalen Reichweite

Damit kleine Einrichtungen und Unternehmen in einem globalen Umfeld tätig werden und neue Zielgruppen und Märkte auf der ganzen Welt erreichen können, müssen intelligente Strategien für Internationalisierung und Exportförderung eingesetzt werden. Hierbei gilt es, die wirksamsten Unterstützungsangebote zur ermitteln, den Zugang zu ausländischen Märkten zu erleichtern, verstärkt Gespräche über Regulierungsfragen zu führen und Möglichkeiten der Risikoteilung zu bewerten. Es sollte intensiver geprüft werden, wie die Bündelung von Ressourcen und die verstärkte Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure dazu beitragen können, die kulturelle und kreative Präsenz Europas auf der Weltbühne zu vergrößern und ein attraktives Bild Europas zu vermitteln, das die Brücke schlägt zwischen unseren herausragenden Leistungen auf dem Gebiet des Kulturerbes und dynamischer, innovativer Kreativität.

Mehr fruchtbare sektorübergreifende Zusammenarbeit

Die Kultur- und Kreativwirtschaft benötigt multidisziplinäre Umfelder, in denen ihre Akteure mit Unternehmen aus anderen Branchen zusammentreffen können. Die fruchtbare Zusammenarbeit über Branchengrenzen hinweg sollte Teil jeder staatlichen Maßnahme zur Weiterentwicklung solcher Umfelder sein. Hierzu müssen bessere Förderinstrumente und -strategien für Unternehmen entwickelt und erprobt werden, die sektorübergreifende Verbindungen und Spillover-Effekte erleichtern. Dies impliziert auch die Anregung des Wandels innerhalb der Sektoren und die Integration neuer Kompetenzen und Fertigkeiten in andere Sektoren - und umgekehrt.

Zugleich muss auch die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Politikfeldern verstärkt werden; dies gilt insbesondere für Wirtschaft, Industrie, Bildung, Tourismus, Innovation, Stadt- und Regionalentwicklung und Raumplanung.

Entsprechend werden die Mitgliedstaaten ersucht, auf allen territorialen Ebenen und gegebenenfalls unter Einbindung aller relevanten öffentlichen und privaten Stakeholder folgende Maßnahmen zu ergreifen:

4. Mehrwert schaffen durch Massnahmen auf EU-Ebene

Die EU kann eindeutig einen wichtigen Beitrag zur Schaffung des richtigen Umfelds für diese Anpassungen leisten.

Ein geeigneter Rechtsrahmen

Mit dem Small Business Act für Europa entsteht einen Rahmen für die KMU-Politik der EU und ihrer Mitgliedstaaten, der die allgemeine Herangehensweise an die unternehmerische Tätigkeit verbessert 17. Dies ist gerade für die Kultur- und Kreativwirtschaft relevant, in der vorwiegend kleine Unternehmen und Kleinstunternehmen aktiv sind.

Die Schaffung eines vollständig integrierten digitalen europäischen Binnenmarktes steht im Zentrum der Mitteilung "Ein Binnenmarkt für Rechte des geistigen Eigentums"18. Darin skizziert die Kommission Initiativen zur Verwirklichung eines EU-Rahmens für Urheberrechte, in dem sich kreative Anstrengungen lohnen und der die grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit im Binnenmarkt erleichtert. Auf dieser Grundlage hat die Kommission Legislativvorschläge zu verwaisten Werken 19 und zur kollektiven Wahrnehmung von Rechten 20 vorgelegt. Ferner wird im Anschluss an das Grünbuch über den Online-Vertrieb von audiovisuellen Werken in der EU21 die Bewertung des audiovisuellen Sektors vorangetrieben. Zur Frage der Abgaben für Privatkopien hat die Kommission einen Mediationsprozess mit den Stakeholdern eingeleitet. Außerdem sind Maßnahmen geplant, um die Bewertung immaterieller Vermögenswerte zu verbessern - ein entscheidender Faktor für den Zugang zu privatem Kapital.

Für die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft, deren Geschäft sich vor allem auf Marken und Kundenbindung stützt, spielt die Modernisierung und Anpassung des Markenschutzsystems eine wichtige Rolle. Damit Nachahmungen und Produktpiraterie wirksam bekämpft werden können, müssen zuverlässige Daten zum Wert und zu Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums zur Verfügung stehen und besser analysiert werden, bewährte Verfahren ausgetauscht und Sensibilisierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Dies leistet die EU mit ihrer Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums. Auf Grundlage eines Memorandum of Understanding hinsichtlich des Verkaufs gefälschter Markenartikel auf Internetplattformen22 fördert die Kommission die Zusammenarbeit zwischen Rechteinhabern und Internetplattformen mit dem Ziel, das Angebot an gefälschten Kulturgütern im Internet europaweit einzudämmen.

Die Digitale Agenda für Europa 23 umfasst auch Maßnahmen zur Beseitigung von Entwicklungshindernissen für die europäischen Online-Märkte. Einige Elemente der darin vorgesehenen Initiativen für die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors können zur besseren Nutzung und Zugänglichkeit von Kulturgütern beitragen.

Eine der in der Mitteilung zur Zukunft der Mehrwertsteuer24 genannten vorrangigen Maßnahmen ist die Überprüfung der Steuersatzstruktur. Gemäß einem der Leitprinzipien dieser Überprüfung sollte auf vergleichbare Gegenstände und Dienstleistungen derselbe MwSt.-Satz erhoben werden. Zugleich sollte bei der Bewältigung der Konvergenzproblematik zwischen Online-Umfeld und realem Umfeld der technische Fortschritt berücksichtigt werden.

Damit ein funktionierender digitaler Markt auch neue Chancen für die Kultur- und Kreativwirtschaft bieten kann, wird die Kommission die Umsetzung der Maßnahmen weiter vorantreiben, die im Aktionsplan für den digitalen Binnenmarkt für elektronischen Handel und Online-Dienste25 skizziert werden, darunter Initiativen zu Melde- und Abhilfeverfahren und zur Netzneutralität.

Im Kontext der Modernisierung des EU-Beihilfenrechts26 wird für Beihilfen im Kultursektor eine Befreiung von der Anmeldepflicht erwogen. Außerdem soll bei der nächsten Überprüfung des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation die Frage der Unterstützung der Innovation - einschließlich nichttechnologischer Innovation - behandelt werden.

Erleichterung des Austauschs bewährter Verfahren und des "Peer Learning"

Initiativen auf EU-Ebene können innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft die Anpassung beschleunigen, die Verbreitung bewährter Verfahren fördern und die Vernetzung verbessern. Seit Annahme der europäischen Kulturagenda27 im Jahr 2007 arbeiten die nationalen Behörden in diesem Bereich zusammen. Es wurde eine Expertengruppe eingerichtet, um nationale bzw. regionale bewährte Verfahren zu erörtern und zu validieren und um Vorschläge für Kooperationsinitiativen zu erarbeiten. Die Gruppe hat ein Handbuch veröffentlicht, in dem dargelegt wird, wie die EU-Fonds für die Kohäsionspolitik zur Ausschöpfung des Potenzials der Kultur für die lokale, regionale und nationale Entwicklung genutzt werden können, insbesondere im Rahmen von Strategien zur intelligenten Spezialisierung28. Als Nächstes wird sich die Gruppe auf Internationalisierungs- und Exportstrategien konzentrieren. Ein weiteres Beispiel ist die von der europäischen Allianz der Kultur- und Kreativwirtschaft29 eingerichtete Lernplattform, die den Austausch und die Zusammenarbeit bei der Unternehmensförderung anregen, den Zugang zu Kapital verbessern und die Bildung von Exzellenz- und Kooperationsclustern anstoßen soll.

Zudem will die Kommission das Peer Learning unter Stadtverwaltungen unterstützen, so dass Lokalpolitiker die Erfahrungen, die sie mit der Kultur als Instrument für die soziale und wirtschaftliche Wiederbelebung von Städten gemacht haben, weitergeben und vergleichen können.

2014-2020: Mobilisierung einer breiten Palette spezifischer und allgemeiner Förderinstrumente

Die von der Kommission vorgeschlagenen Programme und Instrumente für den neuen mehrjährigen Finanzrahmen 2014-2020, insbesondere Kreatives Europa30, Erasmus für alle31, die EU-Fonds für die Kohäsionspolitik32, Horizont 2033, COSME34 und die Fazilität "Connecting Europe"35 können die Weiterentwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft entscheidend voranbringen und ihren Beitrag zur Strategie Europa 2020 für Wachstum und Beschäftigung verstärken.

Im Zentrum des Programms Kreatives Europa stehen die Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt in Europa und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft. Unter anderem ist Folgendes vorgesehen:

Auf Grundlage der zahlreichen bestehenden Angebote36 werden die Fonds für die Kohäsionspolitik weiter Investitionen in die Kultur- und Kreativwirtschaft fördern, damit die Kultur einen umfassenden Beitrag zu lokaler und regionaler Entwicklung, Stadterneuerung, ländlicher Entwicklung, Beschäftigungsfähigkeit und sozialer Eingliederung leisten kann. Mögliche Investitionsbereiche sind u.a. Forschung, Innovation, Wettbewerbsfähigkeit von KMU und Unternehmertum in der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie Schutz und Aufwertung von Kulturerbe und Kulturlandschaften37. Zudem wird der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums weiter zur Aufwertung des kulturellen Erbes und zur Verbesserung des Zugangs zu kulturellen Dienstleistungen in ländlichen Gebieten beitragen, indem er Investitionen und Schulungen für Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft unterstützt und zugleich die Vernetzung und Cluster-Bildung fördert, insbesondere im Rahmen von LEADER38.

Zugleich soll in diesem Zusammenhang der Einsatz geeigneter Finanzierungsinstrumente intensiviert werden, auch in der Kultur- und Kreativwirtschaft. In ihrem Ausblick auf die künftige Kohäsionspolitik nennt die Kommission die Kultur- und Kreativwirtschaft als einen der Bereiche, die für Strategien für intelligente Spezialisierung zur lokalen und regionalen Entwicklung in Frage kommen 39. Entsprechend sollten auch Strategien auf lokaler bzw. regionaler Ebene besser mit Strategien auf nationaler Ebene vernetzt werden. Schwerpunktmäßig sollte jetzt das Potenzial der Sektoren im Rahmen von Strategien für regionale Entwicklung ermittelt werden, und zwar mit Blick auf die künftigen Vorgaben für Partnerschaftsvereinbarungen, operative Programme und Programme zur ländlichen Entwicklung. Dabei sind zugleich die dynamischen Bezüge zwischen klassischen Kulturgütern, der Entwicklung kreativer Unternehmen und der Bewältigung gesellschaftlicher und ökologischer Herausforderungen zu berücksichtigen, und es sollte eine bessere Kombination von Investitionen in Infrastrukturen und Humankapital angestrebt werden40.

Das Ziel von COSME besteht darin, die Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit der Unternehmen und KMU in der EU zu steigern und eine unternehmerische Kultur zu fördern. Die Kommission hat Maßnahmen vorgeschlagen, um die Entwicklung von Clustern von Weltrang und Unternehmensnetzen anzuregen und die Entstehung wettbewerbsfähiger Wirtschaftszweige auf Grundlage sektorübergreifender Aktivitäten zu beschleunigen, was gerade für die Kultur- und Kreativwirtschaft ausgesprochen relevant ist. Für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und die kommerzielle Nutzung kreativer Ideen sind konkrete Aktionen vorgesehen, die auf die Schaffung individuell gestalteter, personalisierter und auf den Bedarf der Kunden abgestimmter Waren und Dienstleistungen ausgerichtet sind. Ferner schlägt die Kommission Aktionen zur Vernetzung und zum Ausbau von Fähigkeiten und Kompetenzen in den Bereichen Design, Kreativität und Produktion vor.

Horizont 2020 ist das Instrument, mit dem die EU Forschungs- und Innovationsaktivitäten fördern und die Nutzung des industriellen Potenzials von Strategien für Innovation, Forschung und technologische Entwicklung optimieren wird. Das Ziel ist, die Wettbewerbsfähigkeit in verschiedenen neu entstehenden Branchen und Sektoren zu stärken, was für die Kultur- und Kreativwirtschaft von besonderer Bedeutung ist. In diesen Sektoren werden technologische Entwicklungen gefördert, etwa innovative Technologien für die Schaffung und Nutzung von Inhalten und innovative Materialien für die Kreativwirtschaft. Daneben wird Horizont 2020 auch neue Formen der Innovation erschließen, etwa soziale Innovation und Kreativität, um die positive interkulturelle Dynamik innerhalb Europas und mit seinen internationalen Partnern weiter zu verbessern.

Im Zentrum der Fazilität "Connecting Europe" steht der Ausbau der Verkehrs-, Energie-und Datennetze Europas. Die Fazilität wird eine nachhaltige Finanzierung für Europeana ermöglichen und auch weitere für die Kultur- und Kreativwirtschaft relevante Vorhaben unterstützen, z.B. den Austausch von Informationen über Rechte und Lizenzierung sowie Kompetenzzentren für die Digitalisierung und Bewahrung des digitalen Kulturerbes.

Im Bereich Außenbeziehungen kann der politische Dialog zwischen der EU und Drittländern sowohl auf bilateraler als auch auf regionaler Ebene Vertrauen schaffen und Chancen für Partnerschaften - auch im Kultur- und Kreativsektor - eröffnen, von denen beide Seiten profitieren41. Im Rahmen der Zusammenarbeit wird die Kultur weiter als Triebfeder für die sozioökonomische Entwicklung und die Stärkung von Menschenrechten, Demokratie, Zivilgesellschaft und anderen Grundelementen der verantwortungsvollen Staatsführung dienen42.

In den kommenden Jahren werden die Bemühungen in den Mitgliedstaaten auf allen territorialen Ebenen durch verschiedene EU-Initiativen ergänzt, die sektorübergreifend die Entstehung kreativer Umfelder auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette fördern:

Zur Analyse des Qualifikationsbedarfs finanziert die EU die erste Phase des europäischen Qualifikationsrats (European Sectoral Skills Council) für den audiovisuellen Sektor und die darstellende Kunst44 sowie einen europäischen Qualifikationsrat für die Branchen Textil, Bekleidung und Leder45.

Bis Ende 2013 wird eine im Rahmen der europäischen Kulturagenda eingerichtete Gruppe von Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten einen Bericht über die Förderung kreativer Partnerschaften zwischen Schulen und Unternehmen bzw. Organisationen der Kultur- und Kreativwirtschaft vorlegen.

Der MEDIA-Produktionsgarantiefonds46 hilft Filmproduzenten bei der Erschließung privater Finanzierungsquellen.

Die Kommission wird prüfen, ob ein ähnlicher Garantiefonds für die Modebranche eingerichtet werden kann.

Im Rahmen der Strategie für Rechte des geistigen Eigentums wird die Kommission Politikvorschläge zur Verbesserung der wirtschaftlichen Nutzung dieser Rechte ausarbeiten47.

Die Kommission wird 2013

Die im Rahmen des EU-China-Handelsprojekts als Pilotvorhaben für die verstärkte Zusammenarbeit umgesetzte Kooperation im Kultur- und Kreativbereich wird fortgeführt.

Auch im kulturpolitischen Dialog mit aufstrebenden Partnern wird das Umfeld für Zusammenarbeit und Austausch im Bereich der KK eine zentrale Rolle spielen.

Darüber hinaus wird die Kommission

5. Überwachung der Fortschritte

Wenn das Potenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft voll ausgeschöpft wird, kann dies erheblich zu Wachstum und Beschäftigung und zur Beschleunigung des Wandels in Richtung einer wissensbasierten Innovationsgesellschaft beitragen. Dies erfordert Maßnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene sowie auf EU-Ebene, die die Umsetzung der oben beschriebenen mehrschichtigen Strategie unterstützen und die kurz- und längerfristig insbesondere auf die folgenden fünf zentralen politischen Zielsetzungen ausgerichtet sind: Entwicklung von Kompetenzen und Fertigkeiten; Verbesserung des Zugangs zu Kapital; Förderung neuer Geschäftsmodelle und Erschließung neuer Publikumsschichten; Verbesserung der Zusammenarbeit mit anderen Sektoren und Politikfeldern; Vergrößerung der internationalen Reichweite. Die verstärkte Zusammenarbeit mit den Partnern der EU wird ebenfalls Teil dieser Strategie sein, deren Gelingen auch von der Mitwirkung anderer europäischer Institutionen und der relevanten Stakeholder abhängig sein wird.

Zur Überwachung der Fortschritte bei der Umsetzung der Strategie schlägt die Kommission vor, den bestehenden Kooperationsrahmen zu nutzen, d.h. die Methode der offenen Koordinierung im Kulturbereich.