Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 2019 zum Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien

984. Sitzung des Bundesrates am 20. Dezember 2019

A.

Der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ) und der Ausschuss für Familie und Senioren (FS) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 01 - neu - (§ 1741 Absatz 2 Satz 1 BGB), Nummer 2 (§ 1766a Überschrift und Absatz 1 BGB)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 1766a BGB soll ermöglicht werden, dass zwei Personen, die in einer verfestigten Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt leben, gemeinsam adoptieren können. Die Möglichkeit der Adoption soll nicht auf die Stiefkindadoption beschränkt werden, sondern auf die Fremdkindadoption ausgeweitet werden, weil nur eine solche Regelung den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in seiner Entscheidung vom 26. März 2019 gerecht wird. Im Einzelnen:

Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 26. März 2019 festgestellt, dass es mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren ist, wenn Kinder, die mit einem leiblichen Elternteil zusammenleben, nicht von dem mit diesem zusammenlebenden, aber nicht mit dem Elternteil verheirateten oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft verbundenen faktischen Lebenspartner adoptiert werden können, ohne das Verwandtschaftsverhältnis zu dem mit ihnen zusammenlebenden Elternteil zu beenden. Das BVerfG hat darin eine Verletzung von Artikel 3 Absatz 1 GG gesehen, weil die betroffenen Kinder im Vergleich zu Kindern in einer ehelichen Stieffamilie ohne ausreichenden Grund benachteiligt werden. Damit festigt das BVerfG den dem Adoptionsrecht zu Grunde liegenden Gedanken des größtmöglichen Kindeswohls.

Eine Verletzung des betroffenen Kindes in seinen Rechten aus Artikel 3 Absatz 1 GG liegt hingegen nicht nur in Fällen einer Stiefkindadoption vor, sondern das geltende Adoptionsrecht behandelt Kinder faktischer Familien auch in anderen Konstellationen gleichheitswidrig und ist deshalb verfassungswidrig. So können unverheiratete Paare nicht gemeinsam ein fremdes Kind adoptieren. Die Nichtzulassung der gemeinsamen Adoption von Kindern, die als Pflegekinder über längere Zeit hinweg in einer faktischen Familie gelebt haben, verletzt die betroffenen Kinder in ihrem Recht auf Gleichbehandlung gegenüber Kindern, die als Pflegekinder bei Ehegatten gelebt haben (vgl. insoweit auch Löhning, Anmerkung zu BVerfG vom 26. März 2019 - 1 BvR 673/17, in: NZFam 2019, 473).

Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der Entscheidung des BVerfG vom 26. März 2019 zum Ausschluss der Stiefkindadoption dient ausweislich seines Titels und seiner Begründung gerade der Beseitigung der BVerfG kritisierten und als verfassungswidrig angesehenen derzeitigen Rechtslage. Der im Gesetzentwurf vorgesehene § 1766a BGB beseitigt diese Rechtslage zwar im Hinblick auf die Stiefkindadoption, ließe aber im Hinblick auf die Fremdkindadoption eine verfassungswidrige Rechtslage bestehen. Der vorgesehene § 1766a BGB ist daher nicht weitgehend genug und wie vorgeschlagen zu ändern. Zur Herstellung einer verfassungskonformen Rechtslage ist erforderlich, dass die Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Annahme des Kindes insgesamt auf nichteheliche aber verfestigte Lebensgemeinschaften ausgeweitet wird. Dies wird durch die vorgeschlagene, geänderte Fassung des § 1766a Absatz 1 BGB erreicht.

Die Regelbeispiele des § 1766a Absatz 2 BGB können hingegen zur Feststellung, ob eine verfestigte Lebensgemeinschaft vorliegt, die mit dem geänderten § 1766a Absatz 1 BGB-E sowohl zur Stiefkindadoption als auch zur Fremdkindadoption berechtigt, in der vorgeschlagenen Fassung beibehalten bleiben.

Die Aufhebung von § 1741 Absatz 2 Satz 1 BGB stellt eine notwendige Folgeänderung dar.

§ 1741 Absatz 2 Satz 1 BGB beinhaltet bislang die Regelung, dass nicht verheiratete Personen ein Kind nur alleine annehmen können. Durch die Änderung des § 1766a BGB soll es aber gerade möglich gemacht werden, dass nicht verheiratete Personen in verfestigten Lebensgemeinschaften ein Kind auch gemeinschaftlich annehmen können.

2. Zu Artikel 2 Nummer 3 ( Artikel 23 Satz 1 EGBGB)

Artikel 2 Nummer 3 ist zu streichen.

Begründung:

In der Begründung des Gesetzentwurfs ist ausgeführt, dass im Zuge der Neufassung des Artikels 22 EGBGB die diesbezügliche Sonderregelung in Artikel 23 EGBGB gestrichen werden solle. Da sich dieser Gesetzentwurf lediglich auf erforderliche Änderungen im Adoptionsrecht beschränke, sei Artikel 23 EGBGB dahingehend zu ändern, dass sich die Frage der Erforderlichkeit und der Erteilung der Zustimmung des Kindes zu einer Adoption nunmehr nur noch nach deutschem Recht richten soll. Im Adoptionsrecht sei die Sonderregel des aktuell geltenden Artikels 23 EGBGB daher nicht länger erforderlich.

Dieser Rechtsauffassung kann nicht gefolgt werden.

Die aktuell geltende Fassung des Artikels 23 EGBGB sieht vor, dass die Frage der Erforderlichkeit und der Erteilung der Zustimmung des Kindes zu der Adoption zusätzlich dem Recht des Staates, dem das Kind angehört, unterliegt.

Zu der vorgesehenen Änderung ist ausgeführt, dass für die seltenen Fälle der Vertragsadoption im Ausland der neue Artikel 22 Absatz 1 Satz 2 EGBGB nunmehr an das Recht des Staates anknüpfe, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, und damit eine zusätzliche Berücksichtigung des Heimatrechts des Kindes bei der Prüfung, ob die Adoption aus deutscher Sicht wirksam ist, in diesen Fällen zur Wahrung der Interessen des Kindes nicht mehr geboten erscheine. Zur Unterstützung dieser Ansicht wird festgehalten, dass das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ohnehin häufig mit dem deutschen Recht übereinstimme. Bewerte das Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, die Wirksamkeit der Adoption anders als das Heimatrecht, ließe sich der internationale Entscheidungseinklang ohnehin nicht erreichen.

Dass der - wie in der Begründung des Gesetzentwurfs ausgeführt - internationale Entscheidungseinklang nicht immer erreicht werden kann, ist sicherlich zutreffend.

Nicht hinnehmbar ist allerdings, wenn mangels Prüfung des Heimatrechtes des Kindes im Rahmen der richterlichen Entscheidungsfindung vollständig außer Betracht bleibt, dass in der Folge durch die Adoption nach deutschem Recht im Heimatland die Adoption nicht anerkannt wird.

Wenn nämlich eine Adoption mit dem Recht des Heimatstaates des Kindes nicht vereinbar ist, setzt man dieses Kind dann der Situation aus, letztlich zwei unterschiedlichen Rechtssystemen zu unterliegen. Wenn dieses Kind in Deutschland verbleibt, mag dies auf den ersten Blick nicht störend erscheinen. Außer Acht lässt man allerdings, dass dieses Kind, weil die Adoption im Heimatland nicht anerkannt ist, zu keinem Zeitpunkt mehr ohne Gefahr möglicher negativer Rechtsfolgen im Herkunftsland seine "alte Heimat" aufsuchen kann.

Besuchen die Adoptiveltern beispielsweise mit dem Kind das Herkunftsland und wird dieses Kind dort den Adoptiveltern entzogen, wären die Adoptiveltern letztlich ohne Rechte ausgestattet und könnten vor Ort für eine Rückkehr des Kindes "zu ihren Händen" nicht Sorge tragen, weil die Adoption im Herkunftsland keine Geltung entfaltet und quasi nicht stattgefunden hat. Selbiges gilt selbstredend auch, wenn das Kind - von wem auch immer - in das Herkunftsland verbracht wird.

Auch der Verweis in der Begründung, dass im Rahmen des ordre public (Artikel 6 EGBGB) berücksichtigt würde, dass die Adoptionen nicht gegen den Willen des Kindes bzw. seines gesetzlichen Vertreters und seiner Eltern vorgenommen werden dürfe, greift zu kurz.

Denn der einzig zu beachtende ordre public, der nach neuem Recht zu beachten wäre, wäre der ordre public der Bundesrepublik Deutschland.

3. Zu Artikel 4 Nummer 1 (§ 187 Absatz 1, Absatz 1a - neu - FamFG)

Artikel 4 Nummer 1 ist wie folgt zu fassen:

"1. § 187 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Ein Adoptionsbeschluss ist an eine strenge Prüfung formeller und materieller Voraussetzungen geknüpft, die besondere fachliche Kenntnisse erfordert. Aus diesem Grund formuliert das Adoptionsvermittlungsgesetz strenge Vorgaben an die Ausstattung einer Adoptionsvermittlungsstelle und die Eignung der mit Adoptionen betrauten Fachkräfte. Die sinkende Zahl an Adoptionsverfahren, häufige Personalwechsel in Gerichten und die zunehmende Arbeitsverdichtung führen zu einem Rückgang an erforderlichem Fachwissen bei Familienrichterinnen und -richtern und einer vermehrten Arbeitsbelastung durch die regelmäßig erforderliche Einarbeitung. Dem kann durch zentrale Zuständigkeiten bei und innerhalb von ausgewählten Familiengerichten, die bereits jetzt durch ihre fachliche Expertise maßgeblich zur Qualitätssicherung in der Adoptionsvermittlung beitragen, begegnet werden.

B

4. Der federführende Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.