Empfehlungen der Ausschüsse
Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements

836. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2007

A

Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes aus folgendem Grund einberufen wird:

1. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe b (§ 3 Nr. 26a, 26b - neu - EStG)

Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe b ist wie folgt zu fassen:

"b) Nach Nummer 26 werden folgende Nummern 26a und 26b eingefügt:

Begründung

Der Bundesrat hat sich in seiner Stellungnahme vom 30. März 2007 zu dem Gesetzentwurf - BR-Drs. 117/07(B) HTML PDF - für die Schaffung eines Steuerfreibetrages für ehrenamtliche Betreuer in Höhe der Übungsleiterpauschale von 2 100 Euro ausgesprochen. Er hat dies wie folgt begründet:

"Das ehrenamtliche Betreuungswesen nimmt in der Gesellschaft in Anbetracht der demografischen Entwicklung eine wachsende überobligatorische Funktion ein. Betreuerinnen und Betreuer übernehmen dieses Ehrenamt häufig auch, ohne mit der zu betreuenden Person in einem familiären Verhältnis zu stehen und nicht selten auch gleichzeitig in mehreren Fällen. An diesem ehrenamtlichen Einsatz besteht im Blick auf das dabei regelmäßig zu beobachtende persönliche Engagement der Betreuerinnen und Betreuer, jedoch auch unter fiskalischen Gesichtspunkten ein besonderes öffentliches Interesse.

Die Betreuungstätigkeit ist nach dem seinerzeitigen gesetzgeberischen Willen nicht vom Übungsleiterfreibetrag umfasst, so dass die rechtlichen Betreuerinnen und Betreuer von der Anhebung des Freibetrages nicht profitieren. Im Rahmen der steuerlichen Begünstigung kommt es gemessen an der Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements, welches durch dieses Gesetz gestärkt werden soll, zu einem Gerechtigkeitsgefälle, wenn z.B. der Übungsleiter in einem Sportverein (künftig) bis zu 2 100 Euro steuerfrei einnehmen kann, der ehrenamtliche rechtliche Betreuer dagegen die Aufwandspauschale versteuern muss.

Die vorgeschlagene Änderung verhindert, dass das Gerechtigkeitsgefälle mit der vorgesehenen Anhebung der Übungsleiterpauschale insoweit weiter ausgebaut wird. Das wäre auch im Interesse der Länderhaushalte. Denn ansonsten wäre zu befürchten, dass die Bereitschaft zur Übernahme ehrenamtlicher Betreuungen zurückgeht. Das würde wiederum einen verstärkten Einsatz von Berufsbetreuern erfordern und die ohnehin stetig steigenden Ausgaben der Länder in Betreuungsangelegenheiten weiter erhöhen.

Von der Begünstigung betroffen sind alle rechtlichen Betreuer, unabhängig davon, ob die Aufwandsentschädigung aus dem Vermögen der betreuten Person gezahlt wird oder ob die Staatskasse dafür aufkommt.

Eine unmittelbare Aufnahme des ehrenamtlichen rechtlichen Betreuers in § 3 Nr. 26 EStG scheitert daran, dass die Betreuungsleistung nicht im Dienst oder Auftrag des Vormundschaftsgerichts, sondern unmittelbar gegenüber der betreuten Person erbracht wird. Andererseits ergibt sich eine gewisse Nähe zu § 3 Nr. 26 EStG durch die Einwilligung und Genehmigung, die der Betreuer beim Vormundschaftsgericht einholen muss, und dadurch, dass er dessen Kontrolle unterliegt. Das rechtfertigt es, die Steuerbefreiung eng an § 3 Nr. 26 EStG zu koppeln."

Der Deutsche Bundestag ist insoweit der Stellungnahme des Bundesrates nicht gefolgt. Entsprechende Anträge, die die Umsetzung der Stellungnahme des Bundesrates zum Ziel hatten, wurden abgelehnt, obwohl sich auch die Experten in der Sachverständigenanhörung für die Schaffung eines solchen Freibetrages ausgesprochen hatten. Stattdessen wurde auf Empfehlung des Finanzausschusses in § 3 Nr. 26a EStG ein Steuerfreibetrag von 500 Euro für bestimmte nebenberufliche Tätigkeiten zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke geschaffen, der die Tätigkeit der ehrenamtlichen rechtlichen Betreuer gerade nicht umfasst. Die Voraussetzungen für den neuen Steuerfreibetrag von 500 Euro, der an die Stelle der im Gesetzentwurf der Bundesregierung noch vorgesehenen Steuerermäßigung von 300 Euro tritt (BT-Drs. 016/5200, Artikel 1 Nr. 4 § 34h EStG-E), treffen auf die von den Vormundschaftsgerichten bestellten ehrenamtlichen rechtlichen Betreuer nicht zu. Zudem würde der Freibetrag mit 500 Euro nicht einmal die pauschale jährliche Aufwandsentschädigung (je Betreuung derzeit 323 Euro) für zwei ehrenamtliche Betreuungen abdecken.

Das Gesetz ist also in der derzeitigen Fassung nicht geeignet, die ehrenamtliche Tätigkeit im Betreuungswesen weiter zu fördern, obwohl dies wegen ihrer überragenden Bedeutung dringend erforderlich ist. Ende 2005 standen bundesweit knapp 1,2 Millionen Menschen unter rechtlicher Betreuung. Gut 68 Prozent aller neu eingerichteten Betreuungen werden dabei ehrenamtlich geführt, darunter circa 62 Prozent von Familienangehörigen und circa 6 Prozent von freiwilligen Dritten (gegenüber circa 25 Prozent Berufsbetreuern und circa 6 Prozent Vereins- und Behördenbetreuern). In einzelnen Ländern der Bundesrepublik wie z.B. in Schleswig-Holstein liegt die Quote der ehrenamtlichen Betreuer, die nicht aus der Familie des betreuten Menschen stammen, sogar deutlich über 10 Prozent. Dies zeigt, wie wichtig das Ehrenamt in diesem Lebensbereich ist und angesichts stetig weiter steigender Betreuungszahlen auch bleiben muss. Um das ehrenamtliche Engagement im Betreuungsbereich weiter zu fördern, ist die vom Bundesrat empfohlene gesetzliche Änderung bei der Besteuerung des Aufwendungsersatzes für ehrenamtliche Betreuungspersonen dringend geboten.

Ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer können ihre Auslagen entweder in Form der Einzelabrechnung oder als jährliche Pauschale in Höhe von 323 Euro geltend machen, wobei diese bei mittellosen Betreuten aus der Landeskasse zu zahlen ist. Die Pauschale gehört dabei - so das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (vgl. Urteil vom 21. August 2003, - 2 K 179/02 -, BtPrax 2004, 206) - zum steuerpflichtigen Einkommen, allerdings besteht ein Freibetrag von 256 Euro, und die Finanzämter erkennen ohne Nachweis pauschal Werbungskosten in Höhe von 25 Prozent an. Übernimmt ein Familienangehöriger eine einzige Betreuung, bleibt die Aufwandspauschale somit steuerfrei. Übernimmt dagegen ein engagierter Bürger mehrere ehrenamtliche Betreuungen, muss er einen Großteil der Aufwandspauschale versteuern oder alle Einzelausgaben zum Nachweis seiner Werbungskosten festhalten. Dies widerspricht dem Charakter der Pauschale, die der Betreuungsperson den Aufwand ersparen soll, über jeden Besuch, Behördengang und jede weitere Tätigkeit für den betreuten Menschen einen Nachweis führen zu müssen. Gleichzeitig soll die Pauschale die Gerichte von dem mit einer Einzelabrechnung verbundenen Prüfaufwand entlasten. Außerdem entsteht auch bei den Finanzämtern für die Kontrolle der Nachweise ein vermeidbarer Prüfaufwand.

Diese Besteuerung der Aufwandspauschale hat in der Vergangenheit bereits etliche ehrenamtliche Betreuungspersonen veranlasst, um ihre Entlassung nachzusuchen. Die Bürgerinnen und Bürger, die eine ehrenamtliche Betreuung übernehmen, sind bereit, ihre Fähigkeiten und ihre Zeit für die betroffenen Menschen einzusetzen. Finanzielle Aspekte spielen angesichts des tatsächlichen Aufwandes für eine solche Betreuung und angesichts der geringen Höhe der Pauschale regelmäßig selbst dann keine Rolle, wenn mehr als eine Betreuung übernommen wird. Deshalb sind hier auch keine nennenswerten Steuereinnahmen zu erwarten. Die Betreuerinnen und Betreuer können deshalb nicht nachvollziehen, dass sie diese Aufwandspauschalen auch noch versteuern bzw. einen erheblichen Aufwand für den Nachweis ihrer Einzelausgaben betreiben sollen. Sie empfinden dies als vollkommen unnötige Bürokratie oder sogar als Bestrafung ihres freiwilligen Engagements und nehmen das Vorgehen der Finanzämter auf Grund der derzeitigen Rechtslage zum Anlass, ihre Tätigkeit niederzulegen.

Die Länder sind aber auf dieses ehrenamtliche Engagement angewiesen, wenn sie die Ausgabensteigerungen im Betreuungswesen eingrenzen wollen. Zum einen ist angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung damit zu rechnen, dass immer mehr betreuungsbedürftige Personen ohne nahe Angehörige dastehen, die zur Übernahme der Betreuung bereit sind. Zum anderen sind gerade die erfahrenen ehrenamtlichen Betreuungspersonen in der Lage, auch schwierigere Betreuungsfälle zu übernehmen. So berichtet die Praxis, dass Angehörige zwar bereit sind, sich regelmäßig persönlich um den betroffenen Menschen zu kümmern, sich aber angesichts der Komplexität der Aufgaben (Stichwort "Sozialgesetzgebung") zunehmend nicht in der Lage sehen, auch die rechtliche Betreuung zu übernehmen.

Die Alternative zur ehrenamtlichen Betreuung ist die vermehrte Bestellung von Berufsbetreuern. Während die ehrenamtliche Betreuung eines mittellosen Betreuten die Landeskasse jährlich lediglich pauschal 323 Euro kostet, liegen die Ausgaben bei einer Berufsbetreuung im ersten Jahr bei der höchsten Vergütungsstufe zwischen 1 848 Euro und 2 970 Euro. Angesichts der bereits jetzt bundesweit erheblichen Ausgaben für das Betreuungswesen (Gesamtausgaben 2006: 579 Millionen Euro gegenüber 2005: 501 Millionen Euro und 2004: 434 Millionen Euro), bei denen die Ausgaben für die Berufsbetreuungen den größten Anteil ausmachen (z.B. in Schleswig-Holstein 2006: circa 15 Millionen Euro gegenüber 3,5 Millionen Euro Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Betreuungen) muss die Förderung des Ehrenamtes im Betreuungswesen größte Priorität haben. Nur wenn es gelingt, die Quote der ehrenamtlichen Betreuungen weiterhin hoch zu halten, lässt sich eine weitere Ausgabensteigerung durch eine Verschiebung hin zu den Berufsbetreuungen vermeiden. Die Länder können es sich nicht leisten, dass diese ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürger aus Gründen unnötiger Bürokratie im Bereich des Steuerrechts das Handtuch werfen.

Durch eine solche Änderung der steuerlichen Rahmenbedingungen können alle Seiten nur gewinnen. Die Stärkung der ehrenamtlichen Betreuungen hilft, die den Justizhaushalt belastenden Ausgaben für Berufsbetreuungen zu begrenzen, wobei die Einsparungen mögliche steuerliche Mindereinnahmen um ein Vielfaches übersteigen. Gleichzeitig trägt dies zum Bürokratieabbau bei den Behörden bei.

Da mit dem Gesetz steuerliche Erleichterungen in verschiedenen Bereichen erfolgen sollen, kann der Einbeziehung der ehrenamtlichen Betreuungen in das Gesetzgebungsvorhaben auch nicht entgegengehalten werden, dass damit für eine einzelne Personengruppe unzulässige Ausnahmevorschriften geschaffen würden. Die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements muss dort erfolgen, wo sie dringend erforderlich ist, nämlich in dem für alle Bürgerinnen und Bürger immer wichtiger werdenden Bereich des Betreuungswesens. Die Zahlen sprechen hier für sich.

B