Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften
(4. VwVfÄndG)

847. Sitzung des Bundesrates am 19. September 2008

A.

Der Finanzausschuss (Fz) und der Rechtsausschuss (R) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nr. 5 (§ 42a Abs. 1 VwVfG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob der Regelung eine andere Fassung zu geben ist, durch die dem Gebot der Normenklarheit und Rechtssicherheit besser Rechnung getragen wird.

Begründung

In § 42a Abs. 1 VwVfG-E muss aus Gründen der Normenklarheit und Rechtssicherheit zum Ausdruck gebracht werden, welches Ereignis den Eintritt der Genehmigungsfiktion verhindert. Nach dem derzeitigen Wortlaut der Vorschrift würde die Genehmigungsfiktion selbst bei vor Ablauf der festgelegten Frist bekannt gegebener Versagung der beantragten Genehmigung eintreten.

Allerdings empfiehlt es sich insofern nicht, auf die Bekanntgabe des Verwaltungsakts abzustellen. Denn die Bekanntgabe kann sich - wie die Praxis immer wieder zeigt - aus mannigfaltigen Gründen verzögern oder die Bekanntgabe oder deren Zeitpunkt kann nicht sicher festgestellt werden. Daher sollte darauf abgestellt werden, wann die Behörde die Bekanntgabe ins Werk gesetzt hat, also zum Beispiel den Bescheid unter Vermerk in den Akten zur Post aufgegeben hat. Sollte dies aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen nicht möglich sein, müssten die Vorschriften über die Bekanntgabe oder die Bestandskraft von Verwaltungsakten derart neu justiert werden, dass es jedenfalls im Ergebnis nicht zu Lasten der Behörde gehen kann, wenn sie alles getan hat, um den Verwaltungsakt innerhalb der festgelegten Frist bekannt zu geben, die Bekanntgabe aber gleichwohl aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen gescheitert, nicht rechtzeitig erfolgt oder nicht nachweisbar ist.

2. Zu Artikel 1 Nr. 5 (§ 42a Abs. 2 Satz 2 VwVfG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob angesichts der an das Vorliegen der "vollständigen Unterlagen" geknüpften Rechtsfolgen eine Legaldefinition oder eine Konkretisierung dieses Begriffes möglich und notwendig ist.

Begründung

Der in Anlehnung an Artikel 13 Abs. 3 der EG-Dienstleistungsrichtlinie in § 42a Abs. 2 Satz 2 VwVfG-E verwendete Begriff der "vollständigen Unterlagen" ist unbestimmt. Zudem wird in der Entwurfsbegründung ein abweichender Begriff der "erforderlichen Unterlagen" verwendet. Hier sollte zumindest eine einheitliche Terminologie gebraucht werden. Angesichts der an das Vorliegen dieser vollständigen Unterlagen geknüpften Rechtsfolgen (Beginn des für den Eintritt der Genehmigungsfiktion relevanten Laufs der Frist nach § 42a Abs. 1 VwVfG-E) dürfte zudem eine Definition des einheitlich zu verwendenden Begriffs notwendig sein. Dies ist auch möglich. Beispielsweise kann auf die zur Beurteilung der gesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen, mithin zur Sachentscheidung erforderlichen Unterlagen, abgestellt werden.

3. Zu Artikel 1 Nr. 7 (§ 71b Abs. 1 VwVfG)

In Artikel 1 Nr. 7 § 71b Abs. 1 sind die Wörter "Anzeigen, Anträge, Willenserklärungen und Unterlagen" durch die Wörter "Erklärungen und Dokumente" zu ersetzen.

Begründung

Der Sinn der bisher verwendeten Aufzählung von "Anzeigen, Anträge, Willenserklärungen und Dokumente" wird weder aus der Entwurfsbegründung zu § 71b Abs. 1 VwVfG-E noch aus den Bestimmungen der EG-Dienstleistungsrichtlinie, insbesondere deren Artikel 6 Abs. 1, deutlich. Ziel der Bestimmung ist es, die gesamte Korrespondenz eines Antragstellers zu erfassen.

Diese wiederum erschöpft sich in Schriftstücken, aus denen sich (für Dokumente) kein oder (für Anzeigen, Anträge, Willenserklärungen) ein eigener Wille des Antragstellers ergibt. Mit der vorgeschlagenen kürzeren Formulierung werden folglich alle denkbaren Formen einer Korrespondenz erfasst und gleichzeitig mehr Spielräume für Gerichte und Behörden eröffnet.

4. Zu Artikel 1 Nr. 7 (§ 71b VwVfG)

In Artikel 1 Nr. 7 ist § 71b Abs. 5 wie folgt zu fassen:

Begründung

Mit der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Regelung würden die zuständigen Behörden für alle betroffenen Verfahren und Antragsteller über die Soll-Bestimmung verpflichtet, im Regelfall sämtliche Mitteilungen und Bescheide an den Antragsteller zunächst der einheitlichen Stelle zuzuleiten, die sie dann an den Antragsteller (weiter-)leiten müsste. Im Ergebnis könnte dies bei einer nicht elektronischen Abwicklung der Verfahren auf eine bloße Umkuvertierung sämtlicher behördlicher Mitteilungen und Bescheide durch die einheitliche Stelle hinauslaufen (Zeitverlust und Verwaltungsaufwand). Dies ist für eine richtlinienkonforme Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie nicht notwendig. Die bisher im Bund/Länder-Musterentwurf vorgesehene Regelung ist in verwaltungsorganisatorischer Hinsicht flexibler, zeitsparender und weniger verwaltungsaufwendig.

5. Zu Artikel 1 Nr. 7 (§ 71b Abs. 5 Satz 1 VwVfG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob mit § 71b Abs. 5 Satz 1 VwVfG-E das Regelungsziel, eine gesetzliche Grundlage für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten der zuständigen Behörden durch die einheitliche Stelle zu schaffen, erreicht wird.

Begründung

Nach § 71b Abs. 5 VwVfG-E sollen, soweit die einheitliche Stelle zur Verfahrensabwicklung in Anspruch genommen wird, Mitteilungen der zuständigen Behörde an den Antragsteller oder Anzeigepflichtigen über sie (scil.: die einheitliche Stelle) weitergegeben werden. Verwaltungsakte werden auf Verlangen desjenigen an den sich der Verwaltungsakt richtet, von der zuständigen Behörde unmittelbar bekannt gegeben.

Nach der Begründung des Gesetzentwurfs ist es das Ziel der Regelung, grundsätzlich die gesamte Verfahrensabwicklung einschließlich der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes über die einheitliche Stelle vorzunehmen. Zu Recht weist die Begründung dann auch darauf hin, dass wegen der verfahrensrechtlichen Bedeutung der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes eine gesetzliche Regelung über die Zuständigkeit für die Bekanntgabe erforderlich ist. Diesem Anliegen dürfte § 71b Abs. 5 VwVfG-E indes nicht gerecht werden. Der Grundregel des Satzes 1 unterfallen ausschließlich Mitteilungen. Eine "Mitteilung" im Sinne des VwVfG ist dadurch geprägt, dass sie keine regelnde Wirkung entfaltet (statt aller vgl. Kopp/Schenke, VwVfG, 10. Auflage, § 35 Rnr. 50). Mithin unterfällt gerade der (regelnde) Verwaltungsakt nicht dem Begriff der "Mitteilung" im Sinne des § 71b Abs. 5 Satz 1 VwVfG-E. Um das gesetzliche Regelungsziel zu erreichen, dürfte die Bekanntgabe von Verwaltungsakten über die einheitliche Stelle ausdrücklich in § 71b Abs. 5 Satz 1 VwVfG-E aufzunehmen sein. Das erfordert zugleich eine klarere Abgrenzung von einheitlicher Stelle und zuständiger Behörde, durch die festgelegt wird, ob der Verwaltungsakt der zuständigen Behörde "durch Vermittlung der einheitlichen Stelle" (uneingeschränkt zulässig siehe Kopp/Schenke, VwVfG, 10. Auflage, § 41 Rnr. 8) oder "durch die einheitliche Stelle" (streitig, ob eine gesetzliche Gestattung der Bekanntgabe durch eine nicht zuständige Behörde erforderlich ist, vgl. eingehend BFH, Beschluss vom 12. November 1992 - XI B 069/92 -, BFHE 170, 106 m.w.N.) an den Adressaten des Verwaltungsaktes bekannt gegeben wird.

6. Zu Artikel 1 Nr. 7 (§ 71e Satz 1 VwVfG)

In Artikel 1 Nr. 7 § 71e Satz 1 sind nach dem Wort "Verlangen" die Wörter "des Antragstellers" einzufügen.

Begründung

Es sollte auch im Gesetzestext und nicht nur in der Begründung (vgl. BR-Drs. 580/08 (PDF) , S. 35) zum Ausdruck gebracht werden, dass nur der Antragsteller, nicht jedoch die Behörde verlangen kann, dass das Verfahren in elektronischer Form abgewickelt wird.

7. Zu Artikel 6 Nr. 2 (§ 164a StBerG)

In Artikel 6 Nr. 2 ist der dem § 164a Abs. 1 anzufügende Satz wie folgt zu fassen:

Begründung

Die Organisation der einheitlichen Stellen ist Ländersache. Daher wird im StBerG auch auf die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder Bezug genommen.

Der Verweis auf das gesamte VwVfG in § 71a Abs. 1 VwVfG-E (soweit sich aus den §§ 71a bis 71e VwVfG-E nichts Abweichendes ergibt) widerspricht § 164a Abs. 1 S. 1 StBerG. Letzterer sieht vor, dass sich die Durchführung bestimmter Verwaltungsverfahren nach der - vom VwVfG teilweise abweichenden - Abgabenordnung richtet. Betroffen sind die Zulassung zur Prüfung und die Befreiung von der Prüfung (§§ 36 ff. StBerG), die Bestellung zum Steuerberater (§ 40 StBerG), die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft (§§ 49 ff. StBerG) sowie die Anerkennung als Lohnsteuerhilfeverein (§§ 14 ff. StBerG).

Damit wäre in diesen Verwaltungsverfahren die Abgabenordnung anzuwenden, wenn sich der Antragsteller direkt an die zuständige Behörde wendet, hingegen das gesamte VwVfG, wenn sich der Antragsteller an die einheitliche Stelle wendet. Diese Differenzierung muss vermieden werden.

Zudem führt der Verweis in § 164a StBerG-E auf § 71a Abs. 1 VwVfG-E zu einer Anwendung der Genehmigungsfiktion gem. § 42a VwVfG-E, was für den Bereich des StBerG aus folgenden Gründen abgelehnt wird:

Nach Art. 3 Abs. 1 d) der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG finden die Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie keine Anwendung, wenn sie einer Bestimmung der Berufsqualifikationsrichtlinie 2005/36/EG widersprechen.

Dies ist hier der Fall, denn die Berufsanerkennungsrichtlinie räumt den Mitgliedstaaten im Berufsrecht der Steuerberater das Recht ein, die Aufnahme einer Tätigkeit im Inland von einer sogenannten Eignungsprüfung abhängig zu machen. Dies sieht § 37a Abs. 2 StBerG in der Fassung des Achten Steuerberatungsänderungsgesetzes vor. Ferner sind in Umsetzung der Vorgaben der Berufsanerkennungsrichtlinie in § 37a Abs. 3a StBerG die Modalitäten des Verfahrens über die Eignungsprüfung in der Weise speziell geregelt worden, dass die Zulassung zur Eignungsprüfung innerhalb der von der Berufsanerkennungsrichtlinie geforderten Fristen bearbeitet werden muss. Im Gegensatz zur Dienstleistungsrichtlinie ist nach der hier vorrangig zu beachtenden Berufsanerkennungsrichtlinie eine Genehmigungsfiktion in Bezug auf die Zulassung des vorgenannten Personenkreises nicht vorzusehen.

Die übrigen o. g. Verwaltungsverfahren betreffen Inlandssachverhalte, d. h. sie fallen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinien. Dennoch wäre nach § 42a Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 VwVfG-E künftig eine Frist von drei Monaten zu beachten nach deren Ablauf die Genehmigung fingiert würde. Es ist nicht ersichtlich, weshalb dieses strenge Verfahren z.B. bei der Zulassung inländischer Steuerberater vorgeschrieben sein sollte, obwohl dies nicht einmal die Berufsqualifikationsrichtlinie für die Zulassung ausländischer Steuerberater fordert. Verfahrensbeschleunigung kann auch hier nicht um den Preis der Qualität des Steuerberatungswesens erzielt werden.

B.