Unterrichtung durch den Bundespräsidenten
Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation

Der Bundespräsident Berlin, den 8. Dezember 2006

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstoff

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,

am 10. Oktober 2006 ist mir das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation zur Ausfertigung gemäß Art. 82 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes zugeleitet worden.

Nach der mir verfassungsrechtlich obliegenden Prüfung, ob das Gesetz nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommen ist, bin ich zu dem Ergebnis gelangt; dass das am 29. Juni 2006 vom Deutschen Bundestag und am 22. September 2006 vom Bundesrat verabschiedete Gesetz gegen das seit dem 1. September 2006 geltende Verbot des Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG verstößt, durch Bundesgesetz den Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben zu übertragen. Dieses Aufgabenübertragungsverbot ist ein Ergebnis der Föderalismusreform. Die neue grundgesetzliche Vorschrift stellt klar, dass Gemeinden und Gemeindeverbände als Teil der Länder allein durch landesgesetzliche Zuweisung mit dem Vollzug von Bundesgesetzen betraut werden können.

Das Verbraucherinformationsgesetz gibt in § 1 in Verbindung mit § 3 jedem Bürger einen voraussetzungslosen Anspruch (subjektivöffentliches Recht) auf Information über verbraucherrelevante Daten, die bei Behörden der Gemeinden und Gemeindeverbände vorhanden sind. Angesichts des eindeutigen Wortlauts von § 1 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 Verbraucherinformationsgesetz kann nicht -darauf abgestellt werden, dass kommunale Behörden nur dann informationspflichtig wären, wenn sie sachlich für das Lebensmittel- und Futtermittelrecht zuständig sind. Damit fügt sich das Gesetz in die Grundkonzeption der geltenden Informationsfreiheitsgesetze (u.a. Umweltinformationsgesetz vom 22. Dezember 2004 und Informationsfreiheitsgesetz des Bundes vom 5. September 2005) ein, die einen Informationsanspruch nicht davon abhängig machen, ob die informationspflichtige Stelle sachlich zuständig ist, sondern allein davon, ob bei der Stelle entsprechende Informationen vorhanden sind. In der Verpflichtung der kommunalen Behörden, Anträge nach dem Verbraucherinformationsgesetz auf Herausgabe von Informationen zu prüfen und zu bescheiden, liegt eine Aufgabenübertragung im Sinne des Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG. Hierin sehe ich einen klaren Verstoß gegen die seit dem 1. September 2006 geltende negative Kompetenzvorschrift des Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG, der mich daran hindert, das Gesetz auszufertigen.

Bereits im Zusammenhang mit den Beratungen des Gesetzes im Bundesrat sind von den Ländern Berlin, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein verfassungsrechtliche Bedenken geäußert worden. Das Land Berlin versagte wegen des Verstoßes gegen Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG dem Gesetz seine Zustimmung.

Mit ihrer Stellungnahme vom 30. November 2006 hat mir die Bundesregierung in Bezug auf das Aufgabenübertragungsverbot des Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG mitgeteilt, dass mit den Ländern Konsens darüber hergestellt worden sei, dass in Bundesgesetzen geregelte neue Verpflichtungen für staatliche Stellen allgemein an die zuständigen Stellen zu adressieren sind und Kommunen in Gesetzen nicht zu nennen sind.

Meines Erachtens kann den berechtigten Belangen des Verbraucherschutzes sehr schnell durch die erneute Verabschiedung des Gesetzes ohne die verfassungsrechtlich unzulässige Aufgabenzuweisung Rechnung getragen werden.

Mit gleich lautenden Schreiben habe ich die Bundeskanzlerin und den Präsidenten des Bundestages unterrichtet. Die Öffentlichkeit wird heute Nachmittag durch eine Presseerklärung informiert. Den Text füge ich zu Ihrer Information bei.


Mit freundlichen Grüßen
Horst Köhler

Anlage

Vom Umdruck der Anlage wird abgesehen.