Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 115580 - vom 5. August 2008.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 8. Juli 2008 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
- - in Kenntnis des Berichts des Rechtsausschusses sowie der Stellungnahme des Ausschusses für konstitutionelle Fragen (A6-0222/2008),
A. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament keine Rechtspersönlichkeit besitzt und deshalb beim Schutz seiner Rechte vor nationalen Gerichten häufig auf Probleme stößt, die mit seiner spezifischen Natur zusammenhängen,
B. in der Erwägung, dass das Parlament das Initiativrecht der Kommission respektiert, jedoch gemäß Artikel 192 EG-Vertrag auf seinem Recht besteht, die Kommission aufzufordern, Legislativvorschläge einzubringen,
C. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in diesem Zusammenhang über eine Reihe von im Vertrag vorgesehenen Abhilfemöglichkeiten verfügt, die ihm den Schutz seiner Rechte gegenüber den anderen Gemeinschaftsorganen garantieren, wie das Einreichen von Untätigkeitsklagen (Artikel 232 EG-Vertrag) und Nichtigkeitsklagen gegen Rechtsakte der Gemeinschaft (Artikel 230 EG-Vertrag),
D. in der Erwägung, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Verantwortlichkeit eines Mitgliedstaats besteht, wenn gegen aus dem Vertrag erwachsende Verpflichtungen verstoßen wird, unabhängig davon, welches Staatsorgan durch sein Handeln oder Unterlassen den Verstoß verursacht hat, selbst wenn es sich um ein verfassungsmäßig unabhängiges Organ handelt1,
E. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament dennoch nicht über die gleichen Rechtsinstrumente zum Schutz seiner Rechte vor nationalen Gerichten verfügt, insbesondere wenn auf nationaler Ebene ein Urteil gefällt wird, das diese Rechte verletzt, da es weder an nationalen Gerichtsverfahren teilnehmen noch zur Verteidigung seiner Entscheidungen unmittelbar den Gerichtshof anrufen kann,
F. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament auch nicht die Möglichkeit hat, als Ultima Ratio ein Vertragsverletzungsverfahren (nach Artikel 226 EG-Vertrag) gegen einen Mitgliedstaat einzuleiten, da dieses Recht der Kommission vorbehalten ist,
G. in der Erwägung, dass das Fehlen angemessener Instrumente zur wirksamen Verteidigung der eigenen Entscheidungen die Effektivität des Europäischen Parlaments als politisches und legislatives Organ behindern kann,
H. in der Erwägung, dass das Prinzip der loyalen Zusammenarbeit zwischen den Organen und Einrichtungen der Europäischen Union sowie das Prinzip einer guten Verwaltung es erforderlich machen, dass die Tätigkeit der Gemeinschaftsorgane und -einrichtungen durch Transparenz und Verständlichkeit gekennzeichnet ist, damit die Gründe, welche zur Annahme oder Ablehnung einer bestimmten Maßnahme führen, offenkundig werden,
I. in der Erwägung, dass es zur Behebung der oben genannten Probleme angebracht wäre, eine Verstärkung der Mittel zum Schutz der parlamentarischen Rechte nicht etwa durch eine Änderung des EG-Vertrags herbeizuführen, sondern indem versucht wird, aus der Erfahrung der nationalen Parlamente auf geeignete Abhilfemaßnahmen zu schließen, die den spezifischen Bedürfnissen des Europäischen Parlaments gerecht werden,
J. in der Erwägung, dass die Ergebnisse der zu diesem Zweck anhand eines breiten Querschnitts von Mitgliedstaaten durchgeführten Studie deutlich zeigen, dass ein Großteil der nationalen Rechtsordnungen den jeweiligen nationalen Parlamenten Rechtsmittel an die Hand gibt, mit denen nicht nur die Verteidigung der Interessen des Parlaments als Ganzem, sondern auch jedes einzelnen Mitglieds gewährleistet sein soll,
K. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten nach Artikel 10 EG-Vertrag dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet sind und dass sie - nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs - darüber hinaus verpflichtet sind, "ein System von Rechtsbehelfen und Verfahren vorzusehen, mit dem die Einhaltung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gewährleistet werden kann"2,
L. in der Erwägung, dass es angemessen wäre, dem Europäischen Parlament, wenn nicht die gleichen, so doch zumindest solche Instrumente zum Schutz der eigenen Rechte vor Gericht - sei es vor dem Gerichtshof oder vor nationalen Gerichten - an die Hand zu geben, die denjenigen entsprechen, welche in den nationalen Rechtsordnungen für die jeweiligen nationalen Parlamente vorgesehen sind,
- 1. fordert die Kommission auf, Ersuchen des Europäischen Parlaments um die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen einen Mitgliedstaat wegen Verletzung von parlamentarischen Rechten zu berücksichtigen; ersucht darum, ihm durch das zuständige Mitglied der Kommission eine umfassende Begründung zu übermitteln, falls das Kollegium der Kommissionsmitglieder entscheidet, nicht in diesem Sinne tätig zu werden;
- 2. spricht sich für eine Änderung der Satzung des Gerichtshofes aus, mit der dem Europäischen Parlament das Recht eingeräumt wird, in all jenen Fällen, in denen es unmittelbar oder mittelbar um seine Rechte geht, vor dem Gerichtshof eigene Erklärungen abzugeben, damit die Einbeziehung des Europäischen Parlaments - auch wenn dieses formell keine Verfahrenspartei ist - nicht vom Ermessen des Gerichtshofs abhängt wie dies derzeit in Artikel 24 Absatz 2 der Satzung vorgesehen ist;
- 3. spricht sich dafür aus, eine gründliche Prüfung durchzuführen, um festzustellen, ob der Rechtsmechanismus nach Artikel 300 Absatz 6 EG-Vertrag auf Fälle angewendet werden kann, in denen die Rechte des Europäischen Parlaments ernsthaft bedroht werden damit dieses - unbeschadet der Tatsache, dass nur die Kommission über die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen einen Mitgliedstaat, der möglicherweise eine Vertragsverletzung begangen hat, entscheiden kann - den Gerichtshof ersuchen kann, über die Vereinbarkeit eines bestimmten nationalen Rechtsaktes mit dem Primärrecht der Gemeinschaft ein Gutachten zu erstellen;
- 4. ersucht den zuständigen Ausschuss, eine Änderung von Artikel 121 der Geschäftsordnung des Parlaments vorzubereiten, mit dem Ziel, sämtliche Gerichtsverfahren vor allen Gerichten abzudecken und ein vereinfachtes Verfahren vorzusehen das bei beschleunigten Verfahren oder Eilverfahren vor dem Gerichtshof Anwendung findet;
- 5. ist der Auffassung, dass eine Politik der Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und nationalen Gerichten gefördert werden sollte - nach dem Vorbild des Ansatzes, der in einigen Mitgliedstaaten bereits gute Ergebnisse erkennen lässt -, indem gerichtliche Verfahren entwickelt werden, die es dem Europäischen Parlament erlauben vor nationalen Gerichten an Rechtsstreitigkeiten teilzunehmen, bei denen es um seine eigenen Rechte geht;
- 6. fordert die Kommission auf, angemessene Legislativmaßnahmen vorzuschlagen, um die uneingeschränkte Wirksamkeit der rechtlichen Verteidigung der Rechte des Parlaments durch dieses zu gewährleisten;
- 7. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
- 1 Kommission/Italien, Rechtssache 008/70 , Slg. 1970, 961.
- 2 Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Rechtssache C-50/00 P, Slg. 2002, I-6677.