Gemeinsame Maßnahmen für Wachstum und Beschäftigung:
Das Lissabon-Programm der Gemeinschaft
KOM (2005) 330 endg.; Ratsdok. 11618/05
Der Bundesrat hat in seiner 814. Sitzung am 23. September 2005 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat unterstützt ausdrücklich die Neuausrichtung der Lissabon-Strategie der Kommission mit der Ausrichtung auf die zwei Ziele "stärkeres und nachhaltiges Wachstum und die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen". Es wird auf die umfangreichen Stellungnahmen des Bundesrates im Zusammenhang mit der Lissabon-Strategie verwiesen
(BR-Drucksache 287/05(B) vom 27. Mai 2005;
BR-Drucksache 286/05(B) vom 8. Juli 2005 und
BR-Drucksache 917/04(B) vom 18. Februar 2005). - 2. Der Bundesrat unterstützt das Lissabon-Programm der Gemeinschaft als Gegenstück zu den nationalen Programmen der Mitgliedstaaten, um auf Gemeinschaftsebene die zu treffenden Maßnahmen abzudecken und somit einen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Agenda zu leisten.
- 3. Die Absicht, durch den Einsatz der vereinten Kräfte der Kommission, des Europäischen Parlaments und der Mitgliedstaaten die ehrgeizigen Ziele der erneuerten Lissabon-Agenda zu erreichen, wird vom Bundesrat begrüßt.
- 4. Der Bundesrat begrüßt weiter, dass die Zuständigkeiten bei der Umsetzung der Lissabon-Strategie sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene besser abgegrenzt werden sollen, um Aufgaben und Kompetenzen in Einklang zu bringen und die Verantwortlichkeiten der Akteure deutlich zu machen. Es ist dabei insbesondere zu gewährleisten, dass den Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten bleibt, die nationale Wirtschaftspolitik auf der Grundlage der jeweiligen Gegebenheiten und Besonderheiten zu gestalten. Der Finanzierungsspielraum der Mitgliedstaaten für wirtschaftspolitische Maßnahmen darf durch die Verlagerung von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten auf die EU-Ebene nicht eingeschränkt werden.
- 5. Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass alle Maßnahmen, die zugunsten von Wettbewerbsfähigkeit für Wachstum und Beschäftigung noch zu beschließen sind, derzeit noch unter dem Vorbehalt der Verabschiedung der Finanziellen Vorausschau für die Jahre 2007 bis 2013 stehen. Er fordert die Bundesregierung daher auf, in den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene darauf zu achten, dass die Mittelausstattung der Gemeinschaftsprogramme der endgültigen Ausgestaltung der Finanziellen Vorausschau 2007 bis 2013 Rechnung trägt.
- 6. Der Bundesrat teilt die Einschätzung, dass mehr und effizienter in Wissen und Innovation investiert werden muss, um die sich aus einer zielgerichteten Forschung ergebenden Potenziale der europäischen Wirtschaft zu erschließen. Damit kann ein maßgeblicher Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen erbracht werden. Dies gilt umso mehr, als europäische, insbesondere deutsche Unternehmen auch mittelfristig den Kostenwettbewerb mit im Aufstieg befindlichen Volkswirtschaften kaum gewinnen können, weshalb sie zum Erhalt und Ausbau ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf die Entwicklung hochinnovativer Produkte und Dienstleistungen angewiesen sind. Vor diesem Hintergrund unterstützt der Bundesrat auch die Planungen der Kommission, die Rahmenvorschriften für FuE-Beihilfen und hier insbesondere für KMU anwenderfreundlicher zu machen. Gerade von innovativen KMU sind neben Impulsen für den Innovationsprozess im Allgemeinen auch positive Beiträge zur Entwicklung des Arbeitsmarkts zu erwarten.
- 7. Ein starker europäischer Wirtschaftsraum braucht zwingend ein gutes Gründungsklima und ein dynamisches Gründungsgeschehen. Innovationsprozesse werden in hohem Maß von neuen Unternehmen angestoßen. Unternehmensgründungen befördern damit die kontinuierliche Modernisierung der Wirtschaft und tragen zur Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze bei. Die Förderung von Gründungen und Nachfolgen ist auch auf Grund des demographischen Wandels wichtig. Dieser führt zu einer Abnahme der bislang am stärksten am Gründungsgeschehen beteiligten Altersgruppen. Auf Grund dieser absehbaren Entwicklung fordert der Bundesrat, dass die Förderung des Unternehmergeists und die Unterstützung von Existenzgründungen sowie Unternehmensnachfolgen nicht nur in den nationalen Leitlinien, sondern auch in das Lissabon-Programm der Gemeinschaft Eingang finden.
- 8. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass in umweltfreundlichen, energieeffizienten Technologien und in Technologien für erneuerbare Energien ein großes Potenzial für Wirtschaft, Umwelt und Beschäftigung liegt. Dabei sind gerade KMU eine wichtige Zielgruppe für diese Technologien. In diesem Zusammenhang sei auch auf den Aktionsplan für Umwelttechnologien verwiesen, der Anfang 2004 vorgelegt wurde (vgl. BR-Drucksache 104/04(B) vom 2. April 2004).
- 9. Der Bundesrat begrüßt die Bemühungen, den Bürokratieabbau in der EU durch eine effizientere Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens voranzutreiben. Neue Rechtsvorschriften sollen künftig in verständlicher und einfacher Form gefasst werden und im Vorfeld soll eine differenzierte Folgenabschätzung stattfinden. In die Überprüfung und Vereinfachung der Rechtsvorschriften sind auch die bestehenden Regelungen einzubeziehen. Dabei sollte auch geprüft werden, ob die Regelungen in dieser oder veränderter entbürokratisierter Form weiter bestehen müssen oder nicht gestrichen werden können. Nur durch die Einbeziehung der bestehenden Regelungen in das Überprüfungs- und Anpassungsverfahren ist ein kontinuierlicher Abbau der bestehenden bürokratischen Hemmnisse zu erreichen.
- 10. Der Bundesrat stellt fest, dass es ein wichtiges Anliegen der Gemeinschaft bleiben muss, die rechtlichen Rahmenbedingungen weiter anzugleichen, um bestehende Hemmnisse beim Austausch von Gütern, insbesondere aber von Dienstleistungen zu beseitigen.
- 11. Der Bundesrat unterstützt ausdrücklich die Bemühungen der Kommission, die berufliche und geographische Mobilität der europäischen Arbeitskräfte durch Abbau von bürokratischen Hemmnissen zu verbessern. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass insbesondere gut ausgebildeten Arbeitskräften aus dem nichteuropäischen Ausland eine verlässliche Lebensperspektive in den Mitgliedstaaten eröffnet werden sollte.
- 12. Der Bundesrat widerspricht ausdrücklich der Bewertung der Änderungen im Stabilitäts- und Wachstumspakt durch die Kommission als "Verbesserung". Er bekräftigt seine Mahnung im Beschluss vom 17. Juni 2005, BR-Drucksache 299/05(B) , dass die Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1466/97 und (EG) Nr. 1467/97 die Verpflichtung zu solider Finanzpolitik entscheidend schwächt, obwohl gerade die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen wichtige Voraussetzung für ein dauerhaft starkes Wirtschaftswachstum und einen stabilen Euro ist.