Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie

Der Bundesrat hat in seiner 826. Sitzung am 13. Oktober 2006 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nr. 5a -neu- (§ 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB)

In Artikel 1 ist nach Nummer 5 folgende Nummer 5a einzufügen:

Begründung:

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Februar 2006 - 4 StR 570/05 - (NJW 2006, 1890) erfasst § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB auf Grund seines eindeutigen Wortlauts nicht das Posieren in sexuell aufreizender Weise. Gerade das Posieren unter Hervorhebung der Genitalien bzw. der Schamgegend ist jedoch sowohl nach den Bestimmungen des Rahmenbeschlusses des Rates (vgl. Artikel 1 Buchstabe b i)) und des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie (vgl. Artikel 2 Buchstabe c), als auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine nicht unerhebliche sexuelle Handlung (§ 184f Nr. 1 StGB), durch die der Betrachter sexuell provoziert werden soll (vgl. auch BGH, a.a.O. und NJW 1998, 1503). Deswegen ist es nach praktischer Erfahrung nicht selten Gegenstand kinderpornographischer Darstellungen.

Das Posieren in sexuell aufreizender Weise stellt damit zunächst die notwendige Vorstufe zur Herstellung einer pornographischen Darstellung, die gerade die sexuelle Erregung des Betrachters zum Ziel hat, dar. Schon deswegen ist es erforderlich, es bei fremdbestimmtem Handeln unter Strafe zu stellen.

Nur so kann auch der Intention des umzusetzenden Rahmenbeschlusses und des Fakultativprotokolls zu dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie, die beide einen wirkungsvollen Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung zum Gegenstand haben, voll entsprochen werden. Der Verbreitung von Kinderpornographie kann am wirkungsvollsten dadurch begegnet werden dass bereits vorbereitende Handlungen unter Strafe gestellt werden.

Darüber hinaus verkörpert das fremdbestimmte Posieren aber auch einen Eingriff in die sexuelle Integrität des betroffenen Kindes, dessen Entwicklung zur Selbstbestimmungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt werden kann.

Auch darum ist ein strafrechtlicher Schutz des Kindes gegen ein fremdbestimmtes Posieren in sexuell aufreizender Weise unabdingbar erforderlich.

Damit wird in der Sache die Rechtslage wieder hergestellt, die nach dem 4. StrRG bestand. § 176 Abs. 5 Nr. 2 StGB war seinerzeit wie folgt gefasst:

Mit der Neufassung von § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB durch das 6. StrRG, die eine Erstreckung der Strafbarkeit auf Personen bezweckte, die Kinder am Telefon zu sexuellen Handlungen veranlassen (vgl. BGH, a.a.O., m.w.N.), hat der Gesetzgeber eine Strafbarkeitslücke hinsichtlich des fremdbestimmten Posierens in sexuell aufreizender Weise geschaffen, die es wieder zu füllen gilt.

2. Zu Artikel 1 Nr. 5a -neu- ( § 180 Abs. 2 StGB), Nr. 6 Buchstabe a (§ 182 Abs. 1 StGB)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die Regelungen in § 180 Abs. 2 und § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB-E dienen der Ausweitung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung Jugendlicher wie auch der vollständigen Umsetzung des Rahmenbeschlusses. Sie sehen nunmehr die Erstreckung auf die Fälle der Gewährung immaterieller Vorteile als Gegenleistung für sexuelle Handlungen in Bezug auf Dritte vor.

In ihrer gegenwärtigen Fassung erstrecken sich § 180 Abs. 2 und § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB lediglich auf die Fälle, in denen der Täter eine jugendliche Person bestimmt sexuelle Handlungen gegen Entgelt an oder vor einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen bzw. sexuelle Handlungen gegen Entgelt an sich vornehmen zu lassen oder an dem Täter vorzunehmen.

Schutzzweck ist die Verhinderung des Abgleitens Jugendlicher in die Prostitution, wobei sich der Gesetzgeber von der Entgeltlichkeit als typischem Handlungsmotiv hat leiten lassen (vgl. Schönke/Schröder StGB, Kommentar, 26. Aufl., § 180 Rnr. 19 m.w.N.).

Diese Regelung greift zu kurz. Auch immaterielle Anreize können Jugendliche zur Durchführung oder Duldung sexueller Handlungen motivieren, die sonst unterblieben wären. Entwicklungsbedingt bestimmen in diesem Alter oft ideelle Werte ihr Tun und Lassen. So kann etwa die keinen materiellen Vorteil darstellende Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder die Teilnahme an Aktivitäten einem Jugendlichen erstrebenswert erscheinen. Werden entsprechende Vergünstigungen von der Vornahme sexueller Handlungen abhängig gemacht so wird dadurch nicht zwingend eine Zwangslage ausgenutzt. Allerdings kann ein Druck aufgebaut werden, der zwar nicht die Qualität einer Nötigung aufweist, dem sich ein Jugendlicher aber nicht zu entziehen vermag.

Auch vor diesem Druck, der eine noch nicht erwachsene Person durch als solche nicht gewollte Handlungen in ihrer ungestörten sexuellen Entwicklung beeinträchtigen kann, sollten Jugendliche aber geschützt werden.

Dieses Ziel verfolgt auch der Rahmenbeschluss, der sich ebenfalls gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern und die Kinderprostitution wendet. Er zielt darauf ab, ihnen "durch ein umfassendes Konzept ... zu begegnen" (Absatz 7 der Präambel). Dazu bezieht er auch Gegenleistungen ohne Vermögenswert ein. Dies ergibt sich daraus, dass die Bezahlung mit materiellen Vorteilen durch die Formulierung "Geld oder sonstige Vergütungen" in Artikel 2 Buchstabe c ii) des Rahmenbeschlusses bereits abgedeckt ist. Hierdurch werden nach dem Wortsinn nicht nur bare und unbare finanzielle Leistungen erfasst, sondern auch andere geldwerte Leistungen, die als "Gegenwert" für die zu erbringende sexuelle Leistung stehen. Das wird insbesondere dadurch deutlich, dass zwischen den Wörtern "Geld" und "Vergütungen" das Wort "sonstige" verwendet wird. Da nicht davon auszugehen ist, dass auch mit der weiteren Formulierung "oder Gegenleistungen" erneut "Geld oder sonstige Vergütungen" gemeint sind, können sich diese nur auf immaterielle Vorteile beziehen.

Deshalb ist die Neuregelung auch zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses auf diese zu erstrecken.

Regelungstechnisch erfolgt die Ausweitung von § 180 Abs. 2 bzw. § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB-E auf immaterielle Vorteile durch die Ergänzung des Entgeltlichkeitsbegriffs um den "sonstigen Vorteil". Der Vorteilsbegriff wird bereits in den §§ 331 ff. StGB verwendet und umfasst materielle wie immaterielle Leistungen (vgl. Tröndle/Fischer StGB, Kommentar, 53. Aufl., § 331 Rnr. 11 bis 16), während der Begriff des Entgelts nach § 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB nur eine in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung erfasst. Die materiellen Vorteile sind bei dieser Formulierung weiterhin durch den Begriff des Entgelts abgedeckt die immateriellen durch "einen sonstigen Vorteil".

Die Formulierung "gegen Entgelt oder einen sonstigen Vorteil" steht auch nicht in Widerspruch zur sonstigen Verwendung des Vorteilsbegriffs im StGB.

Durch die Aufteilung in den gesetzlich definierten Begriff "Entgelt" und in den "sonstigen Vorteil" bringt sie gerade zum Ausdruck, dass sie den umfassenden Begriff "Vorteil" wie er in den §§ 331 ff. StGB verwendet wird, aufgreift.

3. Zu Artikel 1 Nr. 6 Buchstabe b ( § 182 Abs. 3 StGB)

In Artikel 1 Nr. 6 Buchstabe b ist § 182 Abs. 3 wie folgt zu fassen:

Begründung:

Diese Klarstellung ist erforderlich, um Missverständnisse bei der Frage, auf welchen Teil des § 182 StGB sich die im Übrigen zu begrüßende Anordnung der Versuchsstrafbarkeit in Absatz 3 bezieht, zu vermeiden.

4. Zu Artikel 1 Nr. 8 Buchstabe b1 -neu- (§ 184b Abs. 1a - neu - StGB)

In Artikel 1 Nr. 8 ist nach Buchstabe b folgender Buchstabe b1 einzufügen:

Begründung:

Artikel 4 Abs. 2 in Verbindung mit Artikel 3 Buchstabe a und b des Rahmenbeschlusses gibt den Mitgliedstaaten auf, den Versuch der Herstellung, des Vertriebs, der Verbreitung und der Weitergabe von Kinderpornografie unter Strafe zu stellen. § 184b StGB enthält jedoch keine Versuchsstrafbarkeit in Bezug auf Straftaten nach seinem Absatz 1. Unter Umständen könnte man in Bezug auf den Vertrieb, die Verbreitung und die Weitergabe die Auffassung vertreten, dass es insoweit einer Versuchsstrafbarkeit nicht bedarf, weil § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB Vorstufen dieser Tathandlungen unter Strafe stellt ("bezieht, liefert, vorrätig hält, ..."). Jedenfalls hinsichtlich der Herstellung dürfte diese Überlegung jedoch nicht durchgreifen. Zur vollständigen Umsetzung des Rahmenbeschlusses ist daher eine Festschreibung der Versuchsstrafbarkeit erforderlich.