Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst

930. Sitzung des Bundesrates am 6. Februar 2015

A

Der federführende Ausschuss für Frauen und Jugend empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 (§ 4 Absatz 1 Satz 1 BGremBG), Artikel 3 Nummer 4 Buchstabe b (§ 96 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 AktG), Artikel 4 Nummer 1 (§ 25 Absatz 2 Satz 1 AktGEG), Artikel 5 Nummer 2 (§ 5a MontanMitbestG), Artikel 6 Nummer 3 (§ 5a MontanMitbestGErgG), Artikel 7 Nummer 2 Buchstabe a (§ 7 Absatz 3 MitbestG) und Artikel 14 Nummer 1 Buchstabe a (§ 17 Absatz 2 Satz 1 und 2 SEAG)

Der Gesetzentwurf ist wie folgt zu ändern:

In Artikel 1 ist in § 4 Absatz 1 Satz 1, in Artikel 3 Nummer 4 Buchstabe b sind in § 96 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3, in Artikel 4 Nummer 1 ist in § 25 Absatz 2 Satz 1, in Artikel 5 Nummer 2 ist in § 5a, in Artikel 6 Nummer 3 ist in § 5a, in Artikel 7 Nummer 2 Buchstabe a ist in § 7 Absatz 3 und in Artikel 14 Nummer 1 Buchstabe a sind in § 17 Absatz 2 Satz 1 und 2 jeweils die Zahl "30" durch die Zahl "40" zu ersetzen.

Begründung:

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung begründet die Vorgabe von Geschlechterquoten insbesondere mit dem Gleichstellungsauftrag aus Artikel 3 Grundgesetz. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist grundsätzlich eine paritätische Beteiligung von je 50 Prozent Frauen und Männern an Aufsichtsräten anzustreben. Zumindest ist angesichts dieser Vorgabe jedoch eine Beteiligungsquote von 40 Prozent notwendig, um den Einfluss des unterrepräsentierten Geschlechts im Aufsichtsrat zur Geltung und die positiven Aspekte gemischter Führungsteams zum Tragen kommen zu lassen.

Ziel des Gesetzentwurfs ist es unter anderem, seitens des Bundes mit gutem Beispiel voranzugehen. Die für die Privatwirtschaft zu fordernde Mindestquote von 40 Prozent ist deshalb als erste Stufe auch im Rahmen des Bundesgremienbesetzungsgesetzes zu verankern.

2. Zu Artikel 1 (§ 5 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 BGremBG)

In Artikel 1 ist § 5 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Auch im Bereich der "wesentlichen Gremien" gilt es, den Spielraum des Bundes bei der Bestimmung von Gremienmitgliedern so gut wie möglich zu nutzen und hierfür entsprechend verbindliche Vorgaben zu machen. Die jetzige Fassung wird dem nicht gerecht. Das stufenweise Erreichen von Geschlechterparität zu bestimmten Terminen wird als bloße Möglichkeit angesprochen; in Verbindung mit der "Hinwirkungspflicht" fehlt es der vorliegenden Regelung für "wesentliche Gremien" an jeglicher Verbindlichkeit. Die für die Aufsichtsgremien geregelten Vorgaben hinsichtlich der (stufenweisen) Zielerreichung sind daher auch für die "wesentlichen Gremien" uneingeschränkt zu übernehmen. Der Verweis auf § 4 BGremBG ist deshalb auf alle Regelungen der Absätze 1 und 2 zu beziehen.

3. Zu Artikel 2 allgemein (BGleiG)

Das Gesetzesziel des Abbaus von Unterrepräsentanz sollte, wie bisher, nur für die Unterrepräsentanz von Frauen gelten. Das Ziel des Abbaus der Unterrepräsentanz von Männern ist nicht durch das Bundesgleichstellungsgesetz zu erreichen. Für eine Bevorzugungsregelung für Männer fehlt es darüber hinaus an dem erforderlichen Nachweis einer strukturellen Diskriminierung in der Vergangenheit.

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Die Praxis hat gezeigt, dass die Unterrepräsentanz von Männern nicht durch die Regelung des Gleichstellungsgesetzes abgebaut werden kann, weil die Gründe der Unterrepräsentanz bei Männern und Frauen unterschiedlich sind. Während Frauen häufig an der "gläsernen Decke" scheitern, also eine Position besetzen wollen, aber nicht ausgewählt werden, bewerben sich Männer auf viele Positionen gar nicht erst, weil sie sie wegen einer geringen gesellschaftlichen Reputation oder geringen Bezahlung für nicht attraktiv halten. Der "gläsernen Decke" kann durch Auswahlvorränge entgegengewirkt werden.

Der Unattraktivität von Berufsbildern muss durch Erhöhung der Attraktivität außerhalb des Gleichstellungsgesetzes, das heißt durch Maßnahmen zur gesellschaftlichen Aufwertung von Berufsfeldern, etwa im Care-Bereich, und durch bessere Bezahlung dieser Berufe begegnet werden.

Maßnahmen der Bevorzugung eines Geschlechts schränken Artikel 3 Absatz 3 und Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz ein. Sie benachteiligen das jeweils andere, überrepräsentierte Geschlecht. Sie sind deshalb nur eingeschränkt zulässig. Nach EU-Recht (Artikel 141 Absatz 4 EG-Vertrag) sind die Staaten - als Ausnahme von den Antidiskriminierungsrichtlinien - befugt, zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn Vergünstigungen zu beschließen. Folgerichtig verlangt auch § 5 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) für positive Maßnahmen den Nachweis bestehender Nachteile. Nachteile sind nach dem Kommentar Däubler/Bertzbach zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (vgl. RdNr. 20 zu § 5) alle Umstände, die dazu führen, dass Personen aufgrund eines der in § 1 AGG genannten Merkmale im Arbeitsleben schlechtere Chancen als andere Personen haben, bestimmte Positionen zu erlangen. Quoten sind deswegen nur zulässig, um ungleiche Chancen anzugleichen, Ziel darf nicht nur die gleiche Parität sein.

Zu demselben Ergebnis kommt auch das Gutachten von Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier zum Landesgleichstellungsgesetz Nordrhein-Westfalen. Erforderlich ist deswegen - wie schon im Benda-Gutachten 1989 ausgeführt - eine strukturelle Diskriminierung. Diese liegt in der Regel nicht vor, wenn Männer in einem Bereich unterrepräsentiert sind.

4. Zu Artikel 2 (§ 8 Absatz 1 Satz 3 BGleiG)

In Artikel 2 sind in § 8 Absatz 1 Satz 3 vor dem Wort "gleiche" die Wörter "im Wesentlichen" einzufügen.

Begründung:

Die Formulierung "im Wesentlichen gleiche Qualifikation" dient dazu, bei der einzelnen Auswahlentscheidung dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Bestenauslese und dem verfassungsrechtlichen Gebot der Frauenförderung gleichermaßen Rechnung zu tragen. Hintergrund ist die von den Verwaltungsgerichten geprägte Beförderungspraxis: Wegen der Vielzahl der Einzelkriterien, die hiernach bei der Auswahlentscheidung für den Qualifikationsvergleich heranzuziehen sind, hat die Bevorzugungsregelung in der bisherigen

Form ihre praktische Bedeutung verloren, da dieses Verfahren regelmäßig eine Reihung der Mitbewerberinnen und Mitbewerber zur Folge hat. Faktisch bedeutet dies eine Aushebelung der Quote. Es besteht somit das Bedürfnis nach einer Weiterentwicklung der Regelung, die der Frauenförderung wieder zu der ihr zukommenden Bedeutung verhilft.

Zwischen der Bestenauslese gemäß Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz und dem Gleichstellungsgebot gemäß Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz besteht ein Spannungsverhältnis, das nach der Methode der praktischen Konkordanz vom Gesetzgeber aufzulösen ist, das heißt mit der Maßgabe bestmöglicher Geltungskraft beider Rechtsprinzipien (vgl. "Rechtsgutachten zur Frage der Zulässigkeit von Zielquoten für Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst sowie zur Verankerung von Sanktionen bei Nichteinhaltung" von Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier im Auftrag der Landesregierung Nordrhein-Westfalen). Einen geeigneten Lösungsansatz bietet die Qualifikationsfeststellung im Rahmen des Artikels 33 Absatz 2 Grundgesetz: Indem eine "im Wesentlichen gleiche" Qualifikation genügt, um eine Bevorzugung gegenüber dem Mitbewerber zu begründen, wird die Ausdifferenzierung der Qualifikationskriterien in einer Weise begrenzt, die das Prinzip der Bestenauslese einerseits und das Gleichstellungsgebot andererseits in ein ausgewogenes Verhältnis bringt. Leistungsbezogene Kriterien bleiben auch hierbei Grundlage der Personalentscheidung, allerdings in einem Maße, das gleichzeitig die Berücksichtigung des Verfassungsziels von Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz gewährleistet.

5. Zu Artikel 3 Nummer 4 Buchstabe b (§ 96 Absatz 2 Satz 1 und Satz 7 AktG)

In Artikel 3 Nummer 4 Buchstabe b ist § 96 Absatz 2 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Mit dem Gesetzentwurf soll mittelfristig eine signifikante Erhöhung des Frauenanteils an Führungspositionen erreicht werden, so dass letztlich eine Geschlechterparität besteht. Mit den neuen gesetzlichen Regelungen verbinden sich die Erwartung einer geringeren Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, Signale der Ermutigung an alle Frauen, Steigerung des wirtschaftlichen Erfolgs von Unternehmen und in der Folge eine Verbesserung des Wirtschaftsstandorts Deutschlands.

Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Frauenanteil in den Aufsichtsräten zu, da diese im Hinblick auf ihre Vorbildfunktion und hinsichtlich ihrer Kompetenzen (Bestellung des Vorstands, Überwachung dessen operativer Geschäftsführung) in besonderer Weise hervorgehoben sind.

Im Gesetzentwurf wird durch die Kumulation der beiden Anknüpfungsvoraussetzungen der Börsenzulassung und der paritätischen Mitbestimmung der Kreis der Unternehmen, für die eine verbindliche Geschlechterquote für den Aufsichtsrat vorgegeben wird, auf rund 100 Unternehmen begrenzt. Die im Gesetzentwurf selbst formulierten Ziele und Erwartungen können mit einem so engen Adressatenkreis nicht erreicht werden.

Eine sachliche Begründung für die Kumulation beider Anknüpfungsvoraussetzungen ist nicht zu erkennen.

Börsennotierte Unternehmen befinden sich, auch wenn sie nicht der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, im Besitz eines zahlenmäßig nicht überschaubaren Kreises von Aktionären, der vorwiegend Kapitalinteressen verfolgt. Auf Grund der breiten Aktionärsstruktur und der damit verbundenen Anonymisierung der Aktionärsbasis sehen sich die Anteilseigner in der Regel nicht als Mitunternehmer. Eine Ausweitung des Geltungsbereichs auf alle börsennotierten Unternehmen ist deshalb sachgerecht. Insbesondere verstößt sie nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

6. Zu Artikel 3 Nummer 4 Buchstabe b (§ 96 Absatz 2 Satz 2 und Satz 3 bis 5 AktG), Nummer 7 (§ 124 Absatz 3 Satz 5 Nummer 2 AktG), Nummer 8 (§ 127 Satz 4 Nummer 2 AktG), Artikel 5 Nummer 2 (§ 5a MontanMitbestG), Nummer 3 Buchstabe a (§ 6 Absatz 6 MontanMitbestG), Artikel 6 Nummer 3 (§ 5a MontanMitbestGErgG), Nummer 5 (§ 10e Absatz 3 MontanMitbestGErgG), Nummer 6 (§ 10f Absatz 1 Satz 1 MontanMitbestGErgG), Nummer 13 (§ 22 Absatz 2 Satz 1 MontanMitbestGErgG), Artikel 7 Nummer 2 Buchstabe a (§ 7 Absatz 3 MitbestG), Nummer 4 (§ 17 Absatz 3 MitbestG), Nummer 5 (§ 18a Absatz 1 Satz 1 MitbestG) und Nummer 8 (§ 40 Absatz 2 Satz 1 MitbestG)

Der Gesetzentwurf ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Der Mindestanteil ist von Anteilseignern wie auch von Arbeitnehmern gleichermaßen zu erbringen; eine Zusammenführung der jeweiligen Anteile in der Weise, dass es nur auf die Gesamtsumme der Anteile ankäme, ist nicht zielführend. Durch die Regelung soll vermieden werden, dass eine Übererfüllung der einen Bank die andere Bank von der Pflicht zur Erbringung der Mindestquote befreit. Bestehende Ungleichgewichte bei der Repräsentanz der Geschlechter zwischen Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretungen könnten ansonsten verfestigt werden. Die Vorgabe einer getrennten Erfüllung der Mindestquote vermeidet zudem Auseinandersetzungen zwischen den Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretungen, die sich unter Umständen schwer auflösen lassen und die durch die die Mitbestimmungsregelungen eingespielte Kooperation unnötig belasten könnten.

B