Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren - Antrag des Landes Hessen -

840. Sitzung des Bundesrates am 20. Dezember 2007

A.

Der federführende Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen:

1. Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 185 Abs. 2 Satz 3 GVG)

In Artikel 1 Nr. 1 § 185 Abs. 2 Satz 3 sind die Wörter "gilt Satz 1" durch die Wörter "gelten die Sätze 1 und 2" zu ersetzen.

Begründung (nur für das Plenum):

Klarstellung des Gewollten. Auch im staatsanwaltschaftlichen Verfahren ist ein Aufenthalt des Dolmetschers an einem anderen Ort nur zulässig, wenn die Verhandlung, Anhörung oder Vernehmung zeitgleich durch Videotechnik übertragen wird.

2. Zu Artikel 3 (§§ 91a, 93a FGO)

Artikel 3 ist wie folgt zu fassen:

"Artikel 3
Änderung der Finanzgerichtsordnung

Die Finanzgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. März 2001 (BGBl. I S. 442, 2262, 2002 I S. 679), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Folgeänderungen:

Der Einzelbegründung zu Artikel 3 ist folgende Einzelbegründung zu § 93a anzufügen:

§ 93a

Da die bisher in § 93a FGO enthaltenen Regelungen zur Übertragung und Aufzeichnung der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen im neuen § 91a aufgehen kann die Vorschrift aufgehoben werden."

Begründung (nur für das Plenum):

Der Entwurf regelt die bislang in § 93a Abs. 1 FGO enthaltene Übertragung und Aufzeichnung der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen in § 91a Abs. 2 und 3 FGO-E. § 93a Abs. 1 FGO kann deshalb aufgehoben werden.

Die in § 93a Abs. 2 FGO enthaltene Beschränkung des Verwendungszwecks einer Aufzeichnung soll durch den Entwurf nicht geändert werden.

Nachdem § 93a FGO in § 91a FGO-E aufgeht, ist die Regelung des § 93a Abs. 2 FGO in die neue Regelung der Aufzeichnung in § 91a Abs. 3 FGO-E als Satz 3 bis 6 zu übernehmen.

Die Überschrift zu § 91a ist zu streichen, da die FGO keine amtlichen Überschriften enthält.

3. Zu Artikel 5 (§ 110a Abs. 3 Satz 2 SGG)

In Artikel 5 ist § 110a Abs. 3 Satz 2 wie folgt zu ändern:

Folgeänderung:

Die Einzelbegründung zu Artikel 5 ist wie folgt zu fassen:

§ 110a

Die Einfügung eines neuen § 110a ist nach Zielsetzung und Regelungsgehalt weitgehend deckungsgleich mit der Ergänzung des § 91a FGO. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist die Vernehmung oder die förmliche Anhörung eines Beteiligten allerdings unzulässig, weil § 118 SGG nicht auf die entsprechenden Vorschriften der ZPO (§ 78 Abs. 2, §§ 445 ff., § 613 Abs. 1 Satz 1 ZPO) verweist."

4. Zu Artikel 6 Nr. 1 ( § 58b StPO)

In Artikel 6 Nr. 1 § 58b sind nach dem Wort "Zeugen" die Wörter "außerhalb der Hauptverhandlung" einzufügen.

Begründung (nur für das Plenum):

Klarstellung des Gewollten. Ausweislich der Begründung soll die Vorschrift nur im Ermittlungsverfahren gelten. Dies sollte auch im Gesetzeswortlaut klargestellt werden da die Vorschriften der §§ 48 ff. StPO grundsätzlich auch für die Hauptverhandlung gelten.

5. Zu Artikel 6 Nr. 2 (§ 118a Abs. 2 Satz 2, 3 StPO)

Artikel 6 Nr. 2 ist wie folgt zu fassen:

"2. In § 118a Abs. 2 wird Satz 2 durch folgende Sätze ersetzt:

"Das Gericht kann anordnen, dass unter den Voraussetzungen des Satzes 1 die mündliche Verhandlung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Beschuldigten zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Beschuldigte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Wird der Beschuldigte zur mündlichen Verhandlung nicht vorgeführt und nicht nach Satz 2 verfahren, so muss ein Verteidiger seine Rechte in der Verhandlung wahrnehmen."

Folgeänderung:

Der Einzelbegründung zu Artikel 6 § 118a ist folgender Satz anzufügen:

Begründung (nur für das Plenum):

Die Ergänzung im 1. Satz dient der Klarstellung. Ausweislich der Begründung (BR-Drs. 643/07 (PDF) , S. 21) soll die Neufassung nur in den Fällen des § 118a Abs. 1 Satz 1 StPO greifen, d. h. alternativ dazu, dass der Beschuldigte sonst gar nicht an der Haftprüfung teilnehmen könnte.

Der Folgesatz sieht eine Anpassung der geltenden Rechtslage bezüglich der Bestellung eines Verteidigers an die Möglichkeit der Videokonferenz vor.

6. Zu Artikel 6 Nr. 8 Buchstabe a (§ 454 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 - neu - StPO)

In Artikel 6 Nr. 8 Buchstabe a § 454 Abs. 1 Satz 3 sind der abschließende Punkt durch ein Semikolon zu ersetzen und folgender Halbsatz anzufügen:

Folgeänderungen:

Begründung (nur für das Plenum):

Bei den für den Verurteilten und die öffentliche Sicherheit besonders bedeutsamen Entscheidungen über die Aussetzung der Vollstreckung in den Fällen des § 454 Abs. 2 und § 463 Abs. 3 Satz 3 StPO, also z.B. bei der Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe, der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung und der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen schwerer Straftaten, sollte bereits von Gesetzes wegen auf den Einsatz von Videokonferenztechnik verzichtet werden, soweit das Gesetz die mündliche Anhörung des Verurteilten und des Sachverständigen vorschreibt. In diesen Fällen ist durch die persönliche Anwesenheit von Verurteiltem und Sachverständigen die bestmögliche Erkenntnisbasis für das erkennende Gericht zu gewährleisten. Soweit der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen verzichten (§ 454 Abs. 2 Satz 4 StPO), steht dem Gericht schon nach derzeitiger Rechtslage der Einsatz der Videokonferenztechnik zur Befragung des Sachverständigen offen.

7. Zu Artikel 8 Nr. 1 (Nr. 9020 - neu - KV-GKG), Nr. 2 (§ 137 Abs. 1 Nr. 18 - neu - KostO)

a) Artikel 8 Nr. 1 und 2 ist wie folgt zu fassen:

Folgeänderungen:

Begründung (nur für das Plenum):

Der Entwurf schlägt vor, für die Nutzung einer Videokonferenzanlage Auslagen zu erheben. Dazu werden zwei getrennte Auslagentatbestände (Grundentgelt, Verbindungsentgelt) geschaffen. Während das Verbindungsentgelt der Deckung von Betriebskosten dient, soll das Grundentgelt außer den Betriebskosten (z.B. Bereitstellung des nötigen Personals) auch die Kosten der Videokonferenzanlage abdecken also die Anschaffungskosten. Abgesehen davon, dass eine Deckung der Anschaffungskosten von 5 000 bis 12 000 Euro bei einem Grundentgelt je Videokonferenz von 10 Euro wenig realistisch scheint, begegnet der Vorschlag rechtsystematischen Bedenken.

Soweit das Grundentgelt nicht der Deckung der Betriebskosten, sondern der Anschaffungskosten dient, hat es keinen Auslagen-, sondern einen gebührenähnlichen Charakter. Da die Erhebung einer gesonderten Gebühr zur Abdeckung der Anschaffungskosten dem mit dem Gesetzentwurf verfolgten Ziel einer intensiveren Nutzung von Videokonferenzanlagen zuwider laufen würde, ist ein einheitlicher Auslagentatbestand zu schaffen, der nur die Betriebskosten abdeckt. Da die Betriebskosten nicht nur die Verbindungsentgelte, sondern auch das zum Betrieb der Anlage eingesetzte Personal und den Wertverlust durch die Abnutzung der Anlage umfassen, ist die Höhe dieser Auslage über dem vorgeschlagenen Verbindungsentgelt von 2 Euro anzusetzen.

Die Erfahrungen mit dem Einsatz von Videokonferenzanlagen in Baden-Württemberg haben allerdings gezeigt, dass die Betriebskosten deutlich höher liegen als vom Entwurf angenommen wird. Zur Deckung der Kosten der Verbindungsentgelte und des zur Betreuung eingesetzten Personals erscheint deshalb eine Pauschale von 15 Euro je angefangene halbe Stunde geboten. Für die Verfahrensbeteiligten dürfte die Videokonferenz damit immer noch kostengünstiger sein als die Anreise weit entfernter Beteiligter.

8. Zu Artikel 9 (Schlussvorschriften)

Artikel 9 ist wie folgt zu ändern:

Folgeänderungen:

Begründung (nur für das Plenum):

Der Gesetzentwurf will die Landesjustizverwaltungen zu Recht davor schützen, sämtliche Gerichte und Justizbehörden mit Videokonferenzanlagen ausstatten und dadurch unübersehbare Aufwendungen tätigen zu müssen. Dazu erklärt er den Einsatz von Videokonferenztechnik in Anlehnung an § 130a Abs. 2 ZPO grundsätzlich für unzulässig, soweit er nicht durch Rechtsverordnung zugelassen wurde.

Das grundsätzliche Verbot der Nutzung von Videokonferenzanlagen widerspricht dem Ziel des Entwurfs, den Einsatz dieser Technik zu fördern. Um bestehende Einsatzmöglichkeiten aufrecht zu erhalten, müssen diese binnen sechs Monaten zwischen der Verkündung und dem Inkrafttreten des Entwurfs ausdrücklich zugelassen werden.

Die Regelung überzeugt auch in rechtsförmlicher Hinsicht nicht. Da sie eine Beschränkung der über Artikel 1 bis 7 in die Stammgesetze einzufügenden Regelungen zur Nutzung von Videokonferenztechnik darstellt, müsste sie selbst in jedes der geänderten Stammgesetze aufgenommen werden. Eine zusammenfassende Regelung in einem Mantelgesetz ist für den Rechtsanwender nicht erkennbar.

Schließlich kann eine Ausstattungspflicht der Justizverwaltungen auch ohne ein grundsätzliches Verbot des Einsatzes von Videokonferenzanlagen vermieden werden. Im Zivilprozess ist unter Hinweis auf die Begründung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, das § 128a ZPO eingeführt hat (BT-Drs. 014/6036, S. 120), allgemein anerkannt, dass keine Ausstattungspflicht der Justizverwaltung besteht (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 128a Rnr. 1).

Im Strafprozess hat der Gesetzgeber auf eine vergleichbare Aussage bei Schaffung des § 247a StPO durch das Zeugenschutzgesetz zwar bewusst verzichtet (vgl. BT-Drs. 013/7165, S. 5). Dies erscheint vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung der Aufklärungspflicht des Gerichts im Strafprozess aber konsequent.

Der Bundesgerichtshof hat jüngst festgestellt, dass die Justizverwaltung verpflichtet ist, die Ausstattung für die Vernehmung eines Zeugen mit Videokonferenztechnik zur Verfügung zu stellen, wenn die rechtlich gebotene Vernehmung eines Zeugen anderweitig nicht erfolgen kann (vgl. BGH, NJW 2007, 1475 <1476>). Diese Verpflichtung wird man durch die in Artikel 9 Abs. 1 des Entwurfs vorgesehene Konstruktion schwerlich umgehen können, da die Landesjustizverwaltung jederzeit die Videokonferenzvernehmung durch eine entsprechende Verordnung zulassen könnte.

Es erscheint daher sinnvoller, für die neu geschaffenen Einsatzmöglichkeiten der Videokonferenztechnik nach dem Vorbild des § 128a ZPO in der Entwurfsbegründung klarzustellen dass eine Ausstattungspflicht der Justizverwaltung nicht gewollt ist.

B.

C.