Gesetzesantrag des Landes Berlin
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Artikel 20b)

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen

Gesetzesantrag des Landes Berlin
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 20b)

Der Regierende Bürgermeister von Berlin Berlin, 29. August 2008

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust

Sehr geehrter Herr Präsident,

gemäß dem Beschluss des Senats von Berlin übermittle ich den als Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten


mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Art. 76 Abs. 1 GG im Bundestag einbringen möge.
Ich bitte, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Abs. 2 GOBR auf die Tagesordnung der 847. Sitzung am 19. September 2008 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.


Mit freundlichen Grüßen
Klaus Wowereit

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 20b)

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes ist eingehalten:

Artikel 1
Änderung des Grundgesetzes

Nach Artikel 20a des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch das Gesetz vom ... (BGBl. I S. ...), wird folgender Artikel 20b eingefügt:

"Artikel 20b

Der Staat schützt und fördert die Kultur."

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeines

Deutschland versteht sich als Kulturstaat. Die Kultur und das kulturelle Leben prägen das öffentliche Leben in Deutschland. Unser staatliches Selbstverständnis und das Menschenbild des Grundgesetzes beruhen maßgeblich auf den kulturellen Leistungen, die Menschen in Europa und in anderen Teilen der Welt in der Vergangenheit erbracht haben.

Kulturelle Betätigung und kulturelle Rezeption stellen eine Grundvoraussetzung zur Entwicklung und Weiterentwicklung der individuellen menschlichen Persönlichkeit dar. Auf gesellschaftlicher Ebene werden die Fragen unserer Zeit in Kunst und Kultur verarbeitet. Häufig werden gesellschaftliche Debatten erst durch kulturelle Verarbeitung angestoßen. Die Kultur leistet damit einen unverzichtbaren Beitrag zum demokratischen Diskurs in unserem Gemeinwesen.

Der Schutz und die Förderung der Kultur ist daher Aufgabe aller staatlichen Ebenen.

In den Verfassungen der Länder kommt dies in vielfältigen Formulierungen zum Ausdruck. Auch die EU verfügt über eine - subsidiäre - Kompetenz zur Unterstützung und Förderung der Kultur (Artikel 151 EGV). Auf Bundesebene findet der Kulturauftrag hingegen lediglich Ausdruck in dem Grundrecht des Artikel 5 Abs. 3 GG und Artikel 35 Einigungsvertrag.

Die Einfügung einer Staatszielbestimmung "Kultur" bringt die besondere staatliche Verantwortung, das kulturelle Erbe zu bewahren, zu schützen und seine Weiterentwicklung zu unterstützen, deutlich zum Ausdruck. Die materiellen Lebensbedingungen werden durch das Sozialstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 1 GG) und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere (Artikel 20a GG)

gewährleistet. Mit der neuen Staatszielbestimmung sollen nunmehr auch die geistigen ideellen Bedingungen menschlicher Existenz geschützt werden.

Der Auftrag an alle staatlichen Ebenen, die Kultur zu schützen und zu fördern, setzt ein wichtiges rechtliches und politisches Signal für die Bedeutung der Kultur in unserer Gesellschaft. Er definiert über das Bekenntnis zur Kunstfreiheit (Artikel 5 Abs. 3 GG) hinaus die Bundesrepublik als Kulturstaat und bringt den Charakter der Kultur als öffentliches Gut deutlich zum Ausdruck.

Die jeweils zuständigen Organe von Bund und Ländern werden angehalten, kulturelle Belange bei der Ausübung ihrer Kompetenzen zu berücksichtigen. Im Hinblick auf Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung wird klargestellt, dass Kultur nicht zu den nachrangigen Politikzielen gehört. Die Verankerung der Kultur im Grundgesetz verpflichtet zur Berücksichtigung kultureller Belange bei der Grundrechtsauslegung ebenso wie bei verwaltungsrechtlichen Ermessens- und Abwägungsentscheidungen.

Die Einfügung einer Staatszielbestimmung führt zu keiner Änderung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Kulturbereich. Sie ist keine Grundlage für zusätzliche Gesetzgebungs- bzw. Handlungskompetenzen des Bundes. Die Erfüllung staatlicher Aufgaben ist nach Artikel 30, 70, 83 GG Sache der Länder, soweit das Grundgesetz keine Bundeskompetenz vorsieht. Die Kulturhoheit der Länder bleibt unangetastet. Die neue Staatszielbestimmung führt ebenso wenig zu zusätzlichen finanziellen Verpflichtungen des Bundes oder der Länder.

Die Aufnahme des Staatsziels "Kultur" wurde bereits mehrmals intensiv diskutiert:

Die von der Bundesregierung eingesetzte Sachverständigenkommission "Staatszielbestimmungen / Gesetzgebungsaufträge" (1981-1983) hatte sich mehrheitlich für die Aufnahme einer Staatszielbestimmung zum Schutz der kulturellen Lebensgrundlagen ausgesprochen. Im Rahmen der Verfassungsreform von 1992 wurde dieses Staatsziel ebenfalls diskutiert, fand aber keine ausreichende Mehrheit.

Die vom Deutschen Bundestag in der 15. Wahlperiode eingesetzte und in der 16. Wahlperiode fortgeführte Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" hat sich für die Aufnahme des Staatsziels Kultur in das Grundgesetz in der vorliegend vorgeschlagenen Fassung ausgesprochen (BT-Drs. 016/7000, S. 68). Der Gesetzentwurf der Bundestagsfraktion der FDP ( BT-Drs. 16/387 ), der diese Forderung übernimmt, befindet sich noch in der Phase der Ausschussberatung, deren Abschluss gegenwärtig nicht absehbar ist. Daher ist es angezeigt, dass der Bundesrat die Initiative ergreift.

B. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1

Die Formulierung entspricht dem Vorschlag der Enquete-Kommission "Kultur in

Deutschland". Auf dessen ausführliche Begründung (BT-Drs. 016/7000, S. 68 ff.; vgl. auch BT-Drs. 015/5560) kann insoweit verwiesen werden.

Zu Artikel 2

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten dieses Gesetzes.