Beschluss des Deutschen Bundestages
Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen

Der Deutsche Bundestag hat in seiner 136. Sitzung am 27. Oktober 2011 zu dem von ihm verabschiedeten Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen - Drucksachen 17/5712, 17/7511 - die beigefügte Entschließung unter Buchstabe a der Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/7511 angenommen.

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen wird in einigen Bereichen des Insolvenzrechts Neuland beschritten. Dies gilt etwa für eine Stärkung des Gläubigereinflusses bei der Auswahl des Insolvenzverwalters oder bei der Zulassung von Eingriffen in Gesellschafterrechte im Insolvenzplanverfahren. Die Beschlüsse des Deutschen Bundestages über diese Rechtsänderungen müssen notwendig auf einer noch ungesicherten Tatsachengrundlage erfolgen.

Mit § 56a der Insolvenzordnung (InsO) wird dem neu geschaffenen Gremium des vorläufigen Gläubigerausschusses Gelegenheit gegeben, sich zu dem Anforderungsprofil des Verwalters und zur Person des Verwalters zu äußern. Trifft der Ausschuss ein einstimmiges Votum zur Person des Insolvenzverwalters, so darf das Insolvenzgericht hiervon nur abweichen, wenn der Vorgeschlagene für die Übernahme des Amtes ungeeignet ist. Eine solche Bindung des Insolvenzgerichts darf nicht dazu führen, dass in Einzelfällen Verwalter bestellt werden, denen nicht die für ihr Amt unerlässliche Unabhängigkeit zukommt. Andernfalls würde nicht nur das Amt des Insolvenzverwalters beschädigt, sondern insgesamt das Vertrauen in die sachgemäße Durchführung von Insolvenzverfahren erschüttert werden.

Im Rahmen der Reform des Insolvenzplanverfahrens wurde in Übereinstimmung mit einer seit langem erhobenen Forderung auch die Möglichkeit vorgesehen, über einen Insolvenzplan in die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen einzugreifen. Insofern wird auch die Möglichkeit eröffnet, Forderungen von Gläubigern in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner umzuwandeln. Ein solcher Debt-Equity-Swap ist grundsätzlich ein nützliches Hilfsmittel zur Förderung der Sanierung Not leidender Unternehmen. Für die hiervon Gebrauch machenden Gläubiger hat eine solche Umwandlung ihrer Forderungen den Vorteil, dass sie an den künftigen Erträgen des sanierten Unternehmens beteiligt sind und über dessen künftige Aktivitäten mitbestimmen können. Teilweise wird jedoch auch die Befürchtung geäußert, Hedgefonds oder vergleichbare Akteure könnten gezielt Forderungen aufkaufen, um so die Herrschaft über das Schuldnerunternehmen zu erlangen mit dem Ziel, nicht gerechtfertigte Sondervorteile für sich zu erreichen, auch um den Preis einer erneuten Existenzgefährdung des Unternehmens. Dies würde letztlich auch zulasten der im Schuldnerunternehmen tätigen Arbeitnehmer gehen.

Die Eigenverwaltung, die bei der Abwicklung von Insolvenzverfahren bisher eine völlig untergeordnete Rolle spielt, soll durch das Gesetz gestärkt werden. Diesem Ziel dient auch § 270b InsO, der einen Anreiz zur frühzeitigen Sanierung bieten soll, indem er den Schuldnern, bei denen lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt, die Möglichkeit eröffnet, unter der Sicherheit eines "Schutzschirms" in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan zu erarbeiten. Mit der Einführung dieses Verfahrens ist auch die Hoffnung verbunden, zumindest einen Teil der Sanierungsfälle abzudecken, die in anderen Staaten mit vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren bewältigt werden. Für die Akzeptanz des Insolvenzverfahrens und für die Schaffung einer besseren "Insolvenzkultur" in Deutschland ist es von erheblicher Bedeutung, dass dieses angestrebte Ziel mit dem Verfahren auch erreicht wird.

Die Stärkung des Insolvenzplanverfahrens und die neue Möglichkeit, über Insolvenzpläne in die Rechtsstellung von Gesellschaftern eingreifen zu können, lässt es ratsam erscheinen, das Insolvenzplanverfahren in Gänze auf den Richter zu übertragen. Insgesamt steht damit die Frage auf dem Prüfstand, ob die bisherige Aufteilung der Zuständigkeiten, wie sie in § 18 des Rechtspflegergesetzes ausgestaltet ist, noch eine zeitgemäße Regelung darstellt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

Die Erfahrungen mit der Anwendung des Gesetzes sind nach Ablauf von fünf Jahren nach dem Inkrafttreten gem. Artikel 10 Satz 3 zu evaluieren und dem Deutschen Bundestag ist auf dieser Grundlage unverzüglich Bericht zu erstatten. Im Rahmen der Evaluierung und des Berichts sind die folgenden Sachverhalte zu prüfen und zu erläutern:

In welchem Umfang hat sich der stärkere Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters auf dessen Unabhängigkeit ausgewirkt? Ist es im nennenswerten Umfang vorgekommen, dass im Interesse einzelner Gläubiger Verwalter bestellt wurden, an deren Unabhängigkeit erhebliche Zweifel bestanden haben?

Wurde von der Möglichkeit, über einen Insolvenzplan in die Rechtsstellung von Gesellschaftern einzugreifen, Gebrauch gemacht und wie hat sich dies auf die Schuldnerunternehmen ausgewirkt? In welchem Umfang wurden Forderungen in Eigenkapital umgewandelt, und hat dieser DebtEquity-Swap im nennenswerten Umfang grob egoistische Strategien ermöglicht, die sich letztlich zum Nachteil der Unternehmen und ihrer Arbeitnehmer ausgewirkt haben?

Wird das neu geschaffene "Schutzschirmverfahren" des § 270b InsO den Erwartungen gerecht und hat es insbesondere zu einer frühzeitigen Antragstellung und zu einer Stärkung der Eigenverwaltung geführt? Wird trotz § 270b InsO noch ein Bedürfnis für ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren gesehen?

Ist die Aufgabenverteilung zwischen Richter und Rechtspfleger angemessen oder sollte im Interesse einer effektiven Verfahrensabwicklung die funktionelle Zuständigkeit neu austariert werden?