Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Berlin, Brandenburg, Bremen, Nordhrein- Westfalen
Elftes Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes

Punkt 8a der 877. Sitzung des Bundesrates am 26. November 2010

Der Bundesrat möge beschließen, zu dem Gesetz gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss mit dem Ziel der Aufhebung des Gesetzesbeschlusses des Deutschen Bundestages einberufen wird.

Begründung:

Das vom Deutschen Bundestag am 28. Oktober 2010 beschlossene Elfte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes sieht die Verlängerung der Laufzeiten aller 17 deutschen Atomkraftwerke durch eine Erhöhung der festgeschriebenen Reststrommengen vor. Dies hat zur Folge, dass in Deutschland Atomkraftwerke bis ca. 2040 weiterbetrieben werden.

Der Bundesrat lehnt jede Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken über die im Atomgesetz bisher festgelegten Reststrommengen hinaus ab. Die Laufzeitverlängerung behindert den Ausbau der Erneuerbaren Energien, bedeutet die Fortschreibung enormer Risiken, gefährdet Arbeitsplätze, entwertet kommunale Investitionen, schreibt oligopolartige Marktmacht fest und blockiert Innovation und neue Technologien.

Für die Laufzeitverlängerung besteht kein Bedarf:

Auch ohne die Laufzeitverlängerung entsteht keine Stromlücke. Dies wird auch durch die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie "Energieszenarien für ein Energiekonzept der Bundesregierung", welche die fachliche Grundlage des Energiekonzepts bildet, belegt. Im Dreiklang zwischen Erneuerbaren Energien, hocheffizienten konventionellen Kraftwerken und der Steigerung der Energieeffizienz wird bis zum Jahr 2020 die Stromerzeugung von deutschen Atomkraftwerken ersetzt werden können.

Die Laufzeitverlängerung führt nicht zu sinkenden Strompreisen, sondern erhöht die Belastungen für Wirtschaft und Verbraucher:

Die Laufzeitverlängerung führt mangels Wettbewerb nicht zu günstigeren Strompreisen, weder für Unternehmen noch für Privathaushalte. Bereits heute werden günstige Stromgestehungskosten nicht an die Endkunden weitergegeben. Statt mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt zu befördern, wird die marktbeherrschende Stellung von vier großen Energiekonzernen zementiert.

Die Laufzeitverlängerung erhöht das Sicherheitsrisiko:

Je länger die Atomkraftwerke laufen, desto höher das Risiko und umso größer die Mengen an hochradioaktiven Abfällen. Ältere Kraftwerke sind störanfälliger. Es ist weder ein Endlager für hochradioaktive Abfälle vorhanden oder absehbar noch wird ausreichend Vorsorge gegen einen gezielten terroristischen Flugzeugabsturz getroffen. Größtmögliche Sicherheit muss absoluten Vorrang vor wirtschaftlichen Aspekten haben.

Kommunale Versorger sind die Verlierer der Laufzeitverlängerung:

Mit der Laufzeitverlängerung würde den vier großen Energieversorgern eine zusätzliche Erzeugung von großen Strommengen aus bereits abgeschriebenen Atomkraftwerken ermöglicht. Dies stellt einen erheblichen Eingriff in den Wettbewerb auf dem deutschen Strommarkt insbesondere zu Lasten der kommunalen und mittelständischen Energiewirtschaft dar. Letztere hat in den vergangenen zehn Jahren im Vertrauen auf den Atomausstieg ca. 6 Mrd. € in eine CO₂-arme Energieversorgung investiert. Diese Investitionen sind in ihrer Wirtschaftlichkeit gefährdet und geplante Investitionen in ähnlicher Höhe werden in Frage gestellt. Vermögen der Bürgerinnen und Bürger wird damit im großen Stil entwertet und die regionale Wirtschaftskraft geschwächt.

Die Laufzeitverlängerung bremst den Ausbau der Erneuerbaren Energien:

Mit der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke wird es zunehmend zu einer Konkurrenz zwischen unflexiblen Atomkraftwerken und regenerativ erzeugtem Strom kommen. Dies bremst den Ausbau der Erneuerbaren Energien und stellt perspektivisch den Vorrang der Erneuerbaren Energien in Frage.

Die Laufzeitverlängerung blockiert Innovation, neue Technologien und Zukunftsinvestitionen:

Die Laufzeitverlängerung führt zu einem Innovations- und Investitionsattentismus auf dem Energiemarkt. Investitionen in innovative Kraftwerke, die für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft und Gesellschaft dringend notwendig sind, werden verhindert. Umwelttechnologien, erneuerbare Energien und Effizienztechnologien sind die Leitmärkte der Zukunft. Sie verzeichneten in den letzten Jahren ein überdurchschnittliches Wachstum - sowohl in der Nachfrage in Deutschland als auch im Export.

Wenn Deutschland den Atomausstieg rückgängig macht, werden Investitionen in Innovation und Technologieentwicklung behindert und zukünftiges Wirtschaftswachstum gefährdet.