Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Programms Kreatives Europa - COM (2011) 785 final; Ratsdok. 17186/11

Siehe Drucksache 766/11(B) HTML PDF .

Brüssel, den 9.11.2012
C(2012) 7472 final

Herrn Wienfried KRETSCHMANN
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3 - 4
D-10117 Berlin

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Programms Kreatives Europa { KOM/2011/ 785 endgültig) und möchte ihr Bedauern für die späte Antwort zum Ausdruck bringen.

Die Kommission begrüßt die Unterstützung des Bundesrates für die vorgeschlagene Aufstockung des Budgets für das Programm Kreatives Europa sowie für den generellen Ansatz, die Durchführung und Abwicklung des Programms zu vereinfachen und flexibler zu gestalten.

Zu den wichtigsten, in der Stellungnahme des Bundesrates vorgetragenen Bemerkungen möchte die Kommission folgende Klarstellungen anbringen:

1. Ausgestaltung des Programms als Verordnung

Der Bundesrat hält die Einrichtung des Programms Kreatives Europa in der Rechtsform einer Verordnung für bedenklich und bringt vor, dass mit Blick auf die Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit im Kulturbereich die Regelungsform des Beschlusses gewählt werden sollte.

Die Vertragsbestimmungen, auf die sich das Programm Kreatives Europa stützt (Artikel 166, 167 und 173 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) sehen keine rechtlichen Beschränkungen für die Regelungsform des Rechtsaktes vor. Zwar schließen diese Artikel jegliche Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten aus, schreiben aber nicht vor, in welcher Form der Rechtsakt erlassen werden sollte. Der Rückgriff auf eine Verordnung ist also als solcher nicht untersagt, auch nicht für die Annahme eines Finanzrahmens. Dieser Ansatz wurde bereits in Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens verfolgt, das gemäß dem Vertrag von Lissabon nunmehr unter Artikel 168 Absatz 5 AEUV fällt.

Außerdem ist eine Verordnung ein geeignetes Instrument, um die allgemeine und unmittelbare Anwendung zweifelsfrei sicherzustellen. Auch im Sinne einer intelligenteren Regulierung ist dieser Ansatz zu befürworten Selbst wenn das Programm Kreatives Europa in Form eines allgemeinen Beschlusses eingerichtet werden sollte, würde der Gerichtshof der Europäischen Union Dritten Rechte zuerkennen und diese schützen, wie dies im Falle einer Verordnung geschieht. In Bezug auf die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit ändert sich also nichts, wenn das Programm in Form einer Verordnung eingerichtet wird. Die Kommission begrüßt, dass der Juristische Dienst des Rates diese Option unterstützt.

2. Mittelzuweisung

In der Begründung des Vorschlags für das Programm Kreatives Europa sowie in der diesbezüglichen Mitteilung (KOM (2011) 786 endgültig: Kreatives Europa - Ein neues Rahmenprogramm für die Kultur- und Kreativbranche) führte die Kommission aus, dass von den vorgeschlagenen Mitteln 15 % dem horizontalen Aktionsbereich, 30 % dem Aktionsbereich Kultur und 55 % dem Aktionsbereich MEDIA zugewiesen werden sollen, so dass eine angemessene Finanzausstattung der verschiedenen Programmbereiche gesichert ist.

3. Eigenwert der Kultur

Die Kommission nimmt die Bedenken des Bundesrates bezüglich einer möglicherweise starken Wirtschaftsorientierung des Programms zur Kenntnis.

Kern des Vorschlags ist der duale Charakter sämtlicher Kulturgüter, d.h. der Eigenwert der Kultur einerseits und die wirtschaftliche Nutzung andererseits, die im Gleichgewicht stehen müssen. Daher stützt sich das Programm Kreatives Europa auf zwei gleich wichtige allgemeine Ziele, nämlich Wahrung und Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt Europas und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Kultur- und Kreativbranche. Insgesamt soll das Programm dazu beitragen, dass die Strategie Europa 2020 umgesetzt und die kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Kultur- und Kreativbranche optimal ausgeschöpft werden. Damit dies geschieht, müssen sich Kultur- und Kreativakteure grenzübergreifend betätigen und die Chancen der Digitalisierung und Globalisierung nutzen können. Die grenzübergreifende Zusammenarbeit, die Errichtung von Netzen und die stärkere Verbreitung der Werke von Künstlern aus anderen Ländern wird allen Bürgern Zugang zum Reichtum der europäischen Kultur eröffnen. Gleichzeitig wird ein Beitrag zur "Entfaltung der Kulturen" im Sinne von Artikel 167 AEUV geleistet und die Wettbewerbsfähigkeit der Kultur- und Kreativakteure erhöht, indem ein gemeinsamer Raum für Kulturgüter und Kulturdienstleistungen geschaffen wird Das Programm Kreatives Europa bietet den Kultur- und Kreativakteuren die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die Nutzung digitaler Techniken und fördert außerdem die Mobilität.

Die duale Grundlage des Programms wird auch bei der Bewertung berücksichtigt, die nicht nur auf quantitative Ergebnisse, die anhand der SMART-Indikatoren gemessen werden, abzielt, sondern auch auf eine qualitative Analyse der Programmwirkungen.

4. Finanzfazilität

Die von der Kommission vorgeschlagene Finanzfazilität soll kleinen und mittleren Unternehmen der Kultur- und Kreativbranche den Zugang zu Finanzmitteln erleichtern. Der Ansatz basiert auf einer breit angelegten Konsultation der Öffentlichkeit und von Sachverständigen. Dabei hat sich gezeigt, dass Banken zu zögerlich sind und häufig keine Erfahrung mit der Bewertung von Risiken bei Kultur- und Kreativprojekten haben, so dass hierin das Haupthindernis für den Zugang zu Finanzierungen liegt. Daher würde die vorgeschlagene Fazilität nicht nur Garantien für Kredite bereitstellen und das finanzielle Risiko für Banken verringern, sondern auch den Aufbau von Kapazitäten im Bankgewerbe fördern, um auf diesem Gebiet europaweit das erforderliche Fachwissen zu entwickeln.

Für Projekte, die Einnahmen generieren können, ist die Unterstützung im Wege einer Finanzfazilität aus Sicht der Kommission effizienter, da ein Multiplikatoreffekt der EU-Mittel erzielt wird, und die Auswirkungen auf die Endbegünstigten weitaus stärker sind als bei einer direkten finanziellen Unterstützung (zum Beispiel durch Direktzuschüsse). Die Kommission ist sich jedoch darüber im Klaren, dass mit diesem Ansatz nicht alle Kulturakteure erreicht werden; eine Unterstützung in Form von Finanzhilfen ist daher weiterhin möglich. Auch in Zukunft soll ein angemessenes und wirksames Gleichgewicht zwischen Finanzhilfen und Finanzinstrumenten gewahrt werden.

5. Gemeinsamer Programmausschuss und Zusammenlegung der Kontaktstellen

Die Kommission strebt eine vereinfachte und effizientere Durchführung und Abwicklung des Programms an. Deshalb wird vorgeschlagen, einen gemeinsamen Programmausschuss für die Bereiche Kultur und MEDIA einzurichten und die bestehenden Kulturkontaktstellen und MEDIA-Desks zusammenzulegen. So werden Synergien zwischen den verschiedenen Programmbereichen geschaffen, die Zugangsmöglichkeiten für Antragsteller transparenterer gestaltet und vereinfacht und die Abwicklung verbessert. Aus demselben Grund hat die Kommission auch ein vereinfachtes Ausschussverfahren vorgeschlagen, das die Beschlussfassung beschleunigt und die Fristen zwischen der Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen und der Unterzeichung von Verträgen verkürzt. Letzteres wird seitens der Begünstigten und der Mitgliedstaaten nachdrücklich gefordert.

Ich hoffe, dass diese Klarstellungen den Bedenken des Bundesrates Rechnung tragen, und sehe der Fortsetzung unseres politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.

Mit freundlichen Grüßen