Vorlage an den Bundesrat
Fragen an die Bundesregierung zu den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 28.-29. Oktober 2010, insbesondere zum Euro-Stabilisierungsschirm

Der Ministerpräsident Mainz, den 11. November 2010
des Landes Rheinland-Pfalz

An die
Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
das Land Rheinland-Pfalz möchte zu den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 28.-29. Oktober 2010, insbesondere zum Euro-Stabilisierungsschirm, die anliegenden Fragen an die Bundesregierung stellen.
Namens der Landesregierung bitte ich Sie, diese Fragen gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates an die Bundesregierung weiterzuleiten und auf die Tagesordnung der 877. Sitzung des Bundesrates am 26. November 2010 zu setzen.

Mit freundlichen Grüßen
Kurt Beck

Fragen an die Bundesregierung zu den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 28.-29. Oktober 2010, insbesondere zum Euro-Stabilisierungsschirm

Die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 28.-29. Oktober 2010 und Äußerungen von Mitgliedern der Bundesregierung im Anschluss daran lassen eine Reihe von bedeutenden Sachverhalten im Ungefähren. Das Land Rheinland-Pfalz fragt die Bundesregierung:

  1. Die Bundesregierung hat mehrfach verlauten lassen, der zum Schutz des Euro zwischenstaatlich gespannte Schirm könne über das Jahr 2013 hinaus nicht verlängert werden. Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung rechtliche Gründe, die einer Verlängerung entgegenstehen? Oder sind die Gründe der Bundesregierung allein politisch? Um welche Gründe handelt es sich genau?
  2. Ist es zutreffend, dass der vom Europäischen Rat in Aussicht genommene neue Schirm zum Schutz des Euro wiederum zwischenstaatlich gespannt werden soll? Falls ja: Warum will die Bundesregierung erneut diesen Weg gehen?
  3. Falls der neue Schirm wiederum zwischenstaatlich gespannt werden soll, ist nicht unmittelbar ersichtlich, warum zusätzlich eine Änderung des EU-Vertragsrechts erforderlich sein soll. Aus welchem Grund strebt die Bundesregierung eine Änderung des EU-Vertragsrechts an und was genau möchte sie geändert und/oder ergänzt sehen?
  4. Auf welche Erfahrungen gründet die Bundesregierung ihre Zuversicht, dass eine Änderung des EU-Vertragsrechts bis Ende 2012 in 27 Mitgliedstaaten ratifiziert werden wird? Auf welche Erfahrungen gründet die Bundesregierung ihre Zuversicht, dass der Prozess der Ratifizierung in allen Mitgliedstaaten der EU ohne Volksabstimmung rechtlich und/oder politisch möglich sein wird? Wie ist es zu verstehen, wenn die Bundesregierung in diesem Zusammenhang von einem "vereinfachten Verfahren" spricht?
  5. Der Europäische Rat hat den Bericht der Arbeitsgruppe "Wirtschaftspolitische Steuerung" (van-Rompuy-Arbeitsgruppe) gebilligt.

    Die Bundesregierung hat nicht zu erkennen gegeben, dass sie gegen einzelne Elemente dieses Berichts durchgreifende Einwände erhebt.

    Sie hat sich damit die Ziffer 33 des Berichts zu eigen gemacht, in der es unter anderem heißt:

    • "In den Mitgliedstaaten mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen hingegen sollen politische Maßnahmen darauf abzielen, die Strukturreformen zu ermitteln und durchzuführen, mit denen diese Staaten ihre Binnennachfrage und ihr Wachstumspotential steigern können."

    Diese bemerkenswerte Aussage wirft eine Reihe von Fragen auf:

    • - Welche Strukturreformen plant die Bundesregierung, gerade auch vor dem Hintergrund des erheblichen Konsolidierungsbedarfs durch die im Grundgesetz verankerte Schuldenregel, um die Binnennachfrage und das Wachstumspotential in Deutschland nachhaltig zu steigern?
    • - Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die gegebenen makroökonomischen Ungleichgewichte dauerhaft zu verringern, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu schwächen?
    • - Welchen Stellenwert nimmt nach Auffassung der Bundesregierung die Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte im Rahmen der neuen wirtschaftspolitischen Koordinierung auf EU-Ebene ein, gerade auch im Spannungsfeld mit den Regeln zum haushaltspolitischen Rahmen und zum Stabilitäts- und Wachstumspakt?
    • - Welche zusätzliche Abstimmung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken hält die Bundesregierung auf europäischer Ebene für erforderlich, um zu gewährleisten, dass nicht nur die Ungleichgewichte innerhalb der EU nachhaltig verringert werden, sondern die EU als Ganzes langfristig eine ausgeglichene Leistungsbilanz aufweist?