Antrag des Landes Brandenburg
Entschließung des Bundesrates zur Entfristung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze

964. Sitzung des Bundesrates am 2. Februar 2018

Für den Fall der Annahme von Ziffer 1 der Drucksache 743/1/17 wird beantragt:

Folgende Nummer ist anzufügen:

"4. Die Überprüfungsmöglichkeit nach Ziffer 2 ist unter der Voraussetzung einzuräumen, dass die Person bisher noch nicht überprüft worden ist und konkrete Tatsachen den Verdacht einer hauptamtlichen oder inoffiziellen Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der DDR begründen."

Begründung:

Die Nummer 2 der Entschließung* sieht die Forderung vor, die bestehenden Regelungen in § 20 Absatz 1 Nummer 6 und § 21 Absatz 1 Nummer 6 Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) zeitlich unbegrenzt fortgelten zu lassen.

Diese Normen waren in der Vergangenheit Gegenstand mehrfacher Änderungen. Die Überprüfungsmöglichkeit in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes war bis zum 29. Dezember 2006 befristet. Mit dem 7. Gesetz zur Änderung des Stasi-Unterlagengesetzes vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3326) wurde die Überprüfungsmöglichkeit eingegrenzt und gleichzeitig bis zum 31. Dezember 2011 verlängert. Bereits zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Gesetzes wurde diskutiert, ob eine Fortgeltung einer verdachtsunabhängigen Überprüfungsmöglichkeit angebracht ist. Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung hatte vorgesehen, dass die Überprüfungsmöglichkeiten der §§ 20 Absatz 1 Nummer 6 und 21 Absatz 1 Nummer 6 StUG nur bestehen sollten, sofern tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer Stasi-Tätigkeit vorliegen (BT-Drucksache 016/2969). Diese Eingrenzung konnte sich damals nicht durchsetzen.

Mit dem auf eine Initiative der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP (BT-Drucksache 17/5894) zurückgehenden 8. Gesetz zur Änderung des Stasi-Unterlagengesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3106) wurde die Überprüfungsmöglichkeit bis zum 31. Dezember 2019 verlängert.

Die bereits damals bestehenden Bedenken insbesondere hinsichtlich der Einhaltung des rechtsstaatlichen Verjährungsprinzips drückten sich auch darin aus, dass erstmals in der Geschichte des Stasi-Unterlagen-Gesetzes eine Änderung im Deutschen Bundestag nur die Zustimmung der Regierungsfraktionen fand. Auch den Bundesrat passierte das Gesetz nur bei Enthaltungen eines Teils der ostdeutschen Länder.

Während all diese Änderungen des StUG eine Befristung der Überprüfungsmöglichkeiten vorsahen, strebt die mit Ziffer 1 der Drucksache 743/1/17 einzufügende Nummer 2 der Entschließung eine zeitlich völlig unbegrenzte Geltung an.

Hinsichtlich des Maßstabes des rechtsstaatlichen Verjährungsgrundsatzes nährt ein Vergleich der Verwendungsmöglichkeit der nach dem StUG erhobenen Informationen über nichtstrafbare Aktivitäten als informeller oder offizieller Mitarbeiter der Stasi mit den Verjährungsfristen für Straftaten erhebliche Zweifel an der Verfassungskonformität einer solchen Regelung. Selbst schwerwiegende Taten wie Totschlag weisen eine kürzere Verjährungsfrist auf.

Eine völlige zeitliche Entfristung begegnet massiven Verhältnismäßigkeitsbedenken. Um diesem Maßstab der Verfassung gerecht zu werden, erscheint daher der Rückgriff auf die bereits 2006 rechtspolitisch diskutierte Voraussetzung konkreter Tatsachen, die einen Verdacht begründen, angebracht.

Überdies gebietet das rechtsstaatliche Verbot der Doppelbestrafung ("ne bis in idem"-Grundsatz) einen Ausschluss von Mehrfachüberprüfungen.

Die Änderung spezifiziert vor diesem Hintergrund den für eine Umsetzung von Nummer 2 der Entschließung bestehenden gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum.

* Ziffer 1 der Drucksache 743/1/17