Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat und die Europäische Zentralbank: Ein Europäischer Minister für Wirtschaft und Finanzen - COM (2017) 823 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 444/17 (PDF) = AE-Nr. 170546 Europäische Kommission

Brüssel, den 6.12.2017 COM (2017) 823 final

1. Einleitung

In seiner Rede zur Lage der Union des Jahres 2017 und der dazugehörigen Absichtserklärung hat Präsident Juncker über die Möglichkeit gesprochen, das Amt eines Europäischen Ministers für Wirtschaft und Finanzen zu schaffen1.

Seine Worte lauteten:

"Ich plädiere [...] dafür, dass der für Wirtschaft und Finanzen zuständige EU-Kommissar - idealerweise ein Vize-Präsident der Europäischen Kommission - mit dieser Aufgabe betraut und Vorsitzender der Eurogruppe wird." Diese Mitteilung schließt sich an diese Ankündigung an. Sie baut auf den Gesprächen auf, die durch das Reflexionspapier zur Vertiefung der Wirtschafts-und Währungsunion2 angestoßen wurden, und soll nun die praktischen Möglichkeiten ausloten. Auch die Ideen des Berichts der fünf Präsidenten3, Ideen des Europäischen Parlaments4 und Ideen, die auf dem Euro-Gipfel vom Oktober 2011 geäußert wurden, als die Staats- und Regierungschefs bereits über die Möglichkeit eines Vollzeit-Vorsitzenden der Eurogruppe gesprochen haben5, sind in diese Mitteilung eingeflossen.

Die derzeitige Architektur der Wirtschafts- und Währungsunion ist von Grund auf komplex. Im Vergleich zur Geldpolitik, die auf Ebene des Euro-Währungsgebiets vereinheitlicht und für die Bürgerinnen und Bürger deshalb gut erkennbar ist, liegt die Verantwortung für die Wirtschaftspolitik im Wesentlichen in den Händen der Mitgliedstaaten; für die Koordinierung auf Ebene der EU und des Euro-Währungsgebiets sind viele unterschiedliche Akteure zuständig. Die einschlägigen Institutionen wurden im Laufe der Zeit in mehreren Phasen aufgebaut und sind eine Kombination aus Organen und Einrichtungen der EU und einigen zwischenstaatlichen Einrichtungen.

Sie haben ihre eigenen Vorsitzenden oder Präsidenten, ihre eigenen Systeme zur Ablegung der Rechenschaftspflicht und arbeiten in unterschiedlichen Rechtsrahmen, die sich teilweise überschneiden. Dies hat zu komplizierten Entscheidungswegen geführt, die häufig Anlass zu Kritik gaben, da die Verfahren als nicht ausreichend verständlich und effizient wahrgenommen werden. Dies bedeutet auch, dass die politischen Maßnahmen und Instrumente der EU einen hohen Aufwand an Abstimmung zwischen den unterschiedlichen Akteuren erfordern, um optimale Kohärenz zu ermöglichen.

Wie im Bericht der fünf Präsidenten hervorgehoben wurde, sind eine wirksame wirtschaftspolitische Steuerung und die weitere Stärkung der demokratischen Rechenschaftspflicht Grundvoraussetzungen für die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion. Das Amt eines Europäischen Ministers für Wirtschaft und Finanzen wäre ein weiterer wichtiger Schritt in diese Richtung. Durch Verknüpfung bestehender Funktionen auf EU-Ebene und die Zusammenführung eng miteinander verknüpfter politischer Instrumente würde der Minister neue Synergien ermöglichen und dadurch die Kohärenz und Wirksamkeit der Wirtschaftspolitik der EU stärken. Als Akteur innerhalb des rechtlichen Rahmens der EU würde der Minister zudem die Transparenz der EU-Politik, die demokratische Rechenschaftspflicht gegenüber dem Europäischen Parlament und die Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden verbessern, ohne Einfluss auf nationale Befugnisse oder Fragen zu nehmen, die am besten auf nationaler Ebene geregelt werden.

Die Kommission hat in den vergangenen Jahren die Koordinierung der Wirtschaftspolitik im Kollegium immer weiter verbessert. Unter der Juncker-Kommission wurde die Rolle der Vizepräsidenten, auch im Zusammenhang mit Fragen zum Euro, dem Europäischen Semester für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik und dem sozialen Dialog, weiter gestärkt und noch mehr auf Koordinierung ausgerichtet. Dies ermöglicht eine ganzheitliche Sichtweise für ein breites Spektrum von Themen, die mehrere Ressorts und dafür zuständige Dienststellen betreffen.

Die derzeitige Architektur der Wirtschafts- und Währungsunion ist komplex.

Quelle: Europäische Kommission

In dieser Mitteilung zeigt die Kommission, welche Rolle ein künftiger Europäischer Minister für Wirtschaft und Finanzen in der Governance-Architektur der Wirtschafts- und Währungsunion spielen könnte. In dieser Mitteilung werden die wichtigsten Funktionen eines Europäischen Ministers für Wirtschaft und Finanzen beschrieben; zudem wird dargelegt, in welchem institutionellen Rahmen er agieren würde, und ein möglicher Zeitplan für die Schaffung dieses neuen Amtes vorgeschlagen. Dabei wird insbesondere auf den Mehrwert eingegangen, der möglich wäre, wenn die Funktion des für die Wirtschafts- und Währungsunion zuständigen Vizepräsidenten der Kommission letztendlich mit dem Amt des Vorsitzenden der Eurogruppe zusammengelegt würde; dafür wäre keine Änderung der bestehenden Verträge erforderlich.

Mögliche Zuständigkeiten des Europäischen Ministers für Wirtschaft und Finanzen nach Etablierung des Amtes

Quelle: Europäische Kommission

2. FUNKTIONEN eines Europäischen MINISTERS für Wirtschaft und FINANZEN: Gewährleistung von KOHÄRENZ und EFFIZIENZ

Mögliche Schlüsselfunktionen, die ein Europäischer Minister für Wirtschaft und Finanzen letztlich wahrnehmen würde, sind nachstehend beschrieben. Die Zusammenführung dieser Funktionen würde die Gesamtkohärenz und die Effizienz der EU-Wirtschaftspolitik stärken.

Verfolgung der allgemeinen wirtschaftlichen Interessen der EU und des Euro-Währungsgebiets und Vertretung dieser Interessen auf internationaler Ebene

Das gemeinsame Interesse der EU und des Euro-Währungsgebiets wird in der öffentlichen Diskussion und bei der Entscheidungsfindung in Europa noch immer nicht ausreichend gut vertreten. Während die Geldpolitik auf Ebene des Euro-Währungsgebiets zentralisiert ist, kann bei der Haushalts- und Steuerpolitik oder den sektorbezogenen Politikbereichen davon noch nicht die Rede sein. Hier sind nationale Zuständigkeiten und Umstände maßgebend; gemeinsame Prioritäten spiegeln sich darin weder spontan noch zwingenderweise wider. Die Abgabe eine Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets im Rahmen des Europäischen Semesters hat die Koordinierung im Euro-Währungsgebiet in den vergangenen Jahren verbessert. Die Umsetzung hängt jedoch von der kollektiven Bereitschaft der Mitgliedstaaten ab; die Koordinierung der Politik erfordert eine permanente Lenkung und Überwachung auf EU-Ebene.

Der Euro hat sich mittlerweile zu einer führenden Weltwährung entwickelt, hat jedoch noch lange nicht überall das gleiche Gewicht. Der Euro ist seit seiner Einführung zur zweitwichtigsten Währung der Welt geworden. In internationalen Finanzinstitutionen wie dem Internationalen Währungsfonds spricht das Euro-Währungsgebiet jedoch immer noch nicht mit einer Stimme. Die wirtschaftspolitische Außenvertretung der EU und des Euro-Währungsgebiets liegt derzeit nicht in einer Hand, sondern wird von unterschiedlichen Akteuren wahrgenommen; die Kommission, die Europäische Zentralbank, der Vorsitzende der Eurogruppe und der Vorsitz des Rates der EU haben jeweils unterschiedliche eigene Rollen zu spielen. Dies führt oft dazu, dass das Euro-Währungsgebiet sein politisches und wirtschaftliches Gewicht in der Welt nicht immer voll in die Waagschale werfen kann.

Ein Europäischer Wirtschafts- und Finanzminister könnte dazu beitragen, das allgemeine wirtschaftliche Interesse der Union und des Euro-Währungsgebiets sowohl innerhalb der EU als auch auf globaler Ebene besser zum Tragen zu bringen. Mit dem Amt eines Ministers gäbe es auf Ebene der EU einen zentralen Gesprächspartner für Fragen der Wirtschafts-, Fiskal- und Finanzpolitik, an den sich die Organe und Einrichtungen der EU, die Mitgliedstaaten und die allgemeine Öffentlichkeit wenden könnten. Der Minister würde den Euro natürlich auch nach außen vertreten.6

Stärkung der politischen Koordinierung und Beaufsichtigung der Wirtschafts-, Fiskal- und Finanzvorschriften

Die wirtschaftspolitische Koordinierung in der EU wurde im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise erheblich ausgebaut. Das Europäische Semester wurde kontinuierlich verbessert, um Reformen und deren Umsetzung zu fördern. Der vor Kurzem eingerichtete Dienst der Kommission zur Unterstützung von Strukturreformen bietet den Mitgliedstaaten technische Unterstützung bei ihren Reformbemühungen. Ergänzend kommen weitere Initiativen auf EU-Ebene hinzu wie die Maßnahmen zur Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit und zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung sowie kürzlich die Ausrufung der "Europäischen Säule sozialer Rechte". Die EU hat auch entscheidende Schritte in Richtung einer Kapitalmarktunion und der Vollendung der Bankenunion gemacht, die nun fortgesetzt werden müssen. Die Umsetzung der Reformen ist in den einzelnen Mitgliedstaaten jedoch unterschiedlich stark fortgeschritten. Hier wurden auch einige Chancen verstreichen gelassen, um die Koordinierung zu verbessern und voneinander zu lernen, und angesichts der sich wandelnden Umstände besteht ein ständiger Bedarf an einer besseren Abstimmung zwischen den Prioritäten der Mitgliedstaaten und denen der EU.

Ein Europäischer Minister für Wirtschaft und Finanzen könnte dazu beitragen, die wirtschaftspolitische Koordinierung weiter zu stärken und ein kohärentes Handeln in den verschiedenen Politikbereichen sicherzustellen. Dabei würde auf den Arbeiten aufgebaut, die die Kommission zusammen mit den Mitgliedstaaten bereits geleistet hat. Der Minister könnte sich in regelmäßigen bilateralen und multilateralen Gesprächen mit nationalen Behörden und dem Europäischen Parlament für die Koordinierung und Durchführung von Reformen in den Mitgliedstaaten einsetzen. Da Strukturreformen positive Spillover-Effekte haben können, bestünde ein weiterer Mehrwert darin, dass der Blick auf eine optimale Reformagenda für die EU und das Euro-Währungsgebiet gerichtet würde7.

Eine angemessene, der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank dienliche Fiskalpolitik für das Euro-Währungsgebiet

Die Fiskalpolitik spielt zusammen mit der Geldpolitik eine wichtige Rolle für die makroökonomische Stabilisierung und dient gleichzeitig dem größeren Ziel tragfähiger öffentlicher Finanzen und Umverteilungszielen8.

Die Kommission liefert dem Rat regelmäßig Empfehlungen zur Fiskalpolitik der Mitgliedstaaten und achtet dabei stets auf Nutzung der in den einschlägigen EU-Vorschriften vorgesehenen Flexibilität9. In den vergangenen Jahren haben die Kommission und der Rat den Schwerpunkt zudem stärker auf den gemeinsamen fiskalischen Kurs des Euro-Währungsgebiets sowie auf das allgemeine Interesse und die kollektive Verantwortung für das Euro-Währungsgebiet als Ganzes gelegt10. Ein angemessener gemeinsamer fiskalischer Kurs für das Euro-Währungsgebiet kann jedoch nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die Mitgliedstaaten nicht nur für sich alleine, sondern auch kollektiv dazu bereit sind, diesen Weg zu beschreiten.

Ein Europäischer Minister für Wirtschaft und Finanzen könnte helfen, eine angemessene Fiskalpolitik für das Euro-Währungsgebiet als Ganzes zu formulieren, und zu deren praktischer Umsetzung beitragen. Als Mitglied der Kommission würde der Minister die Überwachung der Fiskalpolitik der Mitgliedstaaten koordinieren, um tragfähige öffentliche Haushalte zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts gemäß der in den Vorschriften vorgesehenen wirtschaftlichen Auslegung angewandt werden. Im Rahmen dieser Aufgabe wäre auch zu prüfen, ob der fiskalische Kurs des Euro-Währungsgebiets angemessen ist, um ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den fiskalischen Interessen der Mitgliedstaaten und einer für das Euro-Währungsgebiet als Ganzes optimalen Lösung zu finden. Hinzu kommt die Förderung einer guten Qualität und optimalen Zusammensetzung der öffentlichen Finanzen und eines guten Funktionierens der nationalen haushaltspolitischen Rahmen mit dem Ziel, die Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung zu maximieren. Der Minister würde sich dabei auf die Stellungnahmen des Europäischen Fiskalausschusses11 stützen und wäre einer der wichtigsten Ansprechpartner der nationalen Finanzräte.

Beaufsichtigung des Einsatzes von Haushaltsinstrumenten der EU und des Euro-Währungsgebiets, einschließlich Instrumenten zur Förderung von Reformen, makroökonomischer Stabilisierung und Konvergenz

Der EU-Haushalt und Haushaltsinstrumente der EU und des Euro-Währungsgebiets spielen bereits jetzt eine wichtige strategische Rolle zur Unterstützung von Mitgliedstaaten bei der Förderung von Konvergenz, langfristigem Wachstum, Investitionen und Finanzstabilität. Aktuell fließt rund die Hälfte der EU-Finanzierungen über die fünf europäischen Struktur- und Investitionsfonds in konkrete Projekte. Im Laufe der Jahre wurde die Abstimmung zwischen diesen Fonds und den Prioritäten des Europäischen Semesters ständig verbessert, um gemeinsame politische Prioritäten zu fördern. Die aus dem EU-Haushalt geförderten Maßnahmen werden durch eine Reihe von Werkzeugen und Einrichtungen der EU und des Euro-Währungsgebiets, wie z.B. die Europäische Investitionsbank und den Europäischen Stabilitätsmechanismus, ergänzt. Die Krise hat jedoch gezeigt, dass die Architektur und die Reichweite der öffentlichen Finanzen der EU die besonderen Bedürfnisse des Euro-Währungsgebiets noch nicht vollständig erfassen. Auch wenn die EU und das Euro-Währungsgebiet ihr Arsenal für die Kreditvergabe in den letzten Jahren ausgebaut haben, bleibt das Potenzial für die makroökonomische Stabilisierung und die Förderung von Konvergenz doch beschränkt12. Mit Blick auf die Zukunft schlägt die Kommission deshalb heute eine Reihe neuer Haushaltsinstrumente für ein stabiles Euro-Währungsgebiet innerhalb des Unionsrahmens vor13.

Der europäische Minister für Wirtschaft und Finanzen würde den Einsatz einschlägiger Haushaltsinstrumente der EU und des Euro-Währungsgebiets koordinieren und deren Nutzen im Hinblick auf die Unterstützung gemeinsamer Prioritäten maximieren. Der Minister würde in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Kommissionsmitgliedern und staatlichen Stellen aller Ebenen dafür sorgen, dass diese Instrumente kohärent und wirksam eingesetzt und bei ihrer Umsetzung Synergien erzielt werden. Eine besonders wichtige Aufgabe wäre in diesem Zusammenhang die Koordinierung der Arbeiten der Kommission im Rahmen der Investitionsoffensive für Europa14. In dieser Funktion wäre der Minister auch für die Beziehungen der Kommission zur Europäischen Investitionsbank zuständig.

3. Institutionelle Aspekte: DEMOKRATISCHE Rechenschaftspflicht und LEGITIMITÄT

Das neue Amt eines Europäischen Ministers für Wirtschaft und Finanzen kann zu einer weiteren Straffung des Governance-Rahmens der EU und zur Stärkung der europäischen Dimension der Wirtschaftspolitik beitragen. Die angestrebte Doppelfunktion als Mitglied der Kommission und Vorsitzender der Eurogruppe ist bereits im Rahmen der geltenden Verträge möglich.

Artikel 2 des den Verträgen beigefügten Protokolls (Nr. 14) betreffend die Eurogruppe lautet:

"Die Minister der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, wählen mit der Mehrheit dieser Mitgliedstaaten einen Präsidenten für zweieinhalb Jahre."15 Durch den Minister würde weder eine neue supranationale Bürokratie-Ebene geschaffen noch Einfluss auf nationale Befugnisse genommen. Vielmehr würden bestehende Funktionen und vorhandenes Fachwissen auf EU-Ebene kombiniert, sodass Synergien geschaffen werden und der Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung effizienter gemacht wird.

Der Minister als Vizepräsident der Kommission

Angesichts der institutionellen Rolle der Kommission als Vertreterin des allgemeinen Interesses der EU könnte ein Vizepräsident der Kommission das Amt eines Europäischen Ministers für Wirtschaft und Finanzen übernehmen.

Damit gäbe es eine konkrete Person, die mit einem klaren Mandat zur Vertretung der wirtschaftlichen und fiskalischen Interessen der gesamten EU und des Euro-Währungsgebiets ausgestattet ist und damit inner- und außerhalb der Kommission als zentraler Ansprechpartner fungieren könnte.

Der Minister könnten die Arbeiten verschiedener Ressorts und Dienststellen der Kommission lenken und koordinieren. Er würde die Kommission auf den Sitzungen des Rates der Europäischen Zentralbank vertreten, ohne jedoch stimmberechtigt zu sein, wie in Artikel 284 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehen, und wäre auch für den sozialen Dialog auf EU-Ebene und die Interaktion mit den wichtigsten Interessenträgern zuständig.

Der Minister als Vorsitzender der Eurogruppe

Der Europäische Minister für Wirtschaft und Finanzen könnte zum Vorsitzenden der Eurogruppe gewählt werden, um dort die Interessen des Euro-Währungsgebiets als Ganzes zu vertreten. Bisher führt in der Eurogruppe der Finanzminister eines Mitgliedstaats des Euro-Währungsgebiets den Vorsitz. Als Vorsitzender der Eurogruppe würde der Minister die politische Gesamtrichtung und die Gesamtstrategie für das Euro-Währungsgebiet präsentieren und sich um einen einheitlichen Kurs bemühen, indem er nach Ausgleich strebt und versucht, die Standpunkte der nationalen Minister an die gemeinsamen Prioritäten des Euro-Währungsgebiets und der EU anzunähern. Der Minister würde auch für eine kohärente Vorbereitung der Euro-Gipfel sorgen.

Die Rolle der Eurogruppe und ihres Vorsitzenden im Laufe der Zeit

Die Eurogruppe ist ein informelles Gremium, in dem die Finanzminister der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets Fragen erörtern, die im Zusammenhang mit ihrer gemeinsamen Verantwortung für den Euro stehen. Ihre wichtigste Aufgabe besteht in einer engen Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets unter Wahrung der Befugnisse des Rates nach Artikel 121 AEUV.

Der Europäische Rat billigte die Einsetzung der Eurogruppe am 13. Dezember 9716. In einer Entschließung des Rates über die wirtschaftspolitische Koordinierung heißt es:

"Die Minister der dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Staaten können sich in informellem Rahmen treffen, um Fragen zu erörtern, die im Zusammenhang mit ihrer gemeinsam getragenen besonderen Verantwortung für die gemeinsame Währung stehen." Die Eurogruppe hielt ihre erste Sitzung am 4. Juni 1998 ab. In den ersten Jahren wurde der Vorsitz der Eurogruppe vom turnusmäßig wechselnden Vorsitz des Rates wahrgenommen, es sei denn, der Vorsitz lag bei einem Mitgliedstaat, der nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörte. In diesem Fall führte den Vorsitz das Land des Euro-Währungsgebiets, das als nächstes Land den Ratsvorsitz innehaben würde.

Am 10. September 2004 hat die Eurogruppe beschlossen, einen ständigen Vorsitzenden für einen Zeitraum von zwei Jahren zu ernennen. Bei einem informellen Treffen der Wirtschafts- und Finanzminister in Scheveningen (Niederlande) wurde Jean-Claude Juncker zum ersten ständigen Vorsitzenden der Eurogruppe gewählt.

Das Protokoll (Nr. 14) betreffend die Eurogruppe trat mit dem Vertrag von Lissabon am 1. Dezember 2009 in Kraft.

Darin ist festgelegt, dass die Minister der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, sich zu informellen Sitzungen treffen, um Fragen im Zusammenhang mit ihrer gemeinsamen Verantwortung im Zusammenhang mit der einheitlichen Währung zu sprechen, und mit einfacher Mehrheit der Stimmen einen Vorsitzenden für eine Amtszeit von zweieinhalb Jahren wählen.

Seit Oktober 2008 finden regelmäßig Zusammenkünfte der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets statt. Auf ihrer Tagung vom 26. Oktober 2011 haben die Staats- und Regierungschefs vereinbart, dass die Entscheidung darüber, ob der Präsident der Eurogruppe "aus dem Kreis der Mitglieder der Euro-Gruppe gewählt werden oder ein Vollzeit-Präsident mit Sitz in Brüssel sein sollte, [...] getroffen [wird], wenn das Mandat des derzeitigen Amtsinhabers endet". Ferner wurde vereinbart, dass die Arbeitsgruppe "Eurogruppe" die Sitzungen der Eurogruppe mit fachlicher Unterstützung der Kommission vorbereitet. Darüber hinaus wurde beschlossen, dass die Arbeitsgruppe "Eurogruppe" einen Vollzeit-Vorsitzenden mit Sitz in Brüssel haben würde, der grundsätzlich zum gleichen Zeitpunkt wie der Vorsitzende des Wirtschafts- und Finanzausschusses für einen Zeitraum von zwei Jahren gewählt wird, der verlängert werden kann. 17

Die Eurogruppe könnte sich informell darauf verständigen, den Minister für die gesamte Dauer der Amtszeit der Kommission zu ihrem Vorsitzenden zu wählen. Dies wäre mit den Aufgaben des Ministers als Mitglied der Kommission, das die allgemeinen Interessen der EU vertritt, vereinbar und würde keine Änderung des Vertrags erforderlich machen.18

Der Europäische Minister würde bei der Vorbereitung von Sitzungen der Eurogruppe durch den ständigen Vorsitzenden des Wirtschafts- und Finanzausschusses/der Arbeitsgruppe "Eurogruppe" und durch ein Sekretariat unterstützt, das auf alle verfügbaren Fachkenntnisse zurückgreifen kann, um sicherzustellen, dass keine zusätzlichen Strukturen geschaffen oder vorhandene Strukturen gedoppelt werden19.

Der Minister überwacht die Arbeiten des Europäischen Währungsfonds

Der Vorsitzende der Eurogruppe führt gegenwärtig den Vorsitz im Gouverneursrat des Europäischen Stabilitätsmechanismus. Letzterer wurde während der Krise auf zwischenstaatlicher Basis eingerichtet, um Mitgliedstaaten, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten, unterstützen zu können. Heute schlägt die Kommission vor, auf der Grundlage des Europäischen Stabilitätsmechanismus einen Europäischen Währungsfonds in den Rechtsrahmen der Union zu integrieren.20

Als Vorsitzender der Eurogruppe würde der Minister auch den Vorsitz im Gouverneursrat des Europäischen Währungsfonds führen. Der Minister würde dabei eine neutrale Rolle spielen und den Interessen der Anteilseigner des Europäischen Währungsfonds in ausgewogener Weise Rechnung tragen.

Rechenschaftspflicht gegenüber dem Europäischen Parlament

Die Kommission ist gegenüber dem Europäischen Parlament rechenschaftspflichtig. Mitglieder der Kommission arbeiten auch in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen über die durch den "Sechser-" und den "Zweierpack"21 eingeführten Wirtschaftsdialoge aktiv mit dem Europäischen Parlament zusammen. Die Eurogruppe und der Europäische Stabilitätsmechanismus kooperieren mit dem Europäischen Parlament auf freiwilliger Basis.

Der Minister wäre dem Europäischen Parlament gegenüber in allen Fragen, die im Zusammenhang mit seinen Aufgaben stehen, rechenschaftspflichtig und stünde auch für Gespräche mit den nationalen Parlamenten zur Verfügung. Als Mitglied des Kollegiums der Kommissionsmitglieder würde sich der Minister einer Anhörung durch das Europäische Parlament stellen. Nach einem Zustimmungsvotum würde er dann zum Mitglied des Kollegiums der Kommissare ernannt.

Der Minister würde auch danach weiterhin regelmäßige Gespräche mit dem Europäischen Parlament und nationalen Parlamenten führen. Zudem könnten die nationalen Parlamente den Minister im Einklang mit den bestehenden Verfahren für die Prüfung der Haushaltsplanungen der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets darum ersuchen, ihnen die Stellungnahme der Kommission zur jeweiligen Haushaltsplanung darzulegen.

4. Schlussfolgerungen

Nach Auffassung der Kommission wäre das Amt eines Europäischen Ministers für Wirtschaft und Finanzen ein wichtiger institutioneller Schritt in Richtung einer kohärenteren, wirksameren und verantwortungsbewussteren wirtschaftspolitischen Steuerung der Europäischen Union.

Sie fordert das Europäische Parlament, den Rat und die Mitgliedstaaten dazu auf, über die Vorstellungen, die in dieser Mitteilung zum Ausdruck gebracht werden, nachzudenken, um vor dem Hintergrund der Gespräche über die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, die auf der Agenda der Staats- und Regierungschefs stehen, auf eine gemeinsame Sichtweise hinzuarbeiten.

Im Rahmen der bestehenden Verträge könnte ein solches Amt in mehreren Schritten gemäß folgendem Zeitplan eingeführt werden: