Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Anhebung der Höchstgrenze des Tagessatzes bei Geldstrafen

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

Es sind weder zusätzliche Kosten für die Wirtschaft noch Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, zu erwarten.

F. Bürokratiekosten

Es werden keine Informationspflichten für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger oder die Verwaltung eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Anhebung der Höchstgrenze des Tagessatzes bei Geldstrafen

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 17. Oktober 2008
Die Bundeskanzlerin

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust

Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Anhebung der Höchstgrenze des Tagessatzes bei Geldstrafen


mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Abs. 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 28.11.08

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Anhebung der Höchstgrenze des Tagessatzes bei Geldstrafen

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches

Artikel 2
Inkrafttreten

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung des Entwurfs

Die seit 1975 im Kern unveränderte Obergrenze für einen Tagessatz von 5 000 Euro ( § 40 Abs. 2 Satz 3 des Strafgesetzbuchs [StGB]) wird der Entwicklung der Spitzeneinkommen in den letzten gut 30 Jahren nicht mehr gerecht. Das auf dem Gedanken der Belastungsgleichheit und damit dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit aufbauende Tagessatzprinzip kann seinen Zweck nicht mehr umfassend erfüllen, wenn das tatsächliche oder mögliche tägliche Nettoeinkommen des Täters diese Obergrenze - womöglich deutlich - übersteigt. Während Mitte der Siebzigerjahre ein Tagesnettoeinkommen von (umgerechnet) mehr als 5 000 Euro noch die große Ausnahme darstellte, haben solche Einkünfte inzwischen an Bedeutung gewonnen. Um auch Täter mit sehr hohen Einkünften bei der Bemessung der Geldstrafe angemessen erfassen zu können, soll daher das Höchstmaß auf 20 000 Euro angehoben werden.

Von einer völligen Aufhebung der Obergrenze wird hingegen abgesehen, um von vornherein etwaige Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit der Neuregelung auszuschließen.

II. Gesetzgebungskompetenz; Vereinbarkeit mit EU-Recht

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 des Grundgesetzes (Strafrecht).

Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.

III. Gesetzesfolgen

Die vorgeschlagene Änderung lässt für die Haushalte des Bundes und vor allem der Länder nicht näher bezifferbare Mehreinnahmen erwarten, wenn im Einzelfall eine Geldstrafe verhängt wird, deren Tagessatz über das bisherige Höchstmaß hinausgeht. Auf der Vollzugsseite steht dem kein substanzieller Mehraufwand gegenüber; für die Gerichte könnte allenfalls ein geringfügig erhöhter Prüfaufwand bestehen, wenn sie in den genannten Fällen das Nettoeinkommen des Täters über die bisherige Höchstgrenze hinaus zu bestimmen haben.

Es sind weder zusätzliche Kosten für die Wirtschaft noch Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, zu erwarten.

Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung sind nicht zu erwarten.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuchs)

Das 1975 eingeführte und seitdem im Kern unveränderte sogenannte Tagessatzsystem ( § 40 StGB), mit dem die Höhe einer Geldstrafe festgelegt wird, bedarf der Anpassung. Mit dem zweiaktigen System der Festlegung der Zahl der verwirkten Tagessätze und ihrer Höhe soll sichergestellt werden, dass die Geldstrafe nicht nur dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat entspricht, sondern diese Strafe jeden Täter ungeachtet seiner finanziellen Leistungskraft grundsätzlich mit gleicher Wirkung trifft. Dem einkommensstarken Täter soll also grundsätzlich ein vergleichbares finanzielles Opfer abverlangt werden wie dem einkommensschwachen Täter (vgl. BGHSt 27, 70, 73; 28, 360, 363). Daher wird nach der durch den Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat bestimmten Zahl der Tagessätze vom Gericht die Höhe des Tagessatzes unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters festgelegt. Dabei geht das Gericht in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag erzielt oder erzielen könnte. Dieses auf dem Gedanken der Belastungsgleichheit und damit dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit aufbauende Prinzip stößt jedoch dort an seine Grenze, wo das tatsächliche (oder mögliche) tägliche Nettoeinkommen des Täters die gesetzliche Obergrenze von 5 000 Euro (§ 40 Abs. 2 Satz 3 StGB) übersteigt. Während Mitte der Siebzigerjahre ein Tagesnettoeinkommen oberhalb dieser Grenze (damals 10 000 DM) die große Ausnahme darstellte, kann es aufgrund der Einkommensentwicklung in den letzten gut 30 Jahren inzwischen sehr wohl vorkommen, dass das Einkommen des Täters dieses Höchstmaß überschreitet, womöglich sogar deutlich. So hatten im Jahr 1974 lediglich 88 Steuerpflichtige Gesamtbruttoeinkünfte von 10 000 000 DM oder mehr, während der in etwa entsprechende Eurobetrag (5 000 000 Euro) im Jahr 2003 bereits von 719 Steuerpflichtigen erreicht wurde, was einem Tages(brutto)einkommen von 13 889 Euro entspricht; 1 358 Steuerpflichtige (1974: 235) hatten Bruttoeinkünfte von 2500 000 Euro (täglich 6 944 Euro) oder mehr (vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, 2003, Reihe 7.1.1, Tabelle 3, erschienen am 30. November 2007; Fachserie 14, 1974, Reihe 7.1. Tabelle 2.1.1). Eine Auswertung der Eintragungen des Bundeszentralregisters deutet zudem darauf hin, dass sich bei den Geldstrafenverurteilungen die Fälle mehren, in denen die Gerichte an die geltende Höchstgrenze von 5 000 Euro stoßen. Während in dem Fünfjahreszeitraum von 2001 bis 2005 diese Obergrenze zusammengenommen nur bei drei Geldstrafen erreicht wurde, mussten die Gerichte allein im Jahr 2006 bei vier Verurteilungen von diesem Höchstmaß Gebrauch machen. Auch wenn es sich hierbei - insgesamt betrachtet - nur um wenige Einzelfälle handelt, so ist es doch ein Gebot der materiellen Gerechtigkeit, auch bei diesen möglichst zu einer individuellen Belastungsgleichheit zu gelangen.

Zur Lösung dieses Problems schlägt der Entwurf vor, die bisherige Höchstgrenze für einen Tagessatz von 5 000 Euro auf 20 000 Euro anzuheben. Auf der Grundlage der vorstehend genannten statistischen Erhebungen, nach denen 719 Personen im Jahr 2003 ein Tagesbruttoeinkommen von 13 889 Euro oder mehr erzielten, ist davon auszugehen, dass durch eine Anhebung der Obergrenze auf ein Tagesnettoeinkommen von 20 000 Euro auch Täter dieser allerhöchsten Einkommensgruppe angemessen erfasst werden können. Aus der Anhebung ergibt sich, dass als höchste mögliche Geldstrafe zukünftig ein Betrag von 7 200 000 Euro bei einer Einzeltat und 14 400 000 Euro bei Tatmehrheit verhängt werden kann (statt 1 800 000 bzw. 3 600 000 Euro).

Durchgreifende Bedenken, wonach diese Anhebung die Praxis verleiten könnte, eine an sich verwirkte Freiheitsstrafe ausschließlich deshalb mit einer auf § 41 StGB gestützten (sehr hohen) Geldstrafe zu kumulieren, um erstere abzusenken und so aussetzungsfähig zu machen, bestehen nicht. Abgesehen davon, dass ein solches Vorgehen schon nach geltendem Recht vom Bundesgerichtshof als "rechtsbedenklich" bezeichnet wurde (BGH vom 1. Dezember 2005 - 3 StR 404/05; vgl. auch Häger, in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 41 Rn. 23; Lackner/Kühl, StGB, 26. Aufl., § 41 Rn. 1a), bleibt es für den durch einen etwaigen Geldstrafenanteil bewirkten Schuldausgleich bei dem Grundsatz, dass die schuldangemessene Strafe nach der Anzahl der Tagessätze zu bemessen ist, nicht nach deren Höhe.

Gegenüber einer ebenfalls denkbaren völligen Aufhebung des Höchstsatzes bietet die Anhebung den Vorteil, dass die Beibehaltung einer Obergrenze dem Bestimmtheitsgrundsatz ( Artikel 103 Abs. 2 des Grundgesetzes) und der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sicher Rechnung trägt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Vermögensstrafe (BVerfGE 105, 135, 159, 163) verlangt, dass der Gesetzgeber dem Strafrichter bei der Strafzumessung grundsätzlich eine "fallunabhängige abstrakte Belastungsobergrenze" vorgeben müsse und konkret zu § 43a StGB moniert, dass dieser auf einen "seinem Betrag nach von vornherein festgelegten Strafrahmen" verzichte. Es erscheint zwar zweifelhaft, ob diese Vorgaben aufgrund der Besonderheiten der Geldstrafe auch zwingend eine Obergrenze für die Tagessatzhöhe erfordern. Wie bereits angemerkt, stellt bei der Geldstrafe die "eigentliche Strafzumessungstätigkeit" (Schönke/Schröder-Stree, StGB, 27. Aufl., § 40 Rn. 2; Häger, a. a. O. § 40 Rn. 2) die Bemessung der Tagessatzzahl dar, die sich am Unrechts- und Schuldgehalt der Tat ausrichtet, während die Höhe des Tagessatzes nur die Belastungsgleichheit sicherstellen soll. Die vom Bestimmtheitsgrundsatz geforderte Festlegung der Grenzen der Rechtsfolgen wird daher in erster Linie durch die Vorgabe eines festen Rahmens für die Zahl der Tagessätze erfüllt. Um aber Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit der Neuregelung von vornherein zu vermeiden, wird auf eine Aufhebung der Obergrenze verzichtet, zumal bereits deren deutliche Anhebung auf 20 000 Euro geeignet erscheint, auch bei Tätern mit sehr hohen Einkommen eine weitestgehende Belastungsgleichheit zur gewährleisten.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 598:
Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Anhebung der Höchstgrenze des Tagessatzes bei Geldstrafen

Der Nationale Normenkontrollrat hat den o.g. Gesetzentwurf auf Bürokratiekosten, die durch Informationspflichten begründet werden, geprüft.

Mit dem Gesetz werden keine Informationspflichten für die Wirtschaft, die Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger eingeführt, geändert oder aufgehoben. Es entstehen keine neuen Bürokratiekosten für Wirtschaft, Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger.

Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages daher keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

gez. gez.
Dr. Ludewig Prof. Dr. Wittmann
Vorsitzender Berichterstatter