Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 9. Oktober 2008 zur Förderung der sozialen Integration und die Bekämpfung der Armut, einschließlich der Kinderarmut, in der EU (2008/2034(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 5194 - vom 22. Oktober 2008.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 9. Oktober 2008 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass der Europäische Rat von Nizza vom 7. bis 9. Dezember 2000 das EU-Ziel vorgegeben hat, bis zum Jahre 2010 eine entscheidende und spürbare Verringerung der Armut und sozialen Ausgrenzung zu erreichen; in der Erwägung, dass die Fortschritte auf dem Wege zu diesem Ziel verbessert werden sollten,

B. in der Erwägung, dass der Europäische Rat von Lissabon vom 23. und 24. März 2000 übereingekommen ist, die Kinderarmut in Europa bis 2010 zu beseitigen,

C. in der Erwägung, dass der Europäische Rat von Nizza vom 7. bis 9. Dezember 2000 die Mitgliedstaaten aufgefordert hat, die Empfehlung von 1992 betreffend die Garantie von Mindesteinkommen über die Sozialversicherungssysteme umzusetzen,

D. in der Erwägung, dass in der Empfehlung 92/441/EWG des Rates anerkannt wird, dass "jeder Mensch einen grundlegenden Anspruch auf ausreichende Zuwendungen und Leistungen hat, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können",

E. in der Erwägung, dass in der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer von 1989 den Arbeitnehmern das Recht auf ein "gerechtes Arbeitsentgelt" garantiert wird; in der Erwägung, dass sich das Parlament und die Kommission im Jahre 1993 mit der Notwendigkeit von koordinierten Politikmaßnahmen für Mindestlöhne befasst haben, um dieses Recht der Arbeitnehmer auf ein "Arbeitsentgelt, das ausreicht, um ihnen einen angemessenen Lebensstandard zu erlauben" , umzusetzen,

F. in der Erwägung, dass im Jahre 2001, als sich die Union erstmals verpflichtete, Armut und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen, 55 Millionen Menschen in der Union von einkommensbedingter Armut bedroht waren (15% der Bevölkerung der EU-15); in der Erwägung, dass im Jahre 2005 diese Zahl auf 78 Millionen gestiegen war (16% der Bevölkerung der EU-25),

G. in der Erwägung, dass das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern Frauen in eine schwächere Ausgangsposition drängt, wenn es darum geht, einen Weg aus der Armut zu finden,

H. in der Erwägung, dass bei Fehlen sämtlicher Sozialleistungen das Armutsrisiko in der Union, insbesondere für Frauen, von 16 % auf 40 % bzw. 25 % bei Nichtberücksichtigung der Rentenzahlungen ansteigen würde,

I. in der Erwägung, dass die kürzeren, langsamer verlaufenden und schlechter bezahlten Berufskarrieren von Frauen sich ebenfalls auf ihr Armutsrisiko auswirken, insbesondere bei den über 65-Jährigen (21 % - d.h. 5 % mehr als bei Männern),

J. in der Erwägung, dass Kinder und Jugendliche fast ein Drittel der Bevölkerung der Union ausmachen und 19 Millionen Kinder von Armut bedroht und viele von ihnen aufgrund der Armut ihrer Familien von diesen getrennt sind; in der Erwägung, dass es einen komplexen Zusammenhang gibt zwischen Armut, Wahrnehmung der Elternrolle und Wohlergehen der Kinder in unterschiedlichen sozialen Verhältnissen, einschließlich Schutz der Kinder vor jeglicher Art von Missbrauch,

K. in der Erwägung, dass vor allem äußerste Armut und soziale Ausgrenzung eine Verletzung sämtlicher Menschenrechte darstellen,

L. in der Erwägung, dass ein nicht geringer Teil der Bevölkerung der Union nach wie vor sozial ausgegrenzt ist, da jeder Fünfte in einer nicht dem Standard entsprechenden Wohnung lebt und jeden Tag circa 1,8 Millionen Menschen Unterkunft in speziellen Einrichtungen für Obdachlose suchen, 10 % in Haushalten leben, in denen keiner berufstätig ist, die Langzeitarbeitslosigkeit an die 4 % beträgt, 31 Millionen Arbeitnehmer oder 15 % äußerst niedrige Löhne erhalten, 8 % oder 17 Millionen der Arbeitnehmer trotz Beschäftigung arm sind, der Anteil der Schulabbrecher mehr als 15 % beträgt und die "digitale Kluft" nach wie vor besteht (44 % der EU-Bevölkerung haben keine Internet- oder Computer-Kenntnisse),

M. in der Erwägung, dass Armut und Ungleichheit in unverhältnismäßig hohem Maße Frauen betreffen, dass das Durchschnittseinkommen der Frauen nur 55 % des Einkommens der Männer beträgt; in der Erwägung, dass Frauen in hohem und unverhältnismäßigem Maße von Altersarmut betroffen sind; in der Erwägung, dass das Unvermögen, Zugang zu Dienstleistungen von hoher Qualität zu erhalten, das Armutsrisiko für Frauen in nicht hinnehmbarer Weise erhöht,

N. in der Erwägung, dass regionale und kommunale Gebietskörperschaften bereits eine beträchtliche Verantwortung für die Bereitstellung allgemeiner öffentlicher Dienstleistungen und Sachleistungen haben, aber gleichzeitig besonders dem Kürzungsdruck der öffentlichen Haushalte unterworfen sind,

O. in der Erwägung, dass Investitionen in Kinder und Jugendliche zur Hebung des wirtschaftlichen Wohlstands für alle beitragen und helfen, den Bedürftigkeitskreislauf zu durchbrechen; in der Erwägung, dass es darauf ankommt, Probleme zu vermeiden und einzugreifen, sobald sie erkannt werden, um die Lebenschancen der Kinder zu wahren,

P. in der Erwägung, dass Armut und Arbeitslosigkeit im Zusammenhang stehen mit schlechter Gesundheit und mangelndem Zugang zur Gesundheitsfürsorge aufgrund von Faktoren wie schlechte Ernährung, schlechte Lebensbedingungen in benachteiligten Gegenden, unzureichende Wohnungssituation und Stress,

Q. in der Erwägung, dass die Auswirkungen der Ungleichheit, von Armut, sozialer Ausgrenzung und fehlenden Möglichkeiten in Wechselwirkung zueinander stehen und auf Ebene der Mitgliedstaaten eine kohärente Strategie erfordern, die sich nicht nur auf Einkommen und Wohlstand konzentriert, sondern auch Fragen wie Zugang zur Beschäftigung, Bildung, Gesundheitsdienste, Informationsgesellschaft, Kultur, Verkehr und die Möglichkeiten für künftige Generationen umfasst,

R. in der Erwägung, dass im Zeitraum 2000 bis 2005 die Einkommensungleichheit in der Union (S80/S20-Verhältnis) laut Angaben der Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) beträchtlich von 4,5 auf 4,9 gestiegen ist, so dass im Jahre 2005 die reichsten 20 % der Bevölkerung der Union ein Einkommen aufwiesen, das nahezu fünfmal höher als das der verbleibenden 80 % der Bevölkerung war,

S. verweist darauf, dass eine Haft ohne angemessene Rehabilitation und Bildungsmaßnahmen häufig zu weiterer sozialer Ausgrenzung und Arbeitslosigkeit führt;

T. in der Erwägung, dass 16 % der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung in der Union behindert ist (Eurostat 2002); in der Erwägung, dass die Arbeitslosenquoten bei Behinderten, einschließlich Menschen mit geistigen Problemen, älteren Menschen und ethnischen Minderheiten, in der gesamten Union nach wie vor inakzeptabel hoch sind; in der Erwägung, dass nach wie vor 500 000 Behinderte in großen geschlossenen Anstalten leben,

Ein ganzheitlicherer Ansatz zur aktiven sozialen Einbeziehung