Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an das Europäische Parlament und den Rat: Europäisches Vertragsrecht und Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstandes - weiteres Vorgehen KOM (2004) 651 endg.; Ratsdok. 13802/04

Übermittelt vom Bundesministerium der Finanzen am 28. Oktober 2004 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).

Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 12. Oktober 2004 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 617/01 = AE-Nr. 012421 und
Drucksache 199/03 (PDF) = AE-Nr. 031153

1. Einleitung

Diese Mitteilung beschreibt die Anschlussmaßnahmen der Kommission zum Aktionsplan 20031 im Lichte der Reaktionen aus den EU-Organen, Mitgliedstaaten und Interessengruppen. Sie erläutert, wie der Gemeinsame Referenzrahmen (GRR) ausgestaltet werden soll, um die Kohärenz des derzeit geltenden und künftigen Gemeinschaftsrechts zu verbessern, und enthält spezifische Pläne für das Verbraucherrecht der Gemeinschaft, die mit der verbraucherpolitischen Strategie 2002-2006 im Einklang stehen. Sie beschreibt ferner die geplanten Aktivitäten zur Förderung EU-weiter Allgemeiner Geschäftsbedingungen und will die Überlegungen zur Opportunität eines optionalen Instruments weiterführen.

Das Europäische Parlament (EP)2 und der Rat3 haben Entschließungen verabschiedet, in denen der Aktionsplan begrüßt und auf die Notwendigkeit hingewiesen wurde, alle betroffenen Kreise insbesondere an der Erarbeitung des GRR zu beteiligen. Nach Auffassung des Parlaments sollte der GRR bis Ende 2006 fertig gestellt und zügig eingeführt werden. Auch der Rat betonte den Nutzen EU weiter, von Vertragsparteien unter Einhaltung gemeinschaftlicher und nationaler Vorschriften entwickelterAllgemeiner Geschäftsbedingungen. Außerdem forderten diese Organe die Kommission auf, weitere Überlegungen zu einem entsprechenden optionalen Instrument anzustellen.

Zum Konsultationsverfahren sind bisher 122 Beiträge eingegangen. Die Kommission hat mit Zustimmung der Autoren die Beiträge und eine entsprechende Zusammenfassung veröffentlicht4. Um die Einbindung der Interessengruppen sicherzustellen, wurden im Juni 2003 zwei Seminare zum Vertragsrecht organisiert5. Ein weiteres Seminar zum Thema Allgemeine Geschäftsbedingungen fand im Januar 2004 statt6 sowie im April 2004 eine gemeinsame Konferenz von Kommission und Parlament7.

2. WEITERES Vorgehen

2.1 Verbesserung des geltenden und künftigen Gemeinschaftsrechts(Maßnahme I des Aktionsplans)

In den Beiträgen zum Aktionsplan wurde auf die notwendige Verbesserung der Qualität und Kohärenz des gemeinschaftlichen Vertragsrechts hingewiesen und betont, dass der GRR zur Erreichung dieses Ziels beitragen könne. Angesichts dieser doch nicht unerheblichen Unterstützung wird die Kommission die Ausarbeitung des GRR fortsetzen.

2.1.1 Hauptfunktion des GRR

Im Aktionsplan wurden unterschiedliche Problemkategorien des Besitzstands ermittelt, vor allem:

Verwendung abstrakter Rechtsbegriffe in Richtlinien, die entweder überhaupt nicht oder zu vage definiert sind Bereiche, in denen sich die Probleme durch die Anwendung von Richtlinien in der Praxis nicht lösen lassen Unterschiede zwischen nationalen Durchführungsvorschriften als Ergebnis einer Mindestharmonisierung in den Verbraucherschutzrichtlinien Unstimmigkeiten im EG-Vertragsrecht

Als Voraussetzung zur Lösung dieser Probleme ist zunächst eine Strategieentscheidung über die Notwendigkeit einer Abänderung der bestehenden Richtlinien zu treffen. Gegebenenfalls wird die Kommission dann bei Vorschlägen zur Verbesserung der Qualität und Kohärenz des jetzigen Besitzstands und künftiger vertragsrechtlicher Instrumente auf das Instrumentarium des GRR zurückgreifen. Gleichzeitig wird der GRR der Vereinfachung des Besitzstandes dienen1. Der GRR wird dann klare Definitionen von Rechtsbegriffen, Grundprinzipien und kohärente Mustervorschriften des Vertragsrechts enthalten, die auf dem gemeinschaftlichen Besitzstand und bewährten Problemlösungen aus den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten beruhen.

Beispiel: Überprüfung des gemeinschaftlichen Verbraucherrechts

Die Hauptziele der Kommission bestehen nach wie vor darin, durch ein gemeinsames hohes Verbraucherschutzniveau und den Abbau von Binnenmarktschranken sowie durch eine Vereinfachung der Rechtsvorschriften das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmen in den Binnenmarkt zu stärken2. Acht Verbraucherschutzrichtlinien3 sollen daraufhin überprüft werden, ob damit diese Ziele insbesondere angesichts der darin enthaltenen "Mindestharmonisierungs"-Klauseln auch tatsächlich erreicht werden.

Bei der Überprüfung soll ermittelt werden, inwieweit die derzeitigen Richtlinien insgesamt und jeweils einzeln den Verbraucherschutz- und Binnenmarktzielen der Kommission in der Praxis gerecht werden. Zu überprüfen sind dabei nicht nur die Richtlinien selbst, sondern auch die Art und Weise ihrer Anwendung und die Märkte, auf denen sie wirksam werden (nationale Umsetzungsvorschriften; Rechtsprechung; Selbstregulierung; Durchsetzung; Grad der Einhaltung in der Praxis sowie Entwicklungen in der Geschäftspraxis, der Technologie und bei den Verbrauchererwartungen).

Insbesondere sollen folgende Fragen untersucht werden:

Reicht das von den Richtlinien geforderte Verbraucherschutzniveau zur Vertrauensbildung beim Verbraucher aus?

Reicht der Harmonisierungsgrad zur Beseitigung von Binnenmarktschranken und Wettbewerbsverzerrungen für Wirtschaft und Verbraucher aus?

Belastet das Regulierungsniveau die Wirtschaft nicht mehr als nötig und fördert es den Wettbewerb?

Werden die Richtlinien effektiv angewandt?

Bestehen zwischen den acht Richtlinien insgesamt wesentliche Lücken, Unstimmigkeiten oder Überschneidungen?

Welche der Richtlinien bedarf besonders dringend einer Überarbeitung?

Auch einige spezifische Fragen spielen hier eine Rolle:

Ist der Geltungsbereich der Richtlinien richtig abgegrenzt?

Sind die vorvertraglichen Informationspflichten angemessen?

Sollten Dauer und Modalitäten der Kündigungsfristen in den Richtlinien über Haustürgeschäfte, über Teilzeitnutzungsrechte an Immobilien und über Fernabsatz richtlinienübergreifend voll harmonisiert und standardisiert werden?

Bedarf das Verbrauchervertragsrecht einer noch weitergehenden Harmonisierung?

Sollten einige dieser Richtlinien zusammengefasst werden, um Unstimmigkeiten zu verringern?

Bei der Überprüfung des Verbraucherrechts der Gemeinschaft sind mehrere Maßnahmen vorgesehen:

Entwicklung einer öffentlichen Datenbank, die nicht nur das Gemeinschaftsrecht, sondern nationale Rechtsvorschriften und Rechtsprechung enthält. Dabei soll auch eine vergleichende Analyse der Umsetzung der Richtlinien in der Praxis vorgenommen werden.

Einsetzung einer ständigen Arbeitsgruppe von Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten als Forum für Informationsaustausch und Diskussion über die Umsetzung des Besitzstands.

Berichte über die Umsetzung der Richtlinien über Preisangaben, Fernabsatz, Verbrauchsgüterkauf und Unterlassungsklagen. Dabei werden auch Interessengruppen konsultiert und Seminare als Anschlussmaßnahme organisiert.

Nach Abschluss des Projekts und Vorliegen der Berichte wird die Kommission dann die Notwendigkeit von Vorschlägen zur Abänderung der bestehenden Richtlinien prüfen. Diese Diagnosephase soll voraussichtlich Ende 2006 abgeschlossen sein. Eventuelle Vorschläge werden gegebenenfalls die Arbeiten am Entwurf des GRR berücksichtigen und die bei legislativen Vorschlägen vorgesehenen Folgenabschätzungen enthalten.

Auch sollten Rat und EP den GRR bei der Vorlage von Abänderungen an Kommissionsvorschlägen nutzen können. Dies stünde im Einklang mit dem gemeinsamen Ziel einer guten Gesetzgebungspraxis der EU1 und der Verpflichtung der europäischen Organe zur Förderung der Einfachheit, Klarheit und Kohärenz des EU-Rechts2.

2.1.2 Andere denkbare Funktionen des GRR

Nationale Gesetzgeber könnten den GRR bei der Umsetzung vertragsrechtlicher EU-Richtlinien in nationales Recht heranziehen. Ferner könnten sie vom GRR bei der Rechtsetzung auf Gebieten des Vertragsrechts Gebrauch machen, die nicht auf Gemeinschaftsebene geregelt sind.

Eine weitere vom EP vorgeschlagene Funktion wäre die Nutzung des GRR in Schiedsverfahren. So könnten Schiedsgerichte auf den GRR zurückgreifen, um sachliche und ausgewogene Lösungen bei Konflikten zwischen Vertragsparteien zu finden.

Darüber hinaus kann der GRR auch bei den übrigen im Aktionsplan genannten Maßnahmen eine Rolle spielen. So hat etwa das EP darauf hingewiesen, dass aus dem GRR Allgemeine Geschäftsbedingungen für Rechtspraktiker entwickelt werden könnten. Auch die Kommission hält es für wünschenswert, den GRR bei der Maßnahme II des Aktionsplans möglichst umfassend zu nutzen. Ferner könnte der GRR wahrscheinlich als Basis bei der Erarbeitung eines optionalen Rechtsinstruments dienen.

Die Kommission prüft darüber hinaus den Vorschlag, den GRR in die mit ihren Vertragspartnern geschlossenen Verträge einzubauen. Denkbar wäre auch die Nutzung des GRR als Ergänzung zum anwendbaren nationalen Recht. Auch andere Organe und Einrichtungen könnten nach dem Dafürhalten der Kommission vom GRR beim Abschluss von Verträgen mit Dritten Gebrauch machen.

Nicht zuletzt könnte der GRR auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Besitzstands und der als vertragsrechtliches Gemeingut der Mitgliedstaaten ermittelten bewährten Lösungen dem Europäischen Gerichtshof als Anhaltspunkt bei der Auslegung des Vertragsrechts der Gemeinschaft dienen.

2.1.3 Rechtsnatur des GRR

In mehreren Beiträgen zum Aktionsplan wurde die Frage nach der Rechtsnatur des GRR aufgeworfen. Die Vorschläge gingen dabei von einem von Rat und EP verabschiedeten verbindlichen Rechtsakt bis zu einem unverbindlichen, von der Kommission beschlossenen Instrument.

Derzeit vertritt die Kommission die Auffassung, dass der GRR ein unverbindliches Instrument sein sollte. Sie wird jedoch alle Mitbeteiligten bei der Ausarbeitung des GRR umfassend konsultieren. Dann könnte die Frage erneut zur Sprache kommen.

2.2 Förderung der Verwendung EU-weiter Allgemeiner Geschäftsbedingungen (Maßnahme II des Aktionsplans)

2.2.1 Vorschläge der Kommission im Aktionsplan

Mit der zweiten Maßnahme sollte die Ausarbeitung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von privater Seite zur EU-weiten Verwendung und weniger zum Gebrauch in einer einzigen Rechtsordnung gefördert werden. Noch sind Vertragsparteien vielfach der Meinung, dass sie wegen der Geltung unterschiedlicher zwingender Vorschriften im Vertragsrecht oder auf anderen Rechtsgebieten in den einzelnen Mitgliedstaaten auf unterschiedliche AGB zurückgreifen müssten (so scheinen Unterschiede im Deliktsrecht unterschiedliche Vertragsbedingungen in Haftungsfragen zu verlangen). Es gibt jedoch mehrere Beispiele für die erfolgreiche Anwendung EU-weiter AGB zu Fragen, die üblicherweise auch in anderen Verträgen geregelt werden müssen.

Akzeptable EU-weite Lösungen dürften daher auch in anderen Fällen in Frage kommen, wo zur Zeit nationale AGB Anwendung finden. Da die Existenz solcher EU-weiter Lösungen offenbar nicht ausreichend bekannt ist, wurde im Aktionsplan eine umfassende Initiative vorgeschlagen, um die derzeit schon bestehenden Möglichkeiten besser bekannt zu machen.

2.2.2 Reaktionen von Interessengruppen und anderen Mitbeteiligten

In einigen Stellungnahmen wurde der vorgeschlagene Ansatz begrüßt, in anderen freilich wurde die Einbindung der Kommission in diesem Bereich skeptisch beurteilt, da vermutet wurde, dass die Kommission die Ausarbeitung von AGB selbst plane. Dies ist mit Sicherheit nicht die Absicht der Kommission. Den Inhalt von AGB müssen die Marktteilnehmer selbst festlegen, und die Entscheidung zur Verwendung von AGB ist ebenfalls Sache der Wirtschaftsakteure. Die Kommission will hier lediglich als Vermittler, als "ehrlicher Makler" fungieren und die Interessenten zusammenbringen, sich aber nicht mit inhaltlichen Fragen befassen.

Vertieft wurden diese Fragen auf einem Seminar am 19. Januar 20041, wo der Schwerpunkt auf der Verwendung von AGB bei Geschäften zwischen Unternehmen sowie bei Verträgen zwischen Unternehmen und staatlichen Stellen lag. Dabei wurden zwei Hauptschlussfolgerungen gezogen:

Erstens bestand allgemeine Übereinstimmung dahingehend, dass EU-weite AGB in einer signifikanten Zahl von Fällen erfolgreich angewandt werden könnten, wenngleich auf bestimmten Gebieten nach wie vor einige rechtliche und administrative Hindernisse bestehen. Eine Bestandsaufnahme der auffälligsten Hindernisse soll von der Kommission mit Hilfe der Interessengruppen erstellt werden.

Zweitens wurde Übereinstimmung dahingehend erzielt, dass eine Sensibilisierung über die bestehenden Möglichkeiten nützlich wäre, insbesondere durch die Bereitstellung übersichtlicher Informationen zu erfolgreichen Beispielen EU-weiter AGB auf einer von der Kommission betreuten Website.

2.2.3 Aktionen: Website zur Förderung der Entwicklung und Verwendung EU-weiter AGB

Als Fazit dieser Beiträge hat die Kommission den Schluss gezogen, dass sich eine Bewusstseinsbildung über die bestehenden Möglichkeiten positiv auswirken würde. Die Kommission wird daher eine Schwerpunktsetzung auf AGB im Verhältnis zwischen Unternehmen bzw. im Verhältnis Unternehmen ­ Behörden vornehmen.

Im Anschluss an eine Auswertung dieser Aktionen können dann weitere Maßnahmen vorgeschlagen und eine Ausweitung dieser Arbeiten in Betracht gezogen werden.

2.2.3.1 Plattform für den Informationsaustausch zu bestehenden und geplanten EU-weiten AGB

Die Kommission wird eine Website einrichten, auf der die Marktteilnehmer Informationen über von ihnen verwendete oder geplante EU-weite AGB austauschen können. Die Informationen werden dabei unter ausschließlicher Verantwortung der Parteien publiziert, die die Information bekannt geben. Mit einer solchen Veröffentlichung ist keinerlei Anerkennung der Rechtsgültigkeit bzw. Verkehrsüblichkeit dieser AGB verbunden. Bevor sie tätig wird, will die Kommission Interessengruppen konsultieren, um zu erfahren, welche Informationen die Nutzer tatsächlich benötigen und welche Informationen die Organisationen auf der Website bekannt machen wollen.

Diese Informationen sollte es den Parteien ermöglichen, Fehler zu vermeiden, die andere vor ihnen gemacht haben, und aus positiven Erfahrungen anderer zu lernen. Die Kommission hat somit nicht die Absicht, selbst "bewährte Verfahren" zu definieren.

2.2.3.2 Leitlinien zum Verhältnis zwischen den Wettbewerbsvorschriften und EU-weiten AGB

Die Kommission beabsichtigt derzeit nicht, separate Leitlinien zur Entwicklung und Verwendung von AGB zu veröffentlichen. Sie hat bereits darauf hingewiesen, dass sie generell Vereinbarungen befürwortet, die die wirtschaftliche Verflechtung im Gemeinsamen Markt oder die Entwicklung neuer Märkte und die Verbesserung der Lieferbedingungen fördern1. Zwar werden somit Vereinbarungen zur Entwicklung oder Verwendung EU-weiter AGB generell begrüßt, doch können in bestimmten Fällen Vereinbarungen bzw. aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zur Verwendung von AGB unvereinbar mit den Wettbewerbsvorschriften sein.

In diesem Zusammenhang weist die Kommission auf ihre "Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit" hin2, und zwar insbesondere auf Abschnitt 6 mit Leitlinien über Normenvereinbarungen. Obwohl diese sich nicht speziell auf Vereinbarungen über AGB beziehen, können sie von den Parteien als Anhaltspunkte zur Vermeidung von Problemen herangezogen werden, wenn Einigkeit über die Verwendung von AGB besteht.

2.2.3.3 Ermittlung legislativer Hindernisse bei der Verwendung EU-weiter AGB

Die Kommission wird zusammen mit den betroffenen Kreisen prüfen, ob und gegebenenfalls welche legislativen Hindernisse EU weiten AGB in den Mitgliedstaaten entgegenstehen mit dem Ziel, sie bei Bedarf abzubauen. Umgesetzt werden könnte dies durch freiwillige Maßnahmen des betreffenden Mitgliedstaats, durch Vertragsverletzungsverfahren der Kommission bei einem Verstoß gegen EU-Recht oder sonstige ­etwa legislative ­ EU-Maßnahmen, wenn die Hindernisse nicht gegen EU-Recht verstoßen.

Zunächst wird die Kommission eine entsprechende Erhebung durchführen, jedoch erst nach Konsultation der Interessengruppen zu Inhalt und Struktur dieser Erhebung, damit auch die für die Marktteilnehmer relevanten Aspekte erfasst werden.

2.3 Eine nicht sektorspezifische Maßnahme ­ ein optionales Instrument im Bereich des europäischen Vertragsrechts (Maßnahme III des Aktionsplans)

Im Aktionsplan kam die Kommission u. a. zu dem Schluss, dass derzeit keine Hinweise darauf bestehen, dass der bisher verfolgte sektorale Ansatz zu Problemen führe oder dass er aufgegeben werden sollte. Dennoch hielt sie es für zweckmäßig, zu prüfen, ob nicht sektorspezifische Maßnahmen, etwa ein optionales Instrument, zur Lösung von Problemen im Bereich des europäischen Vertragsrechts notwendig sein könnten.

Die Kommission will bei Bedarf diesen Prozess parallel zur Entwicklung des GRR unter Berücksichtigung der bisher von Interessengruppen über ihre Präferenzen für die Parameter eines solchen Instruments eingegangenen Stellungnahmen fortsetzen. Aus der Entwicklung des GRR und insbesondere der Konsultation der Interessengruppen könnten durchaus relevante Informationen hierzu resultieren.

Die Kommission wird konkrete Möglichkeiten zum Informationsaustausch über die Zweckmäßigkeit eines solchen Instruments schaffen. Obwohl es noch verfrüht ist, über das mögliche Ergebnis der Überlegungen zu spekulieren, ist der Hinweis wichtig, dass die Kommission nicht beabsichtigt, ein "Europäisches Zivilgesetzbuch" vorzuschlagen, das das Vertragsrecht der Mitgliedstaaten harmonisieren würde; ebenso wenig sollen dadurch die derzeit verfolgten Ansätze zur Förderung des freien Verkehrs auf der Grundlage flexibler und effizienter Lösungen in irgendeiner Weise in Frage gestellt werden.

Anhand der Beiträge zum Aktionsplan und eigener Reflexionen der Kommission ist eine Reihe von Parametern für die Überlegungen zur Notwendigkeit eines entsprechenden Instruments ermittelt worden. Hierzu gehören die notwendige Berücksichtigung der Unterschiede zwischen Geschäften mit Verbrauchern und solchen zwischen Unternehmen oder Behörden, der Grad, bis zu dem andere Lösungen einschließlich EU-weiter AGB bereits zufrieden stellende Lösungen bieten, und die Notwendigkeit, unterschiedliche Rechts- und Verwaltungstraditionen in den Mitgliedstaaten zu respektieren. Diese Parameter müssen bei den künftigen Diskussionen über die Zweckmäßigkeit des Instruments Berücksichtigung finden. Einige der Parameter sind in Anhang II erläutert.

Sollten Probleme ermittelt werden, die Lösungen auf EU-Ebene erfordern, würde die Kommission dann Art und Inhalt dieser Lösungen in einer erweiterten Folgenabschätzung ermitteln.

3. Vorbereitung und Ausarbeitung des gemeinsamen Referenzrahmens

3.1 Vorbereitung: Forschungsarbeiten und Mitwirkung von EU-Organen, Mitgliedstaaten und sonstigen Interessengruppen

3.1.1 Überblick

Um sicherzugehen, dass der GRR hohen Qualitätsanforderungen genügt, wird die Kommission ein Dreijahres-Forschungsvorhaben im Zuge des Sechsten Rahmenprogramms im Bereich Forschung und technologische Entwicklung1 finanzieren. Vorschläge für entsprechende Forschungen wurden ausgewertet und die Arbeiten dürften demnächst anlaufen.

Es wird erwartet, dass die Forscher bis 2007 einen Schlussbericht mit allen für die Erarbeitung eines GRR durch die Kommission benötigten Daten vorlegen. Er wird dementsprechend auch einen Entwurf des GRR enthalten, der nach Ansicht der Forscher die im Aktionsplan festgesetzten Zwecke erfüllt.

3.1.2 Mitwirkung von Interessengruppen

Wie in allen Beiträgen zum Aktionsplan betont, ist die Mitwirkung von Interessengruppen am Prozess unverzichtbar.

Auf der gemeinsamen Konferenz EP/Kommission im April 2004 wurden vier Schlüsselkriterien für die erfolgreiche Mitwirkung vorgeschlagen und befürwortet:

Diese Kriterien werden bei der Festlegung der nachstehend skizzierten Strukturen berücksichtigt.

Die Strukturen des ersten Teils werden Bestandteil der Vereinbarung zwischen der Kommission und dem Forschungsteam sein:

Erster Teil: technischer Input
Zweiter Teil: politische Erwägungen und Überprüfung

Die Kommission

Darüber hinaus könnten beide Themen regelmäßig zur Diskussion in einem Diskussionsforum zusammengeführt werden, wo sie in einem breiteren Kontext erörtert werden könnten.

3.1.3 Mögliche Struktur und Inhalt des GRR

Die Forschungen zum GRR zielen darauf ab, unter Berücksichtigung des jeweils einzelstaatlichen Vertragsrechts (sowohl Rechtsprechung als auch gängige Rechtspraxis), des EG-Besitzstands und einschlägiger internationaler Rechtsinstrumente, besonders des UN-Übereinkommens über den internationalen Warenkauf von 1980, optimale Lösungen zu ermitteln. Andere vorhandene Materialien sind ebenfalls relevant und werden berücksichtigt, wobei aber auch gewährleistet wird, dass der GRR den EU-spezifischen Anforderungen gerecht wird. Für den GRR wird eine Struktur ins Auge gefasst (für ein mögliches Beispiel hierzu siehe Anhang I), wonach erstens gemeinsame vertragsrechtliche Grundsätze festgelegt werden, unter Hinweis auf etwa notwendige Ausnahmen von diesen Grundsätzen. Zweitens würden diese Grundsätze durch die Definition von Schlüsselbegriffen ergänzt. Drittens sollen diese Grundsätze und Definitionen durch Mustervorschriften als Hauptbestandteil des GRR ergänzt werden. Dabei könnte eine Unterscheidung getroffen werden zwischen den für Verträge zwischen Unternehmen oder zwischen Privatpersonen geltenden Mustervorschriften und solchen, die für Verträge zwischen einem Unternehmen und einem Verbraucher gelten sollen.

In einigen Stellungnahmen wurden Gebiete genannt, die ­ so wurde argumentiert ­ in den GRR einbezogen werden sollten. Zum großen Teil beziehen sich diese auf allgemeine Konzepte, die nicht für bestimmte Vertragsarten oder Vertragsparteien spezifisch sind. Hauptkriterium für die zu erfassenden Bereiche sollte der Nutzeffekt bei der Steigerung der Kohärenz des Besitzstands sein.

Zwei konkret genannte Arten von Verträgen waren allerdings Verbraucher- und Versicherungsverträge. Nach den Erwartungen der Kommission sollten diese beiden Gebiete bei der Erarbeitung des GRR besondere Beachtung finden. Andere ausdrücklich erwähnte Bereiche, die für den GRR in Frage kommen könnten, sind Kauf- und Dienstleistungsverträge sowie Klauseln über den Eigentumsvorbehalt oder die Sicherheitsübereignung von Waren.

Auch eine auf Ersuchen des EP und des Rats erstellte Studie, die untersuchen sollte, ob sich aus den Unterschieden im Wechselspiel zwischen Vertragsrecht und Deliktsrecht, bzw. zwischen Vertragsrecht und Sachenrecht, Probleme ergeben, wurde von der Kommission entsprechend berücksichtigt1. Als Ergebnis der Studie kam die Kommission zu dem Schluss, dass aus Unterschieden der Wechselwirkung zwischen Vertrags- und Deliktsrecht in den einzelnen Mitgliedstaaten keine wesentlichen Probleme resultieren. Größere Probleme ergeben sich aber offenbar aus den unterschiedlichen Wechselwirkungen zwischen Vertrags- und Sachenrecht in den Mitgliedstaaten. Bei der Erarbeitung des GRR wird auch zu prüfen sein, wie sich diese Probleme lösen lassen, soweit dies zur Verbesserung des geltenden und künftigen Gemeinschaftsrechts notwendig ist.

3.2 Ausarbeitung des Gemeinsamen Referenzrahmens durch die Kommission

3.2.1 Eignung zur Verfolgung der Ziele des Aktionsplans

Die Kommission ist nicht an den Abschlussbericht der Forscher gebunden und wird ihn abändern, soweit es zur Verfolgung der Ziele des Aktionsplans notwendig ist.

3.2.2 Praxistauglichkeitstest

Bei der Auswertung des Abschlussberichts der Forscher wird die Kommission sicherstellen, dass der Entwurf des GRR anhand konkreter Beispiele für die erwarteten Nutzungszwecke des GRR einem Praxistauglichkeitstest unterzogen wird.

Dabei wird der GRR-Entwurf zuerst auf seine Eignung zur Verbesserung des geltenden Gemeinschaftsrechts und zur Erarbeitung neuer Rechtsvorschriften geprüft. So könnte der GRR-Entwurf etwa bei einem Vorschlag zur Abänderung einer bestehenden Richtlinie genutzt werden.

Dies könnte beispielsweise im Zusammenhang mit den Plänen der Kommission zur Überarbeitung des Verbraucherrechts der Gemeinschaft und bei Maßnahmen zur Überarbeitung der Richtlinie 2000/35/EG zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr1 geschehen.

Etwaige Erkenntnisse würden dann vor der Verabschiedung des endgültigen GRR eingearbeitet.

Zweitens könnte der GRR-Entwurf versuchsweise auch von anderen Organen genutzt werden. Dabei könnten etwa Mitgliedstaaten gebeten werden, die Umsetzung ausgewählter geltender Rechtsvorschriften daraufhin zu prüfen, inwieweit der Entwurf einen Beitrag hierzu hätte leisten können. Die Eignung des GRR-Entwurfs zur Anwendung bei den Maßnahmen II und III müssten ­ wieder anhand praktischer Beispiele ­ ebenfalls überprüft werden. Auch die Eignung des GRR-Entwurfs als Instrument der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit bzw. für die Gestaltung der eigenen Vertragsverhältnisse der Kommission soll ebenfalls geklärt werden.

3.2.3 Konsultation zum GRR der Kommission

Der auf diese Weise erarbeitete GRR der Kommission soll sich dann einem letzten Konsultationsverfahren stellen. Das EP, der Rat und die Mitgliedstaaten werden dabei aufgefordert, den Abschlussbericht der Forscher und die entsprechende Evaluierung der Kommission zu prüfen. Eine interinstitutionelle Arbeitsgruppe könnte ebenfalls zur Diskussion über die Nutzung des GRR im legislativen Prozess beitragen. Die Konsultation der Mitgliedstaaten könnte über die gleiche Arbeitsgruppe nationaler Sachverständiger, die die Vorarbeiten verfolgt, weitergeführt werden.

Nächster Schritt ist eine offene Konsultation in Form eines Weißbuchs, zu der auch die Interessengruppen ihren Beitrag leisten können. Zu diesem Zweck wird der GRR der Kommission in alle Amtssprachen der EU übersetzt. Die Interessengruppen werden mindestens sechs Monate Zeit haben, um zum Entwurf der Kommission Stellung zu nehmen. Die Konsultation soll eine detaillierte inhaltliche Prüfung des GRR ermöglichen und auch Gelegenheit bieten, Unterschiede in den einzelnen Sprachfassungen zu korrigieren, so dass die endgültige Fassung dann in allen Sprachen vollkommen übereinstimmt und gut verständlich ist.

3.2.4 Verabschiedung des GRR durch die Kommission

Die Verabschiedung des GRR durch die Kommission ist für 2009 vorgesehen. Der GRR wird in breitem Rahmen veröffentlicht, so auch im Amtsblatt der Europäischen Union, und bei Bedarf überarbeitet. Mechanismen für seine Aktualisierung werden vorgesehen.

Anhang I Denkbare Struktur eines GRR

Der GRR soll hauptsächlich der Kommission als Instrumentarium bei der Ausarbeitung von Vorschlägen für die Überarbeitung geltender Rechtsvorschriften oder auch neuer Rechtsinstrumente dienen. Der GRR könnte deshalb aus drei Teilen bestehen: wesentliche Grundsätze des Vertragsrechts, Definitionen der wichtigsten abstrakten Rechtsbegriffe und vertragsrechtliche Mustervorschriften.

Kapitel I ­ Grundsätze

Im ersten Teil des GRR könnten einige gemeinsame wesentliche Grundsätze des europäischen Vertragsrechts sowie bestimmte, nur in eng begrenzten Fällen anwendbare Ausnahmen von diesen Grundsätzen festgeschrieben werden. Ausnahmen wären insbesondere zum Schutz einer schwächeren Vertragspartei möglich.

Beispiele: Grundsatz der Vertragsfreiheit, Ausnahme: Anwendung zwingender Vorschriften; Grundsatz der Verbindlichkeit von Verträgen, Ausnahme: z.B. Widerrufsrecht, Grundsatz von Treu und Glauben.

Kapitel II ­ Definitionen

Der zweite Teil des GRR könnte einige Definitionen abstrakter Rechtsbegriffe des europäischen Vertragsrechts enthalten, insbesondere Definitionen von gemeinschaftsrechtlich relevanten Begriffen.

Beispiele: Definition des Vertrags- oder Schadensbegriffes. So könnte im Rahmen der Definition des Vertragsbegriffes beispielsweise auch erläutert werden, wann ein Vertrag als geschlossen gilt.

Kapitel III ­ Mustervorschriften

Abschnitt I ­ Vertrag

Abschnitt II ­ Vorvertragliche Pflichten

Abschnitt III ­ Erfüllung / Nichterfüllung:

Abschnitt IV ­ Mehrere Parteien

Abschnitt V ­ Forderungsabtretung

Abschnitt VI ­ Schuldübernahme ­ Vertragsübernahme

Abschnitt VII ­ Verjährung

Abschnitt VIII ­ Besondere Vorschriften für Kaufverträge

Abschnitt IX ­ Besondere Vorschriften für Versicherungsverträge

Anhang II

Parameter für das optionale Instrument ­ Beitrag zur weiteren Diskussion über die Zweckmäßigkeit eines solchen Instruments

In diesem Anhang werden einige Parameter für das optionale Instrument vorgestellt, die bei der weiteren Diskussion über die Zweckmäßigkeit eines solchen Instruments Berücksichtigung finden sollten.

1. Zum allgemeinen Kontext eines optionalen Instruments:

In diesem Reflexionsprozess sollte dem bestehenden Rechtsrahmen Rechnung getragen werden, insbesondere den geltenden europäischen Rechtsvorschriften zum Vertragsrecht und den laufenden Arbeiten an einer künftigen Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht. Es wird zu berücksichtigen sein, wie sich Maßnahme I (Verbesserung der geltenden Rechtsvorschriften) sowie Maßnahme II auswirken werden.

Darüber hinaus wird in Bezug auf diese Maßnahme eine ausführliche Folgenabschätzung vorzunehmen sein. Das bedeutet u. a., dass keine Entscheidung über die Einführung eines optionalen Instruments getroffen werden kann, solange folgende Fragen nicht geprüft wurden:

Welche(s) Problem(e) soll(en) gelöst werden?

Welches übergeordnete politische Ziel wird verfolgt, welche Wirkungen will man erzielen?

Was würde geschehen, wenn man alles beim Alten ließe?

Gibt es andere Mittel, mit denen die verfolgten Ziele erreicht werden können? (z.B. andere Maßnahmen, mehr oder weniger ehrgeizige Optionen)

Inwieweit wird den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen?

Welche positiven und negativen Folgen ­ für Wirtschaft, Gesellschaft, Umwelt ­ sind in welchem Umfang mit den einzelnen Optionen verbunden? Stehen sie zueinander in einem Spannungsverhältnis oder ergänzen sie sich?

Wie lassen sich die positiven Folgen maximieren und die negativen Folgen minimieren? Sind hierfür begleitende Maßnahmen erforderlich?

Wer ist betroffen? Gibt es spezielle Gruppen, die besonders betroffen sind?

Werden außerhalb der EU Auswirkungen spürbar sein?

Wie soll das Instrument angewandt werden? Wie soll die Überwachung und Bewertung seiner Auswirkungen in der Praxis ablaufen?

Welche Auffassungen haben die einschlägigen Interessengruppen vertreten?

2. Zur Verbindlichkeit eines optionalen Instruments

Im Aktionsplan hat die Kommission in Bezug auf die Verbindlichkeit eines optionalen Instruments verschiedene denkbare Ansätze vorgestellt. Dieses Instrument könnte entweder eine Reihe vertragsrechtlicher Bestimmungen enthalten, die anwendbar wären, sofern ihre Geltung nicht im Vertrag von den Vertragsparteien ausgeschlossen würde ("Opt-out"), oder es könnte sich um ein rein fakultatives Modell handeln, für das sich die Parteien durch Aufnahme einer Rechtswahlklausel ("Optin") in den Vertrag entscheiden würden. Im letzteren Fall bliebe die Vertragsfreiheit der Parteien am stärksten gewahrt.

Die Teilnehmer an der Anhörung haben sich eindeutig zu dieser Frage geäußert, wobei die meisten von ihnen ein "Optin"-Modell befürworteten. Die Regierungen, die zu dieser Frage Stellung genommen haben, haben sich für ein "Optin"-Modell ausgesprochen, dem sie große Bedeutung für die Wahrung der Vertragsfreiheit beimessen. Auch die Unternehmen befürworteten ein freiwilliges Modell, wobei sie ebenfalls die Bedeutung des allgemeinen Grundsatzes der Vertragsfreiheit hervorhoben. Darüber hinaus forderten nahezu sämtliche Vertreter der Rechtspraxis eine "Optin"-Lösung. Schließlich scheinen auch die meisten Vertreter der Lehre diese Lösung zu bevorzugen.

Die Kommission teilt die Auffassung der Anhörungsteilnehmer hinsichtlich der Bedeutung, die der Vertragsfreiheit beizumessen ist, und hat auch schon in ihrem Aktionsplan ausgeführt, dass "die Vertragsfreiheit einer der leitenden Grundsätze eines solchen Vertragsrechtsinstruments sein" sollte. Deshalb "sollte es den Vertragsparteien, die als auf ihren Vertrag anwendbares Recht dieses Instrument gewählt haben, möglich sein, dessen spezifische Bestimmungen ihren eigenen Bedürfnissen anzupassen". Eine Einschränkung der Vertragsfreiheit wäre nur hinnehmbar bei einigen zwingenden Vorschriften des optionalen Instruments, insbesondere bei Vorschriften zum Schutz der Verbraucher (siehe Punkt 4).

In diesem Zusammenhang vertritt die Kommission ­ wie von einigen Verfassern von Beiträgen angeregt ­ die Ansicht, dass die künftigen Konsultationen und Debatten in diese Richtung gehen sollten. Ferner sollte berücksichtigt werden, dass ein solches optionales Instrument mit dem Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht von 1980 und dem späteren Grünbuch vom Januar 2003 zur Umwandlung des Übereinkommens von Rom in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung in Einklang stehen sollte. Dieser Punkt wurde von allen Teilnehmern hervorgehoben.

In den Beiträgen zum Aktionsplan wurden mehrere Ansätze vorgeschlagen, die als Grundlage für die weiteren Überlegungen über den Aufbau eines optionalen Instruments und die Nachfolge des Übereinkommens von Rom ("Rom I") dienen könnten. Der erste Vorschlag geht dahin, das optionale Instrument als internationales Einheitsrecht zu konzipieren. Als Hauptbeispiel für ein solches Einheitsrecht wird das Übereinkommen von Wien über den internationalen Warenkauf (CISG) genannt. Im Rahmen dieses Ansatzes würde das optionale Instrument eine Bestimmung über seinen Geltungsbereich enthalten1, und Rom I wäre dann nicht anwendbar auf Sachverhalte, die im optionalen Instrument geregelt sind. Im Übrigen würden die Parteien in Bezug auf alle im optionalen Instrument nicht geregelten Aspekte auf das nach den Bestimmungen von Rom I anwendbare nationale Recht zurückgreifen. Ein zweiter, in den Beiträgen genannter Ansatz würde auf Artikel 20 des Übereinkommens von Rom basieren1. In diesem Fall würde das optionale Instrument ebenfalls eine Bestimmung über die Abgrenzung seines Geltungsbereichs enthalten, so dass Rom I auf Sachverhalte, die im optionalen Instrument geregelt wären, nicht anwendbar wäre. Eine Anpassung von Artikel 20 wäre denkbar. Schließlich wurde als dritte Möglichkeit angeregt, das optionale Instrument als Gemeinschaftsinstrument zu erlassen, das jedoch keinen Vorrang vor Rom I hätte und das die Parteien gemäß Artikel 32 des Übereinkommens von Rom als anwendbares Recht wählen könnten. In diesem Fall würde das optionale Instrument keine Bestimmung über seinen Geltungsbereich, sondern lediglich materiellrechtliche Vorschriften enthalten. Wie von einigen Beteiligten angeregt, könnte Artikel 3 Absatz 1 dahin ausgelegt werden, dass die Parteien das optionale Instrument als auf ihren Vertrag anwendbares Recht wählen können. Die Möglichkeit einer solchen Auslegung könnte in Rom I klargestellt werden.

Die in der Anhörung angeregten Ansätze zeigen deutlich, dass die Arbeiten an der Umwandlung des Übereinkommens von Rom in ein Gemeinschaftsinstrument und an seiner Aktualisierung sowie die Arbeiten an einem europäischen Vertragsrecht aufeinander abgestimmt werden müssen. Obgleich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Entscheidung über die Zweckmäßigkeit bzw. den Erlass eines optionalen Instruments getroffen werden kann, ist unbedingt sicherzustellen, dass ein künftiges Gemeinschaftsinstrument "Rom I" der Möglichkeit einer kohärenten Verflechtung seiner Bestimmungen mit einem etwaigen künftigen optionalen Instrument Rechnung trägt.

3. Zur Rechtsform eines optionalen Instruments

Im Aktionsplan hat die Kommission vorgeschlagen, das optionale Instrument in die Form einer Verordnung oder einer Empfehlung zu kleiden, die neben das jeweilige Vertragsrecht der Mitgliedstaaten treten könnte, statt es zu ersetzen.

Wie bereits gesagt, hat sich eine große Mehrheit der Teilnehmer für ein "Optin"Instrument ausgesprochen. Würde dieser Ansatz zugrunde gelegt, so könnte eine Verordnung auf breite Zustimmung stoßen. Unter den Stellungnahmen aus Hochschulkreisen sind aber auch einige, die ein unverbindliches Instrument wie z.B. eine Empfehlung befürworten.

Für ein "Opt-out"-Instrument würde sich eine Verordnung eher eignen, da sie anders als eine Empfehlung unmittelbar anwendbar wäre. Bei einem "Optin"-Instrument wäre die Wahl seiner Rechtsform abhängig davon, welchen Ansatz man bei der Verflechtung dieses Instruments mit dem Nachfolgeinstrument zum Übereinkommen von Rom (siehe oben, Punkt 1) zugrunde legt. In diesem Zusammenhang legen die drei von den Interessengruppen angeregten Ansätze die Form einer Verordnung nahe.


1 Artikel 20 des Übereinkommens von Rom: "Dieses Übereinkommen berührt nicht die Anwendung der Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse auf besonderen Gebieten, die in Rechtsakten der Organe der Europäischen Gemeinschaften oder in dem in Ausführung dieser Akte harmonisierten innerstaatlichen Recht enthalten sind oder enthalten sein werden".
2 Artikel 3 Absatz 1 des Übereinkommens von Rom: "Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss ausdrücklich sein oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Parteien können die Rechtswahl für ihren ganzen Vertrag oder nur für einen Teil desselben treffen."

4. Zum Inhalt eines optionalen Instruments

In ihrem Aktionsplan hat die Kommission deutlich gemacht, dass der künftige GRR in die Überlegungen über den Inhalt eines nicht sektorspezifischen Instruments einbezogen werden muss. Der Inhalt dieses GRR werde wahrscheinlich als Grundlage für die Diskussionen über ein optionales Instrument dienen. In diesem Punkt stimmten die meisten Interessengruppen der Kommission zu, obgleich die Frage offen gelassen worden war, ob das neue Instrument den gesamten Geltungsbereich des GRR oder nur Teile davon abdecken sollte.

Die Frage, ob das optionale Instrument lediglich einige allgemeine vertragsrechtliche Bestimmungen oder auch Bestimmungen für spezielle Verträge von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung für den Binnenmarkt ­ z.B. Kauf- oder Dienstleistungsverträge ­ enthalten sollte, wurde im Aktionsplan ebenfalls offen gelassen. Viele Beteiligte stimmten der Auffassung zu, dass ein optionales Instrument einige allgemeine vertragsrechtliche Vorschriften sowie Vorschriften für bestimmte Verträge enthalten sollte, die für grenzüberschreitende Rechtsgeschäfte besonders wichtig sind. Was die allgemeinen vertragsrechtlichen Bestimmungen angeht, so wurde vorgeschlagen, das optionale Instrument könne beispielsweise Vorschriften über Abschluss, Wirksamkeit und Auslegung von Verträgen sowie über Erfüllung, Nichterfüllung und Anspruchsgrundlagen enthalten. Es wurden auch mehrere Vorschläge zu bestimmten Vertragsarten gemacht: so sollte das optionale Instrument Vorschriften für Kauf-, Tausch-, Schenkungs- und Mietverträge sowie für grenzüberschreitende Finanzgeschäfte und Versicherungsverträge umfassen. Einige Beteiligte äußerten außerdem die Meinung, das optionale Instrument solle sich auf mit dem Vertragsrecht verwandte Rechtsgebiete erstrecken, so auf das Wertpapierrecht, das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung oder auf Mobiliarsicherheiten.

Diesen Stellungnahmen zufolge könnte das optionale Instrument somit aus verschiedenen Teilen bestehen, die sich auf das allgemeine Vertragsrecht und/oder bestimmte Verträge beziehen würden. Die Frage, wie das optionale Instrument inhaltlich im Einzelnen auszugestalten wäre und welche Bereiche besondere Aufmerksamkeit verdienen, ist jedoch noch ausführlicher zu erörtern. Ein optionales Instrument sollte jedenfalls nur solche Teilgebiete des ­ allgemeinen oder auf bestimmte Vertragsarten bezogenen ­ Vertragsrechts regeln, die mit Sicherheit zur Lösung konkreter Probleme beitragen können; zu denken wäre hier beispielsweise an Hindernisse, die das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigen.

5. Zum Geltungsbereich eines optionalen Instruments

In diesem Zusammenhang bedürfen zwei Hauptthemen einer weiteren Erörterung.

Zunächst einmal hat die Kommission im Aktionsplan die Frage aufgeworfen, ob sich ein optionales Instrument nur auf Geschäfte zwischen Unternehmen oder auch auf Verträge erstrecken sollte, an denen Verbraucher beteiligt sind. Im letzteren Fall müsste das neue Instrument zwingende Vorschriften zum Verbraucherschutz enthalten. Die Kommission hat die Bedeutung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit hervorgehoben, der den Parteien, die sich für die Anwendung des optionalen Instruments auf ihren Vertrag entschieden haben, die Anpassung dieses Instruments an ihre Bedürfnisse ermöglicht. Die Kommission hat aber auch festgestellt, dass diese Freiheit durch den zwingenden Charakter einer weniger Bestimmungen des neuen Instruments, z.B. durch Verbraucherschutzvorschriften, eingeschränkt werden könnte.

Bei der Beantwortung dieser Frage muss man sich den Hauptzweck des optionalen Instruments in Erinnerung rufen, nämlich die Erleichterung des ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarkts. Dass seine Anwendung auf Geschäfte zwischen Unternehmen diesem Zweck dienen würde, steht außer Frage. Doch auch Geschäfte zwischen Unternehmen und Verbrauchern sind für den Binnenmarkt von großer wirtschaftlicher Bedeutung, so dass insoweit ihre Einbeziehung gerechtfertigt wäre. In diesem Fall müssten sich die Verbraucher auf einen ausreichenden Verbraucherschutz verlassen können, damit nicht nur die Angebotsseite des Markts (die Unternehmen), sondern auch die Nachfrageseite (die Verbraucher) Vorteile hat. In diesem Zusammenhang haben die meisten Beteiligten die Ansicht vertreten, ein neues Instrument solle sich auch auf Geschäfte zwischen Unternehmen und Verbrauchern erstrecken und somit zwingende Vorschriften enthalten, die ein hohes Verbraucherschutzniveau garantieren.

Es ist darauf hinzuweisen, dass innerstaatliche zwingende Vorschriften, die aufgrund der Artikel 5 und 7 des Übereinkommens von Rom anwendbar sind, die Transaktionskosten erhöhen und den Abschluss grenzüberschreitender Verträge behindern können. Insofern könnte die Aufnahme zwingender Bestimmungen im Sinne der Artikel 5 und 7 des Übereinkommens von Rom in das optionale Instrument große Vorteile bringen: die Parteien, die sich für die Anwendung des optionalen Instruments auf ihren Vertrag entscheiden würden, wüssten dann bereits bei Vertragsabschluss, welchen zwingenden Vorschriften ihr Vertragsverhältnis unterliegen wird. Dies würde im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr die Rechtssicherheit erhöhen. Die einschlägigen Anbieter von Waren und Dienstleistungen könnten ihre Produkte in der gesamten Europäischen Union anbieten und müssten dabei nur einen einzigen Vertrag verwenden. Das optionale Instrument würde sich dann für die Parteien als sehr nützliches Hilfsmittel erweisen. In diesem Fall müsste aber sichergestellt sein, dass immer dann, wenn die Parteien das optionale Instrument als anwendbares Recht gewählt haben, keine weiteren innerstaatlichen zwingenden Bestimmungen mehr anwendbar sein dürfen. Ob dies gelingen wird, hängt davon ab, welche Lösung für die Verflechtung des optionalen Instruments mit Rom I gewählt wird (siehe oben, Punkt 1).

Zweitens wirft die Einbeziehung von Rechtsgeschäften zwischen Unternehmen in den Geltungsbereich des optionalen Instruments eine weitere Frage auf. Dabei geht es um die Verflechtung des optionalen Instruments mit dem Übereinkommen von Wien über den internationalen Warenkauf (CISG). In ihrem Aktionsplan hat die Kommission um Stellungnahmen zum Geltungsbereich des optionalen Instruments im Verhältnis zum CISG gebeten. Viele haben sich dazu geäußert. Alle waren sich darüber einig, dass das optionale Instrument und das CISG aufeinander abgestimmt werden müssen. Weniger breit war der Konsens in der Frage, wie diese Abstimmung erfolgen soll: manche waren der Auffassung, das optionale Instrument solle lediglich einige ergänzende Vorschriften zum CISG enthalten, andere schlugen hingegen vor, das CISG als Bestandteil in das optionale Instrument aufzunehmen.

Das Verhältnis zwischen dem optionalen Instrument und dem CISG wird zum einen vom Geltungsbereich des optionalen Instruments1 und zum anderen von der Verbindlichkeit dieses neuen Instruments abhängen, also davon, ob es als "Optin" oder als "Opt-out"-Instrument konzipiert sein wird. Wie in Punkt 1 ausgeführt, haben sich die meisten Teilnehmer für ein "Optin"-Instrument ausgesprochen. Sollte das optionale Instrument ein auf internationale Warenkäufe zwischen Unternehmen anwendbares "Optin"-Instrument werden, so würden die Parteien, die dieses Instrument als das auf ihren Vertrag anwendbare Recht wählen würden, damit die Anwendbarkeit des CISG gemäß ihrem Artikel 6 stillschweigend ausschließen2. Im Fall seiner Ausgestaltung als "Opt-out"-Instrument, das auf internationale Warenkäufe zwischen Unternehmen anwendbar wäre, ließe sich das Problem der richtigen Abgrenzung beider Instrumente schwerer lösen. Dieses Argument könnte für den "Optin"-Ansatz sprechen, der bislang auch von den interessierten Kreisen bevorzugt wird.

6. Zur Rechtsgrundlage eines optionalen Instruments

In ihrem Aktionsplan hat die Kommission angeregt, Überlegungen über die Rechtsgrundlage eines neuen Instruments anzustellen; die interessierten Kreise wurden zur Stellungnahme aufgefordert. Es sind jedoch nur sehr wenige Stellungnahmen zu diesem Punkt eingegangen. Während von einem Mitgliedstaat Artikel 308 EGV für ein "Optin"-Instrument und Artikel 95 EGV für ein "Opt-out"Modell vorgeschlagen wurde, zieht eine Gruppe von Hochschullehrern Artikel 65 EGV vor.

Die Frage nach der Rechtsgrundlage ist eng verknüpft mit anderen Fragen, die sich auf die Rechtsform des optionalen Instruments (siehe oben, Punkt 2), auf seinen Inhalt (siehe oben, Punkt 3) und seinen Geltungsbereich (siehe oben, Punkt 4) beziehen. Diese wichtige Frage nach der Rechtsgrundlage ist deshalb noch im Rahmen einer breiteren Debatte über die Parameter eines optionalen Instruments zu erörtern.


1 Sollte das optionale Instrument nicht auf den internationalen Warenkauf anwendbar sein, so gäbe es auch keine Konkurrenz mit dem CISG.
2 Artikel 6 des CISG lautet: "Die Parteien können die Anwendung dieses Übereinkommens ausschließen oder, vorbehaltlich des Artikels 12, von seinen Bestimmungen abweichen oder deren Wirkung ändern".