Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Untersuchung und Verhütung von Unfällen und Störungen in der Zivilluftfahrt KOM (2009) 611 endg.; Ratsdok. 15469/09

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 10. November 2009 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 29. Oktober 2009 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 30. Oktober 2009 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen werden an den Beratungen beteiligt.


Hinweis: vgl.
Drucksache 687/93 = AE-Nr. 932650 und
Drucksache 072/01 = AE-Nr. 010316

Begründung

1. Hintergrund

Die unabhängige Untersuchung von Unfällen ist ein wesentliches Element in dem Bemühen, die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Nach Aufklärung der Unfallumstände werden Empfehlungen ausgesprochen, mit denen künftige Unfälle verhindert werden sollen.

Obschon die Zivilluftfahrt erst auf eine relativ kurze Geschichte zurückblicken kann, hat sich eine fest etablierte Tradition der Unfalluntersuchung herausgebildet. Die Verpflichtung zur Untersuchung von Unfällen in der Zivilluftfahrt ist im Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt (Abkommen von Chicago) festgeschrieben, dem alle Mitgliedstaaten als Vertragspartei beigetreten sind. Einschlägige detaillierte internationale Richtlinien und Empfehlungen sind in Anhang 13 des Abkommens von Chicago und zugehörigen Auslegungsanleitungen festgelegt.

Weil die Europäische Gemeinschaft der Unfalluntersuchung eine hohe Bedeutung beimaß hatte sie bereits 1980 die Richtlinie 80/1266/EWG über die Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Flugunfalluntersuchung1 erlassen. Die Richtlinie von 1980 wurde später durch die Richtlinie 094/56/EG2 ersetzt. Darüber hinaus wurde 2003 die Richtlinie 2003/42/EG über die Meldung von Ereignissen in der Zivilluftfahrt3 erlassen.

Nach der Richtlinie 94/56/EG haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass alle Unfälle und schweren Störungen in der Zivilluftfahrt durch eine unabhängige Stelle untersucht werden und der einzige Zweck der Untersuchung die Verhütung künftiger Unfälle, nicht aber die Klärung der Schuld- oder Haftungsfrage ist. Den Untersuchungsstellen wurden zusätzliche Befugnisse eingeräumt, die es ihnen ermöglichen ihre Aufgaben effizienter wahrzunehmen, und es wurden die Grundprinzipien für die Veröffentlichung von Berichten und die Weitergabe von Sicherheitsempfehlungen festgelegt.

Die Richtlinie 2003/42/EG hat durch die Unterstützung von Meldesystemen für sicherheitsrelevante Ereignisse erheblich zur Förderung einer sicherheitsorientierten Kultur in der europäischen Zivilluftfahrt beigetragen. Das Luftfahrtpersonal ist jetzt verpflichtet sicherheitsrelevante Ereignisse in der täglichen Arbeit zu melden, und es wurden Vorkehrungen für den Austausch und die Verbreitung der gemeldeten Informationen getroffen, so dass Lehren für die Sicherheit daraus gezogen werden können. Die Einrichtung freiwilliger Meldesysteme wird von der Richtlinie ebenfalls unterstützt und gefördert.

2. Erforderliche Änderungen

Das derzeit bestehende Gemeinschaftssystem für die Untersuchung von Unfällen in der Zivilluftfahrt und für die Meldung von Ereignissen funktioniert nicht mit optimaler Effizienz. Insbesondere der geltende Rechtsrahmen für die Unfalluntersuchung, die Richtlinie 94/56/EG, ist mittlerweile 15 Jahre alt und entspricht nicht mehr den Anforderungen der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten. Konkret:

3. Detaillierte Problemstellung

Vor der Vorlage dieses Vorschlags hat die Kommission eine detaillierte Analyse des derzeitigen Stands der Untersuchung von Unfällen in der Zivilluftfahrt und der Meldung von Ereignissen in der EU vorgenommen, insbesondere durch die öffentliche Konsultation der beteiligten Kreise sowie der Behörden der Mitgliedstaaten. In allen Antworten wurde der Auffassung entweder vollständig oder teilweise zugestimmt, dass es derzeit Unzulänglichkeiten bei der Unfalluntersuchung und der Meldung von Ereignissen in der Zivilluftfahrt in Europa gibt. Gleichzeitig 4 Folgenabschätzung zur Änderung der Richtlinien 94/56/EG und 2003/42/EG (Rahmenvertrag für Vorabbewertungen und Folgenabschätzungen, TREN/A1/46-2005), Abschlussbericht, Rotterdam, 20. Juli 2007. hieß es in der Mehrheit der Antworten jedoch, dass es noch zu früh für eine umfassende Revision der Richtlinie 2003/42/EG sei und der Schwerpunkt darauf liegen sollte, die Effizienz des Rechtsrahmens für die Unfalluntersuchung zu verbessern.

Darüber hinaus stützte sich die Kommission auf die Ergebnisse einer externen Studie zur Folgenabschätzung, die 2007 durchgeführt wurde und bei der die Ergebnisse der öffentlichen Konsultationen ebenso berücksichtigt wurden wie Input aus folgenden Quellen:

Auf dieser Grundlage hat die Kommission eine eigene Folgenabschätzung vorgenommen bei der die folgenden besonderen Problembereiche ermittelt wurden:

4. Mögliche Handlungsoptionen

Die Kommission hat eine Reihe möglicher Handlungsoptionen zur Behebung der derzeitigen Unzulänglichkeiten geprüft:

Alle diese Optionen wurden untereinander und gegenüber der Beibehaltung des Status quo als Benchmark unter Sicherheitsaspekten, nach wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Gesichtspunkten sowie im Hinblick auf sonstige Auswirkungen geprüft. Die Prüfung hat eindeutig gezeigt, dass die Unterstützung der freiwilligen Zusammenarbeit in Verbindung mit einer Reihe wichtiger Grundsätze, die gemäß der Option "europäisches Netz von Untersuchungsstellen für die Sicherheit der Zivilluftfahrt" in einem rechtlich verbindlichen Rahmen festgelegt werden die Erreichung der gemeinschaftlichen Ziele auf kosteneffizienteste Weise ermöglichen würde, ohne über das unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit strikt Erforderliche hinauszugehen.

5. Inhalt des Verordnungsvorschlags

5.1. Förderung der freiwilligen Zusammenarbeit

Im vorgelegten Vorschlag wird die Förderung der freiwilligen Zusammenarbeit geregelt deren Ziele in einem rechtsverbindlichen Rahmen festgelegt werden. Dabei wird auf den bereits in den Mitgliedstaaten verfügbaren Ressourcen und den Erfahrungen der bestehenden informellen Zusammenarbeit der nationalen Untersuchungsstellen für die Sicherheit aufgebaut. Nach der vorgeschlagenen Verordnung wird diese informelle Zusammenarbeit in ein europäisches Netz der Untersuchungsstellen für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt (das "Netz") überführt.

Das Netz wird zu einer größeren Einheitlichkeit sowie zu einer besseren Umsetzung und Durchsetzung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften im Bereich der Unfalluntersuchung in der Zivilluftfahrt beitragen. Es wird auch die Untersuchungskapazität der EU und die unfallverhütende Funktion der Unfalluntersuchung stärken, indem es eine besser strukturierte Zusammenarbeit zwischen den nationalen Untersuchungsstellen, der Kommission und der Europäischen Agentur für Flugsicherheit fördert, dabei aber einen vollkommen unabhängigen Status beibehält.

Um die Schaffung einer neuen Gemeinschaftsinstitution zu vermeiden, wird das Netz keine Rechtspersönlichkeit haben und sein Mandat, das im Verordnungsvorschlag eindeutig angegeben ist, wird sich auf beratende und koordinierende Aufgaben beschränken. Das Netz wird eine Einrichtung darstellen, die ein Ziel von allgemeinem europäischen Interesse im Sinne von Artikel 108 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 vom 25. Juni 2002 (Haushaltsordnung)5 verfolgt, was es der Gemeinschaft ermöglicht, ihre Aktivitäten auf der Grundlage eines jährlich vereinbarten Arbeitsprogramms mit einem jährlichen Finanzzuschuss zu unterstützen.

5.2. Untermauerung durch rechtsverbindliche Verpflichtungen

Hauptnachteil einer Option, die nur eine freiwillige Zusammenarbeit umfasst, ist die fehlende rechtliche Verpflichtung, im Rahmen eines eindeutig definierten Mandats tätig zu werden. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass im Rahmen einer freiwilligen Zusammenarbeit die Probleme angemessen gelöst werden können, bei denen Rechtssicherheit erforderlich ist. Dies ist der Fall beim Schutz sensitiver Sicherheitsinformationen, bei der Festlegung der jeweiligen Rechte und Pflichten der nationalen Sicherheitsuntersuchungsstellen und der EASA bei Sicherheitsuntersuchungen sowie bei der Festlegung einheitlicher Anforderungen an die Verarbeitung von Sicherheitsempfehlungen.

Um solche Nachteile zu vermeiden, die bei der Behebung der Unzulänglichkeiten des derzeitigen Rechtsrahmens im Mittelpunkt stehen, ergänzt die vorgeschlagene Verordnung die freiwillige Zusammenarbeit durch eine Reihe rechtsverbindlicher Pflichten, durch die

6. Subsidiarität und Verhältnismässigkeit

Obschon die Schaffung einer europäischen Agentur für die Unfalluntersuchung in der Zivilluftfahrt angesichts der Integration des EU-Luftverkehrsbinnenmarkts längerfristig nicht ausgeschlossen werden sollte, wäre dies zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht. Daher wird in diesem Vorschlag die geltende Aufteilung der Verantwortlichkeiten bei der Untersuchung von Unfällen und Störungen in der Zivilluftfahrt nicht geändert, sie verbleiben weiterhin bei den zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten.

Verglichen mit anderen Handlungsoptionen, die in der diesem Vorschlag beigefügten Folgenabschätzung analysiert werden, bietet die vorgeschlagene Verordnung aus Sicht der Gemeinschaft den größten zusätzlichen Nutzen. Dabei handelt es sich auch um die Handlungsoption, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit am weitesten entspricht da sie das Prinzip der Unabhängigkeit von Sicherheitsuntersuchungen unangetastet lässt und gleichzeitig durch die Unterstützung der freiwilligen Zusammenarbeit und ohne Schaffung neuer Strukturen auf Gemeinschaftsebene eine wesentliche Steigerung der Gesamteffizienz des derzeitigen Rechtsrahmens für die Untersuchung und Verhütung von Unfällen in der Zivilluftfahrt in der EU ermöglicht.

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Untersuchung und Verhütung von Unfällen und Störungen in der Zivilluftfahrt (Text von Bedeutung für den EWR)

Das Europäische Parlament und der Rat der europäischen Union -gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 80 Absatz 2, auf Vorschlag der Kommission6, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses7, nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen8, gemäß dem Verfahren des Artikels 251 EG-Vertrag9, in Erwägung nachstehender Gründe:

Haben folgende Verordnung erlassen:

Artikel 1
Gegenstand

Ziel dieser Verordnung ist die Verbesserung der Flugsicherheit, indem ein hohes Effizienz- und Qualitätsniveau europäischer Sicherheitsuntersuchungen in der Zivilluftfahrt gewährleistet wird, deren ausschließlicher Zweck die Verhütung künftiger Unfälle und Störungen ohne Klärung der Schuld- oder Haftungsfrage ist.

Artikel 2
Begriffsbestimmungen

Artikel 3
Anwendungsbereich

Artikel 4
Verpflichtung zur Durchführung einer Untersuchung

Artikel 5
Untersuchungsstelle für die Sicherheit der Zivilluftfahrt

Artikel 6
Zusammenarbeit der Sicherheitsuntersuchungsstellen

Artikel 7
Europäisches Netz der Untersuchungsstellen für die Sicherheit der Zivilluftfahrt

Artikel 8
Organisation der Arbeiten des Netzes

Artikel 9
Beteiligung der EASA an Sicherheitsuntersuchungen

Artikel 10
Beteiligung des Entwurfsstaats an Sicherheitsuntersuchungen

Akkreditierte Vertreter des Entwurfsstaats gemäß Anhang 13 des Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt werden von der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Mitgliedstaats benannt in dessen Hoheitsgebiet sich der Hauptgeschäftssitz des Inhabers der Musterzulassung des Luftfahrzeugs oder Motors befindet.

Artikel 11
Pflicht zur Meldung von Unfällen und schweren Störungen

Artikel 12
Status der Untersuchungsbeauftragten

Artikel 13
Koordinierung der Untersuchungen

Artikel 14
Beweissicherung

Artikel 15
Schutz sensibler Sicherheitsinformationen

Artikel 16
Verwendung von Aufzeichnungen

Artikel 17
Veröffentlichung von Informationen

Artikel 18
Weitergabe von Informationen

Artikel 19
Untersuchungsbericht

Artikel 20
Sicherheitsempfehlungen

Artikel 21
Folgemaßnahmen zu Sicherheitsempfehlungen und Datenbank für Sicherheitsempfehlungen

Artikel 22
Verfügbarkeit von Passagierlisten

Artikel 23
Unterstützung der Opfer von Flugunfällen und ihrer Angehörigen

Artikel 24
Ausschuss

Artikel 25
Sanktionen

Artikel 26
Aufhebungen

Artikel 27
Inkrafttreten


Geschehen zu Brüssel am
Im Namen des Europäischen Parlaments
Der Präsident
Im Namen des Rates
Der Präsident

Anhang
Beispiele für schwere Störungen

Die aufgeführten Störungen sind typische Beispiele für Störungen, die mit großer Wahrscheinlichkeit schwere Störungen darstellen. Die Liste ist nicht erschöpfend und dient nur als Richtschnur für die Definition der "schweren Störung".

Finanzbogen

Der Finanzbogen befindet sich im PDF-Dokument.