Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung
(Schwarzgeldbekämpfungsgesetz)

Der Bundesrat hat in seiner 879. Sitzung am 11. Februar 2011 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 2 Nummer 01 - neu und 1 Buchstabe c neu - (§ 3 Absatz 4 und § 371 Absatz 3 AO)

Artikel 2 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Bislang hängt die Wirksamkeit der Selbstanzeige nach § 371 Absatz 3 AO zudem davon ab, dass die hinterzogenen Steuern fristgerecht nachentrichtet werden. Künftig muss zur Erlangung der Straffreiheit zugleich ein Zuschlag in Höhe von 5 Prozent auf den Hinterziehungsbetrag geleistet werden. Der Hinterziehungsbetrag entspricht der durch die wirksame Selbstanzeige begründeten Änderung des zu versteuernden Einkommens. Der Zuschlag erfolgt pauschal, insbesondere unabhängig vom Zeitraum zwischen Tathandlung und Selbstanzeige. Der pauschale Zuschlag auf den im Steuerverfahren hinterzogenen Betrag hat keinen Strafcharakter und soll generalpräventiv zur Abgabe richtiger und vollständiger Steuererklärungen bewegen. Zuschläge sind bereits in ähnlicher Weise im Zollwesen und im Steuerrecht bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten festgelegt.

Die Festsetzung und Erhebung von Nachzahlungs- und Hinterziehungszinsen bleibt unberührt. Die Zinsen sollen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteil vom 27. August 1991, VIII R 84/89) den Liquiditätsvorteil abschöpfen.

Die Definition der steuerlichen Nebenleistungen in § 3 Absatz 4 AO wird um den Zuschlag im Sinne des § 371 Absatz 3 AO erweitert. Dadurch wird die Anwendung der Abgabenordnung auch auf solche Zuschläge erreicht (vgl. § 1 Absatz 3 AO).

2. Zu Artikel 2 Nummer 1 Buchstabe a (§ 371 Absatz 1 AO)

Der Bundesrat weist darauf hin, dass sich § 371 Absatz 1 AO-E gemäß seinem Wortlaut jeweils auf einzelne Taten (im materiellrechtlichen Sinne) beziehen dürfte. Demgegenüber kann die Begründung zu der Vorschrift so verstanden werden, dass für die Straffreiheit eine umfassende Nacherklärung hinsichtlich aller in Frage kommenden Taten verlangt wird. Zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit bittet der Bundesrat im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens um Überprüfung und um Klarstellung des Gewollten.

Begründung:

Die Neufassung des § 371 Absatz 1 AO zur strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige nimmt die Vorschrift des § 370 AO und damit die (gesonderte) Strafbarkeit einer jeden Tat der Steuerhinterziehung in Bezug. Rechtlich folgt hieraus, dass auch die Strafbefreiung bezüglich jeder Tat der Steuerhinterziehung eintritt, für die die Besteuerungsgrundlagen zutreffend nacherklärt werden. Wie bereits nach geltendem Recht ist daher auch nach dem Wortlaut der vorgeschlagenen Neufassung das Vorliegen einer strafbefreienden

Selbstanzeige für jede selbständige Tat gesondert zu prüfen, ohne dass es darauf ankommt, ob auch bezüglich anderer Taten die Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige vorliegen. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich die Abgabe jeder einzelnen Steuererklärung als selbständige Tat zu werten, sodass im Regelfall verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume sowie verschiedene Steuerpflichtige jeweils das Vorliegen mehrerer Taten bedingen (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2004 - 5 StR 220/04 -, NStZ 2005, 516).

Die Klarstellung der vorgeschlagenen Neufassung gegenüber dem bisher geltenden Recht liegt darin, im Hinblick auf eine Tat der Steuerhinterziehung eine teilweise strafbefreiende Selbstanzeige auszuschließen, die den strafrechtlich relevanten Hinterziehungsbetrag und damit in der Regel auch die Strafhöhe reduzieren würde. Allein auf diese Konstellation hat sich auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschluss vom 20. Mai 2010 - 1 StR 577/09 -, NJW 2010, 2146) bezogen, die der Gesetzentwurf aufgegriffen hat. In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof für eine Teilselbstanzeige das Beispiel genannt, dass von bei Abgabe einer Einkommensteuererklärung noch gänzlich verschwiegenen Zinseinkünften nachträglich diejenigen eines Kontos angegeben, aber immer noch weitere Konten verschwiegen werden.

Angesichts des vorgeschlagenen Normtextes sowie des Gehalts der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die offenbar den Anlass für die Neuregelung gegeben hat, ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzentwurf die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige weit über den Ausschluss der Teilselbstanzeige im bislang diskutierten Sinn hinaus einzuschränken beabsichtigt.

Weder mit dem Gesetzeswortlaut noch mit dieser hier unterstellten - Intention der Gesetzesinitiative korrespondiert es jedoch, wenn in der Entwurfsbegründung unter Verkennung des strafrechtlichen Tatbegriffs ausgeführt wird, dass nach der Neufassung eine strafbefreiende Selbstanzeige nur noch unter der Voraussetzung möglich sei, dass die Besteuerungsgrundlagen sämtlicher Steuerarten für alle strafrechtlich noch nicht verjährten Besteuerungszeiträume zutreffend nacherklärt werden.

Zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit bittet der Bundesrat im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens um Überprüfung und um Klarstellung des Gewollten.

3. Zu Artikel 2 Nummer 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa (§ 371 Absatz 2 AO)

In Artikel 2 Nummer 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa ist § 371 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a wie folgt zu fassen:

"a) dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfung im Sinne des § 193 angekündigt worden ist oder".

Begründung:

Außenprüfungen werden in aller Regel schon vor der Bekanntgabe der förmlichen Prüfungsanordnung zwecks Terminabstimmung telefonisch angekündigt. Die vorherige telefonische Abstimmung hat sich als verwaltungsökonomisch und bürgerfreundlich bewährt. Die Fassung des Regierungsentwurfs wird in der Praxis die Frage aufwerfen, ob die vorherige telefonische Ankündigung noch zulässig ist.

Betont man den Aspekt der Freiwilligkeit der Selbstanzeige, muss für den Sperrgrund auf den Zeitpunkt abgestellt werden, in dem der Täter oder sein Vertreter erstmals von der beabsichtigten Außenprüfung Kenntnis erlangt. Dies kann mündlich, fernmündlich oder schriftlich sein.

4. Zu Artikel 2 Nummer 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe dd (§ 371 Absatz 2 Nummer 3 AO)

In Artikel 2 Nummer 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe dd ist § 371 Absatz 2 Nummer 3 wie folgt zu fassen:

"3. bereits vorher Angaben nach Absatz 1 oder § 378 Absatz 3 Satz 1 berichtigt, ergänzt oder nachgeholt worden sind oder die Angaben unvollständig sind."

Begründung:

Am Rechtsinstitut der strafbefreienden Selbstanzeige soll festgehalten werden. Der darin liegende Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch ist gerechtfertigt, weil durch eine Selbstanzeige zum einen verborgene Steuerquellen erschlossen werden und zum anderen ein Anreiz für die Rückkehr in die Legalität geschaffen wird. Eine Rückkehr in die Steuerehrlichkeit ist aber nur dann gegeben, wenn der Täter nunmehr vollständige und richtige Angaben mithin "reinen Tisch" - macht. Demgegenüber soll verhindert werden, dass Selbstanzeigen Bestandteil einer Hinterziehungsstrategie sind, so zum Beispiel, wenn nur solche verschwiegenen Einkünfte nacherklärt werden, die unmittelbar vor der Aufdeckung stehen.

Daher nimmt die Vorschrift insbesondere die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Selbstanzeige auf (Beschluss vom 20. Mai 2010, 1 StR 577/09). Danach hält der Bundesgerichtshof eine Teilselbstanzeige nicht für ausreichend, um Strafbefreiung zu erlangen. Denn hier fehle gerade die Rückkehr zur vollständigen Steuerehrlichkeit. So liege etwa dann keine wirksame Selbstanzeige vor, wenn ein Steuerpflichtiger seine unvollständige Einkommensteuererklärung dahin "berichtige", dass er von bislang gänzlich verschwiegenen Zinseinkünften nunmehr nur diejenigen eines Kontos angebe, aber immer noch weitere Konten verschweige, weil er insoweit keine Entdeckung durch die Finanzbehörden fürchte (dolose Selbstanzeige). Zum einen folgt die Neufassung des § 371 Abs. 1 AO durch Streichung des Wortes "insoweit" dieser Rechtsprechung und stellt klar, dass Straffreiheit erst eintritt, wenn die Angaben insgesamt richtig sind. Ergänzend stellt die neu eingefügte Nr. 3 des § 371 Abs. 2 AO klar, dass eine gestückelte, mehrfache Selbstanzeige je nach Entdeckungsrisiko nicht zur Straffreiheit führt. Eine Rückkehr in die Steuerehrlichkeit liegt nur dann vor, wenn der Täter vollständige und richtige Angaben macht. Unbewusste Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten führen nicht zum Ausschluss der Straffreiheit; die Berichtigungserklärung darf sich nur ihrerseits nicht als weiteres planvolles Negieren steuerlicher Pflichten darstellen. Während einer Prüfung unbewusst nicht aufgedeckte Sachverhalte führen nicht zum Ausschluss der Straffreiheit. Schließlich werden von § 371 AO - in Abgrenzung zu § 153 AO - nur Sachverhalte erfasst, in denen jemand eine Steuerverkürzung verwirklicht hat und insofern grundsätzlich in der Lage war, überhaupt Einfluss auf die unrichtige oder unvollständige Erklärung zu nehmen.

5. Zu Artikel 3 (Artikel 97 § 24 Satz 2 EGAO)

In Artikel 3 ist in Artikel 97 § 24 Satz 2 am Ende folgender Halbsatz anzufügen:

"und die hinterzogenen Steuern entrichtet worden sind".

Begründung:

Im letzten Halbsatz von Artikel 97 § 24 n.F. wird zusätzlich das Tatbestandsmerkmal der Nachentrichtung (...und die hinterzogenen Steuern entrichtet worden sind...) erwähnt. In Satz 2 ist dieses Tatbestandsmerkmal, das in diesem Satz auch Gültigkeit hat, nicht zusätzlich erwähnt worden. Um rechtliche Auslegungsrisiken zu vermeiden, ist der 2. Satz mit dem Halbsatz "und die hinterzogenen Steuern entrichtet worden sind" zu ergänzen.

6. Zu Artikel 3 (Artikel 97 § 24 EGAO)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob Artikel 97 § 24 EGAO-E eindeutig auf eine Anwendungs- und Übergangsregelung zu beschränken ist.

Begründung:

Artikel 3 des Gesetzentwurfs will eine Anwendungs- und Übergangsregelung in Artikel 97 § 24 EGAO-E schaffen. Daher erscheint es zumindest missverständlich, wenn Satz 4 der vorgeschlagenen Norm eine (scheinbar) materiellrechtliche Regelung enthält, nämlich die Voraussetzungen einer Straffreiheit für die Zeit ab dem Tag nach Verkündung des Gesetzes inhaltlich wiedergibt. Unabhängig von gesetzgebungstechnischen Fragen ist diese Art der Regelung auch deshalb misslich, weil die Ausschlusstatbestände des § 371 Absatz 2 AO-E nicht genannt und die Voraussetzungen des § 371 Absatz 3 AO-E zumindest missverständlich wiedergegeben werden.

Daher dürfte es vorzugswürdig sein, in der Anwendungs- und Übergangsregelung schlicht den Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem die §§ 371, 378 AO-E in ihrer geänderten Fassung Anwendung finden sollen.