Antrag der Länder Hessen, Berlin, Bremen, Saarland, Schleswig-Holstein
Entschließung des Bundesrates - Akzeptanz und Wertschätzung statt Pathologisierung und Diskriminierung: Menschen in ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität stärken - "Konversionstherapien"verbieten

Der Hessische Ministerpräsident Wiesbaden, 4. April 2019

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Hessische Landesregierung hat beschlossen, gemeinsam mit den Ländern Berlin, Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein dem Bundesrat die anliegende Entschließung des Bundesrates - Akzeptanz und Wertschätzung statt Pathologisierung und Diskriminierung: Menschen in ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität stärken - "Konversionstherapien" verbieten mit dem Antrag zuzuleiten, die Entschließung zu fassen.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 976. Plenarsitzung am 12. April 2019 aufzunehmen und sie anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Volker Bouffier

Entschließung des Bundesrates - Akzeptanz und Wertschätzung statt Pathologisierung und Diskriminierung: Menschen in ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität stärken - "Konversionstherapien" verbieten

Der Bundesrat möge beschließen:

Begründung:

Es gibt nach wie vor Personen und Organisationen, die die Überzeugung vertreten und verbreiten, Homo- oder Bisexualität seien eine Erkrankung oder psychische Störung und könnten "geheilt" oder gezielt verändert werden. Mit dieser Pathologisierung, die eine Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit darstellt, wird ein gesellschaftliches Klima befördert, das Diskriminierung, Abwertung und Stigmatisierung homo- und bisexueller Personen verstärkt. Entsprechendes gilt auch für transgeschlechtliche Personen. Dies kann bewirken, dass vor allem junge Menschen in der Phase ihrer Identitätsfindung ihre sexuelle Identität mit einer behandlungsbedürftigen Krankheit gleichsetzen, was zur Ablehnung der eigenen sexuellen Identität führt und schwerwiegende psychische Belastungen (Depressionen, Angsterkrankungen, erhöhtes Suizidrisiko) nach sich ziehen kann. "Behandlungen" der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität verletzen das verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht. Hier kommt dem Staat ein Schutzauftrag zu.

Aufklärungsarbeit und gesellschaftliche Akzeptanzförderung erfüllen dabei eine wichtige Schlüsselaufgabe. Eine offene und informierte Gesellschaft sowie ein wertschätzendes Miteinander tragen maßgeblich dazu bei, dass "Konversionstherapien" die Nachfrage entzogen wird. Neben dieser gesellschaftspolitischen Aufgabe sind geeignete Regelungen im Gesundheitssystem zu treffen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bereits 1990 Homosexualität von der Liste psychischer Krankheiten gestrichen. 1991 wurde die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) entsprechend geändert. Der 117. Deutsche Ärztetag hat 2014 betont, dass Homosexualität eine gleichwertige Variante der unterschiedlichen sexuellen Orientierungen darstellt. Er forderte darüber hinaus die Streichung von Diagnosekategorien, die Homosexualität pathologisieren oder die Möglichkeit von Behandlungen oder Therapien als Option nahelegen. "Konversionstherapien", die behaupteten, Homosexualität in asexuelles oder heterosexuelles Verhalten umwandeln zu können und den Eindruck vermittelten, dass Homosexualität eine Erkrankung sei, seien abzulehnen.

"Konversionstherapien" werden darüber hinaus auch außerhalb des Gesundheitssystems angeboten und durchgeführt. Hier greifen sozial- und berufsrechtliche Regelungen nicht ausreichend. Weitere gesetzliche Regelungen im Bereich des Ordnungs- widrigkeits- und Strafrechts sind daher zu prüfen.

Malta hat 2015 als erstes europäisches Land im Rahmen seiner wegweisenden Gesetzgebung "Affirmation of Sexual Orientation, Gender Identity and Gender Expression Bill" ein Verbot von Konversionstherapien verhängt. Im Vereinigten Königreich wird zurzeit über ein Verbot solcher Therapien diskutiert. Entsprechende gesetzliche Regelungen zum Verbot von "Konversionstherapien" wurden auch bereits in mehreren Bundesstaaten der USA umgesetzt.