Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes und weiterer Gesetze

Der Bundesrat hat in seiner 989. Sitzung am 15. Mai 2020 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat setzt sich dafür ein, Gegenvorstellungsverfahren möglichst unbürokratisch auszugestalten. Die Anforderungen an einzelfallbezogene Begründungen für Entscheidungen sollten aufgrund der hohen zu erwartenden Verfahrensanzahl verhältnismäßig bleiben und es sollte Eingangshürden für Anträge geben.

Das Gegenvorstellungsverfahren ist für Plattformanbieter sehr arbeits- und kostenintensivom Der Zugang zu dem Verfahren sollte daher beschränkt und die weitreichenden Informations- und Begründungspflichten verhältnismäßig ausgestaltet werden.

2. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat hält die bestehende Systematik für wenig praktikabel und bittet darum, im Sinne einer verständlicheren Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Änderung der Richtlinie (EU) Nr. 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste ("AVMD-RL") in Bezug auf Videosharingplattform-Anbieter die Anwendbarkeit des Telemediengesetzes (TMG) und des Netzwerksdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) trennscharf zu definieren und damit Rechtssicherheit für die Plattformanbieter zu gewährleisten.

Durch die bestehende Systematik ist es für Plattformanbieter schwer zu erkennen, welches Gesetz (NetzDG oder TMG) und welche Regelungen für sie gelten.

3. Zu Artikel 1 Nummer 10 (§§ 10a und 10b TMG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob für das Verfahren zur Meldung und Abhilfe von Nutzerbeschwerden durch Videosharingplattform-Anbieter auf den gemäß den §§ 10a und 10b TMG vorgesehenen Vorrang des Meldeverfahrens nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz verzichtet werden sollte.

Begründung:

Der vorliegende Gesetzentwurf bezweckt mit den §§ 10a und 10b TMG das von der AVMD-Richtlinie geforderte Verfahren zur Meldung rechtswidriger Inhalte durch Videosharingplattform-Anbieter und die Verpflichtung der Videosharingplattform-Anbieter, ein wirksames und transparentes Verfahren zur Prüfung und Abhilfe der gemeldeten Nutzerbeschwerden vorzuhalten, eins zu eins in nationales Recht umzusetzen. Dieser Zielsetzung widerspricht es aber, dass die Bestimmungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes im Hinblick auf das Meldeverfahren als Spezialgesetz den Regelungen der §§ 10a und 10b TMG vorgehen sollen. Daher sollte die gewählte Konstruktion im weiteren parlamentarischen Verfahren einer Prüfung unterzogen werden. Gerade bei grenzüberschreitenden audiovisuellen Angeboten ist es von großer Relevanz, Fragmentierungen durch nationale Spezialvorschriften möglichst zu vermeiden, da nur so ein einheitliches europäisches Rechtsniveau und Rechtssicherheit sowohl für Anbieter als auch Nutzer geschaffen werden können.

4. Zu Artikel 1 Nummer 13 (§ 14a TMG)

In Artikel 1 Nummer 13 § 14a ist das Wort "Maßnahmen," durch die Wörter "Maßnahmen, oder anderweitig gewonnen," zu ersetzen.

Begründung:

Entgegen der Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 13 ist das Tatbestandsmerkmal der anderweitigen Datengewinnung in Artikel 6a Absatz 2 AVMD-Richtlinie nicht redundant, mit der Folge, dass es in der nationalen Umsetzung entfallen könnte.

Artikel 6a Absatz 1 AVMD-Richtlinie, auf den in Artikel 6a Absatz 2 AVMD-Richtlinie Bezug genommen wird, verpflichtet die Mitgliedstaaten, angemessene Maßnahmen des Jugendschutzes zu ergreifen.

Zu solchen Maßnahmen zählen beispielsweise die Wahl der Sendezeit, Mittel zur Altersverifikation oder andere technische Maßnahmen.

Nach dem Verständnis der Bundesregierung würde also die kommerzielle Weiterverwendung von Daten Minderjähriger, die zum Zweck des Jugendschutzes erhoben oder anderweitig zum Zweck des Jungendschutzes gewonnen wurden, untersagt.

Indes ist die Prämisse, die Datengewinnung stelle eine Form der Datenerhebung dar, nicht für jede Fallkonstellation zutreffend. Der Begriff der "Datengewinnung" findet sich in den Begriffsbestimmungen des Artikels 4 Nummer 2 DSGVO nicht. Zwar gibt es den allumfassenden Oberbegriff der Datenverarbeitung. Die Erhebung wiederum ist nur ein Unterfall, der nicht jede Konstellation erfasst, in welcher der Verantwortliche an Daten gelangt. Vielmehr ist hier ein gezieltes Tätigwerden, ein aktives Tun erforderlich. Eine - untechnisch formulierte - Datengewinnung beim Verantwortlichen kann auch dann vorliegen, wenn ihm die Daten durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung offengelegt werden.

Richtigerweise ist Artikel 6a Absatz 2 AVMD-Richtlinie jedoch so zu verstehen, wie es sich auch im Wortlaut niedergeschlagen hat: Verboten ist die kommerzielle Verwendung von Daten, die der Mediendienstanbieter entweder zu Zwecken des Jugendschutzes erhoben oder anderweitig gewonnen hat.

Es soll gerade unbeachtlich sein, aus welchen Quellen der Anbieter die Daten erlangt hat. Nur bei diesem Verständnis wird jegliche kommerzielle Weiterverwendung verhindert und der besondere Schutz, den auch die DSGVO

Kindern hinsichtlich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten gewährt (Erwägungsgrund 38), wirksam durchgesetzt.

Der vorliegende Gesetzentwurf bleibt daher hinter der AVMD-Richtlinie zurück bzw. setzt diese nicht vollständig in nationales Recht um und ist demgemäß entsprechend dem Wortlaut von Artikel 6a Absatz 2 AVMD-Richtlinie zu ergänzen.