Antrag des Landes Brandenburg
Entschließung des Bundesrates für eine auf einen ambitionierten Aufbau einer erneuerbaren Wasserstoffwirtschaft in Deutschland ausgerichtete Umsetzung der Erneuerbaren Energien Richtlinie (Renewable Energy Directive, RED II) in nationales Recht

Der Ministerpräsident des Landes Brandenburg Potsdam, 1. August 2019

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Regierung des Landes Brandenburg hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates für eine auf einen ambitionierten Aufbau einer erneuerbaren Wasserstoffwirtschaft in Deutschland ausgerichtete Umsetzung der Erneuerbaren Energien Richtlinie (Renewable Energy Directive, RED II) in nationales Recht zuzuleiten.

Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates den Ausschüssen zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dietmar Woidke

Entschließung des Bundesrates für eine auf einen ambitionierten Aufbau einer erneuerbaren Wasserstoffwirtschaft in Deutschland ausgerichtete Umsetzung der Erneuerbaren Energien Richtlinie (Renewable Energy Directive, RED II) in nationales Recht.

Der Bundesrat möge beschließen:

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Umsetzung der RED II gezielt mit dem Blick auf den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft anzugehen. Insbesondere die Vorgaben für die Kraftstoffhersteller in Art. 25 der RED II müssen mit ambitionierten nationalen Zielen und die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff anreizenden Regelungen umgesetzt werden. Folgende Kernelemente muss eine entsprechende Umsetzung beinhalten:

Begründung:

Schon als Grundelement, besonders aber in weiterverarbeiteter Form zu weiteren gasförmigen und flüssigen Energieträgern ist erneuerbarer Wasserstoff eine überzeugende Antwort auf die Frage nach einer Langzeitspeicherung der stark fluktuierenden erneuerbaren Stromerzeugung. Erneuerbarer Wasserstoff bietet die Chance, die Sektoren Verkehr, Wärme und Industrie gleichermaßen zu de-fossilisieren, ermöglicht dabei die Nutzung von vorhandenen Infrastrukturen wie z.B. dem gut ausgebauten Gasnetz und sorgt für neue regionale Wertschöpfung und Arbeitsplätze mit der damit verbundenen Chance, die gesunkene Akzeptanz der erneuerbaren Stromerzeugung wieder zu erhöhen. In Bezug auf regionale Wertschöpfung ist erneuerbarer Wasserstoff von besonderem Interesse für die Energieregionen in den vom beschlossenen Ausstieg aus der Kohleverstromung betroffenen Bundesländern. Die benötigten noch jungen, sich zum Teil noch im fortgeschrittenen Forschungsstadium befindlichen Wasserstofftechnologien bieten erhebliche Exportchancen für heimische Technologieunternehmen auf einem potenziell stark wachsenden globalen Markt. In der EU haben z.B. die Niederlande die Chancen von erneuerbarem Wasserstoff erkannt, weltweit sind es vor allem Japan, Süd-Korea und seit einiger Zeit auch China, die das Thema Wasserstoff in großem Stil vorantreiben. Deutschland droht, einen noch existierenden Technologievorsprung zu verlieren, wenn die Weichen nicht auch hierzulande entschlossen auf den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft gestellt werden. Entwicklungen der jüngsten Zeit auf Ebene der Bundesregierung, wie zum Beispiel die Ankündigung einer nationalen Wasserstoffstrategie machen Hoffnung, dass die Chancen ebenso wie die Herausforderung inzwischen gesehen werden.

Für Geschäftsmodelle mit strombasierten Energieträgern sind die Strombezugskosten die entscheidende Hürde. Unter dem geltenden regulatorischen Rahmen sind grundsätzlich auch bei der Umwandlung von Strom in andere Energieträger sämtliche staatlichen, sog. Letztverbraucherabgaben wie z.B. die EEG-Umlage oder die Netzentgelte zu entrichten, wodurch die Produktionskosten der Umwandlungsprodukte so hoch werden, dass sie nicht mit fossil herstellten Energieträgern konkurrieren können. Forderungen nach einer Befreiung oder zumindest einer längerfristigen rechtssicheren maximalen Reduzierung der Produktion strombasierter Energieträger von den Letztverbraucherabgaben wurde bislang das Solidarprinzip entgegengehalten: die Kosten der Förderung der Erneuerbaren Energien sowie des Netzausbaus müssten von allen Stromnutzern gleichermaßen und ohne Ausnahme getragen werden. Der geplante Umbau des Steuer- und Abgabensystems muss u.a. darauf abzielen, diese Kosten nicht mehr über den Strompreis, sondern über andere Quellen zu finanzieren, um auf diese Weise strombasierte Energieträger wettbewerbsfähig mit fossilen zu machen.

Wirtschaftliche Chancen für erneuerbare Energieträger bestehen vor allem dort, wo die EU die Mitgliedstaaten bzw. deren Marktakteure direkt oder indirekt zu Treibhausgas-Emissionssenkungen verpflichtet und die bei Nichteinhaltung mit erheblichen Strafzahlungen belegt werden. In diesem Kontext konkurrieren erneuerbare Energieträger wirtschaftlich nicht mit fossilen Energieträgern, sondern mit anderen vorhandenen Optionen zur Emissionsvermeidung. Die RED II regelt u.a. die Verpflichtung zur Emissionssenkung durch den Einsatz erneuerbarer Energien für die Lieferanten von Kraftstoffen für den Straßenverkehr. Bei kluger nationaler Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie, können sich interessante, tragfähige Geschäftsmodelle für erneuerbaren Wasserstoff und andere flüssige oder gasförmige Energieträger ergeben, die im Vergleich zu anderen Vermeidungsoptionen zu keiner Mehrbelastung der Bürger und Industrie führen.

Begründung für die Unterpunkte zur Umsetzung der RED II:

Zu a:

Ein 20 %-Ziel korrespondiert mit den Beschlüssen der Nationalen Plattform Mobilität (NPM), die dieses Ziel als Kombination von Biofuels und E-Fuels mit jeweils rund hälftigen Anteilen als realistisch eingestuft hat. Mehrfachanrechnungen würden das Ziel verwässern. Sie führen effektiv zu einem geringeren Anteil an erneuerbaren Energien im Kraftstoffsektor und sind darüber hinaus nicht technologieneutral. Mindestquoten führen zu einem berechenbaren Hochlauf der Erzeugungskapazitäten und damit sowohl zu einer sicheren, etappenweisen Erreichung der Klimaziele als auch zu Investitionssicherheit.

Zu b:

Der Großteil des im Produktionsprozesses verwendeten erneuerbaren Wasserstoffs geht energetisch in das Endprodukt/den Kraftstoff ein, ein kleinerer Teil wird u.a. für die Entschwefelung benutzt. Auch der zur Entschweflung verwendete erneuerbare Wasserstoff leistet einen Beitrag zum Klimaschutz, wenn er Wasserstoff aus fossilen Quellen verdrängt. Deswegen sollte aus Vereinfachungsgründen auf eine Differenzierung verzichtet werden.

Zu c:

Diese Anforderung stellt sicher, dass nicht ein und derselbe erneuerbare Strom mehrfach in unterschiedlichen Sektoren auf Vorgaben zur THG-Minderung angerechnet wird. Der EEG-geförderte Strom wird (bislang ausschließlich) zur Erreichung der Ziele im Stromsektor angerechnet.

Zu d:

Investoren für eine Wasserstoff-Produktionsanlage benötigen Sicherheit, dass die Anlage betriebswirtschaftlich tragfähig betrieben werden kann. Ebenso sollte im Interesse der Versorgungssicherheit das Potenzial zur Stabilisierung des Stromnetzes genutzt werden. Beides verlangt die Möglichkeit eines Strombezugs über das öffentliche Netz, die eine Mindestbetriebsstundenzahl sichert. Gleichwohl muss der bezogene erneuerbare Strom in voller Höhe auf die THG-Minderungsverpflichtung anrechenbar sein und nicht lediglich mit dem EE-Anteil am Strommix, weil auch dadurch ein Business-Case für eine Investition in eine teure Wasserstoff-Produktionsanlage in Frage gestellt würde. Neben einem geeigneten Herkunftsnachweis für den bezogenen Strom soll die nachgewiesene Stromnetzdienlichkeit einer Wasserstoff-Produktionsanlage die volle Anrechnung ermöglichen. Der Netzbetreiber muss die Anlage ansteuern können, um sie zur Stromnetzstabilisierung entweder hoch oder runter zu fahren. Das setzt voraus, dass sich die Wasserstoff-Produktionslange und die EE-Strom-Anlage, von der der Strom bezogen wird, im gleichen Netz und zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Wasserstoff-Produktionsanlage auf der gleichen Seite des Netzengpasses befinden.

Zu e:

Die Senkung von THG-Emissionen im Verkehrssektor darf nicht auf Kosten der THG-Minderung in anderen Sektoren, insbesondere im Stromsektor stattfinden. Um das bilanziell abzusichern, müssen zusätzlich zum geltenden Ausbaupfad der Erneuerbaren Energien Sonderausschreibungen durchgeführt werden, deren Größenordnung sich aus der Anschlussleistung der Wasserstoff-Produktionsanlagen ergibt.