Beschluss des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Notfallsanitätergesetzes

A. Problem und Ziel

Der Bundesgesetzgeber hat in § 4 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c des Gesetzes über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters (Notfallsanitätergesetz - NotSanG) das Ziel vorgegeben, dass die Ausbildung dazu befähigen soll, eigenverantwortlich medizinische Maßnahmen der Erstversorgung bei Patientinnen und Patienten im Notfalleinsatz durchzuführen und dabei auch invasive Maßnahmen anzuwenden, um einer Verschlechterung der Situation der Patientinnen und Patienten bis zum Eintreffen der Notärztin oder des Notarztes oder dem Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung vorzubeugen, wenn ein lebensgefährlicher Zustand vorliegt oder wesentliche Folgeschäden zu erwarten sind.

Der Bundesgesetzgeber regelt hier ein Ausbildungsziel, normiert aber keine Befugnis zur Ausübung der Heilkunde und damit auch keine Ausnahme vom Heilkundevorbehalt nach dem Heilpraktikergesetz, auch wenn der Notfallsanitäter damit in diesen Fällen im Einsatzdienst regelhaft heilkundliche Maßnahmen durchführen können soll; die Norm soll nach dem Willen des Gesetzgebers als Auslegungshilfe für den rechtfertigenden Notstand herangezogen werden.

Die Ausübung der Heilkunde ist grundsätzlich Ärzten vorbehalten (sogenannter Heilkundevorbehalt) und ohne Erlaubnis strafbar (§§ 1, 5 Heilpraktikergesetz). Bei einer heilkundlichen Tätigkeit im Rahmen von § 4 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c NotSanG entkommt der Notfallsanitäter nur über die rechtliche Konstruktion des rechtfertigenden Notstandes nach § 34 Strafgesetzbuch aus der Strafbarkeit seines Tuns.

Dies ist für die hochqualifizierten Notfallsanitäter weder sachgerecht noch zumutbar. Notfallsanitäter genießen eine dreijährige qualitativ hochwertige Ausbildung, die sie speziell auf ihre Aufgaben in medizinischen Notfallsituationen vorbereitet. Sie den unkundig praktizierenden Laien gleichzustellen, vor denen das Heilpraktikergesetz nach seiner historischen Zielsetzung schützen will, lässt jede fachgerechte Einordnung und Wertschätzung dieses hochqualifizierten Gesundheitsfachberufes vermissen.

Die aktuelle Rechtslage führt daher bei den Durchführenden des Rettungsdienstes und ihren Mitarbeitern (Notfallsanitätern) zu erheblicher Rechts- und damit auch Handlungsunsicherheit, verunsichert nicht zuletzt aber auch die Patientinnen und Patienten. Es bedarf daher einer ausdrücklichen Befugnisnorm, die die Durchführung von heilkundlichen Maßnahmen im Sinn des § 4 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c NotSanG vom Heilkundevorbehalt ausnimmt.

B. Lösung

Mit einer Änderung von § 1 Absatz 1 NotSanG durch die Ergänzung einer Befugnis, dass Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter im Rahmen der ihnen nach § 4 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c NotSanG vermittelten Kompetenz zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten berechtigt sind, wird eine Ausnahme vom Heilkundevorbehalt normiert. Damit wird zugunsten von Rechtssicherheit (Schutz der Notfallsanitäter vor haftungs- und strafrechtlichen Risiken) und somit auch Handlungssicherheit die Konstruktion über den rechtfertigenden Notstand entbehrlich.

Der Bundesgesetzgeber hat bei anderen Gesundheitsfachberufen bereits Ausnahmen vom Heilkundevorbehalt in die Ausbildungsgesetze aufgenommen.

§ 1 Satz 2 Altenpflegegesetz und § 1 Absatz 1 Satz 2 Krankenpflegegesetz sehen vor:

"Personen mit einer Erlaubnis nach Satz 1, die über eine Ausbildung nach § 4 Absatz 7 verfügen, sind im Rahmen der ihnen in dieser Ausbildung vermittelten erweiterten Kompetenzen zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten berechtigt." Wenn der Bundesgesetzgeber hier schon eine Ausnahme vom Heilkundevorbehalt für die zeitlich befristete Erprobung von Ausbildungsangeboten im Rahmen von Modellvorhaben zulässt, bedarf es erst recht einer Öffnung des Heilkundevorbehaltes im Notfallsanitätergesetz für heilkundliche Maßnahmen, die der Notfallsanitäter unter den in § 4 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c NotSanG vorgegebenen Voraussetzungen regelhaft bis zum Eintreffen des Notarztes oder bis zum Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung ausüben muss.

C. Alternativen

Keine.

Andere Lösungswege gibt es nicht, da trotz mehrerer Gründe, die für eine Nichtanwendbarkeit des Heilpraktikergesetzes bei der Tätigkeit von Notfallsanitätern im Rahmen des § 4 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c NotSanG sprechen, die Rechtsunsicherheit nicht ausgeräumt werden kann. Auch die Begründung des Bundesgesetzgebers kann keine belastbare Aussage über die Rechtslage treffen. Die Zuständigkeit der Länder umfasst nicht die Kompetenz, Ausnahmen vom Heilkundevorbehalt zu regeln und Notfallsanitätern eine Erlaubnis zur eigenverantwortlichen Ausübung der Heilkunde zu erteilen.

D. Haushaltsaufgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Keiner.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Keiner.

F. Sonstige Kosten

Keine.

Beschluss des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Notfallsanitätergesetzes

Der Bundesrat hat in seiner 981. Sitzung am 11. Oktober 2019 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen

Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Notfallsanitätergesetzes

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Notfallsanitätergesetzes

Dem § 1 Absatz 1 des Notfallsanitätergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Mai 2013 (BGBl. I S. 1348), das zuletzt durch Artikel 40 des Gesetzes vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1307) geändert worden ist, wird folgender Satz angefügt:

"Personen mit einer Erlaubnis nach Satz 1 sind im Rahmen der ihnen nach § 4 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c vermittelten Kompetenz zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten berechtigt."

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung:

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Nach der aktuellen Rechtslage ist eine lebensrettende Tätigkeit des Notfallsanitäters im Sinne des § 4 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c NotSanG im Rahmen seiner erlernten Berufsausübung ein grundsätzlich rechtswidriger Verstoß gegen den Heilkundevorbehalt, der in einer Strafbarkeit mündet (§§ 1, 5 Heilpraktikergesetz). Gleichzeitig ist der Notfallsanitäter jedoch aufgrund seiner aus § 323c Strafgesetzbuch (StGB) - unterlassene Hilfeleistung - und §§ 13, 223 StGB - Körperverletzung durch Unterlassen - resultierenden qualifizierten Hilfeleistungspflicht gezwungen, lebensrettende Maßnahmen durchzuführen, wenn ein Notarzt nicht oder nicht rechtzeitig vor Ort ist. Dieser Zwiespalt - Hilfeleistungspflicht und Strafbarkeit auf der einen, Heilkundevorbehalt und Strafbarkeit auf der anderen Seite - wird nur durch die Ausnahme des rechtfertigenden Notstands nach § 34 StGB aufgelöst. Über diese Vorschriften entkommt der Notfallsanitäter aus der Strafbarkeit seines Tuns. Dies ist eine rechtliche Konstruktion, die bei den Durchführenden des Rettungsdienstes und ihren Mitarbeitern (Notfallsanitätern) erhebliche Rechts- und damit auch Handlungsunsicherheit bei einer heilkundlichen Tätigkeit im Rahmen von § 4 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c NotSanG zur Folge hat.

Es bedarf daher einer Regelung auf gesetzlichem Weg durch Schaffung einer öffentlichrechtlichen Befugnisnorm, die Notfallsanitäter bei dem Ausüben von nach § 4 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c NotSanG erlernten Tätigkeiten vom Heilkundevorbehalt ausnimmt.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter werden durch die Aufnahme einer Befugnisnorm in das Notfallsanitätergesetz vom Heilkundevorbehalt nach § 1 Absatz 1 Heilpraktikergesetz ausgenommen und im Rahmen des § 4 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c NotSanG zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten berechtigt.

III. Alternativen

Keine.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 19 des Grundgesetzes.

V. Auswirkungen

Die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter können heilkundliche Maßnahmen im Sinne von § 4 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c NotSanG durchführen, ohne sich wegen eines Verstoßes gegen den Heilkundevorbehalt strafbar zu machen. Die daraus resultierende Handlungssicherheit kommt nicht nur den Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern und ihren Arbeitgebern, sondern auch den Patientinnen und Patienten zugute.

Durch die Gesetzesänderung entstehen keine Kosten.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Notfallsanitätergesetzes)

§ 1 Absatz 1 NotSanG wird um eine Regelung erweitert, dass Personen mit einer Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Notfallsanitäterin" oder "Notfallsanitäter" im Rahmen der ihnen nach § 4 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c NotSanG vermittelten Kompetenz zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten berechtigt sind. Damit werden sie in diesen Fällen vom Heilkundevorbehalt nach § 1 Absatz 1 Heilpraktikergesetz ausgenommen und handeln nicht strafbar aufgrund eines Verstoßes gegen den Heilkundevorbehalt (§ 5 Heilpraktikergesetz).

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Regelung soll schnellstmöglich in Kraft treten, um die erforderliche Rechts- und Handlungssicherheit zu erzielen.