Antrag der Länder Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Thüringen
Entschließung des Bundesrates "Deutschkurse für Migrantinnen und Migranten erneuern"

Der Regierende Bürgermeister von Berlin Berlin, 12. September 2019

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierungen von Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Thüringen haben beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates "Deutschkurse für Migrantinnen und Migranten erneuern" zuzuleiten.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 980. Sitzung des Bundesrates am 20. September 2019 zu setzen und sie anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Müller

Entschließung des Bundesrates "Deutschkurse für Migrantinnen und Migranten erneuern"

Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:

Begründung:

Zu 1:

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Unabhängig von ihrem Einwanderungsgrund ist für alle Migrantinnen und Migranten das frühzeitige Erlernen der deutschen Sprache von erheblicher Bedeutung. Die deutsche Sprache unterstützt unabhängig von der voraussichtlichen Aufenthaltsdauer bei der gesellschaftlichen und beruflichen Teilhabe und verhindert Ausgrenzung. Damit sprachliche Integration funktioniert, bedarf es für alle neu Ankommenden eines angemessenen Angebots, das einfach zu finden ist, zugänglich ist und zum Erfolg führt.

Zu 2:

Auf Bundesebene gibt es keine zentrale Federführung für die Angebotsstruktur zur Vermittlung von Deutschkenntnissen für Migrantinnen und Migranten. Für die Vermittlung von allgemeinen Sprachkenntnissen sind das BMI und das BAMF mit dem Angebot der Integrationskurse und der Erstorientierungskurse zuständig. Berufsbezogene Deutschkenntnisse werden wiederum in Zuständigkeit des BMAS angeboten. Weitere Angebote mit Sprachförderelementen werden in Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit umgesetzt.

Aufgrund der unterschiedlichen Zugangsbestimmungen und der bestehenden Lücken für einzelne Personengruppen müssen derzeit auf Landes- und Kommunalebene Ersatzangebote angeboten werden. Dieses System ist unübersichtlich und ineffektiv für die Zielgruppe. Darüber hinaus entstehen dadurch erhebliche Synergieverluste mit hohem Kosten- und Koordinierungsaufwand für Bund und Länder.

Zu 3:

Die Trennung der aus den unterschiedlichen Mittelgebern resultierenden Systeme der Basis- und berufsbezogenen Angebote sollen vereinheitlicht und eng aufeinander abgestimmt und im Hinblick auf Konzeption, Organisation und Durchführung aus einem Guss gestaltet werden. Denn ein Großteil der Neueinreisenden bleibt unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus für viele Jahre in Deutschland. Dies gilt gleichermaßen für Unionsbürgerinnen und -bürger sowie Personen aus Drittstatten einschließlich Schutzsuchende. Wenn Kenntnisse der deutschen Sprache vorhanden sind, erhöhen sich die Bildungs- und Arbeitsmarktchancen dieser Menschen enorm, sodass eine bessere Integration in den Arbeitsmarkt und in die deutsche Gesellschaft erfolgen kann. Die Gefahr eines dauerhaften Verbleibs in den sozialen Sicherungssystemen wird verringert, zudem werden Ressourcen zur Abmilderung des Einflusses des demografischen Wandels auf den Arbeitsmarkt besser genutzt.

Derzeit erreichen zu viele Zugewanderte nicht das für ihre optimale Teilhabe erforderliche Sprachniveau. Gründe dafür sind vor allem: die fehlende Berechtigung zur Teilnahme, das Fehlen von passgenauen Angeboten und lange Wartezeiten zwischen Sprachkursen. Dazu behindern strukturelle Hürden den Zugang zu Sprachangeboten. Zielführender sind kleinteilige Strukturen, aufgrund derer flexibel individuelle Bedarfe berücksichtigt und zeitliche Lücken zum Zugang sowie zwischen den einzelnen Sprachfördermaßnahmen vermieden werden können. Dies ermöglicht, flexibel auf die Bedürfnisse der heterogenen Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer eingehen zu können. Für diejenigen mit wenig Lernerfahrung und einem daraus folgenden langsamen Lerntempo bedarf es der Möglichkeit, gleichwohl durch zusätzliche Unterrichtsstunden das Abschlussniveau B1 zu erreichen.

Um die Qualität der Sprachförderung zu sichern bzw. zu verbessern und somit die Zahl an erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen zu erhöhen, sollten entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Verbindliche Zwischentests, obligatorische Feedback-Gespräche und eine Flexibilisierung des Kursverlaufes, die ein Wiederholen einzelner Module auch während des Kurses ermöglichen, sind dringend erforderlich. Als weitere Maßnahme zur Verbesserung der individuellen Förderung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch die Lehrkräfte ist die Reduzierung der Höchstteilnehmerzahl geboten. Die Einrichtung einer zentralen Beratungsstelle zur Sicherung der Qualität von Tests und Prüfungen sowie eine statistikbasierte Erfolgskontrolle sind weitere mögliche Schritte in diese Richtung. Auch kann geprüft werden, inwieweit bei erfolgreichen Kursabschlüssen eine Art Bonus an den Träger vergeben wird.

Die Rahmenbedingungen hinsichtlich der Fahrtkostenübernahme und der Gewährleistung von kursbegleitender Kinderbetreuung sollen verbessert werden.

Eine korrekte Dokumentation der Kursteilnahme ist zwingend erforderlich, um den ordnungsgemäßen Besuch des Integrationskurses nachzuweisen und ggf. Sanktionsmechanismen in Kraft setzen zu können.

Ein gemeinsames Wertefundament ist für eine offene, plurale und demokratische Gesellschaft unverzichtbar. Aus diesem Grund sollte die Demokratieförderung im Rahmen der Integrationskurse durch zusätzliche Informationen zur freiheitlichdemokratischen Grundordnung und zum Grundgesetz insgesamt gestärkt und die Stundenzahl der Orientierungskurse um 50 Stunden erhöht werden.

Die Chancen der Digitalisierung sollten auch im Rahmen der Integrationskurse stärker genutzt werden - beispielsweise um den Lernerfolg durch Wiederholung zu intensivieren, bestimmte Module digital belegen zu können oder bei fehlender Mobilität Lernmöglichkeiten zu eröffnen. Blended learning bietet auch nach Auffassung des Deutschen Volkshochschulverbandes Möglichkeiten, die es stärker zu nutzen gilt.

Zu 4 und 5:

Die Bundesregierung ist aufgefordert, ihre übergeordnete politische Zuständigkeit zur Gestaltung und Finanzierung eines soliden und transparenten Angebots wahrzunehmen.

Zu seiner Regelaufgabe gehört gemäß § 43 des Aufenthaltsgesetzes, durch Vermittlung ausreichender Deutschkenntnisse die Integration in das wirtschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Leben zu unterstützen. Hierzu bedarf es der Übernahme einer aktiven Federführung.

Zu 6:

Durch eine Abstimmung mit den Ländern sowie die Berichterstattung im Bundesrat soll sichergestellt werden, dass die Umsetzungsbemühungen abgestimmt und damit bestmöglich zum Erfolg führen.