Antrag des Landes Niedersachsen
Entschließung des Bundesrates zur Bekämpfung des grenzüberschreitenden Handels mit nicht rechtskonformen E-Zigaretten

Niedersächsischer Ministerpräsident Hannover, 1. September 2020

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Niedersächsische Landesregierung hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zur Bekämpfung des grenzüberschreitenden Handels mit nicht rechtskonformen E-Zigaretten zuzuleiten.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 993. Sitzung des Bundesrates am 18. September 2020 aufzunehmen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Stephan Weil

Entschließung des Bundesrates zur Bekämpfung des grenzüberschreitenden Handels mit nicht rechtskonformen E-Zigaretten

Der Bundesrat möge beschließen:

1. E-Zigaretten haben sich in den letzten Jahren wachsender Beliebtheit erfreut. Ein erheblicher Teil des E-Zigarettenabsatzes entfällt auf den Online-Handel. Produkte aus dem Ausland -insbesondere aus Nicht-EU-Staaten- entsprechen besonders häufig nicht den rechtlichen Vorgaben. Verbotene Inhaltsstoffe, fehlerhafte Kennzeichnungen oder nicht vorliegende Informationen über toxikologische Wirkungen sind typische Mängel und können die Gesundheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern gefährden.

Aufgrund der Produktmengen und der Produktvielfalt ist der Online-Handel mit E-Zigaretten besonders schwer überschaubar. Insbesondere das Angebot an E-Liquids (Nachfüllflüssigkeiten für E-Zigaretten) im Internet mit einer kaum erfassbaren Bandbreite verschiedenster Aromazusätze ist sehr vielfältig und im Einzelnen nicht überwachbar. Als Inhalationsprodukt mit direktem Kontakt zu den Atemwegen sind an die gesundheitliche Unbedenklichkeit der Inhaltsstoffe hohe Anforderungen zu stellen. Dem steht gegenüber, dass die Inhaltsstoffe der E-Liquids für diesen Verwendungszweck nicht oder nicht ausreichend gesundheitlich bewertet sind und gerade bei Einfuhren aus Drittstaaten außerhalb der EU die genaue Zusammensetzung nicht immer bekannt ist, weil die dazu vorgeschriebenen Informationspflichten von den Anbietern vielfach nicht beachtet werden.

Die 2019 in den USA ausgebrochene Erkrankungswelle mit über 2.600 Erkrankten, davon 60 Todesfälle, zeigt deutlich, welche Gefahren für die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher durch nicht rechtskonforme Produkte drohen können. Ein großer Anteil des Online-Handels entfällt auf Internet-Marktplätze, bei denen die oft im außereuropäischen Ausland ansässigen Verkäufer ihre Produkte anbieten und direkt an deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher versenden. Behördliche Maßnahmen gegen diese Anbieter sind in der Regel erfolglos; auch an die Internet-Marktplätze, auf denen die Produkte angeboten werden, können nur unter bestimmten engen Voraussetzungen behördliche Maßnahmen gerichtet werden.

Vorhandene Instrumente wie die Registrierungspflicht der Online-Händler nach § 22 Tabakerzeugnisgesetz können die Einhaltung der tabakrechtlichen Vorgaben nicht in ausreichendem Maß gewährleisten.

Aus wirtschaftlicher Sicht führt die Vielzahl nicht konformer Produkte zu einer Wettbewerbsverzerrung. Denn die Nichtbeachtung rechtlicher Vorgaben ermöglicht Anbietern solcher Produkte günstigere Preise und kann für einheimische Wirtschaftsakteure gravierende Wettbewerbsnachteile mit sich bringen.

2. Der Bundesrat hält Maßnahmen gegen das Inverkehrbringen nicht rechtskonformer E-Zigaretten und E-Liquids aus dem Ausland für erforderlich und bittet die Bundesregierung, Folgendes zu prüfen:

a. Verstärkte Kontrollen des Zolls gegen die Einfuhr nicht konformer E-Zigaretten und E-Liquids

Mit einer Verstärkung der Kontrollen kann erreicht werden, dass die Einfuhr nicht rechtskonformer Erzeugnisse unterbunden wird, bevor sie die Verbraucherinnen und Verbraucher erreichen.

b. Einführung einer Rechtsverpflichtung, Angebote im Online-Handel genauso zu kennzeichnen wie Produkte im stationären Handel

Angebote im Online-Handel müssen gegenwärtig nicht die Kennzeichnungsvorgaben erfüllen wie Erzeugnisse im stationären Handel. Die Angaben im Online-Handel liegen im Ermessen der Anbieter, häufig fehlen die auf den Erzeugnissen und deren Packungen vorgeschriebenen Angaben zu den Inhaltsstoffen sowie gesundheitliche Warnhinweise oder diese sind nicht vollständig oder sprachlich schwer verständlich. Der Zweck der Kennzeichnungsregelungen, den Verbraucherinnen und Verbrauchern vor der Kaufentscheidung alle relevanten Informationen - insbesondere solche mit gesundheitlichem Bezug wie zu allergenen Inhaltsstoffen - zur Kenntnis zu geben, wird im Online-Handel derzeit nicht erfüllt. Online-Angebote sollten dieselben Kennzeichnungsanforderungen erfüllen müssen wie Produkte im stationären Handel, um Verbraucherinnen und Verbraucher im Online-Handel nicht schlechter zu stellen. Eine solche Verpflichtung wäre im Übrigen nicht nur für Tabakerzeugnisse und E-Zigaretten/ E-Liquids, sondern für alle auf Online-Plattformen angebotenen Erzeugnisse sinnvoll. Eine entsprechende Regelung für Lebensmittel besteht bereits mit Artikel 14 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011.

c. Einführung einer Rechtsverpflichtung für Betreiber von Online-Marktplätzen, Eigenkontrollen zur Überprüfung des Produktangebots an E-Zigaretten und E-Liquids auf Rechtskonformität durchzuführen und nicht rechtskonforme Erzeugnisse ggf. vom Marktplatz zu entfernen

Auf den Online-Marktplätzen werden eine Vielzahl von Erzeugnissen angeboten, die nicht den rechtlichen Vorgaben entsprechen. Teilweise ist schon anhand der Abbildungen der Erzeugnisse erkennbar, dass Vorschriften zur Kennzeichnung oder zu den Packungsgrößen nicht eingehalten werden. Werden Produkte von Behörden beanstandet, entfernen die Online-Marktplätze in der Regel das betreffende Angebot. Meist wird jedoch nach kurzer Zeit ein identisches oder vergleichbares Produkt von einem anderen Verkäufer und/ oder unter anderer Bezeichnung erneut angeboten. Mit einer Verpflichtung, Eigenkontrollen in angemessenem Umfang zur Prüfung der Rechtskonformität der dort angebotenen Produkte vorzunehmen und nicht rechtskonforme Angebote ggf. zu entfernen, werden die Online-Marktplätze ebenfalls in die Verantwortung genommen. Dies ist gerechtfertigt, da die Online-Marktplätze bedeutende Akteure im Online-Handel sind und mit der Bereitstellung des Marktplatzes einen entscheidenden Beitrag zum Verkauf der dort angebotenen Erzeugnisse leisten.

Eine solche Regelung hat allgemeine Bedeutung und sollte im Übrigen nach Auffassung des Bundesrates nicht nur für E-Zigaretten, sondern für alle auf Online-Marktplätzen angebotenen Produkte gelten. Dadurch kann der Verbraucherschutz wirksam und umfassend gegenüber dem derzeitigen Rechtsstand verbessert werden.

Bestehende Maßnahmen wie die zwischen der Europäischen Kommission und großen Online-Marktplätzen abgeschlossene Verpflichtungserklärung, die bestimmte Maßnahmen gegen gefährliche Produkte beinhaltet (s. Presseerklärung der Europäischen Kommission vom 25.06.2018 - 0IP/18/4247), reichen nicht aus, da sie weder Eigenkontrollen der Online-Marktplätze vorsehen noch für alle dort angebotenen rechtswidrigen Produkte gelten. Mit der vorgeschlagenen Regelung würde auch zugleich den Forderungen des Bundesrates nach mehr Fairness im E-Commerce entsprochen (BR-Drs. 345/19 (PDF) ).

d. Verpflichtung von länderübergreifend tätigen Online-Händlern von E-Zigaretten und E-Liquids, eine verantwortliche Person zu benennen

Die Richtlinie 2014/40/EU sieht in Art. 18 Abs. 3 die Möglichkeit vor, länderübergreifend tätige Online-Händler (sog. grenzüberschreitender Fernabsatz) zur Benennung einer natürlichen Person zu verpflichten, die verantwortlich dafür ist, Produkte auf Übereinstimmung mit den nationalen Vorschriften zu kontrollieren, bevor sie die Verbraucherinnen und Verbraucher erreichen. Von dieser Ermächtigung wurde bei der Umsetzung des europäischen Rechts in das deutsche Tabakrecht kein Gebrauch gemacht. Nach Auffassung des Bundesrates kann eine solche Verpflichtung dazu beitragen, die Zahl nicht konformer E-Zigaretten und E-Liquids zu verringern und damit den Verbraucherschutz für die Verbraucherinnen und Verbraucher wirksam zu erhöhen. Dabei sollte vorgesehen werden, dass die zu benennende natürliche Person im Inland ansässig ist, damit die Wahrnehmung der Kontrollen von den zuständigen Behörden überwacht werden kann.

e. Verbot des grenzüberschreitenden Fernabsatzes von E-Zigaretten und E-Liquids

Der Bundesrat hält es für erforderlich, angesichts der nicht überwachbaren Anzahl und Vielfalt der aus Drittstaaten an deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher gelieferten E-Zigaretten und E-Liquids und der durch nicht rechtskonforme Produkte drohenden Gesundheitsgefahren zu erwägen, von der Ermächtigung nach Art. 20 Abs. 6 i.V.m. Art 18 der Richtlinie 2014/40/EU Gebrauch zu machen. Hiernach können die Mitgliedsstaaten den grenzüberschreitenden Fernabsatz von E-Zigaretten und E-Liquids verbieten. Damit würde der Online-Handel von E-Zigaretten und E-Liquids auf in Deutschland ansässige Anbieter beschränkt, welche wie der stationäre Handel durch Vor-Ort-Kontrollen der zuständigen Behörden überwachbar sind, wodurch Verstöße unmittelbar verfolgt und abgestellt werden können. Dies dient zugleich dem Jugendschutz, denn die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen kann bei Vor-Ort-Kontrollen wirksamer überprüft werden als im Online-Handel. Auch in anderen EU-Ländern bestehen Verbotsregelungen gegen den Online-Handel mit Tabakerzeugnissen und E-Zigaretten, in Dänemark, Österreich, Polen, Portugal oder Spanien ist dieser sogar vollständig untersagt.