Antrag des Landes Schleswig-Holstein
Entwurf eines Gesetzes für einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung
(Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz - GKV-FKG)

Punkt 43 der 983. Sitzung des Bundesrates am 29. November 2019

Der Bundesrat möge beschließen:

Zu Artikel 5 Nummer 26a - neu - ( § 275c SGB V)

In Artikel 5 ist nach Nummer 26 folgende Nummer 26a einzufügen:

"26a. § 275c wird wie folgt gefasst:

" § 275c Durchführung und Umfang von Prüfungen bei Krankenhausbehandlung durch den Medizinischen Dienst

(1) Bei Krankenhausbehandlung nach § 39 ist eine Prüfung der Rechnung des Krankenhauses spätestens vier Monate nach deren Eingang bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den Medizinischen Dienst dem Krankenhaus anzuzeigen. Als Prüfung nach Satz 1 ist jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses anzusehen, mit der die Krankenkasse den Medizinischen Dienst zum Zwecke der Erstellung einer gutachtlichen Stellungnahme nach § 275 Absatz 1 Nummer 1 beauftragt und die eine Datenerhebung durch den Medizinischen Dienst beim Krankenhaus erfordert. Die Prüfungen nach Satz 1 sind, soweit in den Richtlinien nach § 283 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 nichts Abweichendes bestimmt ist, bei dem Medizinischen Dienst einzuleiten, der örtlich für das zu prüfende Krankenhaus zuständig ist.

(2) Im Jahr 2020 darf eine Krankenkasse bis zu 12,5 Prozent der bei ihr je Quartal eingegangenen Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung eines Krankenhauses nach Absatz 1 durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen (quartalsbezogene Prüfquote). Maßgeblich für die Zuordnung zu einem Quartal ist das Datum der Schlussrechnung. Ab dem Jahr 2021 gilt für eine Krankenkasse bei der Prüfung von Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung durch den Medizinischen Dienst eine quartalsbezogene Prüfquote je Krankenhaus in Abhängigkeit von dem Anteil unbeanstandeter Abrechnungen je Krankenhaus nach Absatz 4 Satz 3 Nummer 2. Die quartalsbezogene Prüfquote nach Satz 3 wird vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen für jedes Quartal auf der Grundlage der Prüfergebnisse des vorvergangenen Quartals ermittelt und beträgt:

Der Medizinische Dienst hat eine nach Absatz 1 Satz 3 eingeleitete Prüfung einer Schlussrechnung für vollstationäre Krankenhausbehandlung abzulehnen, wenn die nach Satz 1 oder Satz 4 zulässige quartalsbezogene Prüfquote eines Krankenhauses von der Krankenkasse überschritten wird; dafür ist die nach Absatz 4 Satz 3 Nummer 4 veröffentlichte Anzahl der Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung, die die einzelne Krankenkasse vom einzelnen Krankenhaus im vorvergangenen Quartal erhalten hat, heranzuziehen. Liegt der Anteil unbeanstandeter Abrechnungen eines Krankenhauses unterhalb von 20 Prozent oder besteht ein begründeter Verdacht einer systematisch überhöhten Abrechnung, ist die Krankenkasse bei diesem Krankenhaus auch nach Erreichen der Prüfquote vor Ende eines Quartals zu weiteren Prüfungen nach Absatz 1 befugt. Die anderen Vertragsparteien nach § 18 Absatz 2 Nummer 1 und 2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes haben das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 6 unter Angabe der Gründe vor der Einleitung der Prüfung bei der für die Krankenhausversorgung zuständigen Landesbehörde gemeinsam anzuzeigen. Krankenkassen, die in einem Quartal von einem Krankenhaus weniger als 20 Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung erhalten, können mindestens eine Schlussrechnung und höchstens die aus der quartalsbezogenen Prüfquote resultierende Anzahl an Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen; die Übermittlung und Auswertung der Daten nach Absatz 4 bleibt davon unberührt. Die Prüfung von Rechnungen im Vorfeld einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes nach § 17c Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes unterliegt nicht der quartalsbezogenen Prüfquote.

(3) Zur Umsetzung der Einzelfallprüfung nach den Vorgaben der Absätze 1 bis 2 wird der Spitzenverband Bund der Krankenkassen verpflichtet, bundeseinheitliche quartalsbezogene Auswertungen zu erstellen. Die Krankenkassen übermitteln dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zum Ende des ersten Monats, der auf ein Quartal folgt, die folgenden Daten je Krankenhaus:

Ab dem Jahr 2020 sind vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf der Grundlage der nach Satz 2 übermittelten Daten bis jeweils zum Ende des zweiten Monats, der auf das Ende des jeweiligen betrachteten Quartals folgt, für das einzelne Krankenhaus insbesondere auszuweisen und zu veröffentlichen:

Die Ergebnisse sind auch in zusammengefasster Form, bundesweit und gegliedert nach Medizinischen Diensten, zu veröffentlichen. Die näheren Einzelheiten, insbesondere zu den zu übermittelnden Daten, deren Lieferung, deren Veröffentlichung sowie zu den Konsequenzen, sofern Daten nicht oder nicht fristgerecht übermittelt werden, legt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bis zum 31. März 2020 fest. Bei der Festlegung sind die Stellungnahmen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Medizinischen Dienste einzubeziehen.

(4) Eine einzelfallbezogene Prüfung nach Absatz 1 Satz 1 ist nicht zulässig

(5) Widerspruch und Klage gegen die Ermittlung der Prüfquote nach Absatz 4 haben keine aufschiebende Wirkung. Einwendungen gegen die Ergebnisse einzelner Prüfungen nach Absatz 1 sind bei der Ermittlung der Prüfquote nicht zu berücksichtigen. Behördliche oder gerichtliche Feststellungen zu einzelnen Prüfungen nach Absatz 1 lassen die für das jeweilige betrachtete Quartal ermittelte Prüfquote nach Absatz 2 unberührt.

(6) Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern über pauschale Abschläge auf die Abrechnung geltender Entgelte für Krankenhausleistungen zur Abbedingung der Prüfung der Wirtschaftlichkeit erbrachter Krankenhausleistungen oder der Rechtmäßigkeit der Krankenhausabrechnung sind nicht zulässig. Vereinbarungen auf Grundlage von § 17c Absatz 2 Satz 1 und 2 Nummer 3 und 7 sowie Absatz 2b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes bleiben unberührt." "

Begründung:

Im Rahmen der Krankenhausabrechnungsprüfung durch den Medizinischen Dienst (MD) nach § 275c SGB V in der Fassung des MDK-Reformgesetzes sind sämtliche Formen der monetären Sanktionierung für Krankenkassen und Krankenhäuser aufzuheben. Krankenhäuser und Krankenkassen müssen die Möglichkeit haben, sich bei jedem Dissens über die Höhe der Abrechnung oder die der Abrechnung zugrunde zulegende Codierung auf Augenhöhe zu begegnen. Die Versuche der vergangenen 15 Jahre, durch Detailregelungen zu einem funktionierenden Prüfsystem zu kommen, sind gescheitert. Ganz im Gegenteil hat sich die Situation verschlechtert und ist auf einem Niveau eskaliert, das letztlich eine vollständige Neuordnung erforderlich macht. Diese kann die Selbstverwaltung durch ihre systemimmanente Selbstblockade nicht mehr gestalten.

Mit diesem Gesetzentwurf wird die Schaffung fairer Bedingungen der Krankenkassen proklamiert. Der Gesetzentwurf greift jedoch zu kurz, denn faires Verhalten muss nicht nur zwischen den Krankenkassen, sondern auch gegenüber den Vertragspartnern und sämtlichen zugelassenen Leistungserbringern gelebt werden. Die vom Deutschen Bundestag in Artikel 1 Nummer 23 zum Entwurf eines Gesetzes für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz (vgl. BT-Drucksache 19/13397)) vorgenommenen Änderungen haben zu ungleichen Wettbewerbsvorteilen zu Gunsten der Krankenkassen geführt.

Sanktionierungen bzw. Aufschläge, welche die Krankenhäuser in jedem Fall einer Rechnungskorrektur - selbst bei Centbeträgen - zu zahlen haben, bedrohen die wirtschaftliche Existenz vieler Krankenhäuser, denn es werden voraussichtlich Sanktionierungen in einer Größenordnung von bis zu 380 Millionen Euro zu erwarten sein. In das GKV-FKG sollten daher Regelungen aufgenommen werden, welche das weitere Eskalieren der Krankenhausabrechnungsprüfung auf quantitative und qualitative Art verhindern, indem Sanktionen sowohl für die Krankenhäuser als auch für die Krankenkassen aufgehoben werden.

Der Grund für Fehler bei der Abrechnung von Krankenhausleistungen oder deren Korrektur sind insbesondere darauf zurückzuführen, dass die Ermittlung der jeweils korrekten Vergütung sehr komplex ist und in vielen Bereichen Auslegungs- und Interpretationsspielräume bestehen. Außerdem kommt es vor, dass aufgrund von Überlastungen des Krankenhauses nicht alle Kriterien einer DRG erfüllt werden. Rückforderungen aus Kürzungen wegen vermeintlicher Fehlbelegung ignorieren dabei oftmals die Zwänge der Versorgungsrealität. Nicht selten werden Patientinnen und Patienten aus sozialen Gründen länger im Krankenhaus behalten, als aufgrund der Diagnose eigentlich vorgesehen wäre. Krankenhausabrechnungen sind in diesen Fällen zu korrigieren, weil diese selbstverständlich möglichst korrekt und regelkonform sein sollten, zusätzlicher Sanktionen bedarf es hingegen nicht.

Statt den seit Jahren eskalierenden Streit der Krankenkassen und Krankenhäuser um die korrekte Abrechnung von Krankenhausleistungen zu befrieden, dürften die nun eingeführten Sanktionierungen eher den gegenteiligen Effekt hervorrufen. Der Aufwand, mit dem die einzelnen Prüfungen betrieben werden, wird zukünftig steigen. Auf beiden Seiten führt die Situation letztendlich zu einer Hochrüstung durch Verwendung von Mitteln, die letztendlich der Patientenversorgung entzogen werden. Weiterhin ist damit zu rechnen, dass auch die Zahl der gerichtlichen Auseinandersetzungen steigen wird.

Im Vergleich zur Fassung des § 275c SGB V des MDK-Reformgesetzes wurden folgende Änderungen vorgenommen: