885. Sitzung des Bundesrates am 8. Juli 2011
Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes die Einberufung des Vermittlungsausschusses aus folgenden Gründen zu verlangen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 14 ( § 25a EStG)
In Artikel 1 ist Nummer 14 zu streichen.
Begründung:
Das Gesetzesziel des neuen § 25a, durch eine gemeinsame Abgabe der Einkommensteuererklärung für zwei aufeinander folgende Jahre für Bürger und Verwaltung zu einer Vereinfachung zu kommen, wird durch die geplante Maßnahme nicht erreicht. Synergieeffekte für die Verwaltung oder Vereinfachungen für eine nennenswerte Anzahl von Steuerfällen dürften sehr gering ausfallen. Die gleichzeitige Abgabe von Steuererklärungen für mehrere Jahre würde nicht nur den Verwaltungsablauf erschweren, sondern auch zu Verunsicherungen bei den Bürgern führen.
Dies gilt auch für die Hauptzielgruppe, nämlich die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und die Bezieher und Bezieherinnen von Alterseinkünften. Für die weitaus überwiegende Zahl der Bezieher von Alterseinkünften existiert derzeit keine Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung, und von den sog. Arbeitnehmerfällen ist etwa die Hälfte ebenfalls nicht zur Abgabe der Einkommensteuererklärung verpflichtet (Antragsfälle). Bei Antragsveranlagungen besteht schon heute die Möglichkeit, Steuererklärungen für mehrere Jahre zusammen abzugeben (Vierjahresfrist für Erklärungsabgabe), so dass diese Gruppe, die einen Großteil der Steuererklärungen einreicht, nicht betroffen wäre. Die meisten Arbeitnehmerveranlagungen führen darüber hinaus zu einer Steuererstattung. Diese Steuerpflichtigen werden deshalb ein Interesse haben, ihre Steuererklärung zeitnah einzureichen und auf die 2-Jahresfrist zu verzichten.
Für die Verwaltung sind Synergieeffekte durch die geplante Gesetzesänderung nicht zu erwarten. Ein Zwei-Jahres-Rhythmus wäre zudem wenig hilfreich für einen kontinuierlichen Erklärungseingang bei der Finanzbehörde und würde die damit in Zusammenhang stehende Ressourcenauslastung und -berechnung erschweren. Zusätzlicher Aufwand würde für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzung der Wahlmöglichkeit entstehen. Nachzahlungen könnten erst ein Jahr später realisiert werden, wodurch zusätzlich noch ein haushaltsmäßiger Nachteil entstünde. Dies könnte nur durch ein aufwendiges Vorauszahlungsverfahren verhindert werden, was wiederum zu mehr Verwaltungsaufwand führen würde.
Ferner darf nicht verkannt werden, dass es wegen der Schnelllebigkeit des Steuerrechts in zwei Veranlagungszeiträumen zu unterschiedlichen Rechtsanwendungen kommen kann; dies erschwert die Arbeit bei der Erstellung und Bearbeitung der Steuererklärungen und macht eine verlängerte Aufbewahrung von Unterlagen bei Bürgern und Verwaltung erforderlich.
2. Zu Artikel 1 Nummer 15 ( § 26 Absatz 2 EStG)
In Artikel 1 Nummer 15 ist in § 26 der Absatz 2 wie folgt zu fassen:
- (2) Ehegatten werden einzeln veranlagt, wenn einer der Ehegatten die Einzelveranlagung wählt. Ehegatten werden zusammen veranlagt, wenn beide Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen. Die Wahl wird für den betreffenden Veranlagungszeitraum durch Angabe in der Steuererklärung getroffen. Die Wahl der Veranlagungsart innerhalb eines Veranlagungszeitraums kann nach Eingang der Steuererklärung bei der zuständigen Finanzbehörde nur noch geändert werden, wenn
- 1. die Finanzbehörde von der Steuererklärung abweicht oder ein Steuerbescheid, der die Ehegatten betrifft, aufgehoben, geändert oder berichtigt wird;
- 2. die Änderung der Wahl der Veranlagungsart der zuständigen Finanzbehörde bis zum Ablauf der Einspruchsfrist des Bescheides schriftlich oder elektronisch mitgeteilt oder zur Niederschrift erklärt worden ist;
- 3. die ursprünglich gewählte Veranlagungsart für die Steuerpflichtigen zu einer im Vergleich zur begehrten Veranlagungsart höheren festzusetzenden Einkommensteuer führt; die Einkommensteuer der einzeln veranlagten Ehegatten ist hierbei zusammenzurechnen;
- 4. und die Abweichung, Aufhebung, Änderung oder Berichtigung hierfür ursächlich ist."
Begründung:
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah vor, dass die Wahl einer Veranlagungsart innerhalb eines Veranlagungszeitraums ab Eingang der Steuererklärung bei der zuständigen Finanzbehörde bindend sein sollte. Eine etwaige Schlechterstellung der Ehegatten im Vergleich zu unverheirateten Personen sollte durch die Möglichkeit einer Tarifminderung in § 32e EStG vermieden werden.
Aufgrund des mit der Vorschrift des § 32e EStG verbundenen Programmieraufwandes (siehe Beschluss des Bundesrates in Drucksache. 054/11(B) , Ziffer 8) wird die Streichung des § 32e EStG und das Auflebenlassen des Veranlagungswahlrechts begrüßt.
Abzulehnen ist jedoch die Verlängerung des Veranlagungswahlrechts. Der Gesetzentwurf sah vor, dass das Veranlagungswahlrecht nur bis zum Eingang der Steuererklärung beim zuständigen Finanzamt ausgeübt werden konnte. Nach dem Beschluss des Bundestages soll die Ausübung des Veranlagungswahlrechts nun jedoch bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung möglich sein.
Dadurch wird der Änderung ein erheblicher Teil ihres Vereinfachungseffektes genommen. Viele Steuerfälle bleiben heute über lange Zeit hinweg anfechtbar, weil Einspruchsverfahren aufgrund von Massenrechtsbehelfen ruhend gestellt werden, bis in einem Mustergerichtsverfahren entschieden wird.
Daher ist erneut, wie im Gesetzentwurf, auf den Eingang der Steuererklärung beim Finanzamt abzustellen. Infolgedessen muss das Veranlagungswahlrecht auch dann aufleben, wenn das Finanzamt von den erklärten Angaben abweicht.
Ferner ist es zur Erzielung des Vereinfachungseffektes erforderlich, eine Neuausübung des Veranlagungswahlrechts nur dann zuzulassen, soweit die Abweichung, Aufhebung, Änderung oder Berichtigung ursächlich dafür ist, dass die ursprünglich gewählte Veranlagungsart im Nachhinein doch ungünstiger wird. Das bedeutet, dass das Veranlagungswahlrecht nicht wieder aufleben soll, wenn die Ehegatten ihr Veranlagungswahlrecht dann nicht anders ausgeübt hätten, wenn sie die Abweichung, Aufhebung, Änderung oder Berichtigung bereits ursprünglich in ihre Überlegungen einbezogen hätten.
3. Zu Artikel 1 Nummer 18 Buchstabe a ( § 32 Absatz 4 EStG)
In Artikel 1 Nummer 18 Buchstabe a sind in § 32 Absatz 4 Satz 2 die Wörter "und eines Erststudiums" durch die Wörter "oder eines Erststudiums" zu ersetzen.
Begründung:
§ 32 Absatz 4 Satz 2 EStG-E soll nach der Beschlussempfehlung des Bundestagsfinanzausschusses (BT-Drs. 17/6105 S. 16) wie folgt gefasst werden:
"Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung und eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht." Im ursprünglichen Gesetzentwurf war anstelle des Wortes "und" das Wort "oder" vorgesehen.
Begründet wird diese Änderung mit der Angleichung an § 12 Nummer 5 EStG. Dort hat das Wort "und" aber eine andere Bedeutung: Sowohl Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung als auch Aufwendungen für ein Erststudium sind nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar.
In § 32 Absatz 4 Satz 2 EStG würde das Wort "und" hingegen bewirken, dass eine Erwerbstätigkeit nur schädlich ist, wenn das Kind (kumulativ) eine Berufsausbildung und ein Erststudium abgeschlossen hat. Dies ist weder gewollt (vgl. ursprüngliche Gesetzesbegründung, BR-Drs. 054/11 (PDF) S. 56) noch sinnvoll. Es ist daher zur ursprünglichen Formulierung zurückzukehren.
4. Zu Artikel 1 Nummer 22 ( § 33b EStG)
In Artikel 1 ist Nummer 22 wie folgt zu fassen:
"22. § 33b wird wie folgt geändert:
- a) Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
"Wegen krankheits-, pflege- und behinderungsbedingten Aufwendungen können behinderte Menschen unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 einen Pauschbetrag nach Absatz 3 geltend machen (Behinderten-Pauschbetrag)."
- b) In Absatz 2 Nummer 2 werden die Wörter "mindestens auf 25" durch die Wörter "mindestens auf 30" ersetzt.
- c) In Absatz 3 werden die Sätze 2 und 3 wie folgt gefasst:
"Als Pauschbeträge werden gewährt bei einem Grad der Behinderung
von 30 400 Euro
von 40 560 Euro
von 50 740 Euro
von 60 940 Euro
von 70 1 250 Euro
von 80 1 590 Euro
von 90 1 850 Euro
von 100 2 130 EuroFür behinderte Menschen, die hilflos im Sinne des Absatzes 6 sind, und für Blinde erhöht sich der Pauschbetrag auf 5 500 Euro."
- c) Absatz 5 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
"Dabei ist der Pauschbetrag grundsätzlich auf beide Elternteile je zur Hälfte aufzuteilen, es sei denn der Kinderfreibetrag wurde auf den anderen Elternteil übertragen." "
Begründung:
Nach geltendem Recht haben behinderte Menschen ein Wahlrecht, ob sie wegen den Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen erhöhten Wäschebedarf den Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b EStG in Anspruch nehmen wollen oder ihre tatsächlichen Aufwendungen, soweit sie die zumutbare Belastung übersteigen, als außergewöhnliche Aufwendungen nach § 33 EStG geltend machen wollen. Daneben können Krankheitskosten sowie weitere behinderungsbedingte Aufwendungen (z.B. Operationskosten, Heilbehandlungen, Kuren, Arznei- und Arztkosten, Fahrtkosten) ebenfalls als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigt werden.
Da der Behinderten-Pauschbetrag seit 1975 nicht angehoben wurde, deckt er oftmals die effektiven Aufwendungen nicht mehr ab. Für die Steuerpflichtigen ist es deshalb in vielen Fällen günstiger, diese Aufwendungen einzeln nachzuweisen und unter Anrechnung einer zumutbaren Belastung als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend zu machen.
Um künftig den Steuerpflichtigen den Einzelnachweis von Aufwendungen möglichst zu ersparen, soll der Behinderten-Pauschbetrag erhöht und seine Abgeltungswirkung auf alle krankheits-, pflege- und behinderungsbedingten Kosten ausgeweitet werden. Um Schlechterstellungen von behinderten Menschen mit hohen Krankheits-, Pflege- und Fahrtkosten zu vermeiden, soll der einheitliche Einzelnachweis aller Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG erhalten bleiben.
5. Zu Artikel 3 Nummer 2 (§ 89 Absatz 5 bis 7 AO)
In Artikel 3 Nummer 2 sind in § 89 die Absätze 5 bis 7 wie folgt zu fassen:
- (5) Die Gebühr wird in entsprechender Anwendung des § 34 des Gerichtskostengesetzes mit einem Gebührensatz von 1,0 erhoben, wobei der Gegenstandswert mit mindestens 5 000 Euro anzusetzen ist. § 39 Absatz 2 des Gerichtskostengesetzes ist entsprechend anzuwenden.
- (6) Ist ein Gegenstandswert nicht bestimmbar und kann er auch nicht durch Schätzung bestimmt werden, ist eine Zeitgebühr zu berechnen; sie beträgt 50 Euro je angefangene halbe Stunde Bearbeitungszeit und mindestens 100 Euro.
- (7) Die Gebühr kann ganz oder teilweise ermäßigt werden, wenn ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vor Bekanntgabe der Entscheidung der Finanzbehörde zurückgenommen wird."
Begründung:
Die im Gesetz enthaltene Regelung stellt für den Steuerbürger keine echte Steuervereinfachung dar, denn sie bringt allenfalls eine geringfügige Kostenersparnis, keinesfalls aber eine Verringerung des von ihm zu betreibenden Aufwands. Auch für die Verwaltung wirkt sie alles andere als vereinfachend und wird zusätzliche Ressourcen binden.
Gegen die Einführung von Bagatellgrenzen spricht u.a.:
- - Sie führen zu einer Verkomplizierung des Rechts und zu neuem Streitpotential.
- - Die erhoffte Entlastung für den Steuerbürger tritt nicht ein bzw. ist lediglich marginal. Wie der Gesetzesbegründung entnommen werden kann, betrüge die finanzielle Ersparnis max. 200 Euro.
- - Die partielle Gebührenfreiheit läuft den Sparanstrengungen von Bund und Ländern zuwider.
- - Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft stellt in Hinblick auf die damit verbundene Rechtssicherheit eine individuelle Unterstützung der steuerlichen Gestaltungsplanung einzelner Steuerpflichtiger dar. Dies darf nicht auf Kosten der Allgemeinheit geschehen, indem die verbindliche Auskunft gebührenfrei erteilt wird und die Steuerverwaltung die ihr entstandenen Kosten nicht ersetzt bekommt.
- - Sofern dem Bürger eine unverbindliche Auskunft ausreicht, ist diese kostenlos möglich.
- - Die bestehende Gebührenregelung hat sich in der Praxis bewährt.