Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses KOM (2009) 154 endg.; Ratsdok. 14722/09

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 22. Oktober 2009 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 15. Oktober 2009 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 16. Oktober 2009 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss wird an den Beratungen beteiligt.


Hinweis: vgl.
Drucksache 534/99 = AE-Nr. 992595 und
Drucksache 174/05 (PDF) = AE-Nr. 050658

Begründung

1. Kontext des Vorschlags

1.1. Hintergrund

Artikel 61 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (.EG-Vertrag") sieht unter anderem durch Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen den schrittweisen Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vor. In Artikel 65 wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf Maßnahmen zur "Verbesserung und Vereinfachung der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher und ausergerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen" sowie zur "Forderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten" verwiesen. Das Erbrecht ist aus dem Anwendungsbereich der zahlreichen Rechtsakte, die auf dieser Grundlage bereits erlassen worden sind, insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 044/20011, bislang ausgeklammert worden.

Eine EU-Regelung zum Erbrecht findet sich jedoch schon im Wiener Aktionsplan2 von 1998 unter den prioritären Vorhaben. Im Haager Programm3 wird nunmehr eine umfassende Regelung zum Erbrecht gefordert, die das anwendbare Recht, Fragen der Zuständigkeit und Anerkennung sowie Maßnahmen administrativer Art (Ausstellung von Erbscheinen, Registrierung von Testamenten) einschließt. Eine EU-Initiative zum Testamentsregister wird im Einklang mit den Ergebnissen der Folgenabschätzung zu einem späteren Zeitpunkt folgen.

1.2. Gründe und Ziele des Vorschlags

In der EU gibt es eine bedeutende Anzahl grenzübergreifender Erbfälle, wie der Bericht über die Folgenabschätzung, der diesem Vorschlag beigefügt ist, deutlich macht. Die Verschiedenartigkeit sowohl der materiellrechtlichen Bestimmungen als auch der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit und das anwendbare Recht, die Vielzahl der Behörden, die mit einem internationalen Erbfall befasst werden können, sowie die daraus unter Umständen resultierende Nachlassspaltung behindern die Freizügigkeit in der Europäischen Union. Personen, die Rechte aus einem Erbfall mit Auslandsbezug geltend machen wollen, stehen heute deshalb vor beträchtlichen Schwierigkeiten. Die unterschiedlichen Regelungen verhindern darüber hinaus die uneingeschränkte Ausübung des Rechts auf Eigentum, das nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu den Grundrechten gehört, deren Achtung der Gerichtshof zu gewährleisten hat4. Ziel des vorliegenden Vorschlags ist es, den in der Europäischen Union ansässigen Personen zu ermöglichen, ihren Nachlass vorab zu regeln, und die Rechte der Erben und/oder Vermächtnisnehmer sowie der anderen mit dem Erblasser verbundenen Personen und der Nachlassgläubiger wirksam zu wahren.

2. Ergebnis der Konsultationen - Folgenabschätzung

Diesem Vorschlag ging eine umfassende Konsultation der Mitgliedstaaten, der anderen EU-Organe und -Institutionen sowie der breiten Öffentlichkeit voraus. Die Kommission hatte beim Deutschen Notarinstitut eine Studie mit dem Titel "Internationales Erbrecht in der EU" in Auftrag gegeben, die im November 2002 vorgelegt wurde5. Am 1.3.2005 veröffentlichte die Kommission ein Grünbuch zum Erb- und Testamentsrecht6, zu dem etwa 60 Beiträge eingingen. Es folgte eine öffentliche Anhörung am 30.11.20067. Am 1.3.2006 setzte die Kommission die Sachverständigengruppe "Vermogensrechtliche Folgen der Ehe und anderer eheähnlicher Lebensgemeinschaften sowie Erb- und Testamentsrecht in der Europäischen Union" (PRM-III/IV) ein8, die zwischen 2006 und 2008 sieben Mal zusammenkam. Am 30.6.2008 veranstaltete die Kommission eine Sitzung mit nationalen Sachverständigen. In den Beitragen zum Grünbuch wird die Notwendigkeit einer EU-Regelung in diesem Bereich bestätigt und die Annahme eines Vorschlags befürwortet, der unter anderem Fragen im Zusammenhang mit dem anzuwendenden Recht, der Zuständigkeit, der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen sowie die Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses regelt9. Eine solche Regelung wird auch vom Europäischen Parlament10 und vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss11 unterstützt. Die Kommission hat eine Folgenabschätzung vorgenommen, die diesem Vorschlag beigefügt ist.

3. Rechtliche Aspekte

3.1. Rechtsgrundlage

Gemäß Artikel 67 Absatz 5 EG-Vertrag beschließt der Rat die Maßnahmen nach Artikel 65 mit Ausnahme der .familienrechtlichen Aspekte" im Mitentscheidungsverfahren gemäß Artikel 251 EG-Vertrag.

Die große Mehrheit der Mitgliedstaaten mit Ausnahme der nordischen Staaten betrachten das Erbrecht aufgrund seiner überwiegend vermögensrechtlichen Aspekte als ein vom Familienrecht getrenntes Rechtsgebiet. Auch materiellrechtlich bestehen zwischen beiden Rechtsbereichen beträchtliche Unterschiede. Hauptzweck des Erbrechts ist die Regelung der Erbfolge und der eigentlichen Übertragung des Nachlasses. Demgegenuber regelt das Familienrecht in erster Linie die mit der Eheschließung und dem Eheleben sowie der Abstammung und dem Personenstand verbundenen Rechtsbeziehungen. Seine wesentliche gesellschaftliche Funktion ist der Schutz der Familie. Im Unterschied zum Erbrecht, in dem der Wille des Rechtssubjekts breiten Raum einnimmt, spielt der Wille des Einzelnen im Familienrecht, in dem die überwiegende Mehrheit der Rechtsverhältnisse durch den ordre public bestimmt werden, kaum eine Rolle.

Diese beiden Zweige des Zivilrechts sind somit hinreichend autonom, um unabhängig voneinander geregelt werden zu können. Da es sich in Artikel 67 Absatz 5 zweiter Gedankenstrich überdies um eine Ausnahme handelt, muss diese Bestimmung von den Organen eng ausgelegt und entsprechend angewandt werden. Diese Ausnahme gilt somit nicht für die vorliegende Verordnung über die Rechtsnachfolge von Todes wegen.

Die Gemeinschaftsorgane verfügen bei der Entscheidung darüber, ob eine Maßnahme für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist, über einen gewissen Ermessensspielraum. Der vorliegende Vorschlag zielt darauf ab, alle Hindernisse für den freien Personenverkehr zu beseitigen, die sich aus den unterschiedlichen Regelungen der Mitgliedstaaten für internationale Erbfälle ergeben.

3.2. Subsidiaritätsprinzip

Die Ziele dieses Vorschlags lassen sich nur mit gemeinsamen Vorschriften erreichen, die im Interesse der Rechtssicherheit und der Berechenbarkeit für die Bürger einheitlich sein müssen.

Ein einseitiges Vorgehen der Mitgliedstaaten ware kontraproduktiv. Zwar gibt es das Haager Erbrechtsubereinkommen12 vom 1.8.1989, doch ist dieses Übereinkommen nie in Kraft getreten. Dafur ist das Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht von 16 Mitgliedstaaten ratifiziert worden. Es ware zu wünschen, dass auch die übrigen Mitgliedstaaten dieses Übereinkommen im Interesse der Gemeinschaft ratifizierten.

Die Tragweite der Probleme, die mit diesem Vorschlag behoben werden sollen, trat in sämtlichen Konsultationen und Studien klar zutage.

3.3. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Wahl des Instruments

Der Vorschlag geht nicht über das zur Erreichung seiner Ziele erforderliche Maß hinaus. Er bewirkt weder eine Harmonisierung des Erbrechts noch des Sachenrechts der Mitgliedstaaten.

Auch das Erbschaftsteuerrecht bleibt unberührt. Bei internationalen Erbfällen kann es daher nach wie vor zu Kollisionen zwischen den nationalen Steuersystemen und damit zu Doppelbesteuerung oder Ungleichbehandlung kommen. Die Kommission beabsichtigt, 2010 eine Mitteilung zu dieser Problematik vorzulegen.

Das Erfordernis der Rechtssicherheit und Berechenbarkeit verlangt klare, einheitliche Vorschriften, so dass eine Verordnung erforderlich ist. Die mit diesem Vorschlag verfolgten Ziele waren gefährdet, wenn den Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Vorschriften ein Ermessensspielraum bliebe.

4. Erläuterung der Artikel

4.1. Kapitel I: Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Artikel 1

Der Begriff "Rechtsnachfolge von Todes wegen" ist autonom auszulegen. Er schließt alle mit der Rechtsnachfolge verbundenen Aspekte ein, insbesondere die Erbfolge und die Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses.

Ausgeschlossen sind alle Rechte und Sachen, die auf anderem Weg als durch die Rechtsnachfolge von Todes wegen entstehen oder übertragen werden. Dies gilt nicht nur für die Formen des im Common Law bekannten .joint tenancy" (eine Art Gesamthandseigentum, bei dem sich die Gesamthandseigentümer gegenseitig beerben), sondern für alle Formen unentgeltlicher Zuwendungen des Zivilrechts.

Die für Trusts vorgesehene Ausnahme steht der Anwendung des nach Maßgabe dieser Verordnung geltenden Erbstatuts nicht entgegen.

In Buchstabe j wird präzisiert, dass die Verordnung auf den Erwerb eines dinglichen Rechts im Wege der Rechtsnachfolge Anwendung findet, nicht aber auf den Inhalt dieses Rechts. Die Verordnung lässt den "Numerus Clausus des Sachenrechts" der Mitgliedstaaten unberührt wie auch die Qualifikation der Sachen und Rechte und die Prärogativen des Inhabers solcher Rechte. Folglich ist es prinzipiell nicht möglich, mit Hilfe des Erbrechts ein dingliches Recht rechtswirksam zu begründen, das am Ort der Belegenheit der Sache unbekannt ist. Das Erbstatut darf nicht zur Folge haben, dass es im Belegenheitsstaat zu einer Aufspaltung kommt oder dass eine eigentumsrechtliche Variante eingeführt wird, die dort nicht bekannt ist. So ist es beispielsweise nicht möglich, einen Niesbrauch in einem Staat zu begründen, der dieses Rechtsinstitut nicht kennt. Die Ausnahme gilt hingegen nicht für die Übertragung eines im Belegenheitsmitgliedstaat bekannten dinglichen Rechts im Wege der Rechtsnachfolge.

Ausgenommen ist ferner die Publizität dinglicher Rechte, insbesondere die Funktionsweise des Grundbuchs und die Wirkungen einer Eintragung bzw. einer fehlenden Eintragung.

Artikel 2

Gericht: Erbschaftsangelegenheiten werden in der Regel ausergerichtlich geregelt. Der Begriff "Gericht" ist in dieser Verordnung weit gefasst und schließt auch andere Amtsträger wie Notare und Geschäftsstellenbeamte ein, soweit diesen Befugnisse übertragen wurden, die in die Zuständigkeit der Gerichte fallen.

4.2. Kapitel II: Zuständigkeit

Artikel 4

Die Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit in Erbsachen unterscheiden sich erheblich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Hieraus ergeben sich positive Kompetenzkonflikte, wenn sich mehrere Mitgliedstaaten für zuständig erklären, oder negative Kompetenzkonflikte, wenn sich kein Gericht für zuständig halt. Um Schwierigkeiten dieser Art zu vermeiden, ist eine einheitliche Zuständigkeitsregelung erforderlich. Als Anknüpfung am weitesten verbreitet ist in den Mitgliedstaaten der Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers, der häufig mit dem Ort der Belegenheit der Nachlassgegenstände zusammenfällt. Die Gerichte im Belegenheitsstaat - freiwillige wie streitige Gerichtsbarkeit . sollen daher über den gesamten Nachlass und alle damit verbundenen Aspekte entscheiden.

Artikel 5

Hat der Erblasser das Recht eines anderen Mitgliedstaats gewählt, sollte die Verweisung an ein Gericht dieses Mitgliedstaats nicht automatisch erfolgen. Das zuständige Gericht sollte insbesondere den Interessen des Erblassers, der Erben, Vermächtnisnehmer und Gläubiger sowie ihrem gewöhnlichen Aufenthalt Rechnung tragen. Auf diese Weise lässt sich eine ausgewogene Lösung vor allem in Fällen finden, in denen der Erblasser erst kurze Zeit in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Heimatmitgliedstaat wohnte, seine Familie aber nach wie vor im Heimatmitgliedstaat wohnhaft ist.

Artikel 6

Für den Fall, dass der Erblasser seinen Wohnsitz in einem Drittstaat hatte, ist mit dieser Bestimmung der Rechtsschutz für Erben und Gläubiger aus der Gemeinschaft gewährleistet, wenn die Erbsache aufgrund der Belegenheit eines Nachlassgegenstands enge Bindungen zu einem Mitgliedstaat aufweist.

Artikel 9

Die enge Verbindung zwischen dem Erbstatut und dem Realstatut erfordert einen auserordentlichen Gerichtsstand am Belegenheitsort der Nachlassgegenstände, wenn das Recht des Belegenheitsmitgliedstaats die Einschaltung seiner Gerichte vorschreibt. Dieser Gerichtsstand ist jedoch streng auf die sachenrechtlichen Aspekte der Übertragung der Gegenstände beschränkt.

4.3. Kapitel III: Anzuwendendes Recht

Artikel 16
Nachlasseinheit

Die Nachteile eines Erbstatuts, das zwischen beweglichen und unbeweglichen Nachlassgütern unterscheidet und bewegliche Nachlassgüter dem Recht des Wohnsitzstaats des Erblassers unterwirft unbewegliche Güter hingegen dem Belegenheitsstaat, traten bei den Konsultationen deutlich zutage. Infolge dieser Nachlassspaltung entstehen mehrere Nachlassmassen, für die jeweils ein anderes Recht maßgebend ist, das die Bestimmung der Erben und ihres Anteils sowie die Aufteilung und Abwicklung des Nachlasses anders regelt.

Diese Nachteile werden mit einer Regelung auf der Grundlage der Nachlasseinheit vermieden wonach der gesamte Nachlass einem einzigen Erbstatut unterworfen wird. Eine solche Regelung bietet dem Erblasser überdies die Möglichkeit, sein Vermögen unabhängig vom Belegenheitsort der Güter gerecht unter seinen Erben aufzuteilen.

Der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers als Anknüpfungskriterium Als Anknüpfungskriterium wird in der Verordnung nicht die Staatsangehörigkeit des Erblassers, sondern sein letzter gewöhnlicher Aufenthalt herangezogen, weil dieser dem Mittelpunkt der Lebensinteressen des Erblassers und häufig dem Ort entspricht, an dem sich der größte Teil seines Vermögens befindet. Diese Anknüpfung begünstigt die Integration im Mitgliedstaat des gewöhnlichen Aufenthalts und schließt jede Diskriminierung von Personen aus die in diesem Staat wohnen, ohne dessen Staatsangehörigkeit zu besitzen. Das Kollisionsrecht mehrerer Mitgliedstaaten und alle modernen Rechtsinstrumente wie das Haager Erbrechtsübereinkommen stellen daher auf den gewöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfungskriterium ab.

Artikel 17

Alle Rechtsordnungen in der EU sehen Bestimmungen vor, die den Lebensunterhalt von Personen sichern, die dem Erblasser nahe standen, vor allem in Form eines Pflichtteilsanspruchs. Gehort der Erblasser einem Mitgliedstaat an, in dem Schenkungen unter Lebenden unwiderruflich sind, kann er die Gültigkeit dieser Schenkungen bestätigen, indem er das Recht seines Heimatstaats als Erbstatut wählt. Ein zentrales Anliegen der Verordnung ist es, dafür zu sorgen, dass diese Garantien bestehen bleiben. Bei der Entscheidung, dem Erblasser die Möglichkeit der Rechtswahl zu geben, musste ein Ausgleich zwischen einerseits den Vorteilen einer solchen Rechtswahl wie Rechtssicherheit und einfachere Nachlassplanung und andererseits dem Schutz der berechtigten Interessen der Angehörigen des Erblassers, insbesondere des Ehegatten und der überlebenden Kinder, gefunden werden. Deshalb gestattet die Verordnung dem Erblasser neben dem Recht des Aufenthaltsstaats als Regelstatut nur die Wahl seines Heimatrechts. Diese Entscheidung ermöglicht dem Erblasser, der von der Freizügigkeit in der EU Gebrauch gemacht hat, dem aber gleichzeitig auch an einer engen Bindung zu seinem Heimatstaat gelegen ist, diese kulturelle Bindung über seine Nachlassregelung zu erhalten. Diese Lösung wurde auch vom Europäischen Parlament befürwortet.

Ausschluss anderer Rechtswahlmöglichkeiten: Die Wahl des Ehegüterrechts des Erblassers als Erbstatut wird in der Verordnung ausgeschlossen, da dies aufgrund der flexibleren Handhabung der Rechtswahl im Ehegüterrecht eine Vielzahl von Möglichkeiten für die Wahl des anzuwendenden Erbrechts eröffnet hatte. Dies hatte jedoch der Zielsetzung der Verordnung widersprochen.

Artikel 18

Für Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente, von denen in manchen Mitgliedstaaten Gebrauch gemacht wird, um beispielsweise die Übertragung eines Unternehmens zu regeln und dem überlebenden Ehepartner die Nutzung des gemeinsamen Vermögens zu ermöglichen, müssen Vorschriften über das auf sie anzuwendende Recht festgelegt werden.

Artikel 21

Dieser Artikel trägt hauptsächlich den Besonderheiten der Rechtssysteme des Common Law - z.B. in England - Rechnung, wo die Erben nicht unmittelbar die Rechtsnachfolge des Erblassers antreten, sondern der Nachlass von einem Verwalter abgewickelt wird, der vom Gericht ernannt wird und der Aufsicht des Gerichts unterliegt.

Artikel 22

Bestimmte Immobilien, Unternehmen oder andere Arten von Vermögenswerten unterliegen im Belegenheitsmitgliedstaat aufgrund ihrer wirtschaftlichen, familiären oder sozialen Bestimmung besonderen Erbfolgeregeln, die es zu respektieren gilt. Eine solche Sonderregelung ist beispielsweise für landwirtschaftliche Familienbetriebe vorgesehen. Diese Ausnahme ist eng auszulegen, um die allgemeine Zielsetzung der Verordnung nicht zu unterlaufen. Sie gilt beispielsweise nicht für die Nachlassspaltung oder den Pflichtteilsanspruch.

Artikel 27

Der Rückgriff auf den ordre public muss die Ausnahme bleiben. Ein Unterschied zwischen den Regelungen über den Schutz der berechtigten Interessen der Angehörigen des Erblassers reicht für die Anwendung des ordre public nicht aus und ware unvereinbar mit dem Ziel, die Anwendung nur eines Erbstatuts auf den gesamten Nachlass zu gewährleisten.

4.4. Kapitel IV: Anerkennung und Vollstreckung

Dieses Kapitel orientiert sich an den einschlägigen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 044/2001. Um dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung in Erbsachen Geltung zu verschaffen der auf dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens beruht, ist vorgesehen, dass alle gerichtlichen Entscheidungen und Vergleiche anerkannt werden. Die Nichtanerkennungsgründe wurden daher auf das notwendige Mindestmaß beschränkt.

4.5. Kapitel V: Öffentliche Urkunden

In Anbetracht der Bedeutung öffentlicher Urkunden für die Erbrechtspraxis sollte die Anerkennung dieser Urkunden in der Verordnung festgeschrieben werden, um ihren freien Verkehr in der EU zu ermöglichen. Die Anerkennung bedeutet, dass diesen Urkunden hinsichtlich ihres Inhalts und der dort festgehaltenen Sachverhalte dieselbe Beweiskraft zukommt wie inländischen öffentlichen Urkunden oder wie in ihrem Ursprungsstaat, dass für sie dieselbe Echtheitsvermutung gilt und sie in den in dieser Verordnung festgelegten Grenzen vollstreckbar sind.

4.6. Kapitel VI: Europäisches Nachlasszeugnis

Zur raschen Abwicklung eines Erbfalls mit Auslandsbezug wird mit dieser Verordnung ein Europäisches Nachlasszeugnis eingeführt. Um den Verkehr solcher Zeugnisse in der Europäischen Union zu erleichtern, sollte ein einheitliches Muster festgelegt und die Behörde bestimmt werden, der die internationale Zuständigkeit für die Erteilung des Nachlasszeugnisses übertragen wird. Um die Übereinstimmung mit den Vorschriften, die die Zuständigkeit in der Sache regeln, zu gewährleisten, muss das Nachlasszeugnis von dem Gericht ausgestellt werden, das für die Erbsache selbst zuständig ist.

Das Europäische Nachlasszeugnis ersetzt nicht die in einigen Mitgliedstaaten bestehenden Bescheinigungen. In dem Mitgliedstaat der zuständigen Behörde erfolgt der Nachweis der Stellung als Erbe, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter somit nach innerstaatlichem Recht.

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses

Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union -gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 61 Buchstabe c und Artikel 67 Absatz 5 zweiter Gedankenstrich, auf Vorschlag der Kommission13, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses14, gemäß dem Verfahren des Artikels 251 EG-Vertrag, in Erwägung nachstehender Gründe:

Kapitel I
Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Artikel 1
Anwendungsbereich

Artikel 2
Begriffsbestimmungen

Kapitel II
Zuständigkeit

Artikel 3
Gerichte

Artikel 4
Allgemeine Zuständigkeit

Artikel 5
Verweisung an ein zur Beurteilung des Falls geeigneteres Gericht

Artikel 6
Restzuständigkeit

Artikel 7
Widerklage

Artikel 8
Zuständigkeit für die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses

Artikel 9
Zuständigkeit der Gerichte am Belegenheitsort

Artikel 10
Anrufung eines Gerichts

Artikel 11
Prüfung der Zuständigkeit

Artikel 12
Prüfung der Zulässigkeit

Artikel 13
Rechtshängigkeit

Artikel 14
Aussetzung wegen Sachzusammenhang

Artikel 15
Einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen

Kapitel III
Anzuwendendes Recht

Artikel 16
Allgemeine Kollisionsnorm

Artikel 17
Freie Rechtswahl

Artikel 18
Erbverträge

Artikel 19
Regelungsbereich des anzuwendenden Rechts

Artikel 20
Formgültigkeit der Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses

Artikel 21
Anwendung des Belegenheitsrechts

Artikel 22
Besondere Regelungen über die Rechtsnachfolge von Todes wegen

Artikel 23
Kommorienten

Artikel 24
Erbenloser Nachlass

Artikel 25
Universelle Anwendung

Artikel 26
Rück- und Weiterverweisung

Artikel 27
Öffentliche Ordnung (ordre public)

Artikel 28
Staaten ohne einheitliche Rechtsordnung

Kapitel IV
Anerkennung und Vollstreckung

Artikel 29
Anerkennung einer Entscheidung

Artikel 30
Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung

Artikel 31
Ausschluss einer Nachprüfung in der Sache

Artikel 32
Aussetzung des Verfahrens

Artikel 33
Vollstreckbarkeit

Kapitel V
Öffentliche Urkunden

Artikel 34
Anerkennung öffentlicher Urkunden

Artikel 35
Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden

Kapitel VI
Europäisches Nachlasszeugnis

Artikel 36
Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses

Artikel 37
Zuständigkeit für die Erteilung des Europäischen Nachlasszeugnisses

Artikel 38
Inhalt des Antrags

Artikel 39
Teilzeugnis

Artikel 40
Erteilung des Nachlasszeugnisses

Artikel 41
Inhalt des Nachlasszeugnisses

Artikel 42
Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses

Artikel 43
Berichtigung, Aussetzung oder Einziehung des Europäischen Nachlasszeugnisses

Artikel 44
Rechtsbehelfe

Kapitel VII
Allgemeine und Schlussbestimmungen

Artikel 45
Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkünften

Artikel 46
Informationen für die Öffentlichkeit

Artikel 47
Änderung der Formblätter

Artikel 48
Ausschuss

Artikel 49
Überprufungsklausel

Artikel 50
Übergangsbestimmungen

Artikel 51
Inkrafttreten


Geschehen zu Brüssel am
Im Namen des Europäischen Parlaments
Der Präsident
Im Namen des Rates
Der Präsident

Anhang I
Antrag nach Artikel 38 der Verordnung


Antrag auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses

(Artikel 36 ff. der Verordnung [...] des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechtsnachfolge von Todes wegen22)



1. Mitgliedstaat

BE  BG  CZ  DE   EE  [IE ] EL  ES  FR  IT  CY  LV  LT  LU  HU  MT   NL  AT  PL  PT  RO SI  SK  FI  SE  [UK ]



2. Angaben zum Erblasser

2.1. Name:
2.2. Vorname(n):
2.3. Geschlecht:
2.4. Personenstand:
2.5. Staatsangehörigkeit:
2.6. Personenkennziffer*:
2.7. Todestag:
2.8. Todesort:
Anschrift des letzten gewöhnlichen Aufenthalts:
2.9. Straße und Hausnummer/Postfach:
2.10. Ort und Postleitzahl:
2.11. Land:


3. Angaben zum Antragsteller

3.1. Name:
3.2. Vorname(n):
3.3. Geschlecht:
3.4. Staatsangehörigkeit:
3.5. Personenkennziffer*:
3.6. Straße und Hausnummer/Postfach:
3.7. Ort und Postleitzahl:
3.8. Tel.:
3.9. E-Mail:
3.10. Verhältnis zum Erblasser - verwandt oder verschwägert*:
  • *falls zutreffend


4. Zusatzangaben:

4.1. Sachliche oder rechtliche Umstände, die einen Nachlassanspruch belegen:

4.2. Sachliche oder rechtliche Umstände, die die Befugnis zur Testamentsvollstreckung und/oder Verwaltung des Nachlasses belegen:

4.3. Hat der Erblasser eine oder mehrere Verfügungen von Todes wegen hinterlassen? ja nein
Wenn ja, fügen Sie bitte die Verfügung(en) bei.*

4.4. Hatte der Erblasser einen Ehevertrag geschlossen? ja nein
Wenn ja, fügen Sie bitte den Ehevertrag bei.*

4.5. Treten Sie an die Stelle eines anderen Erben oder Vermächtnisnehmers? ja nein
Wenn ja, fügen Sie bitte einen Nachweis über den Tod dieser Person bei oder einen Nachweis über das Ereignis, das diese Person daran hindert, das Erbe oder das Vermächtnis anzutreten.*

4.6. Haben Sie Kenntnis von einer Erbschaftsanfechtung? ja nein
Wenn ja, teilen Sie hierzu bitte Näheres mit.*

4.7. Fügen Sie dem Antrag bitte ein Verzeichnis aller Personen bei, die dem Erblasser nahe standen mit folgenden Angaben: Namen, Vorname(n), Art des Verhältnisses zum Erblasser, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Anschrift.



*Fügen Sie nach Möglichkeit Urkunden oder beglaubigte Abschriften bei.

Ich erkläre, dass mir nichts bekannt ist, was der Richtigkeit der vorstehenden Angaben entgegen steht.*

Datum:
Unterschrift:

*Artikel 38 Absatz 3, falls die Erklärungen unter Eid abgegeben werden.


Anhang II
Europäisches Nachlasszeugnis Nach Artikel 41


Europäisches Nachlasszeugnis

(Artikel 41 der Verordnung [...] des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechtsnachfolge von Todes wegen23)



1. Mitgliedstaat des ausstellenden Gerichts

BE  BG  CZ  DE   EE  [IE ] EL  ES  FR  IT  CY  LV  LT  LU  HU  MT   NL  AT  PL  PT  RO SI  SK  FI  SE  [UK ]



2. Angaben zum Gericht

2.1. Zustandiges Gericht gemäß: Artikel 4.. Artikel 5 .. Artikel 6 .. der Verordnung
2.2. Kontaktperson:
2.3. Anschrift:


3. Angaben zum Erblasser

3.1. Name:
3.2. Vorname(n):
3.3. Geschlecht:
3.4. Personenstand:
3.5. Staatsangehörigkeit:
3.6. Personenkennziffer*:
3.7. Todestag:
3.8. Todesort:
Anschrift des letzten gewöhnlichen Aufenthalts:
3.9. Straße und Hausnummer/Postfach:
3.10. Ort und Postleitzahl:
3.11. Land:
3.12. Eheverträge:
3.13. Anzuwendendes Erbstatut:


4. Angaben zum Antragsteller

4.1. Name:
4.2. Vorname(n):
4.3. Geschlecht:
4.4. Staatsangehörigkeit:
4.5. Personenkennziffer*:
4.6. Straße und Hausnummer/Postfach:
4.7. Ort und Postleitzahl:
4.8. Tel.:
4.9. E-Mail:
4.10. Verhältnis zum Erblasser - verwandt oder verschwägert*:

*falls zutreffend



5. Nachweis der Erbenstellung

5.1. Diese Bescheinigung gilt als Nachweis der Erbenstellung: ja nein

5.2. Verzeichnis der Erben:*

Name Vorname(n) Geburtsdatum Erbquote Beschränkungen

*Fügen Sie gegebenenfalls ein weiteres Blatt bei.

5.3. Unterliegt die Annahme der Erbschaft einer Bedingung (z.B. Erstellung eines Nachlassverzeichnisses)? ja nein
Wenn ja, geben Sie bitte auf einem gesonderten Blatt Art und Wirkungen der Bedingung an.

5.4. Verzeichnis der Nachlassgüter, die einem bestimmten Erben zustehen:*

Name Vorname(n) Bezeichnung des Nachlassgegenstands

*Fügen Sie gegebenenfalls ein weiteres Blatt bei.



6. Nachweis der Stellung als Vermächtnisnehmer

6.1. Diese Bescheinigung gilt als Nachweis der Stellung als Vermächtnisnehmer: ja nein

6.2. Verzeichnis der Vermächtnisnehmer:*

Name Vorname(n) Geburtsdatum Dem Vermächtnisnehmer kraft Verfügung von Todes wegen zustehende Nachlassgüter

*Fügen Sie gegebenenfalls ein weiteres Blatt bei.



7. Nachweis der Stellung als Verwalter und/oder Testamentsvollstrecker

7.1. Diese Bescheinigung gilt als Nachweis der Stellung als Verwalter: ja nein

7.2. Diese Bescheinigung gilt als Nachweis der Stellung als Testamentsvollstrecker: ja nein

7.3. Geben Sie an, über welche Rechte der Verwalter und/oder Testamentsvollstrecker verfügt und auf welcher Rechtsgrundlage diese beruhen. Führen Sie beispielhaft die Handlungen auf, zu deren Vornahme der Verwalter und/oder Testamentsvollstrecker berechtigt ist: