Der Bundesrat hat in seiner 824. Sitzung am 7. Juli 2006 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf insgesamt
- a) Nach dem Gesetzentwurf soll das maßgebliche Einkommen - bis zum Erlass einer Verordnung nach § 12 Abs. 3 BEEG-E - nach der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung ermittelt werden. Der Bundesrat schlägt stattdessen von Anfang an eine Einkommensermittlung nach den Grundsätzen des Einkommensteuergesetzes vor. Dies entspricht der Zielsetzung des Elterngeldes besser als die in § 2 Abs. 7 BEEG-E vorgesehene Regelung.
Es ist davon auszugehen, dass die meisten Elterngeldberechtigten Einkommensteuerpflichtig sind, während nur ein verhältnismäßig geringer Teil von ihnen Arbeitslosengeld II bezieht. Bei den Elterngeldempfängern dürfte der Bezug zum Steuerrecht weit mehr Akzeptanz finden als ein Verweis auf die Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung. Unterschiedliche Einkommensbegriffe im Elterngeldrecht und im Einkommensteuerrecht wären für die Berechtigten nicht nachvollziehbar. Eltern, die sich an Hand ihres vorliegenden Steuerbescheids im Voraus "ihr" Elterngeld ausrechnen wollen, würden nach den Vorgaben des Gesetzentwurfes mit einer anderen Kalkulationsgrundlage überrascht.
Der Bundesrat fordert jedenfalls, dass eine Rechtsverordnung nach § 12 Abs. 3 BEEG-E der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
- b) Mit dem vorstehenden Vorschlag der Einkommensermittlung auf der Basis des Einkommensteuergesetzes ergäbe sich eine Änderung im Hinblick auf die Berücksichtigung einmaliger Einnahmen. Diese sollten im Gegensatz zum vorliegenden Gesetzentwurf berücksichtigt werden. Das Verfahren zur Feststellung des maßgeblichen Einkommens würde damit erleichtert. Zahlreiche "einmalige" Leistungen werden in der Praxis mittlerweile monatlich umgelegt, was bei der Einordnung nicht unerhebliche Abgrenzungsprobleme und Ungerechtigkeiten nach sich ziehen würde. Im Übrigen ist der Ausschluss dieser Leistungen, der bislang mit der Zufälligkeit des Zahlungszeitpunkts begründet wird, auch mit der nun im Gesetzentwurf enthaltenen Verlängerung des Bemessungszeitraums auf zwölf Monate nicht mehr sachgerecht.
- c) Abweichend vom Gesetzentwurf sollten bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und/oder selbstständiger Tätigkeit, die in dem steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes im Monatsdurchschnitt erzielten steuerlichen Einkünfte zu Grunde gelegt werden. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung zwingt die Berechtigten zur gesonderten Ermittlung von Einkünften für Zeiträume, die nicht mit den steuerlichen Veranlagungszeiträumen übereinstimmen. Das ist mit einem erheblichen zusätzlichen Sach- und Kostenaufwand, insbesondere bei den genannten Einkunftsarten, für die Eltern verbunden (z.B. Zwischenbilanz für zwei Jahre erforderlich, Steuerberatungskosten). Durch die Bezugnahme auf die Veranlagungszeiträume würde sich dieser Aufwand deutlich verringern. Außerdem würde auch der Verwaltungsvollzug erleichtert.
- d) Der Bundesrat regt ferner eine Regelung an, die den automatisierten Datenabgleich ermöglicht und die für den Vollzug des Elterngeldes zuständigen Stellen ermächtigt, Daten über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Leistungsempfänger durch Auskunftsersuchen gegenüber anderen Leistungserbringern oder anderen Stellen auch im Wege des automatisierten Datenabgleichs zu überprüfen. Insbesondere sollte ein Datenabgleich dahingehend ermöglicht werden,
- aa) ob und in welcher Höhe und für welche Zeiträume Leistungen der Träger der gesetzlichen Unfall- oder Rentenversicherung bezogen werden oder wurden und
- bb) ob und in welchem Umfang Zeiten des Leistungsbezugs nach dem Elterngeldgesetz mit Zeiten einer Versicherungspflicht oder Zeiten einer geringfügigen Beschäftigung zusammentreffen.
2. Zu Artikel 1 (§ 1 Abs. 7 Nr. 2a - neu - BEEG)
In Artikel 1 § 1 Abs. 7 ist am Ende von Nummer 2 das Wort "oder" durch ein Komma zu ersetzen und folgende Nummer einzufügen:
- "2a. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 oder § 34 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes besitzt oder".
Begründung
Der Entwurf des BEEG berücksichtigt bisher nicht die Fälle, in denen der Inhaber eines aufenthaltsrechtlichen Titels selbst noch minderjährig ist ( § 32 AufenthG) oder die nach Eintritt der Volljährigkeit dem Minderjährigen erteilte Aufenthaltserlaubnis zu einem eigenständigen Aufenthaltsrecht (§ 34 Abs. 2 AufenthG) wird. Hierbei handelt es sich um sehr junge Migrantinnen und Migranten, die sich ohne Eltern im Bundesgebiet aufhalten und die sich auf einen eigenen Aufenthaltstitel nach den genannten Vorschriften berufen können. Diese Personen befinden sich auf Grund ihres Alters häufig noch in schulischer Ausbildung, so dass sich für die gesonderte Eintragung eines Erwerbstätigkeitsvermerks regelmäßig kein Anlass ergibt. In der Folge kann man diesen kinderbetreuenden Personenkreis sehr junger Eltern nur begrenzt an den Leitmerkmalen zum Anspruch von Ausländern auf Familienleistungen allgemein (dauerhafter Aufenthalt im Bundesgebiet, Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit) messen. Andererseits wird man diesem Personenkreis aber einen voraussichtlich dauerhaften Aufenthalt in Deutschland nicht absprechen können. Vor diesem Hintergrund sollte § 1 Abs. 7 BEEG-E um den regelmäßig überschaubaren Personenkreis mit eigenem, von den Eltern unabhängigen Aufenthaltstitel erweitert werden.
3. Zu Artikel 1 (§ 1 Abs. 7 Satz 2 - neu - BEEG)
In Artikel 1 § 1 ist dem Absatz 7 folgender Satz anzufügen:
- Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz haben keinen Anspruch auf Elterngeld.
Begründung
Asylbewerber, die eine (gesetzliche) Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG besitzen, können nach dem Wortlaut des Gesetzentwurfes zum Kreis der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 7 Nr. 3 BEEG-E gehören.
Mit einer gesetzlichen Aufenthaltsgestattung hält sich der Asylbewerber rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Weitere Voraussetzung wäre, dass er sich seit mindestens fünf Jahren aufhält, was nicht unmöglich ist, wenn das Asylverfahren - aus welchen Gründen auch immer - so lange dauert, und der Asylbewerber berechtigt erwerbstätig wäre.
Asylbewerber, denen eine Erwerbstätigkeit unter den Voraussetzungen des § 61 AsylVfG erlaubt ist, haben nach der bisherigen Rechtslage (BErzGG) keinen Anspruch auf Erziehungsgeld, da diese nicht unter den Personenkreis der Ausländer, die nach § 1 Abs. 6 BErzGG anspruchsberechtigt sind, subsumiert werden können, alleine schon deshalb, da Asylbewerber während des Asylverfahrens zwar per se ein gesetzliches Aufenthaltsrecht besitzen, aber keine Aufenthaltserlaubnis oder eine Niederlassungserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz, die aber Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Erziehungsgeld sind ( § 1 Abs. 6 BErzGG).
Leistungsberechtigt zum Elterngeldbezug wären damit nach § 1 Abs. 7 Nr. 3 BEEG-E auch Asylbewerber.
Damit würde Sinn und Zweck des Asylbewerberleistungsgesetzes unterlaufen, nach dem der Personenkreis der Leistungsberechtigen nach AsylbLG nur eine soziale Grundversorgung erhalten soll, nicht aber zusätzliche familienpolitische Leistungen wie Kindergeld, Erziehungsgeld oder jetzt in der Nachfolge Elterngeld. Damit würden Anreize zur Zuwanderung nach Deutschland gesetzt, die durch das Asylbewerberleistungsgesetz eben vermieden werden sollen.
Die vorgeschlagene Änderung dient der Vermeidung dieses unerwünschten Ergebnisses.
Der Bundesrat hat sich in seiner Stellungnahme vom 10. März 2006 (BR-Drs. 068/06(B) ) zum Entwurf eines Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss hinsichtlich dieser Leistungen für eine entsprechende Änderung ausgesprochen. Die vorgeschlagene Änderung setzt dies für das Elterngeld um.
4. Zu Artikel 1 (§ 1 Abs. 8 - neu - BEEG)
Dem Artikel 1 § 1 ist folgender Absatz anzufügen:
- (8) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 ist auch der Ehegatte oder Lebenspartner eines Mitglieds der Truppe oder des zivilen Gefolges eines NATO-Mitgliedstaates anspruchsberechtigt, soweit er EU/EWR-Bürger ist oder bis zur Geburt des Kindes in einem öffentlichrechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis steht oder eine mehr als geringfügige Beschäftigung ( § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch) ausgeübt hat oder Mutterschaftsgeld oder eine Leistung entsprechend des § 3 Absatz 2 erhält.
Begründung
Diese Vorschrift entspricht der geltenden Ausnahmeregelung nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz für Ehegatten oder Lebenspartner eines Mitglieds der Truppe oder des zivilen Gefolges eines NATO-Mitgliedstaates. Ein Verzicht auf diese Regelung hätte im Hinblick auf die Wirkungen des NATO-Truppenstatuts zur Folge, dass Personen, die auf Grund eines entsprechenden Arbeitsverhältnisses dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen, der Anspruch auf Elterngeld versagt werden müsste. Das gleiche gilt für nicht erwerbstätige Ehegatten oder Lebenspartner eines Mitglieds der Truppe oder des zivilen Gefolges eines NATO-Mitgliedstaates. Dies ist mit der Zielsetzung des Elterngeldes, insbesondere als Ersatz eines ausfallenden Erwerbseinkommens, nicht vereinbar.
5. Zu Artikel 1 (§ 2 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 BEEG)
In Artikel 1 § 2 Abs. 4 ist in Satz 1 und Satz 2 jeweils die Angabe "24 Monate" durch die Angabe "36 Monate" zu ersetzen.
Begründung
Nach der Regelung des Entwurfs haben Eltern nur dann einen Anspruch auf ein Elterngeld für ein Folgekind nach § 2 Abs. 1 bis 4 BEEG-E, wenn sie nach dem ersten Geburtstag des Kindes entweder wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder das nicht unerhebliche gesundheitliche Risiko kurz aufeinander folgender Schwangerschaften eingehen. Es erscheint grundsätzlich bedenklich, an den Zeitraum des Geburtenabstandes wesentliche Rechtsfolgen zu knüpfen, da der Staat hier indirekt Wertungen und Steuerungen in einem höchstpersönlichen Bereich vornimmt. Die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit ist häufig abhängig von dem unterschiedlichen Angebot an Kinderbetreuung und der Situation auf dem Arbeitsmarkt. Ein Elternteil, der beim ersten Kind die Elternzeit voll ausnutzt, hat einen im Rahmen der Zielsetzung des Elterngeldes ausgleichswürdigen Erwerbsnachteil, wenn er nach dem Ende der Elternzeit wegen der Geburt eines weiteren Kindes seine Erwerbstätigkeit nicht wieder aufnehmen kann. Ferner sprechen Gründe der Gesundheit der Mutter und des Folgekindes dagegen, Mütter dazu zu drängen, allzu schnell wieder schwanger zu werden. Allenfalls ist eine zeitliche Grenze von 36 Monaten zwischen den Geburten vertretbar. Dieser Zeitraum stünde auch in Übereinstimmung mit den Regelungen zur Elternzeit.
6. Zu Artikel 1 (§ 4 Abs. 3 Satz 4 BEEG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwieweit die Regelung, die einen Anspruch auf Elternzeit von vierzehn Monaten für einen Elternteil von dem Innehaben des alleinigen Sorgerechts oder Aufenthaltsbestimmungsrechts abhängig macht, mit dem familienrechtlichen Anliegen, insbesondere den Intentionen des neuen Kindschaftsrechts, nach einem gemeinsamen Sorgerecht der Eltern, in Einklang zu bringen ist.
Begründung
Die beabsichtigte Regelung schließt diejenigen aus, die, wie familienrechtlich gewollt, nach einer Trennung oder Scheidung das gemeinsame Sorgerecht aufrecht erhalten. Die Ermittlung "echter" Alleinerziehender muss sich nach der realen sozialen Situation richten und ist nicht vom familienrechtlichen Status abhängig zu machen. Eine familienpolitische Leistung darf dem entgegen nicht Anreize setzen, ein gemeinsames Sorgerecht aufzulösen.
7. Zu Artikel 1 (§ 22 Abs. 1 Satz 2 BEEG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die dezentrale Erhebung zu den Statistiken zum Elterngeld durch die Statistischen Landesämter - wie bei der Durchführung der Vorläuferstatistik zum Erziehungsgeld - beibehalten werden kann. § 22 Abs.1 Satz 2 BEEG-E wäre dann zu streichen.
Begründung
Eine zentrale Durchführung entspricht nicht der Aufgabenverteilung der amtlichen Statistik in Deutschland, wie er zur Zeit in § 3 Abs. 1 Nr. 2 BStatG vorgesehen ist. Gemäß der bundesstaatlichen Gliederung nach Artikel 83 GG sind die Länder grundsätzlich für die Erhebung und Aufbereitung von Bundesstatistiken zuständig. Nur in Ausnahmefällen kann der Bund mit Zustimmung der Länder Bundesstatistiken durchführen. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen hier die Kompetenzen auf den Bund verlagert werden sollen.
Der föderale Aufbau der amtlichen Statistik gewährleistet eine gleichrangige Gewichtung landes- und bundespolitischer Interessen. Dieses Gleichgewicht wird bei einer Zentralisierung von Statistiken gestört. Bei einer Ausweitung der Zuständigkeiten des Bundes ist zu befürchten, dass das Informationsbedürfnis der Länder und ggf. der Kommunen nicht mehr erfüllt wird. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der immer knapper werden Haushaltsmittel.
Zur Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben benötigen die Länder aber ausreichend tief gegliederte regionale Daten. Ohne ausreichendes Datenmaterial könnten auch die in der Gesetzesbegründung erwähnten, ländereigenen Vorhaben zur Förderung junger Familien jedoch zu möglicherweise teuren Fehlplanungen im Bereich der Landespolitik führen. Diese Fehlplanungen verursachen erhebliche Schäden, die den Aufwand für eine Statistik beträchtlich übersteigen.
Darüber hinaus sollte weiterhin die bei den Statistischen Landesämtern durch die Bearbeitung der Erziehungsgeldstatistik (Vorläuferstatistik) erworbene Fachkompetenz bezüglich der Prüfung der von den kommunalen Dienststellen übermittelten Ergebnisse genutzt werden. Für die Plausibilisierung der Meldungen sind Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse von großer Bedeutung. Entsprechendes gilt für die Aufbereitung und Auswertung.
8. Zu Artikel 1 ( § 22 Abs. 2 BEEG)
Ferner bittet der Bundesrat, im weiteren Gesetzgebungsverfahren unter dem Aspekt der Deregulierung bei Abgleich mit den erhobenen Daten nach dem bisher geltenden § 23 BErzGG zu prüfen, ob alle in § 22 Abs. 2 BEEG-E vorgesehenen Daten für die Evaluierung und Fortentwicklung zwingend erforderlich sind.
Begründung
Im Rahmen der Deregulierung und um den Verwaltungs- und Kostenaufwand soweit wie möglich einzuschränken, sollten nur die für den Gesetzeszweck zwingend erforderlichen Daten erhoben werden.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die sehr umfassenden Erhebungen nach der Evaluierung im Oktober 2008 reduziert werden sollen. Es wird angeregt, dies bereits jetzt in den Übergangsbestimmungen mit dem Ziel vorzusehen, die Datenvorgaben in § 22 Abs. 2 BEEG-E dann soweit wie möglich zu reduzieren. Auch die grundsätzliche Notwendigkeit der Statistik nach der Evaluierung sollte noch näher geprüft werden.