Antrag der Freien Hansestadt Bremen
Entschließung des Bundesrates zur Ratifizierung des ILO-169-Übereinkommens

Der Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen
Bremen, 30. Januar 2015

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Volker Bouffier

Sehr geehrter Herr Präsident,
der Senat der Freien Hansestadt Bremen hat in seiner Sitzung am 20.01.2015 beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zur Ratifizierung des ILO-169 Übereinkommens zuzuleiten.

Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 930. Sitzung am 6. Februar 2015 zu setzen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichem Gruß
Jens Böhrnsen

Entschließung des Bundesrates zur Ratifizierung des ILO-169-Übereinkommens

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland das ILO-Übereinkommen 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker ratifizieren sollte. Er bittet die Bundesregierung daher, zeitnah die erforderlichen Schritte für eine Ratifizierung einzuleiten.

Das ILO-169-Übereinkommen ist das einzige internationale Vertragswerk, das einen umfassenden Schutz der Rechte indigener Bevölkerung zum Gegenstand hat. Es ist die Grundlage zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie des Gesundheitsund Bildungsstandes der indigenen Völker, da es neben dem Recht auf traditionelles Land und Territorien auch die Verhinderung von Diskriminierung, das Recht auf eine selbstständige Entwicklung und das Recht auf die Aufrechterhaltung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systeme indigener Völker einschließt. Ebenso soll die traditionelle Rechtsprechung indigener Völker in der Justiz des jeweiligen Landes berücksichtigt werden. Durch die Ratifizierung des Abkommens erhalten indigene Völker in den jeweiligen Ländern die Möglichkeit, diese Rechte auch einzuklagen.

Bisher haben 22 Staaten das Übereinkommen ratifiziert. In Europa sind dies die Niederlande, Dänemark, Norwegen und Spanien. Eine Ratifizierung Deutschlands als eine der führenden Industrienationen hätte eine deutliche Signalwirkung auch an andere Länder, die dieses Abkommen bisher nicht ratifiziert haben. Darunter auch solche mit bedeutenden Anteilen an indigener Bevölkerung wie die Vereinigten Staaten, Kanada oder Australien.

In Deutschland sind die hier lebenden Minderheiten bereits durch zahlreiche Normen und Übereinkommen geschützt. Dazu zählen u.a. die Europäische Charta für Regional- oder Minderheitensprachen, das Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten und spezielle landesrechtliche Regelungen. Das ILO-Übereinkommen 169 richtet sich jedoch an Völker, die ein bestimmtes Territorium als erste besiedelt und genutzt haben und die aus freien Stücken eine kulturelle Besonderheit bewahren. Da es sich bei den Minderheiten in Deutschland nicht um Ureinwohner im Sinne des Übereinkommens handelt, würde eine Ratifikation im Inland für diese keine direkte Wirkung entfalten.

Begründung:

Die Globalisierung hat Industrie- sowie Schwellen- und Entwicklungsländer zusammenrücken lassen, insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet. Mit Großprojekten verbundene Rechtsverletzungen werden meist von transnationalen Großunternehmen begangen. Deshalb sind die Rechte von Angehörigen indigener Völker heutzutage nicht mehr nur rein nationale Angelegenheiten.

Laut den Vereinten Nationen zählen rund 400 Millionen Menschen in über 70 Ländern zu den indigenen Völkern. In einigen Staaten wurden und werden diese Völker bewusst enteignet und unterdrückt, anderswo werden deren Lebensweise, Kultur und soziale Gewohnheiten schlicht ignoriert. Dies hat zur Folge, dass die Angehörigen dieser Völker nur sehr eingeschränkt am politischen und wirtschaftlichen Leben der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft teilhaben können. Diese Benachteiligung wird besonders dann deutlich, wenn ihr Lebensumfeld ins Blickfeld nationaler und internationaler wirtschaftlicher Aktivitäten wie Abbau von Bodenschätzen, Infrastruktur-Großprojekte oder Landverkauf rückt und indigene Völker mangels politischer Vertretung und Lobby nur wenige Chancen haben, entsprechende Vorhaben zu verhindern oder zu beeinflussen.