Der Bundesrat hat in seiner 943. Sitzung am 18. März 2016 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Eine sichere und effiziente Versorgung mit leitungsgebundener Energie gehört zu den Grundvoraussetzungen des Lebens in der modernen Gesellschaft und stellt auch einen unverzichtbaren Produktionsfaktor für die Wirtschaft dar. Dabei stellt insbesondere die wünschenswerte und notwendige Umstellung der Energiewirtschaft auf erneuerbare Energiequellen neue Anforderungen an die örtlichen Verteilernetze. Denn sie müssen zunehmend Schwankungen in der Stromerzeugung einschließlich der damit verbundenen Netzbelastungen verkraften. Die herkömmlich betriebenen Energienetze müssen zukünftig "intelligent" betrieben, die einzelnen Energienetze spartenübergreifend kombiniert und die Umwandlung (z.B. "PowertoHeat" und "Powerto-Gas") und Speicherung von Energien ermöglicht werden. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sind neue Konzepte zu entwickeln und erhebliche Investitionen in den Ausbau und die Modernisierung der Energieverteilnetze erforderlich. Diese Investitionsentscheidungen, die Rechtsklarheit und -sicherheit voraussetzen, sind jetzt - noch in dieser Dekade - zu treffen, zumal in sehr vielen Gemeinden die Konzessionen für die Energienetze abgelaufen und neu zu vergeben sind.
Vor diesem Hintergrund ist es auch für die Energiewende fatal, dass derzeit eine rechtssichere Vergabe von Konzessionen kaum möglich ist; vielmehr gibt es bei der Vergabe von Wegerechten durch die Gemeinden ("Konzessionsvergabe") erhebliche Rechtsunsicherheiten. Deshalb begrüßt der Bundesrat, dass die Bundesregierung insbesondere bei der Ermittlung des Netzkaufpreises und durch die Regelung von Rügeobliegenheiten Verbesserungen vorsieht.
- b) Die Bundesregierung stellt zutreffend dar, dass europäisches Recht der vielerorts politisch gewünschten Rekommunalisierung nicht entgegensteht. Die Grundsatzentscheidung, ob im Bereich der Wegenutzungsverträge für Strom und Gas sachliche Gründe bestehen, die eine privilegierte Berücksichtigung von kommunalen Interessen beim Rückerwerb des Netzbetriebes zulassen oder nicht, wird vielmehr vom deutschen Gesetzgeber autonom getroffen.
2. Zu Artikel 1 Nummer 2 ( § 46 EnWG)
Die Pflicht zur Übertragung des Eigentums am Netz betrifft derzeit unmittelbar nur den bisherigen Altkonzessionär. Zwar fallen üblicherweise "Konzession" und Netzeigentum zusammen, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass Dritte Eigentümer von Anlagen sind, die Teil des Netzes der allgemeinen Versorgung sind. Dieses Eigentum kann dem Dritten sowohl durch den bisherigen Nutzungsberechtigten verschafft worden sein (beispielsweise auch durch konzerninterne Gestaltungen), es sind aber auch andere Konstellationen denkbar. Es könnte daran gedacht werden, die zivilrechtliche Verfügungsmöglichkeit des Konzessionärs zu beschränken, beispielsweise durch Zustimmungserfordernisse der Gemeinde mit dem Ziel, die Erfüllung der Pflichten aus § 46 Absatz 2 Satz 2 EnWG bei Änderung des Nutzungsberechtigten sicherzustellen. Es könnte aber auch daran gedacht werden, die Pflicht zur Eigentumsverschaffung vom bisherigen Nutzungsberechtigten auf sämtliche Eigentümer auszuweiten. Der Bundesrat bittet daher, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie der neue Nutzungsberechtigte Eigentum an allen für den Netzbetrieb erforderlichen Anlagen erlangen kann, auch wenn nicht der bisherige Nutzungsberechtigte Eigentümer ist.
3. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46 Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 Satz 3 und Absatz 5 Satz 2 EnWG)
In Artikel 1 Nummer 2 ist § 46 wie folgt zu ändern:
- a) In Absatz 2 Satz 2 sind die Wörter "Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert" durch die Wörter "Wenn nach Beendigung solcher Verträge die Auswahlentscheidung auf ein anderes Energieversorgungsunternehmen fällt" zu ersetzen.
- b) In Absatz 3 Satz 3 sind die Wörter "eine Verlängerung" durch die Wörter "eine Beendigung" zu ersetzen.
- c) In Absatz 5 Satz 2 sind die Wörter "oder Verlängerung" zu streichen.
Begründung:
Der Vorschlag hat zum Ziel, den Begriff der "Verlängerung" im Zusammenhang mit dem Neuabschluss von Konzessionsverträgen nicht zu verwenden.
In § 46 Absatz 2 Satz 2 EnWG ist geregelt, dass, wenn Verträge nach ihrem Ablauf nicht "verlängert" werden, der bisherige Nutzungsberechtigte zur Übereignung der Netze an das neue Energieversorgungsunternehmen verpflichtet ist. Die Sätze 1 bis 3 sind im Rahmen des Gesetzentwurfs nicht geändert worden und stellen den ursprünglichen Gesetzeswortlaut dar. Dennoch sollte eine andere Formulierung gewählt werden, da der Begriff der "Verlängerung" hier missverständlich ist. Es hat in jedem Fall nach Beendigung des Konzessionsvertrages ein neues Auswahlverfahren stattzufinden. Sowohl der Ablauf der Vertragslaufzeit des ursprünglichen Konzessionsvertrags als auch die vorzeitige Beendigung des Konzessionsvertrages (§ 46 Absatz 3 Satz 3) führen zur Beendigung. Auch wenn das vorherige Energieversorgungsunternehmen in dem Auswahlverfahren erneut ausgewählt wird und künftig weiterhin die Netze betreibt, wird ein neuer Konzessionsvertrag geschlossen und nicht ein Konzessionsvertrag "verlängert".
§ 46 Absatz 3 Satz 3 entspricht ebenfalls im Wesentlichen dem ursprünglichen Gesetzestext. Wie in § 46 Absatz 2 Satz 2 soll auch hier der Begriff der "Verlängerung von Verträgen" nicht mehr verwendet werden.
In § 46 Absatz 5 Satz 2 ist erneut der Begriff "Verlängerung von Verträgen" verwendet worden. Die Begriffe "oder Verlängerung" sollten gestrichen werden, da in jedem Fall ein neuer Konzessionsvertrag abzuschließen ist.
4. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46 Absatz 4 Satz 1 EnWG)
In Artikel 1 Nummer 2 ist in § 46 Absatz 4 Satz 1 das Wort "Zielen" durch das Wort "Zwecken" zu ersetzen.
Begründung:
Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung. In § 1 EnWG soll künftig ausdrücklich zwischen den Zwecken und den Zielen des EnWG differenziert werden. Der mit dem vorliegenden Gesetzentwurf in § 46 Absatz 4 Satz 1 EnWG in Bezug genommene § 1 Absatz 1 EnWG spricht von "Zweck des Gesetzes" und nicht von dessen Zielen (vgl. auch Artikel 1 Nummer 30 des Entwurfs des Strommarktgesetzes, BT-Drucksache 18/7317).
5. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46 Absatz 4 Satz 2 EnWG)
In Artikel 1 Nummer 2 ist § 46 Absatz 4 Satz 2 wie folgt zu fassen:
"Unter Wahrung dieser Zwecke können auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigt werden."
Begründung:
Die zurzeit im Gesetzentwurf enthaltene Formulierung in § 46 Absatz 4 Satz 2 wirft durch die hervorgehobene Aufzählung zweier Ziele "Versorgungssicherheit" und "Kosteneffizienz" zulasten der durch die Rechtsprechung des BGH geschaffenen Rechtssicherheit zusätzliche, neue Rechtsfragen auf. Unklar ist u.a., ob und inwieweit das Ziel der "Kosteneffizienz" damit - vergleichbar dem vom Bundesgerichtshof hervorgehobenen "überragenden Ziel(s) der Netzsicherheit" - gegenüber den übrigen Zielen des § 1 EnWG in der Bedeutung für die Auswahlentscheidung einen besonderen Rang erhalten soll. Die Hervorhebung eines einzelnen Unteraspekts eines der fünf Ziele des EnWG ist rechtsdogmatisch mehrdeutig und wird in der Rechtspraxis die Aspekte, bei denen der Bundesgerichtshof mit seinen Entscheidungen für ein Mindestmaß an Rechtssicherheit gesorgt hat, neuem Rechtsstreit zugänglich machen.
Die Änderung stellt darüber hinaus sicher, dass eine Kommune, die beispielsweise hohen Wert auf niedrige Netzentgelte für die Netzkunden im jeweiligen Konzessionsgebiet legt, diesem Ziel (Preisgünstigkeit) weiterhin eine entsprechend hohe Gewichtung zukommen lassen darf. Die aktuelle Formulierung im Entwurfstext verringert die Rechtssicherheit, engt den Spielraum der Kommunen bei der Festlegung, Gewichtung und Bewertung der Auswahlkriterien entsprechend den jeweiligen örtlichen Verhältnissen noch weitgehender als der Bundesgerichtshof ein und bewirkt insbesondere, dass die durch die örtlichen Netzkunden zu entrichtenden Netzentgelte bei der Auswahlentscheidung marginalisiert werden.
6. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46 Absatz 4 Satz 3 EnWG)
In Artikel 1 Nummer 2 sind in § 46 Absatz 4 Satz 3 nach den Wörtern "Bei der" das Wort "Auswahl," und nach dem Wort "Gewichtung" die Wörter "und Bewertung" einzufügen.
Begründung:
Der Spielraum der Gemeinde besteht nicht nur bei der Gewichtung, sondern auch bei der Auswahl der Kriterien. So können zu einzelnen Kriterien je nach den Anforderungen des Konzessionsgebietes unterschiedliche konkrete Unterkriterien gewählt werden. Zudem sind die Kriterien zu kommunalen Belangen oder bestimmten konzessionsvertraglichen Regelungen nicht zwingend. Bei der Bewertung besteht ein Beurteilungsspielraum. Die unvollständige Nennung führt zu Rechtsunsicherheit.
7. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46 Absatz 6 EnWG)
In Artikel 1 Nummer 2 ist § 46 Absatz 6 wie folgt zu fassen:
(6) Die Absätze 2 bis 5 finden für Unternehmen der Gemeinden ohne eigene Rechtsfähigkeit entsprechende Anwendung."
Begründung:
Das Landgericht Berlin hat in seinem Urteil vom 9. Dezember 2014 - 16 O 224/14 (PDF) - ausgeführt, ein Landesbetrieb nach einer Landeshaushaltsordnung sei nicht identisch mit einem Eigenbetrieb im Sinne des § 46 Absatz 4 (geltende Fassung) und könne daher nicht Bewerber in einem Konzessionierungsverfahren sein. Auch in der Kommentarliteratur finden sich insoweit eher zurückhaltende Äußerungen ("Nach dem Telos der Norm wird man eine Anwendung auch auf andere rechtlich unselbständige Unternehmensformen annehmen können." Hellermann in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl., § 46, Anm. 87).
Daher ist eine Klarstellung, dass neben den Eigenbetrieben der Kommunen im engeren Sinne auch andere nichtrechtsfähige Organisationsformen der Gemeinden, z.B. Regiebetriebe oder bei den Stadtstaaten Betriebe nach Landeshaushaltsordnung, bieterfähig sind, erforderlich.
8. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46a Satz 1 EnWG)
In Artikel 1 Nummer 2 sind in § 46a Satz 1 nach dem Wort "Nutzungsberechtigte" die Wörter "und der Eigentümer" einzufügen und ist das Wort "ist" durch das Wort "sind" zu ersetzen.
Begründung:
Wenn der Altkonzessionär nicht Eigentümer der zu übereignenden Verteilungsanlagen ist, sind ihm wahrscheinlich die aufgeführten Daten (Anschaffungs- und Herstellungskosten gemäß § 255 HGB, Jahr der Aktivierung, betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer, kalkulatorische Restwerte laut Bescheiden der Regulierungsbehörden) nicht bekannt. Dann würr Auskunftsanspruch insoweit ins Leere laufen.
9. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 47 Absatz 3 Satz 3 EnWG)
In Artikel 1 Nummer 2 sind in § 47 Absatz 3 Satz 3 nach den Wörtern "Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen" die Wörter "oder des Geheimwettbewerbs" einzufügen.
Begründung:
Die vorgeschlagene Ergänzung ermöglicht, die Akteneinsicht in die Angebote auch dann zu verweigern, wenn diese, wie etwa Angebote in Form von Konzepten, keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten. Hierdurch wird gewährleistet, dass das Verfahren zur Vergabe der Wegerechte erforderlichenfalls auf den Stand vor Abgabe der finalen Angebote zurückgesetzt werden kann. Eine Einsichtnahme in die Angebote der Mitbewerber würn Wettbewerb bei der Abgabe neuer finaler Angebote verfälschen. Ohne eine entsprechende Ergänzung müsste das wettbewerbliche Verfahren mithin immer mit der Abgabe neuer indikativer Angebote beginnen.
10. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 47 Absatz 3 Satz 4 - neu - EnWG)
In Artikel 1 Nummer 2 ist dem § 47 Absatz 3 folgender Satz anzufügen:
" § 111 Absatz 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), das zuletzt durch Artikel 258 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist, gilt in der jeweils geltenden Fassung entsprechend."
Begründung:
Hiermit wird erreicht, den bisher in der Begründung vorgesehenen Verweis auf § 111 Absatz 3 GWB, wonach jeder Beteiligte auf seine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse hinzuweisen und diese kenntlich zu machen hat, als gesetzliche Regelung vorzusehen.
Die Ablehnung der Akteneinsicht zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist sehr weit gefasst und kann auch zu Konkurrenzen mit den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder führen. Nach § 6 des IFG des Bundes darf der Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nur gewährt werden, wenn der Betroffene einwilligt.
§ 8 des IFG NRW stellt die Ablehnung unter den Vorbehalt, dass bei der Offenbarung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ein wirtschaftlicher Schaden entstehen könnte. Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist eher transparenzfreundlich, so dass möglicherweise die Zivilgerichte die Einsicht nach dem EnWG verweigern, die Verwaltungsgerichte dem Anspruch nach dem IFG jedoch stattgeben könnten. Auch der BGH hat in seinem Beschluss vom 14.07.2015 KVR 55/14 zugunsten des Antragstellers für einen Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung der Behörde entschieden.
Ein zusätzlicher Aufwand der Kommunen - die Unterlagen auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu durchsuchen, darüber zu entscheiden sowie die Unterlagen schwärzen zu müssen - sollte vermieden werden.
Darüber hinaus kann damit auch vermieden werden, dass die Kommunen bei ungerechtfertigter Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen infolge von Fehleinschätzungen schadensersatzpflichtig werden.
Deshalb wird - wie im Vergaberecht bereits vorgesehen - vorgeschlagen, die Bewerber vorher bestimmen zu lassen, welche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht herausgegeben werden dürfen (siehe auch § 111 Absatz 3 GWB). Dieser Verweis findet sich zwar in der Begründung, müsste jedoch im Gesetz geregelt werden, damit die Kommunen diesen Anspruch auch rechtssicher durchsetzen können.
11. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 47 Absatz 4 Satz 2 - neu - EnWG)
In Artikel 1 Nummer 2 ist dem § 47 Absatz 4 folgender Satz anzufügen:
"Die Gemeinde darf die rügenden Unternehmen über die Nichtabhilfe der Rügen nach den Absätzen 1 und 2 auch nach Durchführung des Verfahrens nach § 46 Absatz 3 bis 5, spätestens jedoch mit der Information nach § 46 Absatz 5, informieren."
Begründung:
Mit der Nichtabhilfeentscheidung nach Satz 1 wird die Frist des Absatzes 5 Satz 1, einstweiligen Rechtsschutz zu suchen, ausgelöst. Um zu verhindern, dass das Verfahren laufend durch gerichtlichen Rechtsschutz durch alle Instanzen verzögert wird, kann die Gemeinde auch über alle Nichtabhilfeentscheidungen gebündelt nach Durchführung des Verfahrens informieren. Diese bereits nach jetziger Rechtslage bestehende Möglichkeit soll hiermit klargestellt werden.
Diese Information muss aber spätestens mit der Mitteilung über die Ablehnung der Angebote erfolgen.
12. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 47 Absatz 5 Satz 1 EnWG)
In Artikel 1 Nummer 2 sind in § 47 Absatz 5 Satz 1 die Wörter "nach Absatz 4" durch die Wörter "nach § 46 Absatz 5 Satz 1" zu ersetzen.
Begründung:
Hier ist eine Präzisierung des gerichtlichen Rechtsschutzes notwendig, um tatsächlich einen Beschleunigungseffekt für das Verfahren zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zu erzielen. Im jetzigen Entwurf sind bei diversen Verfahrensschritten (Bekanntmachung, Auswertungskriterien und deren Gewichtung etc.) Rügepflichten gegenüber den Kommunen vorgesehen, die bei Nichtabhilfe der Gemeinde durch einstweiligen Rechtsschutz vor den Zivilgerichten fortgesetzt werden können. Dies führt unter Umständen dazu, dass sich jeder Verfahrensschritt hinauszögert, bis die jeweilige Rüge durch alle Instanzen gegangen ist. Um dies zu verhindern und gleichzeitig dem Rechtsschutzgedanken des Artikel 19 Absatz 4 GG hinreichend Rechnung zu tragen, sollte sich der gerichtliche Rechtsschutz auf das Ens Verfahrens konzentrieren. Auf diese Weise können alle Rügen eines unterlegenen Bewerbers in einem gerichtlichen Verfahren gebündelt werden, ohne dass das Verfahren über die Neuvergabe der Wegenutzungsrechte selbst laufend verzögert wird. Auf diese Weise ist auch dem Konzentrationsgedanken Rechnung getragen, indem der gerichtliche Rechtsschutz gegen nichtabgeholfene Rügen auf den Zeitraum nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Neukonzessionierung verlagert wird.
Davon unberührt bleibt die Rügepflicht gegen die einzelnen Verfahrenshandlungen. Diese müssen innerhalb der vorgesehenen Fristen gegenüber der Kommune erhoben werden, sonst ist der Beschwerdeführer damit nach Ens Verfahrens präkludiert.
13. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 47 Absatz 5 Satz 1 EnWG)
In Artikel 1 Nummer 2 sind in § 47 Absatz 5 Satz 1 die Wörter "den ordentlichen Gerichten" durch die Wörter "dem jeweils zuständigen Gericht" zu ersetzen.
Folgeänderung:
In Artikel 1 Nummer 2 ist § 47 Absatz 5 Satz 2 wie folgt zu fassen:
"Es gelten jeweils die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung oder der Verwaltungsgerichtsordnung über das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung."
Begründung:
Der Gesetzentwurf geht ausweislich der Begründung, in der auf § 102 EnWG verwiesen wird, davon aus, dass es sich in jedem Fall um bürgerliche Rechtsstreitigkeiten handelt. Dies ist aber nicht zwingend. Jedenfalls in Hamburg und Berlin werden die Rechte zur Wegenutzung für Strom- und Gasleitungen durch den Abschluss öffentlichrechtlicher Verträge eingeräumt (s. BerlKommEnR/ Wegener, Berlin 2014, 3. Aufl., Rz. 45 (Fußn. 71) zu § 46). Daher sind auch die dem Vertragsschluss vorausgehenden Verfahren öffentlichrechtlicher Natur. Streitigkeiten über angebliche Verfahrensfehler sollten daher wie die Streitigkeiten über die entsprechenden Verträge vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgetragen werden können. Hierdurch wird auch vermieden, dass in einem Land verschiedene Gerichtszweige mit einer vergleichbaren Thematik befasst werden.
Als Folge der Erweiterung in Absatz 5 Satz 1 wird in Satz 2 auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit genannt.
14. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 47 Absatz 6 EnWG)
Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Regelung zur Vertragssperre in § 47 Absatz 6 EnWG-E zu präzisieren: Zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten sollte klargestellt werden, ob ein Vertrag nach § 46 Absatz 2 EnWG-E bereits nach bloßem Ablauf der Fristen nach § 47 Absatz 2 Satz 3 und Absatz 5 Satz 1 EnWG-E geschlossen werden darf oder ob im Fall eines fristgemäß eingeleiteten Verfahrens vor den ordentlichen Gerichten ein Vertragsschluss erst nach Abschluss dieses gerichtlichen Verfahrens zulässig ist.
Begründung:
Nach § 47 Absatz 6 EnWG-E darf ein Konzessionsvertrag erst nach Ablauf der Fristen aus § 47 Absatz 2 Satz 3 und Absatz 5 Satz 1 EnWG-E geschlossen werden.
Nach dieser Formulierung wäre ein Vertragsschluss indes auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Fristen zwar verstrichen sind, jedoch ein an der Konzession interessiertes Unternehmen fristgemäß ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten eingeleitet hat. Wie sich aus der Einzelbegründung zu § 47 Absatz 5 EnWG-E ergibt (Seite 22), soll die Vertragssperre in § 47 Absatz 6 EnWG-E jedoch einen Vertragsschluss verhindern, "solange von den am Verfahren Beteiligten noch Rügen erhoben werden können bzw. nicht allen erhobenen Rügen abgeholfen wurde". Zudem soll das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten ein Mittel sein, um "einen bereits drohenden Vertragsschluss nach § 46 Absatz 2 EnWG zu verhindern".
Die Gesetzesbegründung legt demzufolge den Schluss nahe, dass ein Vertragsschluss im Fall eines gerichtlichen Verfahrens erst nach Abschluss dieses Verfahrens zulässig sein soll. Da sich dieses Verständnis im Wortlaut des § 47 Absatz 6 EnWG-E nur unzureichend wiederfindet, sollte insoweit zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten eine Klarstellung im Gesetzeswortlaut erfolgen.
15. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 47 Absatz 7 - neu - EnWG)
In Artikel 1 Nummer 2 ist dem § 47 folgender Absatz 7 anzufügen:
(7) Die Absätze 1 bis 6 finden entsprechende Anwendung auf bisherige Nutzungsberechtigte oder Eigentümer. Absatz 2 Satz 2 und 3 ist entsprechend anwendbar, wenn dem bisherigen Nutzungsberechtigten oder Eigentümer die entsprechende Mitteilung zuging. Der Nutzungsberechtigte oder Eigentümer kann die Übereignung nach § 46 Absatz 2 Satz 2 mit Verweis auf Mängel des Konzessionsverfahrens nur verweigern, wenn er sie rechtzeitig gerügt hat."
Begründung:
Es fehlt eine Rügeobliegenheit des bisherigen Eigentümers des Netzes, der nicht selbst als Bewerber am Konzessionsverfahren beteiligt ist. Es sind oft die mit den Altkonzessionären und einem Bewerber gesellschaftsrechtlich verbundenen oder am Konzessionsverfahren auch indirekt nicht beteiligten Netzeigentümer, die die Übertragung der Netze an den Neukonzessionär mit Verweis auf die vermeintliche Nichtigkeit der Konzessionsverträge verweigern. Gegenüber diesen läuft die Einführung einer Rügeobliegenheit der Bewerber ins Leere. Mit diesen Eigentümern müsste der Neukonzessionär unter Umständen langjährige und kostenintensive Prozesse über das Bestehen des Übereignungsanspruchs aus § 46 Absatz 2 Satz 2 EnWG führen. In dem hierdurch verursachten Schwebezustand ist ein geordneter Netzbetrieb unter klaren und sicheren Investitionsbedingungen unmöglich.
16. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 48 Absatz 4 Satz 3 - neu - EnWG)
In Artikel 1 Nummer 3 ist dem § 48 Absatz 4 folgender Satz anzufügen:
"Der Übertragung der Verteilungsanlagen nach Satz 1 steht das Wirksamwerden eines Wegenutzungsvertrages mit dem bisher Nutzungsberechtigten gleich."
Begründung:
Wenn der Altkonzessionär als Sieger aus dem Verfahren hervorgeht, findet keine Übertragung der Verteilungsanlagen statt. Gleichwohl kann zwischen Auslaufen des alten und Abschluss des neuen Wegenutzungsvertrages eine längere Zeitspanne liegen. Zur Klarstellung, dass auch in dieser Konstellation ein gesetzlicher Anspruch der Kommunen auf Weiterzahlung der Konzessionsabgaben besteht, sollte die Vorschrift insoweit ergänzt werden.
17. Zu Artikel 1 Nummer 4 - neu - (§ 118 Absatz 18 - neu - EnWG)
Dem Artikel 1 ist folgende Nummer 4 anzufügen:
- '4. Dem § 118 wird folgender Absatz 18 angefügt:
(18) § 47 ist auf Verfahren anwendbar, in denen am ... [einsetzen: Datum des Tages des Inkrafttretens des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung] die Auswahlkriterien und deren Gewichtung bereits im Sinne des § 46 Absatz 4 Satz 4 bekannt gegeben wurden. Die Rügefristen beginnen entsprechend zu laufen, wenn die Gemeinde die Unternehmen, Nutzungsberechtigte oder Netzeigentümer nach Inkrafttreten dieses Gesetzes schriftlich auffordert, mögliche Rechtsverletzungen fristgerecht zu rügen. Fristbeginn ist der Zugang des Aufforderungsschreibens der Gemeinde mit Fristsetzung für Rügen." '
Begründung:
Dem Regierungsentwurf fehlt eine Übergangsregelung für bereits laufende Konzessionsverfahren. Eine Vielzahl von Konzessionsverfahren - unter anderem im Land Berlin - sind bei Inkrafttreten noch nicht beendet oder auf Grund von schwebenden Gerichtsverfahren noch nicht rechtswirksam zum Abschluss gekommen. Auch bei diesen laufenden Konzessionsverfahren besteht ein erhebliches Interesse aller Beteiligten, dass Bewerber, aber auch Netzeigentümer bei vermeintlichen Rechtsverletzungen diese zeitnah rügen und nach Mitteilung der Auswahlentscheidung zeitnah eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen. Nach dem Gesetzentwurf gäbe es eine solche Rügeobliegenheit in laufenden Konzessionsverfahren nicht. Denn im Gesetzentwurf besteht die Rügeobliegenheit innerhalb einer Frist, die jeweils mit Versendung bzw. Eingang von Mitteilungen über Vergabebedingungen bzw. Zuschlagskriterien zu laufen beginnt. Diese Fristen sind bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung schon verstrichen. Die Gesetzesänderung kann insofern nicht rückwirkend Rügeobliegenheiten in der Vergangenheit begründen. Es bedarf daher einer Übergangsregelung. Diese stellt keine unzulässige Rückwirkung dar, da Rügeobliegenheiten erst nach Inkrafttreten des Gesetzes und erst nach Aufforderung durch die Gemeinde begründet werden und erst in Zukunft Präklusionen nach sich ziehen.