A. Problem und Ziel
Deutschland ist als Gründungsmitglied der Financial Action Task Force On Money Laundering (FATF) seit ihrer Bildung 1989 aktiv an der Erarbeitung und Weiterentwicklung der international anerkannten Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (der sogenannten 409-FATF-Empfehlungen) beteiligt und hat sich stets zur nationalen Umsetzung der FATF-Empfehlungen bekannt. Die FATF hat in ihrem Deutschland-Bericht vom 18. Februar 2010 Defizite im deutschen Rechtssystem bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung festgestellt, die auch den Vortatenkatalog des Straftatbestandes der Geldwäsche ( § 261 des Strafgesetzbuchs - StGB) betreffen.
In der jüngsten Vergangenheit war im Steuerstrafrecht eine Flut von Selbstanzeigen festzustellen. Diese beruht zu einem erheblichen Teil auf dem Ermittlungsdruck, der durch den Ankauf von Datenträgern aus dem Ausland entsteht, die Daten enthalten, mit denen Steuerdelikte zum Nachteil des deutschen Fiskus nachgewiesen werden können. Dabei fällt auf, dass sich die Anzeigen häufig ausschließlich auf das durch Medienveröffentlichungen bekannt gewordene Herkunftsland der Datenträger sowie die dort genannten Geldinstitute beschränken. Es scheint daher naheliegend, dass die Selbstanzeige von Steuerhinterziehern im Rahmen einer "Hinterziehungsstrategie" missbraucht wird und in diesen Fällen gerade nicht dazu dient, alle Steuerhinterziehungen anzuzeigen.
B. Lösung
Die rasche Beseitigung der von der FATF festgestellten Defizite ist notwendig, um den Wirtschaftsstandort Deutschland wirksamer vor Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu schützen.
Die Neuregelung der Selbstanzeige soll dazu dienen, für die Zukunft das planvolle Vorgehen von Steuerhinterziehern nicht mehr mit Strafbefreiung zu belohnen. Das Rechtsinstitut selbst hat sich in der Vergangenheit jedoch grundsätzlich bewährt.
C. Alternativen
Keine.
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
Die finanziellen Auswirkungen können vorerst nicht beziffert werden.
E. Sonstige Kosten
Der Gesetzentwurf führt nicht zu zusätzlichen Kosten für die Wirtschaft einschließlich der mittelständischen Unternehmen.
Be- und Entlastungen für einzelne Sektoren der Volkswirtschaft durch die vorgesehenen Maßnahmen sind nicht bekannt. Es wird davon ausgegangen, dass weder in Einzelfällen noch allgemein volkswirtschaftliche Effekte ausgelöst werden, die sich in Einzelpreisen, dem allgemeinen Preisniveau oder dem Verbraucherpreisniveau niederschlagen können. Belastungen für mittelständische Unternehmen werden ebenfalls nicht erwartet.
F. Bürokratiekosten
Mit dem Gesetz werden Informationspflichten für Wirtschaft, Bürger und Verwaltung weder eingeführt noch verändert oder abgeschafft.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz)
Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 31. Dezember 2010
Die Bundeskanzlerin
An die Präsidentin des Bundesrates Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Finanzen.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz)
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuchs
In § 261 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 Buchstabe b des Strafgesetzbuchs in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 2. Oktober 2009 (BGBl. I S. 3214) geändert worden ist, werden die Wörter "und nach § 370 der Abgabenordnung" durch ein Komma und die Wörter "nach § 370 der Abgabenordnung, nach § 38 Absatz 1 bis 3 und 5 des Wertpapierhandelsgesetzes sowie nach den §§ 143, 143a und 144 des Markengesetzes, den §§ 106 bis 108b des Urheberrechtsgesetzes, § 25 des Gebrauchsmustergesetzes, den §§ 51 und 65 des Geschmacksmustergesetzes, § 142 des Patentgesetzes, § 10 des Halbleiterschutzgesetzes und § 39 des Sortenschutzgesetzes" ersetzt.
Artikel 2
Änderung der Abgabenordnung
Die Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2474) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 371 wird wie folgt geändert:
- a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
(1) Wegen Steuerhinterziehung nach § 370 wird nicht bestraft, wer gegenüber der Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt."
- b) Absatz 2 wird wie folgt geändert:
- aa) Nummer 1 Buchstabe a wird wie folgt gefasst:
"a) dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist oder".
- bb) Folgender Buchstabe c wird angefügt:
"c) ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder".
- cc) In Nummer 2 wird der Punkt am Ende durch das Wort "oder" ersetzt.
- dd) Folgende Nummer 3 wird angefügt:
"3. die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ihrerseits unrichtige oder unvollständige Angaben im Sinne des § 370 Absatz 1 Nummer 1 enthält und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste."
- aa) Nummer 1 Buchstabe a wird wie folgt gefasst:
2. § 378 Absatz 3 wird wie folgt gefasst:
(3) Eine Geldbuße wird nicht festgesetzt, wenn der Täter gegenüber der Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. § 371 Absatz 2 bis 4 gilt entsprechend."
Artikel 3
Änderung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung
Dem Artikel 97 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3341; 1977 I S. 667), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2302) geändert worden ist, wird folgender § 24 angefügt:
" § 24 Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung und leichtfertiger Steuerverkürzung
- § 371 der Abgabenordnung in der Fassung des Artikels 2 Nummer 1 des Gesetzes vom ... (BGBl. I S. ... [einsetzen: Datum und Fundstelle des vorliegenden Änderungsgesetzes]) ist ab dem ... [einsetzen: Tag nach Verkündung dieses Gesetzes] anzuwenden. Auf Selbstanzeigen, die vor diesem Zeitpunkt bei der zuständigen Finanzbehörde eingegangen sind, ist § 371 der Abgabenordnung in der bis zum ... [einsetzen: Tag der Verkündung dieses Gesetzes] geltenden Fassung mit der Maßgabe anzuwenden, dass im Umfang der gegenüber der zuständigen Finanzbehörde berichtigten, ergänzten oder nachgeholten Angaben Straffreiheit eintritt. Das Gleiche gilt im Fall der leichtfertigen Steuerverkürzung für die Anwendung des § 378 Absatz 3 der Abgabenordnung. Bei Selbstanzeigen, die nach dem ... [einsetzen: Tag der Verkündung dieses Gesetzes] bei der zuständigen Finanzbehörde eingehen, tritt Straffreiheit nur ein, wenn mit der Selbstanzeige alle unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben berichtigt, ergänzt oder nachgeholt und die hinterzogenen Steuern entrichtet worden sind. Dies gilt auch bei Angaben für Zeiträume vor dem ... [einsetzen: Tag der Verkündung dieses Gesetzes]."
Artikel 4
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung:
A. Allgemeiner Teil
Deutschland ist als Gründungsmitglied der Financial Action Task Force On Money Laundering (FATF) seit ihrer Bildung 1989 aktiv an der Erarbeitung und Weiterentwicklung der international anerkannten Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (der sogenannten 409-FATF-Empfehlungen) beteiligt und hat sich stets zur nationalen Umsetzung der FATF-Empfehlungen bekannt. Von der FATF wurden im Deutschland-Bericht vom 18. Februar 2010 Defizite im deutschen Rechtssystem bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung identifiziert, die auch den Vortatenkatalog des Straftatbestandes der Geldwäsche betreffen. Die rasche Beseitigung der von der FATF festgestellten Defizite ist notwendig, um den Wirtschaftsstandort Deutschland wirksamer vor Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu schützen.
Die Neuregelung der Selbstanzeige soll dazu dienen, dass in Zukunft Steuerhinterzieher, die ihre Selbstanzeige nur insoweit erstatten, wie sie eine Aufdeckung fürchten, nicht mehr mit Strafbefreiung belohnt werden. Das Rechtsinstitut selbst hat sich in der Vergangenheit grundsätzlich bewährt. Sinn und Zweck der strafbefreienden Selbstanzeige ist es, den an einer Steuerhinterziehung Beteiligten einen attraktiven Anreiz zur Berichtigung vormals unzutreffender oder unvollständiger Angaben zu geben, um eine bislang verborgene und ohne die Berichtigung möglicherweise auch künftig verborgen bleibende Steuerquelle im Interesse des Fiskus und damit im Interesse der Öffentlichkeit zu erschließen. Steuerlich relevante Informationen, die gezielt und bewusst mit krimineller Energie oft über Jahrzehnte dem Fiskus verheimlicht worden sind, können ohne Mithilfe der Beteiligten nicht aufgeklärt werden - erst recht nicht, wenn es sich um grenzüberschreitende Sachverhalte handelt. Ohne die Offenbarung der Täter hätten die Steuerbeamten auch keine Ermittlungsansätze gegenüber Helfern und Mittätern. Eine vollständige Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige nähme den Finanzbehörden daher im Ergebnis Ermittlungsmöglichkeiten und verringerte das Steueraufkommen, denn Sachverhalte würden nicht mehr offenbart und damit Steuergelder nicht mehr eingenommen. Die Täter blieben unerkannt, d.h. sie blieben straffrei und behielten hinterzogenes Vermögen.
Gleichzeitig wird mit dem Institut der Selbstanzeige demjenigen Steuerhinterzieher, der geneigt ist, seinen steuerlichen Pflichten künftig wieder vollumfänglich nachzukommen, eine verfassungsrechtlich anerkannte Brücke in die Steuerehrlichkeit geboten. In der persönlichen Strafaufhebung kommen daher auch allgemeine strafrechtliche Prinzipien zum Ausdruck wie z.B. "Rücktritt" oder "tätige Reue" beziehungsweise "Wiedergutmachung".
Ein an der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit interessierter Steuerhinterzieher darf jedoch - wollte er nach Begehung der Steuerhinterziehung nunmehr seinen steuerlichen Pflichten korrekt nachkommen - nicht faktisch "gezwungen" sein, sich gegenüber der Steuerverwaltung selbst seiner zuvor begangenen Straftaten zu verdächtigen. Denn die Finanzämter würden aufgrund der nunmehr korrekten Angaben für die Vergangenheit um weitere Sachverhaltsaufklärung bitten. Die strafbefreiende Selbstanzeige bietet daher auch einen Ausgleich zum grundrechtlich verbürgten Recht, keine selbstbelastenden Angaben machen zu müssen.
Gleichwohl darf der Staat seinen Verzicht auf den Strafanspruch nicht an zu weit gefasste Voraussetzungen knüpfen. Daher darf bloßes Taktieren und "Reue" nach Stand der Ermittlungen nicht belohnt werden.
Der Zeitpunkt, wann eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr möglich ist, wird daher mit der Neuregelung der tatsächlichen und technischen Ermittlungs- und Prüfungsrealität angepasst und inhaltlich um den Ausschluss der bewussten Teilselbstanzeige verschärft.
Künftig muss eine Selbstanzeige umfassend alle Hinterziehungssachverhalte, die strafrechtlich noch nicht verjährt sind, enthalten, damit die Rechtsfolge Straffreiheit auch eintritt. Sie darf sich nicht nur als sog. Teilselbstanzeige auf bestimmte Steuerquellen, z.B. in bestimmten Ländern oder auf bestimmte Steuergestaltungen beziehen. Strafbefreiung soll nur noch derjenige erwarten dürfen, der alle noch verfolgbaren Steuerhinterziehungen der Vergangenheit vollständig offenbart.
Gesetzgebungskompetenz
Wegen der ausschließlich strafrechtlichen Regelungen ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (Strafrecht).
Gleichstellungspolitische Relevanzprüfung
Im Zuge der gemäß § 2 der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) vorzunehmenden Relevanzprüfung sind unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenssituation von Frauen und Männern keine Auswirkungen erkennbar, die gleichstellungspolitischen Zielen zuwiderlaufen.
Nachhaltigkeit
Das Vorhaben entspricht einer nachhaltigen Entwicklung, weil es hilft, das Steueraufkommen des Gesamtstaates zu sichern.
Finanzielle Auswirkungen
Sachverhalte zu Schwarzgeld und Steuerhinterziehung sind naturgemäß erst nach Aufdeckung verifizierbar. Die finanziellen Auswirkungen sind daher vorerst nicht bezifferbar.
Vollzugsaufwand
Auswirkungen auf den Vollzugsaufwand der Steuerverwaltung sind nicht quantifizierbar. Kosten für Private und Wirtschaft
Der Gesetzentwurf führt insgesamt nicht zu zusätzlichen Kosten für die Wirtschaft, einschließlich der mittelständischen Unternehmen, und Private.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des § 261 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 Buchstabe b des Strafgesetzbuchs):
Die FATF hat in ihrem Deutschlandbericht vom 18. Februar 2010 festgestellt, dass Marktmanipulation, Insiderhandel und Produktpiraterie entgegen den 409-Empfehlungen bislang nicht Vortaten des Geldwäschestraftatbestandes in Deutschland sind. Empfehlung 1 bezieht sich auf die Schaffung eines Straftatbestandes der Geldwäsche und Verschleierung von Vermögenswerten, wie ihn der deutsche § 261 des Strafgesetzbuchs (StGB) darstellt. Die Empfehlung verlangt, dass bestimmte Delikte in den Vortatenkatalog aufgenommen werden und nennt diese in einer abschließenden Aufzählung in einem von der FATF erarbeiteten und von den Mitgliedstaaten der FATF gebilligten Glossar der FATF. Darunter fallen unter anderem "counterfeiting and piracy of products" ("Produktfälschung und Produktpiraterie") sowie "insider trading and market manipulation" ("Insiderhandel und Marktmanipulation").
Der Entwurf setzt diese Empfehlung um, indem er die entsprechenden Straftatbestände in den Vortatenkatalog aufnimmt. Aus dem Wertpapierhandelsgesetz sind dies die Straftatbestände der Marktmanipulation und des Insiderhandels. Produktpiraterie ist in Deutschland nicht in einem einzigen Straftatbestand geregelt, sondern in den jeweiligen Fachgesetzen wird die vorsätzliche Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums behandelt. Der neue Tatbestand verweist daher auf das Markengesetz, das Urheberrechtsgesetz, das Gebrauchsmustergesetz, das Geschmacksmustergesetz, das Patentgesetz, das Halbleiterschutzgesetz sowie das Sortenschutzgesetz.
Diese Straftaten werden dem Katalog in § 261 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 Buchstabe b StGB hinzugefügt. Für sie gilt daher aus Gründen der Verhältnismäßigkeit - wie für alle Vergehen unter dieser Nummer -, dass sie nur dann Vortaten der Geldwäsche sind, wenn sie gewerbsmäßig oder von einem Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, begangen worden sind.
Zu Artikel 2 (Änderung der Abgabenordnung): Zu Nummer 1 (§ 371):
Die Regelungen zur Selbstanzeige werden den aktuellen Bedürfnissen angepasst und zielgenauer ausgestaltet.
Zu Buchstabe a (Absatz 1):
Die Neufassung verdeutlicht, dass bei einer Selbstanzeige nur dann Straffreiheit eintritt, wenn die Besteuerungsgrundlagen aller in Frage kommenden Steuerarten, nunmehr zutreffend nacherklärt werden. Das bedeutet, aus sämtlichen strafrechtlich bisher noch nicht verjährten Besteuerungszeiträumen müssen die unterlassenen oder unvollständigen Angaben vollständig nachgeholt beziehungsweise sämtliche Unrichtigkeiten vollumfänglich berichtigt werden.
Zu Buchstabe b (Absatz 2):
Zu Doppelbuchstabe aa (Nummer 1 Buchstabe a):
Für den Ausschluss der Straffreiheit soll künftig bereits die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung genügen. Mit dieser zeitlichen Vorverlegung des Ausschlussgrundes wird der gesetzliche Regelfall des persönlichen Erscheinens eines Amtsträgers zur Ausnahme.
Zu Doppelbuchstabe bb (Nummer 1 Buchstabe c):
Mit dieser zeitlichen Vorverlegung des Ausschlussgrundes unter § 371 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a AO auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung wird der bisherige gesetzliche Regelfall des persönlichen Erscheinens eines Amtsträgers zur Ausnahme.
Zu Doppelbuchstabe cc (Nummer 2):
Es handelt sich hierbei um eine redaktionelle Änderung, da eine weitere Nummer angefügt wird.
Zu Doppelbuchstabe dd (Nummer 3):
Straffreiheit soll dann nicht gewährt werden, wenn von den bisher verschwiegenen Besteuerungsgrundlagen bewusst nur ausgewählte Sachverhalte nacherklärt werden, z.B. weil nur genau deren Aufdeckung unmittelbar befürchtet wird. Alle Besteuerungsgrundlagen müssen zutreffend nacherklärt werden. Ein Taktieren mit einer bloß teilweisen Offenbarung (bewusste Teilselbstanzeige) ist damit ausgeschlossen. Nur wer sich für eine vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit entscheidet, kann sich der Straffreiheit sicher sein. Damit ist der Eintritt der Rechtsfolge für den Steuerpflichtigen kalkulierbar. Unbewusste Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten führen nicht zum Ausschluss der Straffreiheit.
Zu Nummer 2 (§ 378 Absatz 3)
- Für die Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung werden die Regelungssystematik und die Ausschlussgründe des § 371 Absatz 1 und 2 AO übernommen.
Zu Artikel 3 (Änderung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung):
Die Anwendungs- und Übergangsregelung in dem vorgeschlagenen neuen Artikel 97 § 24 im Einführungsgesetz zur Abgabenordnung berücksichtigt das Vertrauen der Steuerpflichtigen, die bereits eine Teilselbstanzeige erstattet haben, in die bisherige Auslegung des Wortlauts des § 371 Absatz 1 AO a. F. ("insoweit"). Insbesondere nach bis zum 20. Mai 2010 ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung - anders dann BGH, Beschluss 1 StR 577/09 vom 20. Mai 2010 - kam es für die Wirksamkeit der Selbstanzeige und die Gewährung von Straffreiheit ausschließlich auf den objektiven Umfang der nacherklärten Beträge an. Die vollständige Offenbarung aller bisher verschwiegenen Sachverhalte war nicht erforderlich. Ebenso war die Motivationslage des Steuerpflichtigen bei der Abgabe einer Selbstanzeige unerheblich. Auch derjenige, der taktierend nur die Besteuerungsgrundlagen offenbarte, deren Entdeckung er befürchtete, wurde in dem Umfang straffrei, wie der Inhalt seiner Erklärung reichte. Strafbar blieben lediglich die nicht offenbarten Tatbestände. Diese am fiskalpolitischen Zweck der Selbstanzeige ausgerichtete und allgemein in der Praxis anerkannte Verfahrensweise ging bereits auf die entsprechenden Vorschriften der Reichsabgabenordnung zurück und war ganz herrschende Ansicht in der Literatur. Damit bestand für die Steuerpflichtigen von Anfang an Rechts- und Planungssicherheit bei dem Verzicht auf das Recht, sich nicht selbst einer Straftat bezichtigen und an deren Aufklärung mitwirken zu müssen. Auf diese unstreitige Rechtslage durften sich die Steuerpflichtigen bei ihren Teilselbstanzeigen verlassen. Das so begründete Vertrauen in die Vorhersehbarkeit strafrechtlicher Sanktionierung, insbesondere das Inaussichtstellen der Straffreiheit, ist nach dem Prinzip der Rechtssicherheit und der Verfahrensfairness schützenswert. Für bereits erstattete Selbstanzeigen, die tatsächlich (nur) Teilselbstanzeigen waren, bleibt daher der bei Abgabe der Selbstanzeige bestehende Status der Straffreiheit insoweit erhalten. Die nach dem Tag der Verkündung des vorliegenden Gesetzes erstattete (weitere) Selbstanzeige wird als erstmalige Selbstanzeige gewertet. Straffreiheit tritt ein, wenn zu diesem Zeitpunkt alle bis dahin noch nicht offenbarten steuerlich erheblichen Sachverhalten der unverjährten Vergangenheit in vollem Umfang erklärt, berichtigt oder ergänzt werden.
Zu Artikel 4 (Inkrafttreten):
Artikel 4 bestimmt, dass die in dem Gesetz vorgesehenen Änderungen am Tag nach Verkündung in Kraft treten.
Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 1560:
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung
Der Nationale Normenkontrollrat hat den o.a. Gesetzentwurf auf Bürokratiekosten geprüft, die durch Informationspflichten begründet werden.
Mit dem Entwurf werden keine Informationspflichten eingeführt, geändert oder aufgehoben. Es entstehen keine Bürokratiekosten für Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürger sowie für die Verwaltung.
Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.
Dr. Ludewig Prof. Dr. Färber
Vorsitzender Berichterstatterin