Empfehlungen der Ausschüsse
Entschließung des Bundesrates zur Verschärfung der strafrechtlichen Regelungen zum Kinder- und Jugendschutz - Antrag des Freistaats Thüringen - Drucksache: 089/14 (PDF) und

Entschließung des Bundesrates - Maßnahmen zur stärkeren Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet und zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung - Antrag des Landes Hessen -

Drucksache: 091/14 (PDF)

921. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2014

Der federführende Rechtsausschuss (R), der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ), der Gesundheitsausschuss (G) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, die Entschließungen in den Drucksachen 089/14 (PDF) und 091/14 (PDF) in nachfolgender Fassung anzunehmen:

'Entschließung des Bundesrates - Maßnahmen zur stärkeren Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet und zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung

I. Der Bundesrat stellt fest:

Die Bundesregierung und die Länder haben in der Vergangenheit bereits eine Reihe von Maßnahmen unternommen, um die Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet zu verbessern. In dem jüngst vom Bundeskabinett beschlossenen Bericht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz und des Bundesministeriums des Innern über die im Jahr 2012 ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet (vgl. BR-Drucksache 086/14 (PDF) ) wurde festgestellt, dass das Bundeskriminalamt (BKA) im Jahr 2012 insgesamt 6 209 Hinweise zu kinderpornografischen Inhalten bearbeitete. Nach vier Wochen betrug die Löschquote solcher einschlägigen Inhalte 97 Prozent. Dies zeigt den Erfolg der Maßnahmen.

Es sind aber auch besorgniserregend hohe Zahlen, die längst nicht das gesamte Ausmaß dieses Kriminalitätsfeldes abdecken. Sie zeigen, dass die Bekämpfung von Kinderpornografie eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt. Verstärkte Anstrengungen im Hinblick auf eine konsequente und effektive Verfolgung dieses Kriminalitätsfeldes erscheinen erforderlich.

II. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung,

zur Verbesserung der strafrechtlichen Regelungen zum Kinder- und Jugendschutz zügig einen Gesetzentwurf vorzulegen und weitere Maßnahmen zu ergreifen. Dabei sind folgende Aspekte von besonderer Bedeutung:

1. Strafbarkeitslücken identifizieren und schließen

Nach deutschem Recht ist es derzeit nicht strafbar, Nacktaufnahmen von Kindern und Jugendlichen, die sie beispielsweise beim Baden, Spielen, Toben oder in der Sauna zeigen, die vielfach weltweit vertrieben werden und auf Pädophile stimulierend wirken können, käuflich zu erwerben oder auf andere Weise zu beziehen. Es wird deshalb zu prüfen sein, ob Strafbarkeitslücken im Bereich der strafrechtlichen Vorschriften zum Kinder- und Jugendschutz - § 184b und § 184c des Strafgesetzbuches (StGB) - bestehen.

Insbesondere der gewerbliche Handel mit solchen Nacktaufnahmen kann einen schweren Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Kinder und Jugendlichen darstellen.

Verbreitung, Erwerb oder Besitz solcher Aufnahmen sind derzeit weder nach dem Strafgesetzbuch noch nach dem Jugendschutzgesetz (JuSchG) strafbar. Gemäß § 184b und § 184c StGB sind die Verbreitung, der Erwerb und der Besitz von kinder- bzw. jugendpornografischen Schriften strafbar. Dazu gehören nach der Rechtsprechung auch der Erwerb oder der Besitz sogenannter Posing-Darstellungen. Nicht strafbar hingegen sind Aufnahmen von Kindern und Jugendlichen, die keine sexuellen Handlungen zeigen, sondern sie in scheinbaren Alltagssituationen abbilden, aber sexuelles Interesse wecken können. Dies betrifft zum Beispiel Abbildungen, welche derzeit allein aufgrund der fehlenden Handlungsqualität des abgebildeten Geschehens nicht strafbar sind, obwohl die unbedeckten Genitalien den Mittelpunkt des Bildes ausmachen.

Kinder und Jugendliche genießen nach dem Grundgesetz und nach dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention) besonderen Schutz. Deshalb erscheint es notwendig, dass die kommerzielle Vermarktung von Bildern nackter Kinder unterbunden und der gewerbsmäßige Handel mit diesen Aufnahmen strafrechtlich sanktioniert werden. Dabei werden auch Bilder von Personen aus der Altersgruppe der 14- bis 18-Jährigen in die Prüfung mit einzubeziehen sein.

Darüber hinaus sollten rechtliche Möglichkeiten geprüft werden, dass diese Aufnahmen nicht straflos kommerziell erstellt oder gehandelt, getauscht bzw. auf andere Weise bezogen werden können.

Dabei ist es verfassungsrechtlich zwingend geboten, die Grenzen zum strafrechtlich relevanten Verhalten so klar wie möglich zu bestimmen. Auch gilt es, mögliche berechtigte Interessen von einer Strafbarkeit auszunehmen und insbesondere eine ungewollte Kriminalisierung von Eltern zu vermeiden ( Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes).

In diesem Zusammenhang hält der Bundesrat auch eine zügige Umsetzung der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1, und L 18 vom 21.1.2012, S. 7) für geboten.

Dabei ist auch [, entsprechend dem Beschluss der Justizministerinnen und Justizminister der Länder vom Juni 2013 (Kinder vor Gefahren des "Cyber-Grooming" wirksam schützen), ] die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen in Chatforen und sozialen Netzwerken vor sexuellen Übergriffen (sogenanntes Cyber-Grooming) besonders in den Blick zu nehmen.

2. Grundlegende Reform des Strafgesetzbuches - Anpassung an die Entwicklungen der digitalen Kommunikation

Die angekündigte Erweiterung des veralteten Schriftenbegriffs im Strafrecht hin zu einem modernen Medienbegriff ist ein erster und notwendiger Schritt zur Anpassung des Strafgesetzbuches an die Entwicklungen der digitalen Kommunikation. Darüber hinaus ist mittelfristig eine umfassende Prüfung angezeigt, ob und gegebenenfalls hinsichtlich welcher Regelungen das Strafgesetzbuch im Hinblick auf die Realitäten der modernen Kommunikation anzupassen ist.

III. Der Bundesrat stellt darüber hinaus fest:

1. Stärkung der technischen und personellen Rahmenbedingungen

Ein großer Teil der Kriminalität hat sich mittlerweile ins Internet verlagert. Deswegen müssen auch die Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden mit diesen Entwicklungen Schritt halten und angesichts der stetig steigenden Anzahl und des Umfangs entsprechender Verfahren weiter gestärkt werden. Die konsequente Verfolgung internetbasierter Kriminalität bedarf hochspezialisierter Ermittlungs- und Strafverfolgungseinheiten und einer engen Zusammenarbeit von Justiz und Polizei. Hier kann zum Beispiel auf die Zusammenarbeit des BKA mit der in Frankfurt angesiedelten Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität verwiesen werden.

2. Präventionsarbeit verbessern

Neben der Stärkung der Strafverfolgung sind auch präventive Maßnahmen erforderlich. Die umfassende Bekämpfung dieses Kriminalitätsfeldes ist insoweit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu verstehen, aus der sich auch eine Verpflichtung aller ergibt.

In die Überlegungen zur Stärkung der präventiven Maßnahmen sind auch die Täter mit einzubeziehen. Für therapiebereite Menschen mit pädophilen Neigungen, die (weiteren) Übergriffen vorbeugen wollen, sind therapeutische Anlaufstellen und Beratungsangebote ein wichtiger Baustein zur Verhinderung zukünftiger Straftaten. Projekte wie das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden" der Berliner Charité sind hier zu nennen.

Kinder und Jugendliche, aber auch die Eltern, sollen stärker für die Gefahren des Internets - etwa durch sogenanntes Sexting - sensibilisiert werden. Eltern trifft dabei eine besondere Verantwortung. Ein verantwortungsbewusster Umgang mit Medien ist bereits im Kindes- und Jugendalter dringend erforderlich.

Auf die Stärkung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen sollte im Hinblick auf ihre besondere Gefährdung durch drohende sexuelle Übergriffe im Internet verstärkt hingewirkt werden.

Dabei sollte auch in einen kritischen Dialog mit den Internetanbietern eingetreten werden. Im Zuge dessen gilt es, auch an die Selbstverantwortung von Internetanbietern und Anbietern von Suchmaschinen zu erinnern. Bei sozialen Netzwerken und Anbietern von E-Mail- und Nachrichtendiensten sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen besonders im Hinblick auf Persönlichkeitsrechte, das Recht am eigenen Bild bzw. urheberrechtliche Belange in den Blick zu nehmen.'

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Die antragstellenden Länder der Drucksachen 089/14 (PDF) und 091/14 (PDF) haben die beiden Vorlagen auf Basis der Drucksache 091/14 (PDF) zusammengeführt. Die nunmehr vorgelegte Fassung umfasst auf diese Weise die wesentlichen Gedanken beider Entschließungstexte.