Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Gestaltung der digitalen Zukunft Europas - COM (2020) 67 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 095/20 (PDF) = AE-Nr. 0110 und
Drucksache 096/20 (PDF) = AE-Nr. 0111 Europäische Kommission
Brüssel, den 19.2.2020 COM (2020) 67 final

Mitteilung der Kommission an Das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Gestaltung der digitalen Zukunft Europas

1. Einleitung

Die digitalen Technologien führen zu tief greifenden Veränderungen für unser tägliches Leben, unsere Arbeitsweise, die Form, in der wir Geschäfte machen, und die Art und Weise, wie wir reisen, miteinander kommunizieren und in Kontakt stehen. Die digitale Kommunikation, die Interaktion über die sozialen Medien, der elektronische Handel und die digitalen Unternehmen bringen einen stetigen Wandel unserer Welt mit sich. Dabei entstehen immer größere Datenmengen, die, wenn sie gebündelt und genutzt werden, zu völlig neuen Mitteln und Ebenen der Wertschöpfung führen können. Der nun stattfindende Wandel ist ebenso fundamental wie der Wandel, der durch die industrielle Revolution ausgelöst wurde.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in ihren politischen Leitlinien hervorgehoben, dass Europa beim Übergang hin zu einem gesunden Planeten und auf dem Weg in eine neue digitale Welt die Führung übernehmen muss. Damit stellt sich die doppelte Herausforderung eines ökologischen und eines digitalen Wandels, die Hand in Hand gehen müssen. Wie im europäischen Grünen Deal dargelegt, erfordert dies einen sofortigen Kurswechsel hin zu nachhaltigeren Lösungen, die ressourceneffizient, klimaneutral und auf die Kreislaufwirtschaft ausgerichtet sind. Dabei ist dafür zu sorgen, dass alle Bürger, alle Arbeitnehmer, alle Unternehmer - ganz gleich wo sie ansässig sind - eine faire Chance haben, die Vorteile unserer zunehmend digitalisierten Gesellschaft zu nutzen.

Digitale Lösungen wie Kommunikationssysteme, künstliche Intelligenz oder Quantentechnologien können unser Leben in vielerlei Hinsicht bereichern. Aber die Vorteile, die sich aus den digitalen Technologien ergeben, sind auch mit Risiken und Kosten verbunden. Die Bürger haben den Eindruck, die Kontrolle darüber zu verlieren, was mit ihren persönlichen Daten geschieht, und sind durch die künstliche Beanspruchung ihrer Aufmerksamkeit zunehmend überfordert. Außerdem können böswillige Cyberaktivitäten unser persönliches Wohlergehen oder unsere kritischen Infrastrukturen bedrohen.

Dieser grundlegende gesellschaftliche Wandel erfordert auf allen Ebenen der Gesellschaft tief greifende Überlegungen darüber, wie Europa diesen Risiken und Herausforderungen jetzt und in Zukunft am besten begegnen kann. Dazu werden enorme Anstrengungen erforderlich sein, aber Europa verfügt zweifellos über die Mittel, um eine bessere digitale Zukunft für alle zu erreichen.

2. Vision und Ziele

Die Kommission strebt eine europäische Gesellschaft an, die von digitalen Technologien angetrieben wird, die fest in unseren gemeinsamen Werten verwurzelt sind und unser aller Leben bereichern: Die Menschen müssen unabhängig von Alter, Geschlecht und beruflichem Hintergrund die Möglichkeit haben, sich zu entfalten, freie und sichere Entscheidungen zu treffen und sich in der Gesellschaft zu engagieren. Die Unternehmen brauchen einen Rahmen, der ihre Gründung und Expansion, die Bündelung und Nutzung von Daten, die Entwicklung von Innovationen sowie einen Wettbewerb oder eine Zusammenarbeit zu fairen Bedingungen ermöglicht. Europa muss über Entscheidungsfreiheit verfügen und den digitalen Wandel auf seine eigene Weise vorantreiben.

Die technologische Unabhängigkeit Europas beginnt mit der Gewährleistung der Integrität und Widerstandsfähigkeit unserer Dateninfrastrukturen, -netze und -kommunikation. Sie setzt voraus, dass die richtigen Bedingungen geschaffen werden, damit Europa seine eigenen Schlüsselkapazitäten entwickeln und einsetzen und so seine Abhängigkeit von anderen Teilen der Welt bei den wichtigsten Technologien verringern kann. Die Fähigkeit Europas, im digitalen Zeitalter seine eigenen Regeln und Werte zu definieren, wird durch diese Kapazitäten gestärkt. Die Definition der technologischen Unabhängigkeit Europas ist nicht gegen andere gerichtet, sondern legt den Schwerpunkt auf das, was für die Menschen in Europa und das europäische Sozialmodell notwendig ist. Die EU bleibt - unabhängig davon, wo jemand ansässig ist - für jeden offen, der bereit ist, die europäischen Vorschriften und Normen einzuhalten.

Die Bürger sollten in die Lage versetzt werden, bessere Entscheidungen auf der Grundlage von Erkenntnissen zu treffen, die aus nicht personenbezogenen Daten gewonnen werden. Diese Daten sollten allen zugänglich sein - ob öffentlich oder privat, ob groß oder klein, ob Startup oder Gigant. Dies wird die Gesellschaft dabei unterstützen, Innovation und Wettbewerb optimal zu nutzen und dafür zu sorgen, dass alle von der digitalen Dividende profitieren. Dieses digitale Europa sollte das Beste widerspiegeln, das Europa zu bieten hat - Offenheit, Fairness, Vielfalt, Demokratie und Vertrauen.

In den nächsten fünf Jahren wird sich die Kommission auf drei Hauptziele konzentrieren, um sicherzustellen, dass digitale Lösungen Europa auf seinem eigenen Weg hin zu einem digitalen Wandel unterstützen, der den Menschen dank der Wahrung unserer Werte zugutekommt. Dies wird Europa auch in die Lage versetzen, in der globalen Debatte eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Damit Europa tatsächlich Einfluss auf die Art und Weise nehmen kann, wie digitale Lösungen weltweit entwickelt und genutzt werden, muss es selbst ein starker unabhängiger und zielorientierter digitaler Akteur sein. Um dies zu erreichen, ist ein klarer Rahmen erforderlich, der eine vertrauenswürdige, digital gestützte Interaktion innerhalb der Gesellschaft fördert, sowohl zwischen Menschen als auch zwischen Unternehmen. Ohne diesen Schwerpunkt auf der Vertrauenswürdigkeit kann der entscheidende Prozess des digitalen Wandels nicht gelingen.

Die Schaffung eines Europas, das für das digitale Zeitalter gewappnet ist, ist ein komplexes Puzzle mit vielen Teilen, bei dem sich das Gesamtbild wie bei allen Puzzles erst ergibt, wenn alle Teile zusammengesetzt sind. In den folgenden Abschnitten wird beschrieben, wie die Kommission dieses Puzzle vervollständigen und ihre Vision in die Tat umsetzen will.

A. Technologie im Dienste der Menschen

Europa blickt hinsichtlich Technologie und Kreativität auf eine lange und erfolgreiche Geschichte zurück. Europa ist am stärksten, wenn es zusammenarbeitet, die Kräfte der EU und ihrer Mitgliedstaaten vereint und dabei die Regionen und Städte, die Wissenschaft, die Zivilgesellschaft, die Finanzinstitutionen und die Unternehmen einschließlich der Sozialunternehmen einbezieht. Europa muss seine Investitionen in Forschung und Innovation bündeln, Erfahrungen austauschen und länderübergreifend zusammenarbeiten. Jüngste Kooperationsvereinbarungen in Bereichen wie Hochleistungsrechnen und Mikroelektronik haben gezeigt, dass eine Zusammenarbeit sehr effizient sein kann. Ähnliche Initiativen in Schlüsselbereichen der nächsten technologischen Innovationswelle werden folgen. Die Förderung des digitalen Wandels in den öffentlichen Verwaltungen in ganz Europa ist in diesem Zusammenhang ebenfalls von entscheidender Bedeutung.

Europa muss mehr in strategische Kapazitäten wie umfangreiche 5G-Netze (und künftige 6G-Netze) und technologieintensive Innovationen ("Deep tech")1 investieren, die es uns ermöglichen, digitale Lösungen in großem Maßstab zu entwickeln und zu nutzen und die Interoperabilität wesentlicher digitaler Infrastrukturen anzustreben. Um nur ein Beispiel zu nennen: Konnektivität ist der wichtigste Baustein des digitalen Wandels. Sie ermöglicht den Fluss von Daten und die Zusammenarbeit zwischen Menschen, wo auch immer sie sich befinden, und erlaubt es, mehr Objekte mit dem Internet zu verbinden, wodurch sich Produktions-, Mobilitäts- und Logistikketten verändern. Die Gigabit-Anbindung2 auf der Basis sicherer Glasfaser- und 5G-Infrastrukturen ist ausschlaggebend, wenn das digitale Wachstumspotenzial Europas ausgeschöpft werden soll.

Zu diesem Zweck sind angemessene Investitionen auf EU-, nationaler und regionaler Ebene erforderlich, um die Konnektivitätsziele der Strategie Europa 2025 zu erreichen.,3

Der neue mehrjährige Finanzrahmen der EU wird zu diesen Zielen beitragen. Dabei sollen durch gezielte Finanzierungsprogramme4 und die Inanspruchnahme der InvestEU-Garantie sowie der Strukturfonds und des Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums mehr und bessere strategische Kapazitäten in Bereichen geschaffen werden, in denen es darauf ankommt5. Durch diese öffentlichen Mittel müssen auch private Investitionen mobilisiert werden, da die Investitionslücken nur gemeinsam geschlossen werden können. Die Kapitalmarktunion wird innovativen und High-Tech-Unternehmen den Zugang zu marktbasierter Finanzierung in der gesamten EU erleichtern. Wir müssen daher sicherstellen, dass ein breites Spektrum an privatem und öffentlichem Beteiligungskapital zur Finanzierung digitaler Innovationen zur Verfügung steht.

Europa muss in Konnektivität, "Deep tech" und Humankapital sowie in intelligente Energie- und Verkehrsinfrastrukturen investieren. Allein bei digitalen Infrastrukturen und Netzen besteht in der EU eine Investitionslücke von 65 Mrd. EUR pro Jahr6. Die Umsetzung von Reformen und die Aufstockung der Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in den technologischen Einsatz könnten bis 2030 zu einem zusätzlichen BIP-Wachstum insgesamt von 14 % führen. Ein rasches Handeln (z.B. Aufstockung der Investitionen und Annahme von Maßnahmen bis 2022 statt bis 2025) würde bis 2030 zu einem weiteren Anstieg des BIP um 3,2 % und einer Schaffung von mehr Arbeitsplätzen führen7. Diesen sozioökonomischen Impuls darf sich Europa nicht entgehen lassen.

Investitionen in die Innovation sind jedoch nur ein Teil des Ganzen. Ein echter digitaler Wandel muss von europäischen Bürgern und Unternehmen ausgehen, die darauf vertrauen, dass ihre Anwendungen und Produkte sicher sind. Je stärker wir vernetzt sind, desto anfälliger sind wir für böswillige Cyberaktivitäten. Um dieser wachsenden Bedrohung zu begegnen, müssen wir auf allen Ebenen zusammenarbeiten: Festlegung schlüssiger Regeln für Unternehmen und stärkerer Mechanismen für einen proaktiven Informationsaustausch, Sicherstellung einer operativen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen der EU und den Mitgliedstaaten, Schaffung von Synergien zwischen der zivilen Cyber-Abwehrfähigkeit und den Strafverfolgungs- und Verteidigungsaspekten der Cybersicherheit8, Gewährleistung einer wirksamen Arbeit der Strafverfolgungs- und Justizbehörden durch Entwicklung neuer Instrumente zur Bekämpfung von Cyberkriminalität und - nicht zuletzt - Aufklärung unserer Bürger über die Cybersicherheit9.

Ob sich die Bürger sicher und geschützt fühlen, hängt nicht nur von der Cybersicherheit ab. Sie müssen auch der Technologie selbst sowie der Art und Weise, wie sie eingesetzt wird, vertrauen können. Dies ist besonders wichtig, wenn es um das Thema künstliche Intelligenz geht. In diesem Zusammenhang legt die Europäische Kommission ein Weißbuch über die Schaffung von Ökosystemen für Exzellenz und Vertrauen im Bereich der künstlichen Intelligenz vor, das auf europäischen Werten beruht.

Die Verbesserung von Bildung und Kompetenzen ist ein wesentlicher Bestandteil der Gesamtvision vom digitalen Wandel in Europa. Die europäischen Unternehmen brauchen digital versierte Arbeitnehmer, um sich im globalen technologieorientierten Wettbewerb behaupten zu können. Umgekehrt benötigen die Arbeitnehmer digitale Kompetenzen, um auf einem zunehmend digitalisierten und sich rasch wandelnden Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein10. Mehr Frauen werden eine attraktive Berufslaufbahn im Technologiebereich einschlagen können und müssen, und die Fähigkeiten und Kompetenzen von Frauen müssen den europäischen Technologieunternehmen zugutekommen.

Der Bedarf an digitalen Kompetenzen geht jedoch weit über den Arbeitsmarkt hinaus. Da digitale Technologien unser Berufs- und Privatleben durchdringen, sind zumindest digitale Grundkompetenzen zu einer Voraussetzung für eine wirksame Teilhabe an der heutigen Gesellschaft geworden.

Mit der Automatisierung von mehr und mehr Prozessen wird die Digitalisierung auch zu Veränderungen auch über den Technologiesektor hinaus führen. Zahlreiche Berufe werden sich vollständig verändern. Der digitale Wandel muss auf faire und gerechte Weise vollzogen, und die uneingeschränkte Beteiligung von Frauen an diesem Prozess muss gefördert werden. Den Sozialpartnern kommt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle zu. Gleichzeitig ist die Förderung von Innovation und Technologieverbreitung eine Voraussetzung für eine gute Lebensqualität und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie für die Schließung bestehender Lücken bei der Erwerbsbeteiligung, insbesondere in ländlichen und abgelegenen Gebieten, die von Bevölkerungsalterung und -rückgang betroffen sind.

Auch bei den Arbeitsbedingungen ergeben sich neue Herausforderungen. Die wachsende Zahl von Online-Plattformen hat den Menschen neue Möglichkeiten eröffnet, Einkommen zu erzielen, in den Arbeitsmarkt einzutreten oder dort zu verbleiben. Gleichzeitig hat sie neue Fragen in Bezug auf den rechtlichen Schutz von Personen aufgeworfen, die noch keinen Arbeitnehmerstatus haben, aber in einigen Punkten genauso schutzbedürftig sind wie Arbeitnehmer. Die Kommission wird daher einen verbesserten Rahmen für Plattformarbeiter vorschlagen.

Schlüsselmaßnahmen

B. Eine faire und wettbewerbsfähige Wirtschaft

In einer immer kleiner werdenden Welt, in der Technologie immer mehr an Bedeutung gewinnt, muss Europa weiterhin unabhängig handeln und entscheiden und die übermäßige Abhängigkeit von andernorts geschaffenen digitalen Lösungen verringern.

Für die Entwicklung vieler Produkte und Dienstleistungen ist es erforderlich, dass Daten weithin leicht verfügbar und zugänglich sind und sich einfach nutzen und verarbeiten lassen. Daten sind zu einem Schlüsselfaktor für die Produktion geworden, und der durch sie geschaffene Wert muss mit der gesamten Gesellschaft, die zuvor zur Bereitstellung der Daten beigetragen hat, geteilt werden. Deshalb müssen wir einen echten europäischen Binnenmarkt für Daten, d.h. einen auf europäische Regeln und Werte gestützten europäischen Datenraum, schaffen.

Viele europäische Unternehmen - und insbesondere KMU - haben digitale Lösungen nur zögerlich übernommen. So haben sie nicht davon profitiert und Expansionschancen verpasst. Die Kommission wird sich bemühen, dieses Problem mit einer neuen EU-Industriestrategie zu lösen, die Maßnahmen zur Erleichterung des Übergangs zu einer stärker digitalisierten, saubereren, kreislauforientierten und weltweit wettbewerbsfähigeren EU-Industrie enthalten wird. Sie wird auch eine Strategie für KMU vorschlagen, die einen wesentlichen Bestandteil der europäischen Wirtschaft darstellen, aber häufig durch fehlende Kompetenzen und einen mangelnden Zugang zu Finanzmitteln und Märkten beeinträchtigt werden.

Um sich in Europa zu etablieren und zu wachsen, brauchen KMU einen reibungslos funktionierenden Binnenmarkt, der nicht durch unterschiedliche lokale oder nationale Vorschriften behindert wird, die den Verwaltungsaufwand vor allem für kleinere Unternehmen erhöhen. Sie benötigen klare und verhältnismäßige Regeln, die in der gesamten EU wirksam und einheitlich durchgesetzt werden und ihnen einen enorm starken Heimatmarkt bieten, von dem aus sie sich auf der Weltbühne positionieren können.

Im digitalen Zeitalter ist die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen für große und kleine Unternehmen wichtiger denn je. Dies legt nahe, dass Vorschriften, die offline gelten - von Wettbewerbs- und Binnenmarktvorschriften über Verbraucherschutzregelungen bis hin zu Bestimmungen über geistiges Eigentum, Steuern und Arbeitnehmerrechte - auch online gelten sollten. Die Verbraucher müssen in der Lage sein, digitalen Produkten und Dienstleistungen ebenso zu vertrauen wie allen anderen. Dabei ist es erforderlich, besonders schutzbedürftige Verbraucher nicht außer Acht zu lassen und die Durchsetzung der Sicherheitsvorschriften auch in Bezug auf Waren aus Drittländern sicherzustellen. Einige Plattformen haben eine so beträchtliche Größenordnung erreicht, dass sie als private Torwächter für Märkte, Kunden und Informationen fungieren können. Wir müssen sicherstellen, dass die systemische Rolle bestimmter Online-Plattformen und die von ihnen erworbene Marktmacht die Fairness und Offenheit unserer Märkte nicht gefährden.

Was insbesondere das EU-Wettbewerbsrecht betrifft, so sind seine Grundsätze für die digitale Wirtschaft ebenso relevant wie für traditionelle Wirtschaftszweige. Das EU-Wettbewerbsrecht bringt Europa große Vorteile, indem es zu einheitlichen Wettbewerbsbedingungen beiträgt, durch die die Märkte in den Dienst der Verbraucher gestellt werden. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Wettbewerbsregeln für eine Welt geeignet sind, die sich rasch verändert, sich zunehmend digitalisiert und zugleich umweltfreundlicher werden muss. Vor diesem Hintergrund prüft die Kommission derzeit, ob die Anwendung der geltenden Vorschriften, z.B. hinsichtlich kartellrechtlicher Maßnahmen" wirksam erfolgt, und erwägt eine mögliche Bewertung und Überprüfung der Vorschriften selbst, um sicherzustellen, dass sie den heutigen digitalen und ökologischen Herausforderungen gerecht werden.

Überprüfungen der Vorschriften für horizontale und vertikale Vereinbarungen und der Bekanntmachung über die Marktabgrenzung sowie eine "Eignungsprüfung" verschiedener Leitlinien für staatliche Beihilfen sind bereits im Gange.

Zu den zentralen Themen im Zusammenhang mit der digitalen Zukunft Europas gehören der Zugang zu Daten, ihre Bündelung und gemeinsame Nutzung sowie das Gleichgewicht zwischen Online- und Offline-Handel. Bei der Überarbeitung der Bekanntmachung über die Marktabgrenzung werden auch neue digitale Geschäftsmodelle - wie "kostenlose" Dienste, auf die die Nutzer zugreifenkönnen, weil sie ihre Daten bereitstellen - und ihre Auswirkungen auf den Wettbewerbsdruck berücksichtigt. Im Rahmen der laufenden Eignungsprüfung der Mitteilung der Kommission von 2014 über wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) soll bewertet werden, ob eine Aktualisierung erforderlich ist, um die Bedingungen weiter zu präzisieren, unter denen von den Mitgliedstaaten geleitete große Vorhaben in Schlüsselsektoren für die digitale und grüne Zukunft Europas wirksam durchgeführt werden können.

Darüber hinaus plant die Kommission die Einleitung einer Sektoruntersuchung mit besonderem Schwerpunkt auf diesen neuen und aufstrebenden Märkten, die unsere Wirtschaft und Gesellschaft prägen.

Die Wettbewerbspolitik allein kann jedoch nicht alle systemischen Probleme lösen, die in der Plattformwirtschaft auftreten können. Der Logik des Binnenmarktes folgend sind möglicherweise zusätzliche Vorschriften erforderlich, um Wettbewerbsfähigkeit, Fairness und Innovation sowie die Möglichkeit des Marktzutritts sicherzustellen und öffentliche Interessen zu wahren, die über den Wettbewerb oder wirtschaftliche Erwägungen hinausgehen.

Die Gewährleistung von Fairness in der digitalen Wirtschaft stellt eine große Herausforderung dar. In einer digitalen Welt ohne Grenzen erhalten einige wenige Unternehmen mit dem größten Marktanteil den Hauptteil der Gewinne aus der Wertschöpfung, die in einer datengestützten Wirtschaft erzielt wird. Diese Gewinne werden aufgrund veralteter Körperschaftsteuervorschriften häufig nicht dort besteuert, wo sie erzielt werden, wodurch der Wettbewerb verzerrt wird. Daher will die Kommission auch die steuerlichen Herausforderungen angehen, die sich aus der Digitalisierung der Wirtschaft ergeben.

Schlüsselmaßnahmen

C. Eine offene, demokratische und nachhaltige Gesellschaft

Die Menschen haben Anspruch auf Technologien, denen sie vertrauen können. Was außerhalb des Internets verboten ist, muss auch im Internet illegal sein. Auch wenn wir die Zukunft der digitalen Technologie nicht vorhersagen können, müssen die europäischen Werte und ethischen Regeln sowie die sozialen und ökologischen Standards auch im digitalen Raum gelten.

In den letzten Jahren hat Europa mit seiner richtungsweisenden Datenschutz-Grundverordnung und seinen Vorschriften für die Zusammenarbeit zwischen Plattformen und Unternehmen den Weg zu einem offenen, fairen und inklusiven Internet geebnet, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht. Um die europäischen Demokratien und die ihnen zugrunde liegenden Werte zu schützen, wird die Kommission weiterhin innovative und verhältnismäßige Regeln für eine vertrauenswürdige digitale Gesellschaft entwickeln und umsetzen. Eine solche digitale Gesellschaft sollte inklusiv, fair und für alle zugänglich sein.

In diesem Zusammenhang ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die für digitale Dienste in der gesamten EU geltenden Vorschriften gestärkt und modernisiert werden, wobei die Rolle und Pflichten von Online-Plattformen zu präzisieren sind. Der Verkauf illegaler, gefährlicher oder nachgeahmter Güter und die Verbreitung illegaler Inhalte müssen online genauso wirksam bekämpft werden wie offline.

Vertrauen in die Online-Welt bedeutet auch, den Verbrauchern dabei zu helfen, mehr Kontrolle und Verantwortung in Bezug auf ihre eigenen Daten und ihre eigene Identität zu übernehmen. Es bedarf klarerer Regeln für die Transparenz, das Verhalten und die Rechenschaftspflicht derjenigen, die als Torwächter für Informationen und Datenverkehr handeln, sowie einer wirksamen Durchsetzung der bestehenden Vorschriften. Die Menschen sollten auch in der Lage sein, ihre Online-Identität zu kontrollieren, wo eine Authentifizierung für den Zugang zu bestimmten Online-Diensten erforderlich ist. Es bedarf einer allgemein anerkannten öffentlichen elektronischen Identität (eID), die es den Verbrauchern ermöglicht, sicher auf ihre Daten zuzugreifen und die gewünschten Produkte und Dienstleistungen zu nutzen, ohne dafür unabhängige Plattformen nutzen und ihnen unnötig personenbezogene Daten weitergeben zu müssen. Die Europäer können von der Datennutzung auch profitieren, um die öffentliche und private Entscheidungsfindung zu verbessern.

In einer Welt, in der große Teile der öffentlichen Debatte und der politischen Werbung auf das Internet verlagert wurden, müssen wir auch bereit sein, unsere Demokratien energisch zu verteidigen. Die Bürger erwarten geeignete Maßnahmen gegen Versuche, den Informationsraum zu manipulieren, die oft in Form gezielter und koordinierter Desinformationskampagnen erfolgen. Europa braucht mehr Transparenz hinsichtlich der Art und Weise, wie Informationen im Internet ausgetauscht und verwaltet werden. Vertrauenswürdige Medien von hoher Qualität sind sowohl für die Demokratie als auch für die kulturelle Vielfalt von entscheidender Bedeutung. Vor diesem Hintergrund wird die Kommission einen Europäischen Aktionsplan für Demokratie und einen spezifischen Aktionsplan für die Medien und den audiovisuellen Sektor vorlegen.

Die digitale Komponente wird auch für die Verwirklichung der Ziele des europäischen Grünen Deals14 und der Ziele für nachhaltige Entwicklung15 von entscheidender Bedeutung sein. Als maßgebliche Wegbereiter für die Nachhaltigkeitswende können digitale Lösungen die Kreislaufwirtschaft voranbringen, die Dekarbonisierung aller Sektoren unterstützen sowie den ökologischen und sozialen Fußabdruck von in der EU in Verkehr gebrachten Produkten verringern. So können beispielsweise Schlüsselsektoren wie Präzisionslandwirtschaft, Verkehr und Energie enorm von digitalen Lösungen profitieren, wenn es darum geht, die ehrgeizigen Nachhaltigkeitsziele des europäischen Grünen Deals zu erreichen.

Digitale Lösungen und insbesondere Daten werden auch einen vollständig integrierten Lebenszyklusansatz ermöglichen, von der Konzeption über die Beschaffung von Energie, Rohstoffen und anderen Einsatzmitteln für die Endprodukte bis hin zum Ende der Lebensdauer. Wenn wir beispielsweise ermitteln, wann und wo Strom am dringendsten benötigt wird, können wir die Energieeffizienz steigern und den Einsatz fossiler Brennstoffe reduzieren.

Es liegt jedoch auf der Hand, dass der IKT-Sektor auch seinen eigenen ökologischen Wandel durchlaufen muss. Der ökologische Fußabdruck des Sektors ist mit schätzungsweise 5-9 % des weltweiten Stromverbrauchs und mehr als 2 % aller Emissionen signifikant16. Rechenzentren und Telekommunikation müssen energieeffizienter werden, Abwärme nutzen und stärker auf erneuerbare Energiequellen zurückgreifen. Sie können und sollten bis 2030 klimaneutral werden.

Wichtig ist auch, wie IKT-Ausrüstung konzipiert, gekauft, genutzt und recycelt wird. Neben den Energieeffizienzanforderungen des Ökodesigns muss IKT-Ausrüstung vollständig kreislauforientiert konzipiert werden, sodass sie länger hält, recycelbare Stoffe enthält, ordnungsgemäß gewartet und leicht demontiert und recycelt werden kann.

Die Macht der Daten ist auch im Gesundheitssektor von ausschlaggebender Bedeutung. Elektronische Patientenakten, die in einem europäischen Raum für Gesundheitsdaten erfasst werden, können zu einer besseren Behandlung schwerer chronischer Erkrankungen, einschließlich Krebs und seltener Krankheiten, aber auch zu einem gleichberechtigten Zugang zu hochwertigen Gesundheitsdiensten für alle Bürger führen.

Schlüsselmaßnahmen

3. Die internationale Dimension - Europa als globaler Akteur

Das europäische Modell hat sich als Inspiration für viele Partner in der ganzen Welt erwiesen, die sich bemühen, politische Herausforderungen anzugehen. Dies sollte im digitalen Bereich nicht anders sein.

In geopolitischer Hinsicht sollte die EU ihre Regelungsbefugnisse, ihre gewachsenen industriellen und technologischen Kapazitäten, ihre diplomatischen Stärken und ihre externen Finanzierungsinstrumente nutzen, um den europäischen Ansatz voranzubringen und die weltweite Interaktion mitzugestalten. Dazu gehören die im Rahmen von Assoziierungs- und Handelsabkommen geleistete Arbeit sowie die in internationalen Gremien wie den Vereinten Nationen, der OECD, der ISO und der G20 mit Unterstützung der EU-Mitgliedstaaten erzielten Vereinbarungen.

Eine starke Präsenz des Digitalen in der Erweiterungs-, der Nachbarschafts- und der Entwicklungspolitik der EU wird im Einklang mit dem Engagement Europas für die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung Wachstum ermöglichen und die nachhaltige Entwicklung fördern, einschließlich der Einführung umweltfreundlicher Informations- und Kommunikationstechnologien in den Partnerländern und -regionen. Die Schlussfolgerungen der Taskforce der EU und der Afrikanischen Union für die digitale Wirtschaft werden die Unterstützung des digitalen Wandels in Afrika untermauern, einschließlich der Schaffung eines afrikanischen digitalen Binnenmarktes, sobald Mittel im Rahmen des neuen mehrjährigen Finanzrahmens der EU zur Verfügung stehen.

Viele Länder auf der ganzen Welt haben ihre eigenen Rechtsvorschriften an die strenge Datenschutzregelung der EU angeglichen. Angesichts dieses Erfolgs sollte die EU ihr Modell eines sicheren und offenen globalen Internets aktiv fördern.

Was Normen betrifft, so haben sich unsere Handelspartner dem von der EU angeführten Prozess angeschlossen, der zur erfolgreichen Festlegung globaler Normen für 5G und das Internet der Dinge geführt hat. Europa muss nun im Normungsprozess für die neue Technologiegeneration, d.h. Blockchain, Hochleistungsrechnen, Quantentechnologien, Algorithmen und Instrumente für den Datenaustausch und die Datennutzung, eine Führungsrolle übernehmen17.

Was Handel und Investitionen anbelangt, so wird die Kommission weiterhin gegen ungerechtfertigte Beschränkungen für europäische Unternehmen in Drittländern - wie Datenlokalisierungsauflagen - angehen und ehrgeizige Ziele in Bezug auf Marktzugang, Achtung des geistigen Eigentums, Forschungs-, Entwicklungs- und Normungsprogramme verfolgen. Die laufenden Diskussionen über den Aufbau einer vertrauenswürdigen Datenallianz mit gleich gesinnten Partnern, die unsere Werte und hohen Standards teilen, könnten den Datenverkehr und den Pool verfügbarer hochwertiger Daten verbessern.

Die Europäische Union ist und bleibt weltweit die offenste Region für Handel und Investitionen, solange jeder, der hier wirtschaftlich tätig sein möchte, unsere Regeln akzeptiert und einhält. Mit Blick auf einheitliche Wettbewerbsbedingungen im digitalen Sektor wird die Kommission alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen, um sicherzustellen, dass alle Wirtschaftsteilnehmer die EU-Rechtsvorschriften und die internationalen Vorschriften einhalten. Außerdem wird sie erforderlichenfalls neue Vorschriften vorschlagen; ein Beispiel sind die laufenden Arbeiten zur Entwicklung eines Rechtsinstruments, mit dem gegen die wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen ausländischer Subventionen auf den Binnenmarkt vorgegangen werden kann.

In einer Strategie für die globale Zusammenarbeit im digitalen Bereich soll ein europäischer Ansatz für den digitalen Wandel vorgeschlagen werden, der auf unserer langen und erfolgreichen Geschichte hinsichtlich Technologie, Innovation und Ideenreichtum aufbaut und sich auf europäische Werte, einschließlich der Offenheit, stützt, um diese Werte auf die internationale Bühne zu projizieren und mit unseren Partnern zusammenzuarbeiten. Sie wird auch die Bemühungen der EU in Afrika und anderen Teilen der Wert um die Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung, die Digitalisierung im Interesse der Entwicklung ("Digital4Development") und den Kapazitätsaufbau widerspiegeln.

Europa steht bei der Bekämpfung manipulativer Eingriffe in seinen Informationsraum an vorderster Front und hat wichtige Konzepte und Instrumente entwickelt. Wir werden weiterhin eng mit unseren internationalen Partnern wie der G7 zusammenarbeiten, um gemeinsame Ansätze für die Entwicklung internationaler Normen und Standards zu finden.

Schlüsselmaßnahmen

4. Fazit

Digitale Technologien, so fortschrittlich sie auch sein mögen, sind nur ein Instrument. Sie können nicht alle unsere Probleme lösen. Dennoch machen sie Dinge möglich, die noch vor einer Generation unvorstellbar waren. Der Erfolg der digitalen Strategie Europas wird an unserer Fähigkeit gemessen werden, diese Instrumente so einzusetzen, dass öffentliche Güter für die europäischen Bürger geschaffen werden.

Die datenagile Wirtschaft und ihr enormes Transformationspotenzial werden uns alle betreffen, und Europa steht bereit, die Vorteile, die dies mit sich bringt, in vollem Umfang zu nutzen. Um den digitalen Wandel zum Erfolg zu bringen, müssen wir jedoch die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, um für vertrauenswürdige Technologien zu sorgen, den Unternehmen Vertrauen in die Digitalisierung zu vermitteln und ihnen die für diesen Prozess erforderlichen Kompetenzen und Mittel an die Hand zu geben. Die Koordinierung der Bemühungen der EU, der Mitgliedstaaten, der Regionen, der Zivilgesellschaft und des Privatsektors ist entscheidend, um dies zu erreichen und die führende Rolle Europas im digitalen Bereich auszubauen.

Europa kann sich diesen digitalen Wandel zu eigen machen und die globalen Standards bei der technologischen Entwicklung mitbestimmen und - noch wichtiger - dabei die Inklusion und Achtung jedes einzelnen Menschen gewährleisten. Der digitale Wandel kann nur funktionieren, wenn er allen und nicht nur einigen wenigen zugutekommt. Es handelt sich um ein wahrhaft europäisches Vorhaben - eine digitale Gesellschaft, die auf europäischen Werten und europäischen Regeln beruht -, das als echte Inspiration für den Rest der Welt dienen kann.