Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Entfristung des Integrationsgesetzes

Der Bundesrat hat in seiner 976. Sitzung am 12. April 2019 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe c ( § 12a Absatz 3 AufenthG)

In Artikel 1 Nummer 1 ist Buchstabe c wie folgt zu fassen:

"c) Absatz 3 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Die Regelung des § 12a Absatz 3 AufenthG war von Anfang an problematisch, da die Kriterien Wohnraumversorgung sowie Ausbildungs- und Arbeitsmarkt gegenläufig sind. Wo der Arbeitsmarkt günstig ist, ist der Wohnungsmarkt in der Tendenz eher angespannt und umgekehrt. Dadurch ist es oft nicht möglich, beide Kriterien kumulativ zu erfüllen, und es entsteht ein rechtliches Risiko. Die bisherigen Erfahrungsberichte weisen darauf hin, dass eine nachhaltige Integration auch dann gefördert werden kann, wenn nicht zwingend alle drei Kriterien kumulativ vorliegen. Insofern bedarf es einer flexibleren Ausgestaltung dieser Vorschrift.

Nicht verbessert wird die Regelung zudem durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Einfügung des weiteren möglichen Kriteriums der Bildungs- und Betreuungsangebote, das die Kommunen begünstigt, die ihrer Verpflichtung nicht in ausreichendem Maße nachkommen, in jedem Fall die erforderlichen Schul- und Betreuungsangebote zu schaffen. Die vorgesehene Regelung würde sogar einen Anreiz setzen, diese Angebote nicht auszubauen. Auf die Nennung dieses Kriteriums sollte daher verzichtet werden. Länder, die sich bei ihrer Zuweisungsentscheidung darauf stützen wollen, könnten dies vor dem Hintergrund der Formulierung "insbesondere" trotzdem tun.

2. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe d Doppelbuchstabe aa Dreifachbuchstabe ccc - neu - (§ 12a Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c AufenthG)

In Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe d ist Doppelbuchstabe aa folgender Dreifachbuchstabe anzufügen:

"ccc) In Nummer 2 Buchstabe c wird das Wort "entstehen." durch die Wörter "entstehen; eine unzumutbare Einschränkung besteht insbesondere, wenn die Verpflichtung oder Zuweisung nach den Absätzen 1 bis 4 eine gewalttätige oder gewaltbetroffene Person an den bisherigen Wohnort bindet, einer Schutzanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz oder sonstigen zum Schutz vor Gewalt, insbesondere häuslicher oder geschlechtsspezifischer Gewalt, erforderlichen Maßnahmen entgegensteht." ersetzt."

Begründung:

In der Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe d Doppelbuchstabe bb wird im zweiten Absatz hervorgehoben, dass eine "unzumutbare Einschränkung" in § 12a Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c AufenthG besteht, wenn die Wohnortverpflichtung eine gewalttätige oder gewaltbetroffene Person an einen Wohnort bindet, einer Gewaltschutzanordnung oder sonstigen zum Schutz vor Gewalt erforderlichen Maßnahmen entgegensteht (vergleiche Seite 7). Wegen der besonderen Wichtigkeit dieser Hervorhebung wird sie unmittelbar im Gesetzeswortlaut aufgenommen.

3. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe e ( § 12a Absatz 10 AufenthG)

In Artikel 1 Nummer 1 ist Buchstabe e zu streichen.

Begründung:

§ 12a Absatz 10 AufenthG-E sieht einen Rückgriff auf die allgemeine Ermächtigung des § 12 Absatz 2 Satz 2 AufenthG vor, Visa und Aufenthaltserlaubnisse mit Auflagen (und damit auch Wohnsitzauflagen) zu verbinden.

Dies ist zum einen aus gesetzessystematischen Gründen abzulehnen, da § 12a AufenthG eine abschließende Regelung für anerkannte und aufgenommene Flüchtlinge darstellt, was auch in der Gesetzesbegründung nicht bestritten wird. Zum anderen steht zu befürchten, dass die vorgesehene Ermächtigung zu einer uneinheitlichen Anwendung in der ausländerbehördlichen Praxis führt:

Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung in Ausnahmefällen - wobei offen bleibt, welche Ausnahmefälle gemeint sein könnten - und auch nur dann zulässig sein, wenn dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung in allen Fällen Rechnung getragen wird, wobei auch eine besondere Begründung erforderlich ist.

Dies dürfte in der Praxis dazu führen, dass viele Ausländerbehörden wegen der vorgegebenen engen Grenzen auf diese Möglichkeit ganz verzichten werden (in diesem Fall wäre die Regelung entbehrlich); nicht auszuschließen ist aber auch, dass einige Ausländerbehörden in Verkennung der komplizierten Rechtslage regelmäßig nach Ablauf der dreijähren Wohnsitzauflage nach § 12a AufenthG eine solche nach § 12 Absatz 2 AufenthG verfügen.

4. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 72 Absatz 3a Satz 5 - neu - AufenthG)

Dem Artikel 1 Nummer 2 § 72 Absatz 3a ist folgender Satz anzufügen:

"Satz 1, Satz 2 zweiter Halbsatz, Satz 3 und 4 gelten für die Aufhebung oder Änderung einer Wohnsitzverpflichtung, die auf der Grundlage von § 12 Absatz 2 Satz 2, § 61 Absatz 1d oder § 60 des Asylgesetzes begründet wurde, entsprechend."

Begründung:

In der ausländerbehördlichen Anwendung führen Verfahren zur Aufhebung oder Änderung einer Wohnsitzauflage des Öfteren auch in den genannten Fällen zu Problemen, insbesondere bei länderübergreifenden Umzügen. Zur Gewährleistung einer einheitlichen Verfahrensweise sollten daher auch die weiteren Vorschriften zu Wohnsitzauflagen und zur Wohnsitzbeschränkung nach § 12 Absatz 2 Satz 2, § 61 Absatz 1d AufenthG und § 60 AsylG in § 72 Absatz 3a AufenthG-E aufgenommen werden.