Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der zivilrechtlichen Vorschriften des Heimgesetzes nach der Föderalismusreform

857. Sitzung des Bundesrates am 3. April 2009

A.

Der federführende Ausschuss für Familie und Senioren (FS) und der Gesundheitsausschuss (G) und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung (Wo) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 (§ 1 Absatz 1 Satz 3 WBVG)

In Artikel 1 § 1 Absatz 1 Satz 3 sind die Wörter ", Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung" zu streichen.

Begründung

Eine Anwendbarkeit des Gesetzes ist nicht gegeben, wenn der Unternehmer neben der Wohnraumüberlassung lediglich die Erbringung allgemeiner Betreuungsleistungen vereinbart. Dazu gehören nicht die Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung, also das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen. Die Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung können so umfänglich sein, so dass hier auch eine Abhängigkeit zum Unternehmer und damit ein besonderes Schutzbedürfnis des Verbrauchers entstehen kann. Die Abgrenzung zu den besonderen Betreuungsleistungen ist zudem fließend.

2. Zu weiteren Informationspflichten

Der Bundesrat spricht sich dafür aus, auch bei Vertragsabschlüssen des "Betreuten Wohnens" vorvertragliche Informationspflichten des Unternehmers entsprechend § 3 WBVG-E zu regeln. Dazu zählen Verträge, die den Verbraucher lediglich dazu verpflichten, allgemeine Betreuungsleistungen wie Notrufdienste, die Vermittlung von Dienst- und Pflegeleistungen oder Informationen und Beratungsleistungen (Grundleistungen) von bestimmten Anbietern abzunehmen, die über die Grundleistungen hinausgehenden Betreuungs- und Pflegeleistungen (Zusatzleistungen) jedoch frei wählbar sind.

Der Bundesrat fordert daher, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Vertragsabschlüsse im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 3 WBVG-E zumindest solchen vorvertraglichen Informationspflichten des Unternehmers (in Anlehnung an § 3 WBVG-E) zu unterwerfen, die im Zusammenhang mit einer potenziellen späteren Pflegebedürftigkeit des Verbrauchers stehen.

Begründung

In der Praxis hat sich gezeigt, dass Mieterinnen und Mieter sowie Käuferinnen und Käufer von Wohnraum, der unter dem Begriff des Betreuten Wohnens angeboten wird, häufig wegen unzureichender Informationen wie selbstverständlich davon ausgehen, dass sie dort auch im Falle eintretender Pflegebedürftigkeit dauerhaft bleiben und versorgt werden können. Da dies nicht in jedem Fall gewährleistet wird, ist es aus fürsorgerischen Gründen sowie aus Gründen der Transparenz unbedingt erforderlich hierüber aufzuklären. Anderenfalls ist eine freie Entscheidung der Mieterinnen und Mieter sowie Käuferinnen und Käufer auf zutreffender Tatsachengrundlage über die von Ihnen angestrebte Absicherung im Falle von Pflegebedürftigkeit nicht möglich.

3. Zu Artikel 1 (§ 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und § 6 Absatz 3 Nummer 2 WBVG)

In Artikel 1 § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und § 6 Absatz 3 Nummer 2 sind jeweils die Wörter "als Teil der Betreuungsleistungen" zu streichen.

Begründung

Mit dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) soll auch eine Harmonisierung mit dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) angestrebt werden. Im Rahmen des SGB XI und SGB XII werden die Leistungen der Unterkunft und Verpflegung gerade nicht den Pflege- oder Betreuungsleistungen zugeordnet; sie werden nach § 87 SGB XI bzw. § 76 SGB XII gesondert verhandelt und vereinbart. Da auch keine Notwendigkeit gesehen wird, die Verpflegung "als Teil der Betreuungsleistung" zu qualifizieren, sollte diese eingrenzende Formulierung weggelassen werden.

4. Zu Artikel 1 (§ 8 Absatz 1 Satz 1a - neu - WBVG)

In Artikel 1 § 8 Absatz 1 ist nach Satz 1 folgender Satz einzufügen: "Sowohl der Unternehmer als auch der Verbraucher können die erforderlichen Änderungen des Vertrages verlangen."

Begründung

Eine solche Regelung, welche dem bewährten Heimvertragsrecht, wie es in § 6 Absatz 1 Satz 2 HeimG normiert ist, entspricht, stärkt das Selbstbestimmungsrecht des Verbrauchers und erhöht damit die Verbrauchersouveränität.

Es sind hier durchaus Fallkonstellationen vorstellbar, bei denen der Unternehmer trotz der "Muss"-Regelung des § 8 Absatz 1 Satz 1 WBVG-E bei Änderung des Pflege- und Betreuungsbedarfes, beispielsweise aus wirtschaftlichen Gründen, untätig bleibt. Dann hätte der Verbraucher mit der vorgeschlagenen Initiativmöglichkeit die Möglichkeit und das Recht, die erforderlichen Änderungen auch in vertraglicher Hinsicht verlangen zu dürfen.

Nach der vorliegenden Regelung im Gesetzentwurf kann der Verbraucher nur auf das Angebot des Unternehmers reagieren, aber nicht selbst initiativ werden und die Änderung verlangen. Dies erscheint indes gerade bei für den Hilfe- oder Pflegebedürftigen bedeutsamen Leistungen und deren vertragliche Fixierung erforderlich.

5. Zu Artikel 1 (§ 8 Absatz 2 Satz 1 WBVG)

In Artikel 1 § 8 Absatz 2 Satz 1 sind nach den Wörtern "berechtigt, bei einer" die Wörter "von den Kostenträgern festgestellten" einzufügen.

Begründung

Die Möglichkeit des Unternehmers, abweichend von § 8 Absatz 1 WBVG-E

Verträge durch einseitige Erklärung anpassen zu können, muss für den Verbraucher nachvollziehbar sein. Eine Grenze wird in § 15 WBVG-E gezogen die Vertragsanpassung muss den Regelungen und Vereinbarungen nach dem Siebten und Achten Kapitel des Elften Buches Sozialgesetzbuch entsprechen. Damit steht noch nicht fest, welche Änderungen des Pflege- oder Betreuungsbedarfes eine einseitige Vertragsanpassung auslösen können. Durch die Einfügung wird klar gestellt, dass nur eine von den Kostenträgern festgestellte Änderung des Pflege- oder Betreuungsbedarfes die einseitige Anpassung durch den Unternehmer rechtfertigen kann. Bei anderen Änderungen des Pflege- oder Betreuungsbedarfes wäre § 8 Absatz 1 WBVG-E anwendbar: Zwischen Unternehmer und Verbraucher wäre eine Einigung erforderlich.

6. Zu Artikel 1 (§ 8 Absatz 2 Satz 1a - neu - WBVG)

In Artikel 1 § 8 Absatz 2 ist nach Satz 1 folgender Satz einzufügen: "Diese Erklärung bedarf der Zustimmung des Verbrauchers."

Begründung

Ebenso wie in § 8 Absatz 1 WBVG-E darf die Vertragsanpassung bei Änderung des Pflege- oder Betreuungsbedarfs nicht allein der Unternehmensseite überlassen bleiben. Dies gilt auch und gerade bei Leistungsempfängern nach dem Elften oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, also der in der Verwaltungspraxis häufigsten Fallgruppe.

Hier soll der Unternehmer nach der bisherigen Fassung die Vertragsanpassung mit diesen Verbrauchern bei einer Änderung des Pflege- oder Betreuungsbedarfs durch einseitige Erklärung vornehmen können. Begründet wird dies damit dass die Vorschrift dem "Umstand Rechnung" trage, "dass für die Verbraucher bezüglich der Anpassung von Leistungen bereits besondere Regelungen auf Grund der Vereinbarungen zwischen dem Unternehmer und dem jeweiligen Kostenträger nach dem Elften oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestehen". Die Begründung verkennt, dass in diesen Vereinbarungen unter Umständen gewisse Grundsätze zur Einstufung, jedenfalls aber die Höhe der Entgelte geregelt sind, jedoch die Fragen der konkreten Zuordnung des einzelnen Bewohners oder der einzelnen Bewohnerin beispielsweise zu einer Pflegestufe (im Bereich der Pflege) oder einem Leistungstyp (im Bereich der Behindertenhilfe) oder zu weiteren Leistungsbesonderheiten damit nicht beantwortet sind. Gerade hierüber aber kann Streit zwischen Verbraucher und Unternehmer entstehen. Daher und aus Gründen der Vertragsfreiheit und Gleichgewichtigkeit der Rechtsbeziehungen erscheint es erforderlich dass die "einseitige Erklärung" des Unternehmers der Zustimmung durch den Verbraucher bedarf. Auch diese Regelung würde das Selbstbestimmungsrecht des Verbrauchers und damit die Verbrauchersouveränität stärken.

7. Zu Artikel 1 (§ 10 Absatz 5 WBVG)

In Artikel 1 § 10 ist Absatz 5 zu streichen.

Begründung

§ 10 Absatz 5 WBVG-E soll regeln, dass der Kürzungsbetrag wegen einer Nicht- oder Schlechtleistung des Unternehmers vorrangig dem Sozialhilfeträger zustehen soll. Der Pflegekasse soll der Betrag dann zustehen, wenn er den Eigenteil des Verbrauchers übersteigt. Diese Vorschrift vermengt Aspekte, die dem Sozialleistungsrecht zuzuordnen sind, mit zivilrechtlichen Fragestellungen. Im Zivilrecht kann es nur um die Frage gehen, welche Bedingungen beim Vertragsschluss zwischen den Vertragsparteien zu beachten sind und welche Konsequenzen aus einer Nicht- oder Schlechtleistung erwachsen. Die in § 10 Absatz 5 WBVG-E getroffene Regelung betrifft dieses Verhältnis aber gerade nicht. Die Frage, ob der Kürzungsbetrag wegen eines entsprechenden Leistungsbezuges dem Sozialhilfeträger zu erstatten ist, ist leistungsrechtlich zu entscheiden und für den Vertrag zwischen dem Verbraucher und dem Einrichtungsträger ohne Belang.

Die Norm lässt offen, welche Rechtsnatur der Anspruch des Sozialhilfeträgers bzw. der Pflegekasse haben soll und welcher Rechtsweg für seine Durchsetzung maßgeblich wäre. Nach dem bisherigen Wortlaut entstünde bei einer Pflichtverletzung ein zivilrechtlicher Anspruch beim Sozialhilfeträger bzw. bei der Pflegekasse, der von diesen vor den Zivilgerichten geltend zu machen wäre. In diesem Fall müsste aber ein an § 116 SGB X angelehnter Übergang des zivilrechtlichen Anspruches geregelt werden. Da aber in diesem Fall der Verbraucher bei Pflichtverletzungen gegen den von ihm geschlossenen Vertrag auf die Streitfreudigkeit des Leistungsträgers angewiesen wäre, ist es geboten auf eine solche Regelung gänzlich zu verzichten. Dies dürfte der gewünschten Stärkung der Verbraucherstellung von Bewohnerinnen und Bewohnern in Einrichtungen gerecht werden.

8. Zu Artikel 1 (§ 11 Absatz 3 Satz 2 - neu - WBVG)

Dem Artikel 1 § 11 Absatz 3 ist folgender Satz anzufügen: "Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn der Unternehmer eine vom Verbraucher verlangte Anpassung des Vertrages nach § 8 Absatz 1 Satz 1a nicht vornimmt."

Begründung

Die Änderung dient der Klarstellung, dass auch der Verbraucher bei Nichteinhaltung der Pflichten des Unternehmers nach § 8 Absatz 1 Satz 1a - neu - WBVG (vgl. oben Ziffer 4) aus wichtigem Grunde kündigen kann.

Eine entsprechende Kündigungsmöglichkeit ist für den Unternehmer in § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe a WBVG-E vorgesehen.

9. Zu Artikel 1 (§ 15 WBVG)

In Artikel 1 ist § 15 wie folgt zu fassen:"

§ 15 Besondere Bestimmungen bei Bezug von Sozialleistungen

Begründung

Die Änderungen dienen der Klarstellung.

Bei den vertraglichen Beziehungen zwischen Unternehmern und Verbrauchern ist durchgängig nicht der leistungsrechtlich belegte Begriff "Vereinbarungen" zu verwenden. Er ist zu ersetzen durch die Begriffe "darin geregelten Inhalte" bzw. "Vertragsinhalte".

Auf diese Weise ist sichergestellt, dass im Interesse des Schutzes der Verbraucher bei den sich nach den §§ 7 bis 9 WBVG-E ergebenden Leistungen und Entgelten, insbesondere auch bei der einseitigen Anpassungserklärung des Unternehmers nach § 8 Absatz 2 WBVG-E, die Regelungen und Vereinbarungen des Leistungsrechts nach dem Elften und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch als Mindeststandard zu Grunde gelegt werden.

10. Zu Artikel 2 Absatz 1 Nummer 2a - neu - (§ 87a Absatz 1 Satz 2 SGB XI)

In Artikel 2 Absatz 1 ist nach Nummer 2 folgende Nummer einzufügen:

Begründung

Das Problem der widerstreitenden Regelungen bei Beendigung des Vertragsverhältnisses nach dem Tod des Verbrauchers wurde in § 4 Absatz 3 WBVG-E nicht gelöst. Die Neuregelung der zivilrechtlichen Vorschriften des Heimgesetzes sollte zum Anlass genommen werden, an dieser Stelle eine Harmonisierung der Vorschriften zu erreichen. Der in der Begründung angeführte Verweis auf § 15 WBVG-E wird dem nicht gerecht.

Da sich die zivilrechtliche Position des Verbrauchers künftig allein aus dem WBVG ergeben soll, ist kein Grund ersichtlich, warum eine das Vertragsrecht regelnde Norm in § 87a Absatz 1 Satz 2 SGB XI bestehen bleibt. Auch ist unverständlich warum der Bezug von Leistungen nach dem SGB XI dazu führen soll, dass ein Verbraucher in seiner Vertragsfreiheit beschränkt wird.

Dem dürfte der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes entgegenstehen. Ob eine zweiwöchige Fortgeltung des Vertrages nach dem Tod des Verbrauchers vereinbart werden kann, ist keine Frage des Sozialleistungsrechtes. Hier kann allenfalls die Pflicht des Kostenträgers zur Übernahme der nach dem Tod des Verbrauchers entstehenden Entgelte ausgeschlossen werden, nicht jedoch die Zahlungspflicht des Verbrauchers selbst geregelt werden.

11. Zu Artikel 2 Absatz 1 Nummer 7 Buchstabe b (§ 117 Absatz 1 Satz 1 SGB XI),

Buchstabe d (§ 117 Absatz 3 Satz 1 SGB XI), Buchstabe e (§ 117 Absatz 4 Satz 1 SGB XI)

In Artikel 2 Absatz 1 ist Nummer 7 wie folgt zu ändern:

Begründung

In einigen Landesnachfolgeregelungen zum Heimgesetz des Bundes sollen auch ambulant betreute Wohnformen für pflegebedürftige Menschen in den Anwendungsbereich einbezogen und unter Berücksichtigung bestimmter ordnungsrechtlicher Anforderungen von der zuständigen Aufsichtsbehörde überprüft werden, wie z.B. ambulant betreute Wohngemeinschaften nach dem zum 1. August 2008 in Kraft getretenen Bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetz.

Daher darf die Zusammenarbeit des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung e.V. bzw. der Landesverbände der Pflegekassen mit der Aufsichtsbehörde des jeweiligen Landes sowie der Datentransfer zur Aufsichtsbehörde nicht nur auf die stationäre Pflege (Pflegeheime) begrenzt bleiben sondern muss sich zukünftig auch auf den ambulanten Bereich erstrecken können.

Der Begriff "Pflegeheime" bzw. "Heime" muss ersetzt werden durch den Begriff "Pflegeeinrichtungen", da der letztere Begriff auch ambulante Pflegeeinrichtungen, also ambulante Pflegedienste, umfasst.

Ohne die Anpassungen im Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) ist eine effektive Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörde des betroffenen Landes mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung e.V. bzw. den Landesverbänden der Pflegekassen nicht gewährleistet.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) sieht in Artikel 2 Absatz 1 Nummer 5

Buchstabe b Doppelbuchstabe aa und Doppelbuchstabe bb und Nummer 6 bereits dementsprechende Änderungen von § 114a Absatz 4 und § 115 Absatz 1 Satz 1 SGB XI vor. Diese Gedanken müssen folgerichtig auch in § 117 SGB XI ihren Niederschlag finden.

Für die Länder, die in ihre Nachfolgeregelungen zum Heimgesetz des Bundes keine ambulant betreuten Wohnformen für pflegebedürftige Menschen einbeziehen sind die beantragten Änderungen unschädlich. Zukünftige Änderungen im Anwendungsbereich von Landesnachfolgeregelungen zum Heimgesetz des Bundes wären durch die Anpassungen im SGB XI bereits abgedeckt.

Zum Gesetzentwurf allgemein

Begründung

Nach der bisherigen Rechtslage haben die Heimaufsichtsbehörden die Heimverträge auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft und gegebenenfalls beanstandet.

Die neue Regelung verweist die pflegebedürftigen und behinderten Verbraucher auf den Weg der Klage vor den Zivilgerichten. Dies stellt für viele Menschen in ihren individuellen Lebensumständen, die durch Alter, Pflegebedürftigkeit, Behinderung oder psychische Erkrankung geprägt sind, eine Überforderung dar.

Daher sollten bessere Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung im Interesse der pflegebedürftigen Menschen in das Gesetz aufgenommen werden. Zu denken wäre insofern zunächst an eine Aufnahme des WBVG in den Katalog der Schutzgesetze nach § 2 Absatz 2 UKlaG.

Die die Überlassung von Wohnraum betreffenden Vorschriften des WBVG-E sollen den allgemeinen mietrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs als Sonderrecht vorgehen (vgl. Begründung Abschnitt A. II.). Die wohnungsbindungsrechtlichen Vorschriften des Bundes im Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) und im Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) gehen ebenfalls als Sonderrecht den allgemeinen mietrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs vor. Das Gleiche gilt für die wohnungsbindungsrechtlichen Vorschriften, mit denen einzelne Länder nach Artikel 125a Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes das WoBindG oder das WoFG ersetzt haben.

Dem vorliegenden Gesetzentwurf sind keine Hinweise zum Verhältnis der die Überlassung von Wohnraum betreffenden Vorschriften des WBVG-E einerseits zu den bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften des Wohnungsbindungsrechts andererseits - also dieser jeweiligen sonderrechtlichen Vorschriften zueinander - zu entnehmen. Dieses Verhältnis ist für die Fälle zu klären in denen es sich bei dem in § 1 WBVG-E genannten Wohnraum um geförderten bindungsrechtlichen Vorschriften unterliegenden Wohnraum handelt. Die bisherigen Regelungen im Heimgesetz (HeimG) erfassen lediglich Heime als Einrichtungen zur Aufnahme, Verpflegung und Betreuung von älteren pflegebedürftigen oder behinderten Menschen. § 1 Absatz 1 Satz 1 WBVG-E zieht den Anwendungsbereich des neuen Rechts dagegen weiter und knüpft lediglich an die Überlassung von Wohnraum und die Erbringung von Pflege- oder Betreuungsleistungen an. Damit entstehen zwangsläufig Überschneidungen mit dem Anwendungsbereich wohnungsbindungsrechtlicher Vorschriften.

Das Schutzniveau und die Beurteilungsmaßstäbe des WBVG-E unterscheiden sich aber von denen des Wohnungsbindungsrechts. Hätte das WBVG-E nicht nur gegenüber den allgemeinen mietrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sondern auch gegenüber den wohnungsbindungsrechtlichen Vorschriften einen Geltungsvorrang, dann könnte der Vermieter geförderten, bindungsrechtlichen Vorschriften unterliegenden Wohnraums im Ergebnis bei einer Neuvermietung durch ergänzende vertragliche Regelungen zur Erbringung von - auch nur geringfügigen - Pflege- oder Betreuungsleistungen im Sinne des § 1 WBVG-E über die zum Teil gesetzlich normierten wohnungsbindungsrechtlichen Anforderungen disponieren. Das ist schon deswegen problematisch, weil das WBVG-E (das zwar selbst als Verbraucherschutzrecht entwickelt wurde, vgl. Begründung Abschnitt A. III.) namentlich gegenüber dem WoBindG zum Teil ein niedrigeres Schutzniveau bietet.

Der Entwurf lässt in der bisherigen Fassung keine materielle Angleichung in dem Sinne erkennen, dass nur das, was wohnungsbindungsrechtlich zulässig ist, im Sinne des § 7 Absatz 2 und des § 9 Absatz 1 WBVG-E angemessen sein könnte.

Umgekehrt schränkt § 9 Absatz 1 Satz 4 WBVG-E im Vergleich zu den wohnungsbindungsrechtlichen Vorschriften die Möglichkeit von Entgelterhöhungen stärker ein. Für Entgelterhöhungen nach § 9 Absatz 1 Satz 4 WBVG-E genügt nämlich anders als nach der allgemeinen Regelung des § 9 Absatz 1 Satz 1 WBVG-E nicht die Angemessenheit der Erhöhung und des erhöhten Entgelts; vielmehr muss die Entgelterhöhung nach der Art des Betriebs notwendig sein. Diese Schwelle muss bei anderen bindungsrechtlichen Vorschriften unterliegendem Wohnraum gerade nicht erreicht sein, vgl. etwa für die Wohnraummodernisierung § 11 Absatz 5 Nummer 1 der für preisgebundenen Wohnraum geltenden Zweiten Berechnungsverordnung oder den nach Maßgabe des § 28 Absatz 1 Satz 2 WoFG anzuwendenden § 559 BGB.

Lässt sich ein Vermieter darauf ein, im Sinne des § 1 WBVG-E die Wohnraumüberlassung mit Pflege- oder Betreuungsleistungen zu verknüpfen, so könnten demnach nicht betriebsnotwendige, aber insbesondere energetisch sinnvolle Maßnahmen verhindert werden. Längerfristig könnte somit der Standard des in den Anwendungsbereich des WBVG-E fallenden Wohnraums zu Lasten der Bewohner abfallen.

B.