Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren
(PlVereinhG)

Der Bundesrat hat in seiner 896. Sitzung am 11. Mai 2012 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe b (§ 25 Absatz 3 VwVfG)

Die mit diesem Gesetz eingefügte Regelung zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung ist im geltenden Recht der Planfeststellung beziehungsweise Genehmigung von Vorhaben ohne Vorbild. Es ist erforderlich, die dazu gewonnenen Erfahrungen der Verwaltungspraxis auszuwerten und zu prüfen, ob gesetzliche Anpassungen geboten sind. Mit Einführung einer Regelung zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung stellt sich die - im Gesetzentwurf verneinte - Frage, ob es sinnvoll ist, eine Pflicht zur Durchführung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung bei bestimmten Vorhaben oder eine Pflicht zur Berücksichtigung des Ergebnisses der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen von Ermessens- oder Abwägungsentscheidungen vorzusehen. Außerdem stellt sich die Frage, ob die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung weiteren Verfahrensregelungen unterworfen werden soll. Angesichts dieser offenen Fragen sollte die Regelung zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung nach einigen Jahren unter wissenschaftlicher Betreuung evaluiert werden, um die gewonnenen Erfahrungen der Verwaltungspraxis auszuwerten und zu prüfen, ob gesetzliche Anpassungen erforderlich sind.

Begründung zu Buchstabe a:

Der neu eingefügte § 25 Absatz 3 VwVfG-E lässt offen, ob die "frühe Öffentlichkeitsbeteiligung" nur für Planfeststellungsverfahren, oder auch bei gebundenen Einzelgenehmigungen wie z.B. Baugenehmigungen Anwendung finden soll. Unklar ist auch, wie und wann die Behörde auf die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit hinwirken soll und wie sich dieses Beteiligungsverfahren und seine Ergebnisse zum nachfolgenden förmlichen Verfahren verhalten.

2. Zu Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe b (§ 37 Absatz 6 Satz 1 VwVfG)

In Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe b § 37 Absatz 6 Satz 1 sind die Wörter "die die Verwaltungsbehörde" durch die Wörter "die Behörde" zu ersetzten.

Begründung:

Es handelt sich hierbei um eine redaktionelle Änderung. Das VwVfG verwendet durchgängig den Begriff "Behörde". Im Interesse einheitlicher Begrifflichkeit ist der aus der VwGO übernommene Begriff "Verwaltungsbehörde" nicht zu verwenden. Daneben ist der doppelt vorhandene Artikel zu streichen.

3. Zu Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe h (§ 73 Absatz 9 VwVfG)

In Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe h § 73 Absatz 9 ist nach dem Wort "Planfeststellungsbehörde" das Wort "möglichst" einzufügen.

Begründung:

Nach der gegenwärtigen Fassung von § 73 Absatz 9 VwVfG erfolgt die Weiterleitung der Stellungnahme der Anhörungsbehörde bisher "möglichst" innerhalb eines Monats. Diese Regelung ist sinnvoll, da sie im begründeten Einzelfall besonders umstrittener oder planungsrechtlich komplizierter Vorhaben auch eine Abweichung erlaubt. Eine Notwendigkeit hierfür kann sich z.B. dann ergeben, wenn Ergebnisse nachträglicher Untersuchungen, die der Vorhabenträger im Rahmen des Erörterungstermins übernimmt oder auferlegt bekommt, erst vorliegen müssen, um das Anhörungsverfahren sachgemäß und rechtmäßig abschließen zu können. Die Streichung des Wortes "möglichst" im Gesetzentwurf würde eine unnötige Gefahr von Verfahrensfehlern bewirken, wenn diese Möglichkeit auf Grund sich aus dem Anhörungsverfahren ergebender Nachuntersuchungen nicht besteht. Die bisherige gesetzliche Formulierung an dieser Stelle entspricht deshalb den gesetzlichen Anforderungen an eine Abweichungsmöglichkeit im begründeten Einzelfall und muss deshalb auch in die Neufassung übernommen werden.

4. Zu Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe a (§ 74 Absatz 4 Satz 1 VwVfG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vorgeschlagene Regelung des § 74 Absatz 4 Satz 1 VwVfG-E bestehen und inwiefern Rechtsschutzmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger durch die geplante Rechtsänderung erschwert werden.

Begründung:

Der Planfeststellungsbeschluss soll nach dem Gesetzentwurf künftig nicht mehr den vom Plan bekannten Betroffenen zugestellt werden, sondern nur noch denjenigen, über deren Einwendung entschieden worden ist. Damit würden künftig unmittelbar betroffene Grundstückseigentümer nicht mehr informiert, sofern diese keine Einwendung erhoben haben, z.B. weil sie keine Kenntnis von dem Planfeststellungsverfahren erlangt hatten oder die Einwendungsfrist krankheits- oder urlaubsbedingt versäumt hatten. Soweit dieses Verständnis des Gesetzentwurfs zutrifft, hätte das zur Folge, dass Eigentümern, obwohl der Planfeststellungsbeschluss ihr Eigentumsrecht unmittelbar berührt, künftig der Beschluss nicht zugestellt wird. Gleiches gälte für alle sonstigen betroffenen Individualrechtsträger, die nicht oder nicht fristgerecht eine Einwendung erhoben haben. Die Zustellung an die bekannten Betroffenen erscheint aber eine bürgernahe Praxis, die nicht vorschnell aufgegeben werden sollte. Die Betroffenen werden auf die Auswirkungen des Beschlusses hingewiesen und können sich auf die Folgen einrichten, z.B. eine enteignende Vorwirkung oder sonstige Inanspruchnahme der Grundstücke.

5. Zu den planungsrechtlichen Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes

Der Bundesrat fordert, dass im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens auch die planungsrechtlichen Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes den übrigen Fachplanungsgesetzen angepasst werden.

Begründung:

Ein bedeutender Mangel des Gesetzentwurfs besteht darin, dass eine Materie des Bundesfachplanungsrechts völlig vergessen worden ist, das Personenbeförderungsgesetz. Nach dessen §§ 28 ff. richtet sich bundesweit die Planfeststellung von U- und Straßenbahnen. Es ist kein Grund dafür erkennbar, dass von der Vereinheitlichung des Verfahrensrechtes für Planfeststellungen die Regelungen für Bauvorhaben von Betriebsanlagen der Straßen- und Untergrundbahnen nach dem Personenbeförderungsgesetz, vgl. §§ 28 ff. PBefG, ausgenommen bleiben sollen. Der Gesetzentwurf liefe in diesem Bereich dann - entgegen der Gesetzgebungsintention der Rechtsvereinheitlichung im Fachplanungsrecht - ins Leere. Hier bedarf es einer vergleichbaren Bereinigung wie in den übrigen Fachgesetzen und dazu der Aufnahme entsprechender Regelungen in die die Fachplanungsgesetze betreffenden Artikel des Gesetzentwurfs. Insbesondere sollten die bisher in § 29 Absatz 1a PBefG enthaltenen Maßgaben zu § 73 VwVfG aufgehoben werden, da anderenfalls vor allem die Regelungen zur Beteiligung von Vereinigungen (vgl. § 73 Absatz 3 Satz 2, Absatz 4, Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 VwVfG-E) in Planfeststellungsverfahren nach dem PBefG nicht anwendbar wären. Rechtlich durch nichts gerechtfertigte Unterschiede bei den bundesrechtlichen Anforderungen für Straßen und Eisenbahnen einerseits und U- und Straßenbahnen andererseits können nicht zuletzt auch einen verfassungsrechtlichen Fehler des Gesetzentwurfs bewirken.