Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments mit Empfehlungen an die Kommission zum Statut der Europäischen Privatgesellschaft (2006/2013(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 103923 - vom 28. Februar 2007. Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 1. Februar 2007 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass die Bedingung des Artikels 39 Absatz 2 der Geschäftsordnung, wonach Vorbereitungen für einen Vorschlag noch nicht angelaufen sein dürfen, ordnungsgemäß erfüllt ist,

B. in der Erwägung, dass die öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments vom 22. Juni 2006 die Notwendigkeit einer Europäischen Privatgesellschaft als Rechtsform für grenzüberschreitend tätige kleine und mittlere Unternehmen unterstrich,

C. in der Erwägung, dass eine Europäische Privatgesellschaft (EPG) im Gebiet der Gemeinschaft gemäß gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften und Verfahrensregeln, die in einer Verordnung festgelegt werden müssen, durch eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen, die nicht notwendig in einem Mitgliedstaat ansässig sind, gegründet werden können sollte,

D. in der Erwägung, dass eine EPG Rechtspersönlichkeit besitzen sollte und für Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haften sollte,

E. in der Erwägung, dass die EPG Unternehmen neben nationalen Gesellschaftsformen eine zusätzliche und freiwillige Auswahlmöglichkeit bietet, wie sich Unternehmen verfassen können,

F. in der Erwägung, dass die EPG die Möglichkeit haben sollte, sich wahlweise eine monistische oder dualistische Struktur zu geben,

G. in der Erwägung, dass die EPG in ihrem Sitzstaat in das nach den nationalen Bestimmungen gemäß der Richtlinie 68/151/EWG zuständige Register mit einer zustellungsfähigen Geschäftsanschrift einzutragen ist, unter Berücksichtigung von Mechanismen zur Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit und Echtheit des Gründungsaktes,

H. in der Erwägung, dass der einschlägige gemeinschaftliche Besitzstand, der grenzüberschreitende Unterrichtungs-, Anhörungs- und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer vorsieht und der bestehende Arbeitnehmermitbestimmungsrechte gewährleistet (Richtlinien 94/45/EG und 2005/56/EG), vollständig beibehalten werden sollte, und in der Erwägung, dass folglich die Umwandlung einer Gesellschaft mit Arbeitnehmermitbestimmungs-, Unterrichtungs- und Anhörungsrechten in eine EPG nicht zum Verlust dieser bestehenden Rechte führen sollte,

Anhang
Ausführliche Empfehlungen zum Inhalt des Verlangten Vorschlags

Empfehlung 1 (zur gemeinschaftsrechtlichen Ausgestaltung der Unternehmensform)

Das Europäische Parlament ist der Auffassung, dass ein Statut der EPG weitestgehend gemeinschaftsrechtliche Regelungen enthalten und entsprechend auf Verweise auf nationales Recht verzichten und somit als einheitliches und abschließendes Statut konzipiert sein sollte. Daher sollen die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen der Verordnung über das Statut der EPG exklusiv Anwendung finden und die in dieser Verordnung geregelten Bereiche der Anwendung des Rechts der Mitgliedstaaten entzogen werden. Dies gilt für die Rechtsnatur, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die Gründung, die Änderung des Gesellschaftsvertrags, die Umwandlung und die Auflösung, den Namen oder die Firma, die Organisationsverfassung, die Vertretungsmacht der Organe, den Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft und die mit ihr verbundenen Rechte und Pflichten, die Haftung der Gesellschaft, der Geschäftsführer, der Mitglieder ihrer Organe und der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft sowie Minimumstandards zu den Pflichten der Geschäftsführung gegenüber der Gesellschaft; ferner soll das Statut Regelungen enthalten zur Funktionsweise der Gesellschaftsorgane, zu Abstimmungsmehrheiten, Gesellschafterberatungen und Bedingungen zum Kauf und Verkauf von Gesellschaftsanteilen; diese Regelungen sollen individuell nach den Bedürfnissen der Gesellschaft formuliert werden können. In den anderen Bereichen findet grundsätzlich das Statut Anwendung und lediglich subsidiär darüber hinausgehende Regeln in folgender Reihenfolge: andere gemeinschaftsrechtliche Vorschriften; Bestimmungen vergleichbarer Gesellschaftsformen des Mitgliedstaates, in dem die Gesellschaft ihren satzungsmäßigen Sitz hat. Die vergleichbaren relevanten Gesellschaftsformen in den jeweiligen Mitgliedstaaten sind in einem Anhang zu nennen.

Empfehlung 2 (zu Gründungsmodalitäten)

Das Europäische Parlament ist der Auffassung, dass die EPG ex nihilo oder ausgehend von einer bereits bestehenden Gesellschaft oder infolge einer Verschmelzung von Gesellschaften oder im Rahmen einer gemeinsamen Tochtergesellschaft gegründet werden können muss. Im Übrigen muss die EPG in eine Europäische Aktiengesellschaft umgewandelt werden können.

Empfehlung 3 (zum Stammkapital)

Das Europäische Parlament ist der Auffassung, dass das Stammkapital der EPG in Geschäftsanteile mit einem bestimmten Nennwert aufgeteilt werden sollte; dass die Geschäftsanteile der Gesellschafter auf volle Euro lauten sollten; dass das Mindestkapital 10 000 EUR oder den zum Zeitpunkt der Eintragung entsprechenden Gegenwert in einer anderen Währung betragen sollte; und dass das Mindestkapital, das den Haftungsumfang der Gesellschafter festlegt, nicht notwendigerweise eingezahlt werden muss.

Empfehlung 4 (zur Organisation)

Das Europäische Parlament regt an, dass die EPG mindestens einen Geschäftsführer haben sollte und die ersten Geschäftsführer durch Beschluss der Gesellschafter oder im Gesellschaftsvertrag bestimmt werden sollen; dass Geschäftsführer nicht sein darf, wem nach einer Entscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde eines Mitgliedstaates die Übernahme einer dem Geschäftsführer vergleichbaren Stellung untersagt ist.

Empfehlung 5 (zum Inhalt des Gesellschaftsvertrages)

Das Europäische Parlament regt an, dass der Gesellschaftsvertrag folgende Angaben enthalten sollte: die Rechtsform und die Firma der Gesellschaft; die Dauer der Gesellschaft, falls sie begrenzt ist; den Unternehmensgegenstand; den satzungsmäßigen Sitz der Gesellschaft; das Gesellschaftskapital und das Organ oder die Organe, welche die Gesellschaft gegenüber Dritten und vor Gericht vertreten können; und die von jedem Gesellschafter auf die von ihm übernommenen Geschäftsanteile zu leistende Einlage.

Empfehlung 6 (zur Haftung des Geschäftsführers)

Das Europäische Parlament ist der Auffassung, dass der oder die Geschäftsführer der EPG einzeln oder gesamtschuldnerisch gegenüber der Gesellschaft für alle Handlungen, die gegen die auf die Gesellschaft anwendbaren Zivil- und Strafvorschriften verstoßen, haftbar sein müssen.

Empfehlung 7 (zur Haftung der Geschäftsführer und der Gesellschafter bei Vermögensminderung)

Das Europäische Parlament ist der Auffassung, dass die Gesellschaftsorgane als Gesamtschuldner für den Schaden verantwortlich sein sollten, der der EPG dadurch entsteht, dass durch die Handlungen der Gesellschaft das Vermögen der EPG zugunsten eines Gesellschaftsorgans, eines Gesellschafters oder einer diesen nahe stehenden Person vermindert wurde; dass der Empfänger einer unrechtmäßigen Leistung der Gesellschaft die Rückgewähr schulden sollte; dass eine Haftung nur eintreten sollte, wenn die Handlung nicht im wohlverstandenen Interesse der EPG lag; dass eine Haftung insbesondere dann nicht eintritt, wenn die EPG in eine kohärente Gruppenpolitik eingebunden ist und eventuelle Nachteile durch die Vorteile der Gruppenzugehörigkeit kompensiert werden; dass eine Haftung der Geschäftsführer oder der Gesellschafter nach anderen Rechtsvorschriften unberührt bleiben sollte.

Empfehlung 8 (zu Anhängen der Verordnung)

Das Europäische Parlament regt an, dass die Verordnung folgende Anhänge enthalten sollte:

Empfehlung 9 (zu Jahresabschlüssen)

Das Europäische Parlament ist der Auffassung, dass die EPG den harmonisierten Rechnungslegungsvorschriften unterliegen sollte (Richtlinien 078/660/EWG1 und 083/349/EWG2), die in jedem Mitgliedstaat für die vergleichbare Gesellschaftsform gelten.

Empfehlung 10 (zu Umwandlungsmöglichkeiten)

Das Europäische Parlament ist der Auffassung, dass eine EPG die Möglichkeit zur Verschmelzung3, Sitzverlegung, Spaltung und zum Formwechsel in eine Europäische Aktiengesellschaft4 haben muss - und zwar, soweit gegeben, nach bereits harmonisiertem Gemeinschaftsrecht; gibt es kein einschlägiges Gemeinschaftsrecht, so sollen die Vorschriften der Mitgliedstaaten, die auf vergleichbare Rechtsformen im Mitgliedstaat Anwendung finden, gelten; dass in diesem Zusammenhang die Regelungen der Mitbestimmung im Sitzstaat und nach Gemeinschaftsrecht Anwendung finden sollten; unter Beibehaltung bestehender Arbeitnehmerrechte muss auch die Umwandlung von nationalen Gesellschaften in EPG ermöglicht werden; dies gilt auch für die Rückumwandlung einer EPG in eine nationale Rechtsform.

Empfehlung 11 (zur Auflösung, Liquidation, Insolvenz und Zahlungseinstellung)

Das Europäische Parlament ist der Auffassung, dass die Geschäftsführer einer EPG verpflichtet sein müssen, bei Vorliegen eines Insolvenztatbestands ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber nach drei Wochen, die Einleitung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen; dass sie bei Verstoß gegen diese Pflicht gegenüber Gläubigern, denen hierdurch ein Schaden entsteht, unmittelbar und gesamtschuldnerisch haften sollten; dass im Übrigen die EPG bezüglich der Auflösung oder Liquidation, der Insolvenz und der Zahlungseinstellung und vergleichbarer Vorgänge den Vorschriften unterliegen sollte, die auf die Gesellschaften Anwendung finden, denen sie in jedem Mitgliedstaat durch diese Verordnung gleichgestellt wird; hinsichtlich der Insolvenz sollten die Vorschriften am Verwaltungssitz der Gesellschaft zur Anwendung kommen.