Beschluss des Bundesrates
Entschließung des Bundesrates zu dem geplanten Abkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, Australien, Japan, Kanada, Republik Korea, Königreich Marokko, den Vereinigten Mexikanischen Staaten, Neuseeland, der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Republik Singapur und den Vereinigten Staaten von Amerika über den Schutz des geistigen Eigentums
(Anti-Counterfeiting Trade Agreement - ACTA)

Der Bundesrat hat in seiner 869. Sitzung am 7. Mai 2010 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.

Anlage
Entschließung des Bundesrates zu dem geplanten Abkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, Australien, Japan, Kanada, Republik Korea, Königreich Marokko, den Vereinigten Mexikanischen Staaten, Neuseeland, der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Republik Singapur und den Vereinigten Staaten von Amerika über den Schutz des geistigen Eigentums (Anti-Counterfeiting Trade Agreement - ACTA)

Begründung

Die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und die Bekämpfung der Produktfälschung und -piraterie sind bereits wegen der hohen wirtschaftlichen Schäden, die durch Verletzungen geistigen Eigentums und Produktfälschung bzw. -piraterie entstehen, ein zentrales Anliegen der EU, der USA und der weiteren an ACTA beteiligten Staaten. So ist ein effektiver Schutz des geistigen Eigentums und von Urheberrechten ein wichtiger Bestandteil der Innovationsförderung. Daher teilt der Bundesrat grundsätzlich das Bestreben, hierzu völkerrechtliche Abkommen abzuschließen.

Allerdings sind hierbei die verfassungsmäßigen Anforderungen zu beachten. So muss der verfassungsmäßig garantierte Schutz des Eigentums gegen die daraus resultierenden Eingriffe in die ebenfalls in der Verfassung garantierten Rechte wie die Meinungsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und auf Schutz der Privatsphäre gegeneinander abgewogen und zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden.

Zugleich muss die Wahrung der demokratischen Verfahren gewährleistet sein. Hierfür ist die frühzeitige und umfassende Information des Europäischen Parlaments, der nationalen Gesetzgebungsorgane und der Öffentlichkeit über den Verlauf der Verhandlungen zu einem solchen Abkommen zu gewährleisten.

Aufgrund der nicht öffentlichen Verhandlung des Abkommens und wenigen offiziellen Unterlagen zu ACTA ist eine abschließende Bewertung des Inhalts des Abkommens derzeit nicht möglich. Es wurden jedoch nicht offizielle Entwürfe einzelner an den Verhandlungen teilnehmender Staaten bekannt, deren Inhalt im Widerspruch zu der Aussage steht, dass für die EU keine weitreichenden Änderungen zu erwarten seien.

Vor diesem Hintergrund besteht Anlass zu der Sorge, dass auch in anderen Bereichen der nach ACTA angestrebten Zusammenarbeit Regelungen und Durchsetzungsinstrumente zur Debatte stehen, gegen die erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Genannt werden dabei auch die anlasslose Durchsuchung von Laptops, Mobiltelefonen und MP-3-Geräten durch Grenz- und Zollbehörden ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl.

Besonders bei Maßnahmen, die den Zugang zu und/oder die Nutzung von Diensten und Anwendungen durch die Nutzer einschränken, ist sicherzustellen, dass die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger einschließlich des Rechts auf Privatsphäre, der Richtervorbehalt sowie der Grundsatz der Subsidiarität geachtet werden.

Auch aus diesem Grund sind die Nichtöffentlichkeit der Verhandlungen und die nur spärlich erfolgende Unterrichtung über den Stand der Verhandlung durch die Kommission und die Bundesregierung, die als Beobachter an den Verhandlungen teilnimmt, kritisch zu würdigen. Des Weiteren würde eine abschließende Regelung hinsichtlich Themenkomplexen, wie der Beschränkung des Internetzuganges, ohne eine vorausgehende öffentliche Diskussion der Bedeutung der Freiheitsrechte der Betroffenen nicht gerecht werden.

Es ist weiterhin in Frage zu stellen, ob ACTA der richtige Weg zu einem umfassenden Schutz von geistigem Eigentum und vor Produktfälschung ist. Zwingender Bestandteil zur Gewährleistung eines möglichst umfangreichen und effektiven Schutzes von geistigem Eigentum und vor Produktfälschung ist ein möglichst weitgreifendes Abkommen unter Einbezug möglichst vieler Staaten.