Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes

946. Sitzung des Bundesrates am 17. Juni 2016

A

Der federführende Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV),

der Gesundheitsausschuss (G) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zum Gesetzentwurf allgemein

Bereits mit dem Gesetz zur Umsetzung der Tabakproduktrichtlinie, das am 20. Mai 2016 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber umfangreiche Regelungen zur Verbesserung des Gesundheits- und des Jugendschutzes getroffen. Die Umsetzung dieser Regelungen bedeutet für die betroffenen Unternehmen schon jetzt einen hohen finanziellen und organisatorischen Aufwand. Die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehenen weiteren Verschärfungen durch zusätzliche nationale Werbeverbote und die Gleichstellung von nikotinfreien mit nikotinhaltigen E-Zigaretten stellen für die Unternehmen eine zusätzliche Belastung dar und gefährden die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen, da die Regelungen EU-rechtlich nicht notwendig sind und somit über eine Einszueins-Umsetzung von EU-Recht hinausgehen.

Vor diesem Hintergrund bittet der Bundesrat, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die einzelnen Vorschläge des Gesetzentwurfs nochmal kritisch zu hinterfragen und zu prüfen, ob diese unbedingt erforderlich sind. Dies gilt vor allem für das Verbot der kostenlosen Abgabe von Tabakprodukten, die Beschränkung der Kinowerbung und die Gleichstellung von nikotinfreien mit nikotinhaltigen E-Zigaretten.

Ungeachtet der Bitte um erneute Prüfung des gesamten Regelungsvorhabens gibt der vorliegende Gesetzentwurf Anlass zu folgender Stellungnahme:*

2. Zur Gesetzgebungskompetenz

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwieweit für ein Verbot der Außenwerbung das Gesetzgebungsrecht des Bundes nach Artikel 72 Absatz 2 Grundgesetz gegeben ist, d.h. ob und inwieweit die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.

3. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a (§ 2 Nummer 9 TabakerzG)

In Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe a sind in § 2 Nummer 9 die Wörter ", die mittels einer ortsfesten Einrichtung" zu streichen.

* gilt bei Annahme von Ziffer 1 mit Ziffer 2 und/oder 9 als mitbeschlossen

Begründung:

Mit der Änderung soll die bisher in der Definition enthaltene Einschränkung, dass von der Außenwerbung nur ortsfeste Einrichtungen umfasst werden, gestrichen werden. Es würde sonst die Möglichkeit bestehen, durch die Nutzung nicht ortsfester Oberflächen als Werbeträger, wie bspw. Aufsteller, Gerüste, Flächen auf Fahrzeugen und Sonnenschirme, das Verbot der Außenwerbung des § 20a zu umgehen und damit das Ziel des Gesetzes, die Verbesserung des Gesundheits- und Jugendschutzes, zu unterlaufen.

4. Zu Artikel 1 Nummer 8 (§ 20a Satz 2 TabakerzG)

In Artikel 1 Nummer 8 ist § 20a Satz 2 zu streichen.

Begründung:

Die Ausnahme vom Verbot der Außenwerbung für Werbung an Gebäudeaußenflächen von Geschäftsräumen des Fachhandels ist aus Sicht des Verbraucherschutzes nicht gerechtfertigt. Die Werbeverbote können ihre Wirkung nur dann voll entfalten, wenn sie auch umfassend sind. Wie auch der Begründung des Gesetzentwurfes zu entnehmen ist, sollen die Werbemaßnahmen durch die Verbote so kanalisiert werden, dass von ihnen primär Personen erreicht werden, die sich ohnehin schon in einem einschlägigen Verkaufsumfeld mit Warenpräsentationen und ggf. Verkaufsgesprächen befinden. Eine Außenwerbung an der Verkaufsstelle ist für alle Personengruppen wahrnehmbar und steht mit diesem Ziel nicht in Einklang. Da Fassadenwerbung schon von weitem und unabhängig von den Geschäftsöffnungszeiten sichtbar ist und damit von einer größeren Personenzahl wahrgenommen werden kann, ist sie geeignet, die Wirksamkeit des Verbots der Außenwerbung deutlich zu beeinträchtigen.

5. Zu Artikel 1 Nummer 8 (§ 20b Absatz 1, Absatz 2 TabakerzG)

In Artikel 1 Nummer 8 ist § 20b wie folgt zu ändern:

Folgeänderung:

In Artikel 1 Nummer 14 Buchstabe b ist § 47 Absatz 7 zu streichen.

Begründung:

Im Referentenentwurf vom 4. November 2015 war ein umfassendes Verbot der kostenlosen Abgabe von Tabakerzeugnissen und elektronischen Zigaretten vorgesehen. Mit der jetzt im Gesetzentwurf vorgesehenen Differenzierung soll die Möglichkeit eröffnet werden, bestimmte Tabakerzeugnisse nach wie vor kostenlos abzugeben, auch wenn sich diese Ausnahme auf Geschäftsräume des Fachhandels beschränken soll. In der Vergangenheit wurden seitens eines großen Herstellers über Werbefirmen Werbepartys unter dem Motto "Rauchen, Feiern, Genießen" angeboten; für derartige Partys konnten sich junge Leute ab 21 Jahren bewerben, um eine "Festival Revival Party" zu gewinnen. Diese Partys und ähnliche Veranstaltungen ließen sich auch künftig ohne weiteres durchführen, sofern sie in die Geschäftsräume des Tabakhandels verlegt würden. Das Ziel der EU, junge Leute vor den Gefahren des Tabakrauchens bzw. vor elektronischen Zigaretten als Einstieg in den Konsum von Tabakerzeugnissen zu schützen, ließe sich damit umgehen. Mit der Streichung der Ausnahme, dass bestimmte, im Absatz 2 genannte Tabakerzeugnisse noch in Geschäftsräumen des Fachhandels kostenlos abgegeben werden können, entfällt dessen Regelungsinhalt und er ist damit zu streichen. Das Verbot der kostenlosen Abgabe ist damit für alle Tabakerzeugnisse, elektronische Zigaretten und deren Nachfüllbehälter unterschiedslos in Absatz 1 zu regeln.

In der Folge ist auch § 47 Absatz 7 zu streichen, da sich dieser auf den bisherigen (nunmehr gestrichenen) § 20b Absatz 2 bezieht und mit dem eine Übergangsfrist bis zum 20. Mai 2020 vorgesehen ist.

6. Zu Artikel 1 Nummer 9 (§ 21 Absatz 1 Nummer 5 - neu - TabakerzG)

In Artikel 1 Nummer 9 ist § 21 Absatz 1 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Im Referentenentwurf vom 4. November 2015 war die o.g. Regelung - in redaktionell etwas anderer Form - enthalten. Warum diese nun im aktuellen Gesetzentwurf entfallen soll, kann nicht nachvollzogen werden, da es sich um eine sinnvolle Regelung handelt, die den Schutzgedanken der EU widerspiegelt. Gerade vor dem Hintergrund, dass E-Zigaretten derzeit häufig als gesundheitlich unbedenklich beworben werden und gerade für junge Menschen leicht als Einstieg in "unbedenklichen Rauchgenuss" genutzt werden, erscheint ein Verbot solcher werblicher Informationen sinnvoll und notwendig. Mit der vorgeschlagenen Änderung würde die Regelung wieder in den Gesetzentwurf aufgenommen werden.

7. Zu Artikel 1 Nummer 14 Buchstabe b (§ 47 Absatz 6 TabakerzG)

In Artikel 1 Nummer 14 Buchstabe b ist § 47 Absatz 6 zu streichen.

Folgeänderung:

In Artikel 1 Nummer 14 Buchstabe b wird der bisherige § 47 Absatz 8 zu § 47 Absatz 7.*

Begründung:

Das Verbot zur Außenwerbung wird grundsätzlich begrüßt. Dem Ziel der EU, Verbraucher - insbesondere junge Menschen - vor den Gefahren des Tabakkonsums zu schützen bzw. zu bewegen, nicht mit dem Konsum von Tabakprodukten oder elektronischen Zigaretten zu beginnen, wäre jedoch besser gedient, wenn das Verbot der Außenwerbung ohne die geplante Übergangsfrist, die bis zum 1. Juli 2020 gelten soll, in Kraft treten würde. Dieses könnte mit der Streichung des bisher vorgesehenen Absatzes 6 im § 47 erreicht werden.

8. Hilfsempfehlung zu Ziffer 7

Zu Artikel 1 Nummer 14 Buchstabe b (§ 47 Absatz 6 TabakerzG)

In Artikel 1 Nummer 14 Buchstabe b ist in § 47 Absatz 6 ist Angabe "1. Juli 2020" durch die Angabe "1. Juli 2017" zu ersetzen.

Begründung:

Für die lange Übergangsfrist von mindestens vier Jahren bis zum Inkrafttreten des Verbots der Außenwerbung nach § 20a TabakerzG besteht kein sachlicher Grund.

* Wird bei Annahme mit Ziffer 5 redaktionell angepasst.

Um aus gesundheitspolitischen Gründen die Raucherquote zügig weiter senken zu können, ist ein zeitnahes Inkrafttreten erforderlich.

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Frist bis zum Jahr 2020 ist zu lang. Eine Befristung bis Juli 2017 reicht vollkommen aus.

9. Zu Artikel 1 Nummer 14 Buchstabe b (§ 47 Absatz 6 TabakerzG)

In Artikel 1 Nummer 14 Buchstabe b sind in § 47 Absatz 6 nach den Wörtern "1. Juli 2020 anzuwenden" die Wörter ", in Fällen der Außenwerbung an kommunaler Infrastruktur ab dem 1. Juli 2024" einzufügen.

Begründung:

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der in § 47 Absatz 6 des Tabakerzeugnisgesetzes festgesetzte Termin, ab welchem das Verbot der Außenwerbung für Tabakerzeugnisse, elektronische Zigaretten oder Nachfüllbehälter an kommunalen Infrastruktureinrichtungen gilt, zu knapp bemessen ist.

Die Außenwerbung wird von mittelständischen Unternehmen geprägt. Diese stellen den Kommunen werbefinanzierte Infrastruktureinrichtungen, wie z.B. Fahrgastunterstände, zur Verfügung. Grundlage sind langfristige Verträge mit einer Laufzeit von 15 bis 20 Jahren, auf deren Basis die Investitionen von den Unternehmen getätigt und regelmäßig auch zusätzliche Entgelte garantiert werden. Finanziert werden die vertraglichen Leistungen über die Vermarktung der integrierten Werbeflächen. Der Anteil der Tabakwerbung an den Werbeerlösen beträgt nach Angaben der betroffenen Unternehmen im Bundesdurchschnitt 15 Prozent.

Kalkulationsbasis der Verträge sind neben Prognosen zur wirtschaftlichen und urbanen Entwicklung die zum Zeitpunkt des Abschlusses geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen. Im Falle des Tabakwerbeverbotes würde ein wesentlicher Umsatzanteil verlorengehen und die Werbewirtschaft erheblich belastet. Vertragsanpassungen während der Laufzeit sind dagegen nicht ohne weiteres möglich (die Investitionen sind bereits getätigt). Um die negativen Folgen eines etwaigen Tabakwerbeverbotes auszugleichen, bedarf es daher entsprechend längerer Übergangsfristen.

Eine vollständige Substitution der Umsätze während der Vertragslaufzeit durch andere Kundengruppen bzw. Branchen ist aufgrund der Höhe des Tabakanteils und vor dem Hintergrund des intermedialen Wettbewerbs der traditionellen Medien mit den neuen Online-Angeboten nicht realisierbar.

In vielen Städten und Gemeinden ist die Tabakwerbung eng mit der kommunalen Infrastruktur verbunden. Die Investitionen für die Stadtmöbel tragen die Außenwerbeunternehmen, die Kommunen werden entlastet und generieren weitere regelmäßige Einnahmen über Konzessionen. Das Tabakwerbeverbot im Außenbereich wird demzufolge mit Einnahmeverlusten für die Städte und Gemeinden einhergehen. Mögliche Folgen sind städtebauliche Einschränkungen, eine Reduzierung des Dienstleistungsangebots der Kommunen oder eine Beeinträchtigung der Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs.

Insofern ist für die Städte und Gemeinden die vorgesehene vierjährige Übergangsfrist ebenfalls zu kurz bemessen und sollte auf acht Jahre verlängert werden.

Die vorgeschlagene Übergangsfrist gestattet es, einen Großteil der Verträge planmäßig zu erfüllen. Die Kommunen und die Außenwerbewirtschaft haben ausreichend Zeit, sich auf die Veränderungen einzustellen.

10. Hilfsempfehlung zu Ziffer 5

Zu Artikel 1 Nummer 14 Buchstabe b (§ 47 Absatz 7 Satz 1 TabakerzG)

In Artikel 1 Nummer 14 Buchstabe b ist in § 47 Absatz 7 Satz 1 ist Angabe "20. Mai 2020" durch die Angabe "20. Mai 2017" zu ersetzen.

Begründung:

Für die langen Übergangsfristen von mindestens vier Jahren bis zum Inkrafttreten des Verbots der kostenlosen Abgabe nach § 20b TabakerzG besteht kein sachlicher Grund.

Um aus gesundheitspolitischen Gründen die Raucherquote zügig weiter senken zu können, ist ein zeitnahes Inkrafttreten erforderlich.

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Frist bis zum Jahr 2020 ist zu lang. Eine Befristung bis Mai 2017 reicht vollkommen aus.

B